L 7 KA 38/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 392/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 38/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 33/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Beherrschung einer besonderen Methode zur Verständigung mit sprachbehinderten Menschen (hier: augmentative alternative Kommunikation) begründet keinen Anspruch auf Sonderbedarfszulassung als Psychologischer Psychotherapeut.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Mai 2010 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1). Im Übrigen tragen die anderen Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Revision wird nicht zugelassen. -

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Sonderbedarfszulassung des Klägers zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung im Zulassungsbezirk Berlin.

Der 1954 geborene Kläger ist Diplompsychologe und Diplomsoziologe. Er ist seit Januar 1999 als Psychologischer Psychotherapeut approbiert und wurde im Februar 2007 als solcher in das Arztregister der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns eingetragen.

Am 30. Juni 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten seine Sonderbedarfszulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung als Psychologischer Psychotherapeut. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an: Sein Antrag beziehe sich auf die Unterversorgung in der psychotherapeutischen Behandlung zweier Klientengruppen, nämlich zum einen von solchen, die nicht sprechen bzw. eine massive Sprachbehinderung haben und mit einem bereits zugelassenen Therapeuten die Psychotherapie nicht durchführen können, weil sie nicht verstanden werden, und zum anderen von solchen, die Englisch als Muttersprache sprechen und aufgrund ihres kulturellen und sozialen Hintergrunds eine Psychotherapie in Englisch durchführen müssen. Zu letzterer Gruppe gehörten etwa 30.000 Menschen in Berlin, die nicht oder kaum Deutsch sprächen. Für diese gebe es nicht genügend Behandler englischer Muttersprache. Für ein optimales Verständnis und eine optimale Behandlung der Betroffenen sei häufig unabdingbar, dass der Therapeut Englisch als Muttersprache spreche. Zu ersterer Gruppe gehörten etwa 0,5 % der Bevölkerung Berlins, mithin etwa 17.500 Einwohner. Diese seien aufgrund von angeborenen, prä-, peri- oder postnatalen sowie durch Unfall oder Krankheit erworbenen Schädigungen lautsprachlich eingeschränkt. Der überwiegende Anteil sei so stark sprachbehindert bzw. nicht sprechend, dass er in der Regel von einem Fremden nicht verstanden werde. Eine signifikante Anzahl dieser Personen habe aufgrund der Folgen der Sprachbehinderung emotionale und psychische Probleme und benötige daher psychotherapeutische Hilfe. Er habe es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen mit unterschiedlichen Sprachbehinderungen und insbesondere nicht sprechende Menschen ihren Bedürfnissen gemäß zu behandeln. Auch für diesen Bereich gebe es nicht genügend zugelassene Kollegen. Im Rahmen seiner Ausbildung habe er eine psychologisch-psychotherapeutische Interventionsmethode, die AAC Therapie, entwickelt (augmentative alternative Kommunikation). Durch seine Sonderbedarfszulassung könne auch die Versorgung dieser Gruppe von Klienten in angemessener Weise gewährleistet werden.

Mit Beschluss vom 10. September 2008 lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten den Antrag des Klägers auf Sonderbedarfszulassung zur Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung ab. Eine Unterversorgung mit psychotherapeutischen Leistungen durch Psychologische Psychotherapeuten bestehe nicht und drohe auch nicht, denn der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe eine Überversorgung mit 160,2 Prozent festgestellt und daraufhin Zulassungssperren verhängt. Die Voraussetzungen für eine Sonderbedarfszulassung nach Nr. 24 der Bedarfsplanungs-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erfülle der Kläger nicht. Von der Sicherstellung der vertragsärztlichen und der vertragspsychotherapeutischen Versorgung seien nur Tätigkeiten erfasst, die ihrer Natur nach unmittelbar zur ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung zählten und die der Arzt oder Psychotherapeut aufgrund seines Fachwissens zu verantworten habe. Die Behebung von Sprachschwierigkeiten zwischen Patienten und Behandlern bzw. Fremdsprachenkenntnisse seien aber gerade nicht Bestandteil des ärztlichen oder psychotherapeutischen Fachwissens, sondern Teile der persönlichen Bildung des Behandlers.

Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerspruch beziehe sich nur auf die Patientengruppe der nicht sprechenden oder schwerst sprachbehinderten Menschen. Zur Gruppe dieser Patienten gehörten, gemessen an der Klassifikation der ICD 10, u. a. folgende Diagnosen: Artikulationsstörungen, expressive Sprachstörungen, atypischer Autismus, Rett Syndrom, sonstige und Bewegungsstereotypien, Asperger-Syndrom, sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörungen, Down-Syndrom, Epilepsien, Angelmann-Syndrom, Multiple Sklerose, Parkinson-Krankheit, Lech Nyhan-Syndrom, Hydrocephalus congenitus und spastische Tetraplegie. Viele der Patienten aus diesem Bereich gehörten zum Kreis der Nichtsprechenden, d. h. der Personen, die sich nicht oder nicht ausreichend lautsprachlich mitteilten könnten. Die vom Kläger beherrschte Methode der Kommunikationshilfe bestehe in der AAC. Ein Patient erlerne durch die physische, verbale und emotionale Unterstützung des AAC Therapeuten, mit der Umwelt auf eine Weise in Kontakt zu treten, dass diese ihn auch verstehen könne. Die AAC Methode zur Kommunikationshilfe stelle keine Therapieform im Sinne der psychologisch-psychotherapeutischen Richtlinientherapie dar, sondern sei eine grundlegende Voraussetzung, um Störungen im interpersonellen, emotionalen und im Verhaltensbereich einer anstehenden Richtlinientherapie zugänglich zu machen. In B finde sich lediglich ein Verhaltenstherapeut, dem es möglich sei, aufgrund seiner Zusatzqualifikation zum AAC Therapeuten mit der genannten Personengruppe zu arbeiten. Insgesamt sei daher die Versorgung der Patientengruppe mit schweren Spracheinschränkungen aus dem beschriebenen Spektrum in B nicht gewährleistet.

Mit Beschluss vom 25. März 2009 wies der Berufungsausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten den Widerspruch des Klägers zurück. Soweit der Kläger sein Begehren auf die Behandlung von sprachbehinderten Patienten stütze, möge ein Versorgungsbedarf für eine derartige Patientengruppe in der Tat bestehen. Der Kläger möge auch die Fähigkeit besitzen anders als andere Behandler Menschen mit Sprachbehinderungen besser zu verstehen, wobei die AAC Therapie die Kommunikation mit den Patienten erleichtern bzw. ermöglichen könne. Allerdings beziehe sich der Anspruch des Versicherten auf Krankenbehandlung nur auf die Behandlungs-, nicht aber auf die Kommunikationsform. Auch wenn es sich bei der AAC Therapie um eine Behandlungsform handeln sollte, müsse sie dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen. Insoweit liege aber kein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Einführung dieser Behandlungsmethode vor. Die Methode gehöre auch nicht zur allgemein in der Medizin angewendeten Praxis, was bereits daraus deutlich werde, dass der Kläger sich gerade darauf berufe, er sei einer der wenigen, die diese von ihm mitentwickelte Methode praktizieren könnten. Jedenfalls sei die AAC Therapie keine solche, die sich als Inhalt eines Schwerpunkts, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung umschreiben lasse. Sie sei in der Psychotherapie-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses ebenso wenig erwähnt wie in den ärztlichen Weiterbildungsordnungen. Von daher scheide diese Methode von vornherein als Grundlage einer Sonderbedarfszulassung nach § 24 der Bedarfsplanungs-Richtlinie aus.

