S 31 (17) AS 19/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 31 (17) AS 19/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten zu 1/5.

Tatbestand:

Streitig ist, ob und in welcher Höhe den Klägern im Zeitraum Dezember 2006 bis September 2008 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - zustehen. Streitig ist insbesondere, ob das Einkommen des Klägers zu 2) auf den Bedarf der Kläger zu 3) bis 5) - seiner Stiefkinder - anzurechnen ist und ob Nachtzuschläge als Einkommen anzurechnen sind.

Die am 00.00.1970 geborene Klägerin zu 1) ist seit 1999 mit dem am 00.00.1962 geborenen Kläger zu 2) verheiratet. Das am 00.00.1996 geborene Kind E, die Klägerin zu 6), ist das gemeinsame Kind der Kläger zu 1) und 2). Die Kläger zu 3) bis 5), die Mädchen N (00.00.1991), A (00.00.1993) und U (00.00.1994) sind leibliche Kinder allein der Klägerin zu 1). Vor Inkrafttreten des SGB II erhielten die Kläger zu 3) bis 5) Leistungen nach dem BSHG.

Die Kläger bewohnten zunächst ein Haus auf der R-Straße 60 in H zur Miete. Bei der Berechnung der Leistungen für die Kläger zu 3) bis 5) wurden die Leistungen für die Unterkunft auf 475,00 EUR begrenzt. Diese "Mietobergrenze" errechnete die Beklagte aus einem als angemessen anzusehenden m²-Preis von 4,27 EUR und einer für die sechsköpfige Bedarfsgemeinschaft als angemessen anzusehenden Wohnfläche von 105 m². 2004 erwarben die Kläger zu 1) und 2) ein eigenes Haus auf der R-Straße 71c. Das Haus hat eine Wohnfläche von 115 m². Wegen der Höhe der zwischen den Beteiligten nicht mehr streitigen Hausnebenkosten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 09.02.2009 Bezug genommen.

Die Klägerin zu 1) erhielt im streitgegenständlichen Zeitraum für die Kläger zu 3) bis 6) Kindergeld in Höhe von 641 EUR monatlich. Der Kläger zu 2) erzielte Einkommen in wechselnder Höhe aus einer Tätigkeit als Berufskraftfahrer bei der Firma S. Bestandteil seines Einkommens waren mehrere Zulagen, unter anderem Nachtzuschläge. Wegen der Einzelheiten des jeweiligen monatlichen Einkommens wird auf die zur Akte gereichten Einkommensbescheinigungen Bezug genommen. Der Kläger zu 2) war im streitgegenständlichen Zeitraum an unterschiedlichen Orten eingesetzt, so dass die tägliche Fahrtstrecke zur Arbeit variierte. Die Beteiligten gehen nunmehr übereinstimmend davon aus, dass täglich im Schnitt 25 km zum Arbeitsort zurückzulegen waren.

Die Kläger bezogen ab 2005 SGB II-Leistungen. Dabei wurden von Beginn an Leistungen für Unterkunft nur in abgesenkter Höhe von 475,00 EUR zzgl. 141,77 EUR für Nebenkosten berücksichtigt. Der Betrag von 475,00 EUR ergab sich aus der Mietobergrenze der Beklagten für Wohnraum um 105 m². Die Höhe der Nebenkosten ermittelte die Beklagte, indem sie die tatsächlichen Nebenkosten anteilig für 105 m² errechnete.

Mit Bescheid vom 10.11.2005 rechnete die Beklagte das Einkommen des Klägers zu 2) auch auf den Bedarf der Kläger zu 3) bis 5) an. Einem Widerspruch der Kläger vom 24.11.2005 wurde abgeholfen, da eine Anrechnung des Einkommens des Stiefvaters nicht möglich sei. Mit Bescheid vom 29.05.2006 bewilligte die Beklagte Leistungen für den Zeitraum Juni bis November 2006.

