L 25 AS 769/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 15 AS 495/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 769/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. April 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Das Aktivrubrum war von Amts wegen um die Antragsteller zu 2., 3. und 4. zu ergänzen, da der Antragsteller zu 1. das Anspruchsbegehren sinngemäß auch in deren Namen geltend gemacht und damit sinngemäß auch die Beschwerde zugleich in deren Namen erhoben hat.

Die zulässige, insbesondere nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 9. April 2009, mit der sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II begehren, ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II abgelehnt, weil die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht vorliegen.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung - ZPO -).

Hiervon ausgehend haben die Antragsteller jedenfalls den erforderlichen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Den Antragstellern ist es auch im Lichte des in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Gebots effektiven Rechtsschutzes zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Dies gilt für die Zeit vor der Entscheidung des Senats schon deshalb, weil diese Zeit aus heutiger Sicht in der Vergangenheit liegt und schwere und unwiederbringliche Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage sein könnte, von den Antragstellern nicht dargelegt worden sind und Anhaltspunkte dafür auch nach Lage der Akten nicht bestehen.

Aber auch für die Zeit ab der Entscheidung des Senats fehlt es an der Eilbedürftigkeit. Denn ein den Erlass einer einstweiligen Anordnung gebietender Sachverhalt liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn während des andauernden Hauptsacheverfahrens die Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen, hier insbesondere der Gewährleistung des Existenzminimums, zu besorgen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05NVwZ 2005, 927 ff.). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, weil die Antragsteller über laufendes Einkommen und verwertbares Vermögen verfügen und mit diesen Mitteln ihr Existenzminimum im Sinne des SGB II bis auf weiteres gesichert ist.

Dabei hat der Senat einen monatlichen Regelbedarf der Antragsteller zu 1. und 2. ab 1. Juli 2009 in Höhe von jeweils 323 EUR und einen monatlichen Regelbedarf der Antragsteller zu 3. und 4. in Höhe von jeweils 287 EUR berücksichtigt sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich (gerundet) 172,70 EUR (Grundsteuer 6,275 EUR, Schornsteinfeger 4,635 EUR, Wasserversorgung/Abwasserentsorgung 33 EUR, Abfallentsorgung 9,6 EUR, Wasser- und Bodenverband 0,3 EUR, Gebäudeversicherung 4,505 EUR, Heizöl 114,38 EUR), so dass sich ein monatlicher Gesamtbedarf in Höhe von 1.392,70 EUR ergibt.

Zur Bedarfsdeckung stehen demgegenüber während der Dauer des Hauptsacheverfahrens zunächst das Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 2. in Höhe von monatlich (zumindest) 700 EUR netto abzüglich der Werbungskostenpauschale in Höhe von 15,33 EUR, der Kosten der Kraftfahrzeugversicherung der Antragstellerin zu 2. in Höhe von monatlich (umgerechnet) 25,02 EUR und zu Grunde gelegter Fahrkosten für den Weg zur Arbeitsstätte in Höhe von 52,80 EUR (12 Entfernungskilometer x 0,2 EUR x 22 Arbeitstage), mithin ein Erwerbseinkommen in Höhe von 637,51 EUR und darüber hinaus Kindergeld für die Antragsteller zu 3. und 4. in Höhe von insgesamt 328 EUR zur Verfügung, so dass eine Unterdeckung von monatlich 427,19 EUR verbleibt. Diesen Fehlbetrag können die Antragsteller - auch unter Berücksichtigung ihres bisher nicht glaubhaft gemachten Vorbringens, die Guthaben auf ihren Girokonten seien nahezu verbraucht - durch ihr Kapitalvermögen bis auf weiteres decken. Verwertbar sind jedenfalls ihr Bausparguthaben in Höhe von 3.956 EUR (Stand: 31. Dezember 2008), der Dekafonds der Antragsteller zu 1. und zu 2. mit einem Wert von 7.128 EUR, der Dekafonds der Antragstellerin zu 3. mit einem Wert von 1.556 EUR, der DekaStrukturfonds Chance der Antragstellerin zu 3. mit einem Wert von 372 EUR sowie der Dekafonds des Antragstellers zu 4. mit einem Wert von 1.556 EUR und der DekaStrukturfonds Chance des Antragstellers zu 4. mit einem Wert von 450 EUR (jeweils Stand: 27. Januar 2009), mithin ein Vermögen in Höhe von insgesamt 15.018 EUR.

