L 7 B 224/09 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 41 AS 17/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 B 224/09 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 08.06.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Kläger ist unbegründet.

1. Gemäß § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit den §§ 114, 115 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

a) Diese Voraussetzungen liegen nach summarischer Prüfung nicht vor. Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat zu Recht eine hinreichende Erfolgsaussicht verneint. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Beschluss verwiesen, die sich der Senat nach Prüfung zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

b) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung.

aa) Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, die die Gewährung von Prozesskostenhilfe rechtfertigt (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 73a Rn. 7b), liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor. Die hier aufgeworfene Rechtsfrage kann Mithilfe der bereits vorhandenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geklärt werden. Hinsichtlich der Höhe der Regelleistung von erwachsenen Hilfebedürftigen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat das BSG in mehreren Entscheidungen entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 1/06 R, BSGE 97, 265; Urteil vom 06.12.2007, B 14/7b AS 62/06 R; Beschluss vom 27.02.2008, B 14 AS 160/07 B; Urteil vom 22.04.2008, B 1 KR 10/07 R, SozR 4-2500 § 62 Nr. 6; Beschluss vom 16.12.2008, B 4 AS 69/08 B).

Liegt zu einer Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so ist die Klärungsbedürftigkeit regelmäßig zu verneinen (BSG, Beschluss vom 09.08.2007, B 11b AS 29/07 B).

bb) Es ergibt sich nichts anderes daraus, dass die verheirateten Kläger Partner einer Bedarfsgemeinschaft sind (gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II) und jeweils 90 v.H. der Regelleistung für alleinstehende Hilfebedürftige beanspruchen können (gemäß § 20 Abs. 3 SGB II), hier in Höhe von jeweils 316 EUR monatlich.

Denn es ist zur Überzeugung des Senats nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum insoweit überschritten hätte. Der Festsetzung der Regelleistung für Erwachsene liegt - so das BSG - anders als bei der Festsetzung der Regelleistung für Kinder ein "empirisch begründete[s] Bedarfskonzept" zugrunde (Beschluss vom 27.01.2009, B 14 AS 5/08 R).

Der Gesetzgeber geht zudem in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass die so genannte Gestellungskosten, die in jedem Haushalt anfallen, zumindest partiell eingespart werden können, wenn in einem Haushalt mehrere Personen zusammen leben (BSG, Urteil vom 27.02.2008, B 14/7b AS 32/06 R, SozR 4-4200 § 20 Nr. 6 (Juris Rn. 34)). Der Gesetzgeber durfte in typisierender Weise unterstellen, dass Partner infolge ihres gemeinsamen Zusammenlebens gegenüber Alleinstehenden in der Summe preiswerter wirtschaften können.

cc) Dies gilt im Ergebnis auch für den Anpassungsmechanismus nach § 20 Abs. 4 SGB II. Zwar hat das BSG im Urteil vom 27.02.2008 (B 14/7b AS 32/06 R) ausgeführt, dass die vom Gesetzgeber gewählte Anknüpfung der Anpassung an die Änderung des aktuellen Rentenwertes sachwidrig ist; diese Auffassung wird in der Literatur geteilt (vgl. Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 20 Rn. 56 m.w.N.). Hieraus folgt jedoch nicht die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift. Das BSG hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf einen bestimmten Mechanismus oder zeitlichen Turnus der Anpassung aus Art. 1 i.V.m. Art. 20 GG nicht abgeleitet werden kann und der Anpassungsmechanismus in § 20 Abs. 4 Satz 1 SGB II vom Gesetzgeber selbst vorgegeben worden ist. Insofern muss ihm auch hierbei der bei der Festsetzung der Höhe der Regelleistungen zustehende Gestaltungsspielraum eingeräumt werden. Der Gesetzgeber hat diesen ihm zuzubilligenden Einschätzungsspielraum nicht in unvertretbarer Weise überschritten.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kann zur Überzeugung des Senats erst dann von einer Verfassungswidrigkeit ausgegangen werden, wenn die vom Gesetzgeber vorgesehene Anpassung der Regelleistung insgesamt auf Dauer gesehen unter das von Art. 1 des Grundgesetzes (GG) geforderte existenzsichernde Niveau absinken würde (vgl. hierzu Spellbrink a.a.O., § 20 Rn. 56). Eine solche Absenkung liegt unter Berücksichtigung der erfolgten Anpassungen nicht vor; auch hier ist zudem wieder dem legislativen Gestaltungsspielraum Rechnung zu tragen. Ein verfassungsrechtliches Postulat, dass mit der Anpassung ein voller Inflationsausgleich zu erfolgen hat, gibt es nicht, jedenfalls so lange das physiologische Existenzminimum durch eine inflationsbedingte "Entwertung" der Sozialleistungen nicht tangiert wird. Dies ist weder der Fall noch von den Klägern behauptet worden.

dd) Der Entscheidung des Senats steht nicht entgegen, dass bei dem Bundesverfassungsgericht zur Frage der Höhe der Regelleistungen Verfahren anhängig sind. Denn dieser Umstand ändert nichts daran, dass der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der Regelungen überzeugt ist, solange das Bundesverfassungsgericht die Normen nicht beanstandet hat.

Auch der Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Kläger, das Bundesverfassungsgericht habe in dem Verfahren 1 BvR 1523/08 Prozesskostenhilfe bewilligt, führt nicht dazu, dass im vorliegenden Rechtsstreit Prozesskostenhilfe zu gewähren wäre.