Auf einen Fortzahlungsantrag der Kläger vom 09.11.2006 hob die Beklagte mit Bescheid vom 10.11.2006 "die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ... ab 01.12.2006 ganz auf ...". Mit Bescheid vom 21.11.2006 hob die Beklagte "die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ... ab 01.01.2007 ganz auf ...". Am 30.11.2006 legten die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.11.2006 ein. Die zum 01.08.2006 in Kraft getretene Änderung von § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2006 "auf den Widerspruch ... vom 29.11.2006 ...gegen den Bescheid vom 10.11.2006" erklärte die Beklagte, dass in Abänderung des Bescheides vom 10.11.2006 die Leistungen ab 01.12.2006 nicht aufgehoben würden, sondern dass der Fortzahlungsantrag ab dem 01.12.2006 abgelehnt werde. Im Übrigen werde der Widerspruch zurückgewiesen. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der ab dem 01.08.2006 gültigen Fassung sei das Einkommen des Klägers zu 2) nunmehr auch auf den Bedarf der Kläger zu 3) bis 5) anzurechnen.

Hiergegen richtet sich die am 11.01.2007 erhobene Klage.

Im Laufe des Klageverfahrens haben die Kläger weitere Nachweise zu den Hausnebenkosten sowie einer Kfz-Haftpflichtversicherung vorgelegt. Die Beklagte hat auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung eines Hinweises des Kammervorsitzenden, dass im Falle eines 6-Personenhaushalts von einer angemessenen Quadratmeterfläche von 120 auszugehen sei, eine Neuberechnung der Leistungen durchgeführt. Dabei hat sie die in den Lohnabrechnungen des Klägers zu 2) enthaltenen Nachtzuschläge in Höhe von 50% als Einkommen angerechnet und Kosten für tägliche Fahrten von 25 km zur Arbeitsstätte berücksichtigt. Auf Grundlage dieser Neuberechnung hat die Beklagte einen Leistungsanspruch der Kläger für die Monate Februar bis April 2007 errechnet und den sich ergebenden Leistungsbetrag ausgezahlt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 23.10.2007 und 09.02.2009 Bezug genommen.

Die Kläger tragen vor, sie hätten ihr derzeit bewohntes Haus im Jahre 2004 im Vertrauen darauf gekauft, dass das Einkommen des Klägers zu 2) nicht auf den Bedarf der Kläger zu 3) bis 5) angerechnet werden würde. Dieses Vertrauen sei schützenswert. Die Höhe der Leistungen für Unterkunft sei nie infrage gestellt worden. Die im Einkommen des Klägers zu 2) enthaltenen Nachtzuschläge seien nicht als Einkommen anzurechnen, da sie zweckgebunden seien.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 10. und 21.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2006 zu verurteilen, ihnen von Dezember 2006 bis September 2008 SGB II-Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ohne Anrechnung des Einkommens des Klägers zu 2) auf den Bedarf der Kläger zu 3) bis 5) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Leistungen für Unterkunft seien bereits zu Zeiten des Bezugs von BSHG-Leistungen abgesenkt gewesen. Nach § 22 BSHG sei auch vor dem 01.01.2005 eine Zustimmung zu den neuen Unterkunftskosten im Falle eines Umzugs erforderlich gewesen. Die Deckelung der Leistungen für Unterkunft habe bereits ab 2003 gegolten. Bei der Berechnung der angemessenen Leistungen für Unterkunft orientiere sich die Beklagte am örtlichen Mietspiegel und dort an den Gebäuden der Gruppe 2. In der relevanten Größe sei ausreichend freier Wohnraum zu dem als angemessen anzusehenden Preis vorhanden. Im Dezember 2006 sei das volle Weihnachtsgeld des Klägers zu 2) angerechnet worden. Aber auch ohne die Anrechnung dieses Weihnachtsgelds hätte im Dezember 2006 kein Leistungsanspruch bestanden. Wäre das Weihnachtsgeld auf die Folgemonate verteilt worden, so hätte sich für Februar bis April 2007 ein geringerer Leistungsanspruch errechnet. Am 21.05.2007 sei den Klägern eine Lohnsteuererstattung für das Jahr 2006 in Höhe von 669,00 EUR zugeflossen, die bei der bisherigen Leistungsberechnung unberücksichtigt geblieben sei. Auch nach der Neuberechnung bestehe für den gesamten streitgegenständlichen Leistungszeitraum mit Ausnahme der Monate Februar bis April 2007 kein Anspruch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen SGB II- und BSHG-Leistungsakten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass sowohl der Bescheid vom 10.11.2006 als auch der Bescheid vom 21.11.2006 insofern ins Leere gingen und die Kläger nicht beschwerten, als beide Bescheide die Aufhebung von Leistungen (einmal ab 12/2006 und einmal ab 01/07) beinhalteten, die zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht bewilligt waren. Leistungen waren letztmalig mit Bescheid vom 29.05.2006 für den Zeitraum Juni bis November 2006 bewilligt worden. Jedenfalls im Widerspruchsbescheid vom 20.12.2006 lehnte die Beklagte aber den am 09.11.2006 gestellten Fortzahlungsantrag ab. Hiergegen konnten die Kläger unmittelbar in analoger Anwendung von § 79 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 79 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - klagen (vgl. hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladwig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 78 Rdnr. 8).