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 5. Mai 2010 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe weder einen Anspruch auf die begehrte Sonderbedarfszulassung noch auf Neubescheidung durch den Beklagten. Bei der Feststellung des relevanten besonderen Versorgungsbedarfs stehe den Zulassungsgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die ausnahmsweise Besetzung eines zusätzlichen Vertragsarztsitzes müsse zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in einem kompletten Versorgungsbereich unerlässlich sein; die Versorgungslücke müsse in der gesamten Breite eines Versorgungsbereichs bestehen. Hieran gemessen scheide eine Sonderbedarfszulassung zur Behandlung von gesetzlich Versicherten, die an einer Sprachbehinderung litten, aus Rechtsgründen aus. Es sei schon kein besonderer Versorgungsbedarf im Rechtssinne gegeben. Bei Psychologischen Psychotherapeuten kämen als Gründe für einen besonderen Versorgungsbedarf allenfalls innerhalb eines Planungsbereichs bestehende Versorgungsdefizite hinsichtlich der in den Psychotherapie-Richtlinien beschriebenen Behandlungsformen der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie oder der Verhaltenstherapie in Frage. Eine besondere Kommunikationsform wie die AAC erfülle von vornherein nicht die Voraussetzungen von § 24 Buchstabe b der Bedarfsplanungs-Richtlinie, denn bei dieser zusätzlichen Qualifikation des Klägers handele es sich nicht um eine solche nach der Weiterbildungsordnung. Auch durch eine besondere Kommunikationsform, die einer eigenen Sprache vergleichbar sein möge, seien die Voraussetzungen von Nr. 24 Buchstabe b der Bedarfsplanungs-Richtlinie nicht erfüllbar. Die AAC stelle keine in den Psychotherapie-Richtlinien beschriebene Behandlungsform dar. Es handele sich lediglich um eine durch den Kläger mitentwickelte Form der Kommunikation mit sprachbehinderten Menschen. Würden lediglich einzelne spezielle Leistungen, die eine Vertragsarztpraxis in freier Niederlassung nicht sinnvoll auszufüllen vermöge, von den im Planungsbereich bereits niedergelassenen Vertragsärzten nicht erbracht, so komme allenfalls die Erteilung einer Ermächtigung in Frage; allerdings könnten auch Leistungen, die – wie die Kommunikationsform der AAC – nicht Gegenstand des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung seien, von vornherein nicht Grundlage einer Ermächtigung sein. Ebenso wenig bestehe ein lokaler Versorgungsbedarf nach Buchstabe a des § 24 Satz 1 der Bedarfsplanungs-Richtlinie. Ein solcher könne sich nämlich nur aus einer besonderen Lage eines Ortes ergeben, etwa bei weiter Entfernung von Nachbarschaftsorten oder einer schlechten Verkehrsanbindung. Eine fehlende Bedarfsdeckung für sein gesamtes Fachgebiet der psychologischen Psychotherapie habe der Kläger nicht behauptet; sie sei auch nicht ersichtlich.

Gegen das ihm am 21. Mai 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Juni 2010 Berufung eingelegt. Zu Unrecht habe das Sozialgericht die von ihm angewandte Methode der Kommunikation mit nicht sprechenden bzw. sprachbehinderten Patienten mit Muttersprachen gleichgesetzt. Bei der Methode der AAC komme es nicht auf fehlende Sprachkenntnisse an, sondern auf cerebrale Funktions- und Entwicklungsstörungen, also auf eine massive Sprachbehinderung. Hinreichende Kommunikation sei für die psychotherapeutische Behandlung elementar. Die Gruppe der sprachbehinderten Menschen sei in besonderem Maße von psychischen Erkrankungen bedroht. Es gebe keine zugelassenen Psychotherapeuten, die zu einer ausreichenden Verständigung mit dieser Patientengruppe in der Lage seien. Gerade mit Blick auf die hohe Suizidalität nicht sprechender bzw. sprachbehinderter Patienten und orientiert an den Grundsätzen der Nikolaus-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 beanspruche er die Würdigung der Besonderheiten der fraglichen Patientengruppe. Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts seien sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen des Buchstaben b als auch des Buchstaben a des § 24 der Bedarfsplanungs-Richtlinie erfüllt. Für nicht sprechende bzw. lautsprachlich behinderte Versicherte bestehe in allen Richtlinienverfahren ein besonderer Versorgungsbedarf im Sinne von Buchstabe b, und zwar gemäß Buchstabe a nicht nur in Teilen des Planungsbereichs Berlin, sondern sogar in ganz Berlin.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Mai 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 25. März 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag auf Erteilung einer Sonderbedarfszulassung für die psychotherapeutische Behandlung Versicherter mit den auf Blatt 69 des Verwaltungsvorgangs des Beklagten (Widerspruchsbegründung des Klägers) beschriebenen Sprachstörungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die vom Kläger angeführten besonderen Kommunikationsmöglichkeiten durch Anwendung der AAC Methode rechtfertigten keine Sonderbedarfszulassung, weil es sich gerade nicht um eine in § 24 Buchstabe b der Bedarfsplanungs-Richtlinie genannte besondere Fachkunde im Rahmen des Richtlinienverfahrens der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie handele. Unklar sei, in welcher Zahl von Fällen tatsächlich eine so starke Sprechbehinderung bzw. Sprachstörung vorliege, dass tatsächlich eine Behandlung ausschließlich in Anwendung der vom Kläger beherrschten Kommunikationsmethode möglich sei.

