L 12 B 36/09 SO ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SO 25/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 B 36/09 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.05.2009 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt auch auf Seiten der Antragsgegnerin ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde vor, denn der von der Antragstellerin für das fehlende Rechtsschutzbedürfnis zitierten Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 09.04.2008 - L 25 B 543/08 AS - lag ein anderer Sachverhalt zu Grunde. Im dortigen Verfahren lag der Zeitraum, für den die streitigen Leistungen zugesprochen wurden, in der Vergangenheit. Aus diesem Grunde hatte das LSG Berlin-Brandenburg ein eiliges Regelungsbedürfnis verneint, weil der Antragsgegner mit seinem Rechtsmittel allenfalls hätte erreichen können, die bereits für die Vergangenheit ausgezahlten Beträge zurückfordern zu können. Vorliegend wurde die Antragsgegnerin jedoch verpflichtet, Leistungen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens darlehensweise zu übernehmen. Damit sind auch noch zukünftige Leistungen im Streit, denn ein Hauptsacheverfahren ist noch gar nicht anhängig, da ausweislich der Verwaltungsakten über den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 06.04.2009 noch nicht entschieden worden ist.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht das Vorliegen der Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bejaht. Hierzu verweist der Senat zunächst vollinhaltlich auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss vom 20.05.2009 (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG).

Vor dem Hintergrund der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ist die insbesondere zwischen den Beteiligten streitige Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht. Dabei ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen dafür, zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) XII zu gehören, also ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen beschaffen zu können, darzulegen hat. Der Nachteil des nicht erbrachten Beweises bzw. der unzureichenden Darlegung im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geht zu ihren Lasten (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 12.03.2008 - L 12 AS 70/06 - und Urteil des 19. Senats des LSG NRW vom 11.08.2008 - L 19 AS 7/07 -).

Die von der Antragsgegnerin zur Begründung der Beschwerde geäußerten Zweifel, mit den der Antragstellerin monatlich zur Verfügung stehenden Mitteln könne der Lebensunterhalt aus eigenen Kräften nicht sichergestellt werden, so dass die Antragstellerin über Einkünfte verfügen müsse, die sie verschweige, hält der Senat für nicht ausreichend. Sozialleistungsträger dürfen existenzsichernde Leistungen nicht aufgrund von bloßen Mutmaßungen verweigern, die sich auf vergangene Umstände stützen, wenn diese über die gegenwärtige Lage eines Hilfebedürftigen keine eindeutigen Erkenntnisse ermöglichen (BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -). Die schlichte Behauptung des Leistungsträgers, es sei weiteres Vermögen oder weitere Einnahmen vorhanden, ist danach für die Leistungsverweigerung nicht ausreichend. Nur wenn unter Angabe von Tatsachen konkret vorgetragen wird, über welches Einkommen aktuell verfügt wird, so dass auch eine Widerlegung im Rahmen der Mitwirkungspflichten möglich wäre, könnten berechtigte Zweifel an der Hilfebedürftigkeit bestehen und diese ein Gewicht erlangen, dass die Ablehnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts rechtfertigt (vgl. hierzu auch die zur gleichen Problematik der nach dem SGB II zu bewilligenden Leistungen ergangenen Entscheidungen des Hessischen Landessozialgerichts vom 07.12.2005 - L 7 AS 81/05 ER - und vom 08.08.2008 - L 7 AS 149/08 B ER -).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien vermag die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde nicht durchzudringen. Selbst wenn die Zweifel der Antragsgegnerin an der Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin berechtigt sind, übersieht die Antragsgegnerin, dass der Antragstellerin mit Bescheid der VESTISCHEN ARBEIT Kreises Recklinghausen vom 11.12.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 667,60 Euro bewilligt worden sind und diese Bewilligung mit weiterem Bescheid vom 13.03.2009 mangels fortbestehender Erwerbsfähigkeit ab 01.04.2009 aufgehoben wurde. Selbst wenn die Mutmaßung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin seien aus nicht benannten Quellen monatliche Einkünfte zugeflossen, zutreffend sein sollte, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass auch der ab 01.04.2009 durch Wegfall der Leistungen nach dem SGB II entstandene zusätzliche Bedarf auf diese Weise gedeckt wird. Hiergegen spricht die Erklärung des Herrn Hergerd vom 02.04.2009 (Bl. 53 VA), der der Antragstellerin bis zum Erhalt der Leistungen vom Sozialamt zur Deckung ihres Kontos 700,00 Euro geliehen hat. Aus dieser Erklärung kann nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass der Antragstellerin monatliche Beträge in dieser Höhe zufließen. Dies müsste die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflichten im Verwaltungsverfahren klären. Im Gerichtsverfahren kann die von ihr insoweit angeregte Beweisaufnahme allenfalls im Hauptsacheverfahren durchgeführt werden, nicht aber Gegenstand eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sein (vgl. hierzu Beschluss des LSG NRW vom 13.09.2007 - L 20 B 103/07 AS ER). Die Möglichkeiten zu dieser Form der Sachverhaltsaufklärung ergeben sich für die Antragsgegnerin aus § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X. Gleiches gilt, soweit die Antragsgegnerin die Motivationslage der Frau B für entscheidungserheblich hält, die offensichtlich den von der Antragstellerin zum 31.03.2009 abgemeldeten Pkw übernommen hat und ihr diesen - in nicht näher bekannten Umfang - zur Verfügung stellt.

Angesichts der Sachlage hat der Senat keinen Zweifel am Vorliegen der Voraussetzung eines Anordnungsgrundes.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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