Die Kläger sind durch die angefochtenen Entscheidungen nach deren Abänderung im Klageverfahren nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - beschwert, da sie in dieser Form rechtmäßig sind. Den Klägern stehen für den Zeitraum Dezember 2006 bis Januar 2007 und Mai 2007 bis September 2008 keine und für den Zeitraum Februar bis April 2007 jedenfalls keine höheren Leistungen als die bereits gewährten zu. Denn in den Monaten Dezember 2006 bis Januar 2007 und Mai 2007 bis September 2008 überstieg das zu berücksichtigende Einkommen den Bedarf der Kläger. In den Monaten Februar bis April 2007 überstieg der Bedarf der Kläger das zu berücksichtigende Einkommen jedenfalls nicht um einen größeren als den von der Beklagten zuletzt anerkannten Betrag. Wegen der Einzelheiten des jeweils monatlichen Bedarfs und des jeweils monatlich anzurechnenden Einkommens wird auf die entsprechenden Berechnungen der Beklagten insbesondere im Schriftsatz vom 09.02.2009 sowie auf die ergänzenden Ausführungen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.07.2009 verwiesen.

Im Hinblick auf die Berechnung des Bedarfs der Kläger begegnet es dabei keinen Bedenken, dass die Beklagte im Hinblick auf die Schuldzinszahlungen der Kläger Leistungen für Unterkunft nicht in tatsächlicher, sondern lediglich in abgesenkter Höhe von 512,40 EUR gewährt hat. Denn im streitgegenständlichen Zeitraum waren den Klägern nicht die tatsächlichen, sondern nur die angemessenen Leistungen für Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu gewähren. Die Bestimmung der abstrakt als angemessen anzusehenden Unterkunftskosten erfolgt nach der so genannten Produkttheorie durch Multiplizierung der für die Bedarfsgemeinschaft als angemessen anzusehenden Wohnraumgröße mit dem als angemessen anzusehenden Quadratmeterpreis. Für die Bestimmung der abstrakt als angemessen anzusehenden Wohnraumgröße ist wiederum auf die Ausführungsbestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurückzugreifen. Für die Bestimmung des als angemessen anzusehenden Quadratmeterpreises ist unter Rückgriff auf den örtlichen Mietspiegel der untere (nicht der unterste) Bereich der für vergleichbaren Wohnraum am Wohnort marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen (vgl. Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rdnr. 39 ff). Gemäß Ziffer 5.71 der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz sind im Fall eines sechsköpfigen Haushalts 120 m² angemessen. Das Sozialgericht - SG - Duisburg hat mit Urteilen vom 14.07.2008 (S 27 (2) AS 146/06) und 24.02.2009 (S 27 AS 166/07) entschieden, dass in Oberhausen bei Wohnungen um 60 m² ein Quadratmeterpreis von 4,36 EUR, bei Wohnungen bis 90 m² ein Quadratmeterpreis von 4,31 EUR angemessen ist. Die erkennende Kammer schließt sich den Ausführungen der 27. Kammer an und verweist wegen der Begründung im Einzelnen auf die beiden Urteile. Für den vorliegenden Fall eines deutlichen größeren Hauses und damit der Maßgeblichkeit der Spalte D des Mietspiegels sind die von der Beklagten angesetzten 4,27 EUR pro m² unter Berücksichtigung der beiden vorgenannten Entscheidungen der 27. Kammer als angemessen anzusehen. Der um vier Cent niedrigere Quadratmeterpreis ergibt sich daraus, dass ausweislich des Mietspiegels Wohnungen über 90 m² in allen Gruppen des Mietspiegels günstigere Quadratmeterpreise als die Wohnungen bis 90 m² aufweisen. Die Kläger haben das Vorhandensein von Wohnraum zu dem von der Beklagten als angemessen angesehenen Preis nicht in Abrede gestellt. Mangels gegenteiliger Erkenntnisse wird es von der Kammer unterstellt. Im streitgegenständlichen Zeitraum waren die tatsächlichen Schuldzinsen auch nicht etwa nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu übernehmen. Zwar hat die Beklagte die Kläger während des Bezugs von SGB II-Leistungen nie zu einer Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert. Schon zu Zeiten des Bezugs von BSHG-Leistungen durch die Kläger zu 3) bis 5) waren aber nur abgesenkte Leistungen für Unterkunft berücksichtigt worden. Auch im anschließenden Bezug von SGB II-Leistungen wurden den Klägern insgesamt von Beginn an nur abgesenkte Leistungen für Unterkunft gewährt, was auch jeweils aus den Bewilligungsbescheiden ersichtlich war. Da die Kläger mit Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums seit fast zwei Jahren im Bezug dieser abgesenkten Leistungen standen, war eine neuerliche Kostensenkungsaufforderung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II entbehrlich. Weitergehende Leistungen wegen der von den Klägern getätigten Tilgungen waren nicht zu erbringen, da diese grundsätzlich im SGB II nicht vorgesehen sind.