Dass die vorgenannten Investmentfonds seit dem 27. Januar 2009 einen erheblichen Wertverlust erlitten haben, haben die Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch ist dies sonst nicht ersichtlich. Die Verwertung ist ferner nicht offensichtlich unwirtschaftlich im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II. Der Wertverlust der Anlagen im Vergleich zu ihrem Wert zum Zeitpunkt des erstmaligen Antrages der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Mai 2005 in einer Größenordnung von 10 bzw. 20 % ist von den Antragstellern hinzunehmen; denn der Erwerb von Investmentfondsanteilen ist einem erhöhten Risiko sich ändernder Marktverhältnisse ausgesetzt, so dass unter diesem Aspekt gewisse Verluste zuzumuten sind (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 52/06 -, Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11 b AS 37/06 R -, jeweils zitiert nach juris). Der Verwertung steht schließlich nicht entgegen, dass neben den Kapitalanlagen der Antragsteller zu 3. und 4. möglicherweise auch die Kapitalanlagen der Antragsteller zu 1. und 2. als Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 2 SGB II anzusehen sind. Denn den Antragstellern drohen bei einer Verwertung des Schonvermögens keine schwerwiegenden durch das Hauptsacheverfahren nicht zu korrigierenden Nachteile. Denn sollte sich in der Hauptsache ergeben, dass den Antragstellern ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zusteht, wären ihnen diese Beträge rückwirkend zu gewähren (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. März 2007 - 1 BvR 535/07 -, nicht veröffentlicht; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juli 2008 – L 28 AS 1203/08 ER -, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Ob ein Anordnungsanspruch besteht, kann angesichts vorstehender Ausführungen dahinstehen. Es spricht jedoch viel dafür, dass den auch die Kapitalanlagen der Antragsteller zu 1. und zu 2. als Schonvermögen anzusehen sein dürften mit der Folge, dass den Antragstellern ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zustände. Denn entgegen der Auffassung des Antraggegners dürften die geldwerten Ansprüche des Antragstellers zu 1. aus Rentenversicherung bei der Feuersozietät mit der Versicherungsnummer 2321-050.593.254 und einem Einzahlungsbetrag in Höhe von 18.000 EUR sowie der Kapitalversicherung bei der Feuersozietät mit der Versicherungsnummer LV – 1- 0471-8184 und einem Einzahlbetrag von 5.499,59 EUR gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II in vollem Umfang vom Vermögen abzusetzen sein, weil sie der Altersvorsorge dienen, der Antragsteller zu 1. sie zudem auf Grund jeweiliger vertraglicher Vereinbarungen vor dem Eintritt in den Ruhestand wohl nicht verwerten kann und der Wert der Ansprüche weder 250 EUR je vollendeten Lebensjahr des Antragstellers zu 1. und seiner Partnerin, der Antragstellerin zu 2. noch den Höchstbetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II in Höhe von insgesamt 33.000 EUR übersteigt. Dabei dürfte zu berücksichtigen sein, dass dem Antragsteller zu 1. die Freibeträge der Antragstellerin zu 2. als Partnerin zu Gute kommen (vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 12 Rdnr. 53). So enthält die Rentenversicherung des Antragstellers zu 1. einen Verwertungsausschluss bis zum Rentenalter, mindestens bis zum 60. Lebensjahr in Höhe von 200 EUR je vollendetem Lebensjahr des Versicherungsnehmers und seines Partners, höchstens 13.000 EUR beim Versicherungsnehmer und seinem Partner, ebenso seine Kapitalversicherung in Höhe von 250 EUR je vollendetem Lebensjahr des Versicherungsnehmers und seines Partners, höchstens 16.250 EUR beim Versicherungsnehmer und seinem Partner. Auch die geldwerten Ansprüche aus den Versicherungen addiert, dürfte der nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB II zulässige Höchstbetrag von 33.000 EUR nicht überschritten werden. Damit dürften als verwertbares Vermögen lediglich die oben genannten Geldanlagen mit einem Wert von insgesamt 15.018 EUR und, soweit noch nicht verbraucht, die Guthaben auf den Girokonten zu berücksichtigen sein. In diesem Zusammenhang spricht zudem einiges dafür, dass jedenfalls das Guthaben auf dem Konto des Antragstellers zu 1. bei der ING-DiBa AG nicht mehr – wie von dem Antragsgegner angenommen - 5.425,73 EUR (Stand: 30. Dezember 2008) beträgt, sondern allenfalls, wie von den Antragstellern im Leistungsantrag vom 23. Januar 2009 angegeben, 1.425,73 EUR. Vor diesem Hintergrund wird der Antragsgegner für den Leistungszeitraum ab 23. Januar 2009 nochmals zu prüfen haben, ob und ggf. in welcher Höhe das verwertbare Vermögen der Antragsteller zu 1. und zu 2. die Summe ihrer Freibeträge nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II in Höhe von insgesamt 15.600 EUR überschreitet. Mangels Anordnungsgrundes sind das Ergebnis und die Richtigkeit dieser Prüfung für die Entscheidung des vorliegenden Falles jedoch nicht von Bedeutung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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