Die Beigeladene zu 1) hat sich dem Antrag des Beklagten angeschlossen.

Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.

Seit 1. Februar 2011 verfügt der Kläger über eine vertragspsychotherapeutische Zulassung als Kinder- und Jugendpsychotherapeut im Zulassungsbezirk Cottbus. Dort betreibt er gegenwärtig eine vertragspsychotherapeutische Praxis. Er hat erklärt, auf diese Zulassung verzichten zu wollen, sobald er die begehrte Sonderbedarfszulassung für das Land Berlin erhalte.

Der Berichterstatter hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 22. August 2012 mündlich erörtert.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs und der Gerichtsakte Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Sonderbedarfszulassung.

1. In Planungsbereichen, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 103 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) wegen Überversorgung Zulassungsbeschränkungen angeordnet hat – wie hier im Planungsbereich Berlin-Bundeshauptstadt mit Beschluss vom 21. Februar 2008 für die Zulassung weiterer nichtärztlicher Psychotherapeuten -, sind Zulassungen für die davon betroffenen Arztgruppen bzw. Psychotherapeuten nur ausnahmsweise möglich, nämlich nach Maßgabe der Vorgaben in § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5 und § 103 Abs. 4 und 7 SGB V. Durch diese Ausnahmeregelungen wird gewährleistet, dass angeordnete Zulassungssperren nicht unverhältnismäßig die Berufsausübung beschränken oder die Verwertung der Praxis hindern und die Versorgung der Versicherten gewährleistet bleibt. Dies im Einzelnen zu konkretisieren, hat der Gesetzgeber gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 SGB V dem Gemeinsamen Bundesausschuss übertragen, der dementsprechend in der Bedarfsplanungs-Richtlinie (BedarfsplRL, zuletzt geändert am 18. August 2011 [BAnz Nr. 164, S. 3810]) die Voraussetzungen für solche ausnahmsweisen Besetzungen zusätzlicher Vertragsarztsitze festgelegt hat § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V i.V.m.§ 24 Buchstaben a bis e, § 25, § 26 BedarfsplRL.

Gegen die Übertragung der Befugnis zur Normkonkretisierung auf den Gemeinsamen Bundesausschuss bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, zumal der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung präzise vorgegeben und damit die wesentlichen Fragen selbst entschieden hat (vgl. hierzu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 23. Juni 2010, B 6 KA 22/09 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12) Auf der Grundlage der Regelungen von Gesetzgeber und Gemeinsamem Bundesausschuss sind dem Zulassungsinteressenten verschiedene Möglichkeiten eröffnet, trotz Zulassungsbeschränkungen eine Zulassung zu erlangen, insbesondere – hier ausschließlich von Belang – im Wege der Zulassung aufgrund besonderen Versorgungsbedarfs (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB Vi.V.m. § 24 BedarfsplRL).

2. Die in § 24 BedarfsplRL enthaltenen, einen Anspruch auf Sonderbedarfszulassung begründenen Tatbestände sind im Falle des Klägers nicht erfüllt. Weder besteht ein lokaler Versorgungsbedarf (unten a), noch besteht ein qualitätsbezogener Sonderbedarf (unten b). Nichts anderes ergibt sich aus den Neuregelungen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 2011 (unten c).