Bei der Ermittlung des auf den Bedarf der Kläger anzurechnenden Einkommens hat die Beklagte zutreffend auch das Weihnachtsgeld sowie das Urlaubsgeld des Klägers zu 2) angerechnet (vgl. zum Weihnachtsgeld Landessozialgericht - LSG - Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.12.2008, L 7 B 269/08 AS). Darüber hinaus wären auch die Nachtzuschläge, die von der Beklagten nur zu 50 % berücksichtigt worden sind, voll als Einkommen anzurechnen gewesen. Die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur sieht Nachtzuschläge allerdings als zweckbestimmte und daher nicht als Einkommen zu berücksichtigende Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II an (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 08.03.2005, L 7 AS 112/05 ER, Juris, Rdnr. 29; Sozialgericht - SG - Chemnitz, Urteil vom 20.06.2008, S 22 AS 4269/07, Juris, Rdnr. 60 ff; SG Lüneburg, Urteil vom 25.10.2007, S 28 AS 1055/07; Brühl, in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 11 Rdnr. 54; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: VIII/08, § 11 Rdnr. 231; Zeitler/Dauber, in: Mergler/Zink, SGB II, Stand: Oktober 2008, § 11 Rdnr. 89). Nur vereinzelt werden hinan Zweifel geäußert (vgl. Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rdnr. 39; Hänlein, in: Gagel, SGB II/SGB III Stand: Januar 2009, § 11 SGB II Rdnr. 61a). Als Argument für eine Zweckbestimmung wird insbesondere angeführt, Nachtarbeit beanspruche den Menschen physisch stärker als Arbeit, die am Tage geleistet werde, weswegen zusätzliche Mahlzeiten und insofern besondere Aufwendungen erforderlich seien. Die Nachtzuschläge hätten insofern Aufwandsentschädigungscharakter (vgl. LSG Thüringen, a.a.O.). Demgegenüber wird eingewandt, es sei nicht erkennbar, welcher spezifische Aufwand durch die Zuschläge für Nachtarbeit abgedeckt werden solle (vgl. Hänlein, a.a.O.). Die erkennende Kammer geht davon aus, dass der Zuschlag für Nachtarbeit im Wesentlichen einen Anreiz darstellt, nachts zu arbeiten. Die Kompensation etwaiger Mehraufwendungen steht nach Auffassung der Kammer dagegen nicht im Vordergrund. Das LSG Thüringen (a.a.O.) hat im Zusammenhang mit der Erörterung der Nachtarbeitszuschläge zu Zuschlägen für Sonn- und Feiertagsarbeiten ausgeführt, dass der Verpflegungsaufwand während Sonn- und Feiertagen höher sei. Dieses Argument ist nach Auffassung der Kammer gerade angesichts geänderter Ladenöffnungszeiten zweifelhaft und jedenfalls auf den Fall der Nachtzuschläge nicht übertragbar. Ob die Arbeit des Nachts tatsächlich zu einem höheren Verpflegungsaufwand führt, lässt die Kammer dahinstehen. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, so ist dies nicht eigentlicher Grund für die Gewährung von Nachtzuschlägen. Die Kammer stützt sich bei dieser Einschätzung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - zur Steuerfreiheit von Nachtzuschlägen. Der BFH führte allerdings noch in einem Urteil vom 26.10.1984 (VI R 99/80, Juris, Rdnr. 8) aus: "Durch die Steuerfreiheit soll dem Arbeitnehmer ein finanzieller Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen, die mit dieser Arbeit verbunden sind, gewährt werden". Hier wird also durchaus eine Ausgleichsfunktion erwähnt. Sie wird jedoch nicht den Nachtzuschlägen, sondern der Steuerfreiheit zugeschrieben. Zu dieser Steuerbefreiung heißt es dann in einem späteren Urteil vom 21.05.1987 (IV R 339/84, Juris, Rdnr. 26), dass diese "einen zusätzlichen Anreiz zur Leistung von Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit" biete. Die Beibehaltung dieser Steuerbefreiung sei 1973 aus wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Gründen für zweckmäßig gehalten worden, weswegen die Steuerbefreiung "als Leistungsanreiz" erhalten werden sollte. Zu den Zuschlägen selbst heißt es in einem Urteil vom 28.11.1990 (VI R 90/87, Juris, Rdnr. 23), sie stellten "ein Entgelt für Arbeiten an besonders ungünstigen Zeiten" dar. Ergänzend wird auf die Definition im online-Lexikon wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Zuschlag f%C3%BCr Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, 06.08.2009) hingewiesen: "Mit dem Zuschlag zum Grundlohn soll die Leistungserbringung des Arbeitnehmers zu Zeiten, an denen die Mehrheit der Beschäftigten arbeitsfrei hat, finanziell vom Arbeitgeber honoriert werden." Dafür, dass die Nachtzuschläge im Wesentlichen einen Leistungsanreiz für das Arbeiten an besonders ungünstigen Zeiten und nicht in erster Linie eine Aufwandsentschädigung darstellen, spricht auch die Tatsache, dass es sich hierbei um pauschale Zuschläge handelt, die auf den Einkommensbescheinigungen nicht etwa als Aufwandsentschädigungen ausgewiesen werden. Anders ist dies z.B. bei ausdrücklich als solchen bezeichneten Spesen bzw. Verpflegungspauschalen. Die demnach im Vordergrund stehende Anreizfunktion steht dem generellen "Zweck" von Arbeitseinkommen so nah, dass ein Anrechnungsausschluss nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II nicht gerechtfertigt ist. Dass Nachtarbeit besonders anstrengend sein mag, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch dann, wenn ein Arbeitnehmer tariflich höher eingestuft ist, weil er eine als anstrengender bzw. härter angesehene Arbeit verrichtet, wird der aus der Höhereinstufung resultierende Mehrverdienst nicht als zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II angesehen.