Ein derartiger Beschluss des Bundesverfassungsgerichts über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein dort anhängiges Verfassungsbeschwerdeverfahren bindet den den erkennenden Senat nicht bei der Entscheidung, ob für ein sozialgerichtliches Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren ist. Denn an der Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) nehmen nur Sachentscheidungen teil, nicht dagegen bloße Prozessentscheidungen (Heusch in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Mitarbeiterkommentar, 2. Auflage 2005 § 31 Rn. 55 m.w.N.), so dass fraglich ist, ob Prozesskostenhilfe-Entscheidungen überhaupt von § 31 Abs. 1 BverfGG erfasst werden. Dies kann aber dahinstehen. Denn jedenfalls richtet sich der Umfang der Bindungswirkung nach der konkreten Entscheidung (Heusch a.a.O., § 31 Rn. 57), die hier ausschließlich darin besteht, dass das Bundesverfassungsgericht für das dortige Verfassungsbeschwerdeverfahren offenbar Prozesskostenhilfe bewilligt hat.

Im Übrigen scheint das Bundesverfassungsgericht das Verfahren 1 BvR 1523/08 als Musterverfahren für die Verfassungsbeschwerdeverfahren zu führen, die sich gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung für Alleinstehende richten. Denn in der "Übersicht der Verfahren, in denen das Bundesverfassungsgericht anstrebt, im Jahr 2009 unter anderem zu entscheiden" (abrufbar unter http://www.bundesverfassungsgericht.de/ organisation/erledigungen 2009.html), wird dieses Verfahren insoweit als einziges Verfahren genannt.

Soweit der 12. Senat des LSG NRW mit Beschluss vom 29.05.2009 (L 31/09 SO) für das dortige sozialhilferechtliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe gewährt hat, erfolgte dies zwar auch unter Bezugnahme auf das vorgenannte bundesverfassungsgerichtliche Verfahren 1 BvR 1523/08. Der 12. Senat hat die Gewährung der Prozesskostenhilfe aber auch darauf gestützt, dass sich das SG im Klageverfahren einen persönlichen Eindruck von der dortigen Klägerin und ihrer Urteilsfähigkeit verschaffen müsse, um klären zu können, ob ihr ein Verschulden gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vorzuhalten ist.

c) Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Klageverfahrens sind ausschließlich die Regelleistungen für die Kläger als erwachsene Hilfebedürftige. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 26.11.2008 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2009) sind ausschließlich den erwachsenen Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 30.06.2009 gewährt worden.

Der Erlass des Änderungsbescheides vom 12.02.2009 führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar setzt dieser Bescheid für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 30.06.2009 die Leistungen neu fest. Grund hierfür war, dass der Sohn der Kläger am 29.01.2009 geboren und damit zu einem weiteren Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger wurde. Dieser Änderungsbescheid vom 12.02.2009 dürfte gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil er den ursprünglich mit der Klage (allein) angegriffenen Bescheid vom 26.11.2008 abändert; dass dieser Änderungsbescheid nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2009, aber vor Klageerhebung am 13.02.2009 erlassen wurde, dürfte an der Anwendung des § 96 SGG im Ergebnis nichts ändern (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 96 Rn. 2 m.w.N.).

Eine ggf. erfolgte Einbeziehung des Änderungsbescheides vom 12.02.2009 in das Verfahren gemäß § 96 SGG ändert aber nichts daran, dass Streitgegenstand des Klageverfahrens weiterhin ausschließlich die Regelleistungen für die Kläger als erwachsene Hilfebedürftige sind. Denn der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das von den Klägern aufgrund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck kommende Begehren sowie den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23.11.2006, B 11 b 9/06 R, Juris, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 237 Nr. 2). Die Kläger begehren nach ihrem Klageantrag vom 30.03.2009 die Verurteilung der Beklagten, "den Klägern höhere Leistungen im Rahmen des SGB II zu gewähren". Die Kläger begehren damit nicht - auch nicht sinngemäß - eine höhere Regelleistung für ihren zwischenzeitlich geborenen Sohn. Die Entscheidung der Beklagten über seinen Anspruch auf die Regelleistung im Änderungsbescheid vom 10.02.2009 stellt hierbei einen eigenständigen Verfügungssatz gemäß § 31 SGB X dar. Denn die Ansprüche auf die Leistungen nach dem SGB II sind nach ständiger Rechtsprechung des BSG Individualansprüche. Da die Kläger höhere Regelleistungen für sich mit der Begründung begehren, der Gesetzgeber habe die Regelleistungen für erwachsene Hilfebedürftige verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt, wird die Regelleistung ihres Sohnes hierdurch auch nicht mittelbar tangiert.

Soweit die Kläger auf eine Vorlage des Hessischen Landessozialgerichts (L 6 AS 336/07) verweisen, betrifft dieses Verfahren die Höhe der Regelleistung für Kinder.

d) Sofern die Kläger ihren Klageantrag erweitern und eine Erhöhung des gesetzlich festgelegten Regelsatzes auch für ihr Kind begehren sollten, bliebe es ihnen nach Einbeziehung des Sohnes in den Rechtsstreit unbenommen, einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für ihren Sohn zu stellen.

2. Außergerichtliche Kosten sind im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).

3. Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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