a) Nach § 24 Buchstabe a BedarfsplRL darf der Zulassungsausschuss dem Zulassungsantrag unbeschadet angeordneter Zulassungsbeschränkungen entsprechen, wenn nachweislicher lokaler Versorgungsbedarf in der vertragsärztlichen (oder vertragspsychotherapeutischen) Versorgung in Teilen eines großstädtischen Planungsbereichs oder eines großräumigen Landkreises besteht. Der Tatbestand zielt auf Besonderheiten in örtlicher Struktur, Verkehrsanbindung und Lage des Planungsbereichs ab. Bestehen so etwa im fraglichen Versorgungsbereich – sei es Großstadt, sei es Landkreis – gute und schnelle Verkehrsanbindungen aus allen Richtungen auf ein Zentrum hin, so reicht die in diesem Zentrum anzutreffende Vielfalt an Ärzten und Psychotherapeuten zur Versorgung des gesamten Versorgungsbereichs typischerweise aus. In einem anderen Versorgungsbereich dagegen – hiervon dürften in erster Linie ländliche Gegenden, mithin Landkreise und nicht Großstädte betroffen sein – kann die Situation ungünstiger sein: Sind die Ärzte und Psychotherapeuten z.B. aufgrund der gebirgigen Struktur und schlechten Verkehrsanbindungen von einigen Teilen des Versorgungsbereichs aus nur unter Aufwendung erheblicher Zeit und Mühe erreichbar, so kann hier der Tatbestand "lokaler Versorgungsbedarf" in Teilen eines Versorgungsbereichs gegeben sein (so Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 17). Damit liegt auf der Hand, dass das Kriterium des lokalen Versorgungsbedarfs im Falle des Klägers – obwohl von diesem nachdrücklich für sich reklamiert – nicht weiter führt. Berlin verfügt als Großstadt über einen flächendeckenden öffentlichen Personennahverkehr; mit seiner Praxis im Stadtteil Charlottenburg liegt der Kläger im Herzen der Stadt. Defizite in örtlicher Struktur, Verkehrsanbindung und Lage des Planungsbereichs bestehen insoweit nicht ansatzweise.

b) Nach § 24 Buchstabe b Satz 1 BedarfsplRL darf der Zulassungsausschuss dem Zulassungsantrag unbeschadet angeordneter Zulassungsbeschränkungen entsprechen, wenn ein besonderer Versorgungsbedarf vorliegt, "wie er durch den Inhalt des Schwerpunkts, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung umschrieben ist". Voraussetzung für eine Zulassung ist insoweit u.a. (Satz 3), dass die ärztlichen (oder psychotherapeutischen) Tätigkeiten des qualifizierten Inhalts in dem betreffenden Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen.

Auch diese Voraussetzungen sind zur Überzeugung des Senats in der Person des Klägers nicht erfüllt. Denn es fehlt bereits daran, dass ein besonderer Versorgungsbedarf vorliegt, "wie er durch den Inhalt eines Schwerpunkts, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung umschrieben ist". Diese für den ärztlichen Bereich normierten Voraussetzungen können im Fall von Psychologischen Psychotherapeuten nur entsprechend angewandt werden (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB Vsowie§ 1 Abs. 3 Nr. 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte [Ärzte-ZV]) Mithin kommen bei ihnen als Gründe für einen besonderen Versorgungsbedarf lediglich innerhalb eines Planungsbereichs bestehende Versorgungsdefizite hinsichtlich der in den Psychotherapie-Richtlinien beschriebenen Behandlungsformen der psychoanalytisch begründeten Verfahren oder der Verhaltenstherapie in Frage (siehe §§ 13 und 14 Abs. 2 der Psychotherapie-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, zuletzt geändert am 14. April 2011, BAnz Nr. 100, S. 2424). Hieran gemessen erfüllen etwa besondere Sprachkenntnisse eines Psychologischen Psychotherapeuten von vornherein nicht die Voraussetzungen von § 24 Buchstabe b Satz 1 der BedarfsplRL; auch im Rahmen der Versorgung mit Leistungen der Psychotherapie gehört die Gewährleistung einer Verständigung aller Versicherten mit den an der Versorgung beteiligten Leistungserbringern in ihrer jeweiligen (nichtdeutschen) Muttersprache nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. zu alledem Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Oktober 2007, B 6 KA 31/07 R, Rdnr. 25, 27).