Das demnach von der Beklagten zu Gunsten der Kläger zu niedrig angesetzte anzurechnende Einkommen des Klägers zu 2) war gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II auch auf den Bedarf der Kläger zu 3) bis 5) anzurechnen. Die Anrechnung des Einkommens von Stiefeltern auf den Bedarf der Stiefkinder wurde zum 01.08.2006 mit dem "Fortentwicklungsgesetz" in das SGB II aufgenommen. Sie begegnet auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht keinen Bedenken (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 13.11.2008, B 14 AS 2/08 R; vgl. auch SG Aachen, Urteil vom 28.01.2008, S 14 AS 108/07). Soweit die Kläger Vertrauensschutz reklamieren, fehlt es hierfür schon an einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt. Es ist auch in der Sache nicht ersichtlich, warum das etwaige Vertrauen der Kläger auf ein Fortbestehen der Sozialhilferegelungen zum Zeitpunkt des Hauskaufs schützenswert sein sollte.

Die Kläger müssen sich im Übrigen entgegenhalten lassen, dass auch nach der für sie durchaus günstigen Berechnung seitens der Beklagten jedenfalls ab Juni 2007 die Differenz zwischen Bedarf und anzurechnendem Einkommen monatlich mehrere hundert EUR betrug, dass bei dieser Berechnung das 2006 gezahlte Weihnachtsgeld im Ergebnis außen vor geblieben ist und dass auch zwischenzeitlich zugeflossene Lohnsteuererstattungen unberücksichtigt geblieben sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Beklagte anfänglich insofern zu niedrige Leistungen für Unterkunft gewährte, als sie unzutreffenderweise von einer angemessenen Quadratmeterfläche für die Bedarfsgemeinschaft von nur 105 m² ausging und dass erst nach Klageerhebung die vollständigen Nebenkosten berücksichtigt wurden.

Rechtskraft
Aus
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