Mit der Fallgruppe der Versorgung von Patienten in ihrer jeweiligen Muttersprache ist das Begehren des Klägers unmittelbar vergleichbar. Der Kläger beabsichtigt für den Fall seiner Sonderbedarfszulassung ausschließlich die Durchführung der in den Psychotherapie-Richtlinien beschriebenen Behandlungsformen. Insoweit besteht im Planungsbereich der Großstadt Berlin eine Überversorgung, was auch vom Kläger nicht angezweifelt wird. Ihm geht es ausdrücklich nur um ein "Vehikel der Verständigung" (so die von ihm selbst gewählte Bezeichnung) mit der Gruppe der sprachbehinderten Patienten in Gestalt der AAC-Methode. Begehrt wird damit nicht die von § 24 Buchstabe b Satz 1 BedarfsplRL gemeinte Zulassung aufgrund besonderen Versorgungsbedarfs für eine relevante Behandlungsmethode, sondern aufgrund der Beherrschung einer besonderen Verständigungsmethode.

Seine vom Gericht nicht anzuzweifelnde Kompetenz im Bereich der AAC-Methode mag den Kläger damit zu einem besonders befähigten Psychologischen Psychotherapeuten machen. Allein seine besondere Qualifikation als Therapeut begründet aber keinen besonderen Versorgungsbedarf im Sinne von § 24 Buchstabe b Satz 1 der BedarfsplRL. Denn grundsätzlich können (behauptete) qualitative Unterschiede bei der Leistungserbringung keinen Anspruch auf eine Sonderbedarfszulassung begründen. Es ist in typisierender Betrachtung davon auszugehen, dass die niedergelassenen (Ärzte und) Psychotherapeuten aufgrund ihres gleichwertigen Ausbildungs- und Weiterbildungsstandes dem Versorgungsanspruch der Versicherten in qualitativer Hinsicht voll entsprechen (vgl. Pawlita in jurisPK-SGB V, Rdnr. 60 zu § 101; Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Juni 2000, B 6 KA 35/99 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 40).

c) Nichts anderes ergibt sich aus den Neuregelungen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 2011 (Art. 1 Nr. 35 Buchst. a aa bbb, BGBl. I S. 2983), mit dem die gesetzliche Ermächtigung für den Gemeinsamen Bundesausschuss in § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2012 modifiziert worden ist.

Bislang lautete die Vorschrift: "Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in Richtlinien Bestimmungen über ( ) (Nr. 3) Vorgaben für die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze, soweit diese zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich unerlässlich sind, ( )".

Nunmehr lautet die Norm: "Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in Richtlinien Bestimmungen über ( ) (Nr. 3) Vorgaben für die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze, soweit diese zur Gewährleistung der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich unerlässlich sind, um einen zusätzlichen lokalen oder einen qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarf insbesondere innerhalb einer Arztgruppe zu decken, ( )".

In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/6906, S. 73 f.) heißt es hierzu, der Regelungsauftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss werde sprachlich präziser gefasst und erweitert. Die Sonderbedarfszulassung werde als Instrument zur Feinsteuerung der Versorgungssituation funktionstüchtig ausgestaltet. Es obliege dem Gemeinsamen Bundesausschuss, die Vorgaben und Konstellationen so zu konkretisieren, dass die Erteilung einer Sonderzulassung im Bedarfsfall erleichtert werde. Dieser Sonderbedarf könne entweder räumlich begründet sein oder sich qualitätsbezogen auf bestimmte Leistungen bzw. Leistungsbereiche (z.B. HIV-Betreuung) beziehen.

Unabhängig davon, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Bedarfsplanungs-Richtlinie im Lichte dieser geänderten gesetzlichen Ermächtigung noch nicht geändert hat, enthält die Neufassung der gesetzlichen Ermächtigung zur Überzeugung des Senats keine wesentliche Änderung, die über das System der bisher getroffenen Regelung entscheidend hinausginge. Es bleibt nämlich bei den bisherigen Ansätzen des örtlich begründeten bzw. des qualitätsbezogenen Sonderbedarfs. Beide Ansätze vermögen aber – wie oben ausgeführt – einen Anspruch auf Sonderbedarfszulassung nicht zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision, § 160 Abs. 2 SGG, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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