S 26 AS 5380/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 AS 5380/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Der Absenkungsbescheid des Beklagten vom 12.02.2009 und der Änderungsbescheid des Beklagten vom 12.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2009 (Az.: W 1263/09) werden aufgehoben. 2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1985 geborene, allein lebende Kläger bezieht seit dem 04.12.2008 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).

Ab dem 16.09.2008 war der Kläger, gefördert mit einem Eingliederungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit, bei der M GmbH & Co. KG als Metallhilfsarbeiter beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde mit Aufhebungsvertrag vom 03.12.2008 im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst.

Mit einem Schreiben vom 05.01.2009 (Verwaltungsakte Bl. 94) hörte der Beklagte den Kläger zu der Frage an, ob im Falle des Klägers das Arbeitslosengeld II nach § 31 SGB II abzusenken sei. Der Kläger habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die Arbeit als Metallhilfsarbeiter bei der Firma m aufgegeben, obwohl eine Fortführung der Tätigkeit für ihn zumutbar gewesen sei.

Durch Bescheid vom 11.02.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 04.12.2008 bis zum 31.12.2008 unter Anrechnung von Erwerbseinkommen Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 327,79 Euro (davon 250,32 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung und 77,46 Euro Zuschlag nach § 24 SGB II) sowie für die Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.05.2009 ohne Einkommensanrechnung Leistungen in Höhe von 721,08 Euro monatlich (davon 351,00 Euro Regelleistung; 287,08 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie 83,00 Euro Zuschlag nach § 24 SGB II; Verwaltungsakte Bl. 66).

Mit Absenkungsbescheid vom 12.02.2009 beschränkte der Beklagte sodann das dem Kläger gewährte Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.03.2009 bis zum 31.05.2009 unter Fortfall des Zuschlages nach § 24 SGB II auf die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Direktauszahlung an den Vermieter verfügt wurde (Verwaltungsakte Bl. 73). Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen am 03.12.2008 seine Arbeit bei der Firma M aufgegeben, obwohl ihm die Fortführung zumutbar gewesen sei. Eine Verkürzung der Sanktionszeit auf 6 Wochen sei nicht gerechtfertigt, da der Kläger trotz der Hinweise im Aufhebungsvertrag zu eventuell entstehenden Nachteilen bei Bezug von Arbeitslosengeld dem Aufhebungsvertrag zugestimmt habe. Auf Antrag könnten dem Kläger in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen, insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen, gewährt werden. Mit Änderungsbescheid ebenfalls vom 12.02.2009 (Verwaltungsakte Bl. 71) änderte der Beklagte die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung für den Zeitraum vom 01.03.2009 bis zum 31.05.2009 dahingehend ab, dass für diesen Zeitraum nunmehr ein Minderungsbetrag aufgrund von Sanktionen in Höhe von 351,00 Euro monatlich in Abzug gebracht wurde, wobei der Änderungsbescheid hinsichtlich der eingetretenen Änderungen ausdrücklich auf den Sanktionsbescheid vom gleichen Tage verweist.

Gegen den "Bescheid vom 12.02.2009" erhoben die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 23.02.2009 Widerspruch (Verwaltungsakte Bl. 112). Eine Rechtsfolgenbelehrung sei nicht erfolgt und auch dem Aufhebungsvertrag mit dem Kläger nicht zu entnehmen, überdies sei der Kläger von der Firma M bewusst zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages bewegt worden, damit diese den gewährten Eingliederungszuschuss nicht zurückzahlen müsse. Insofern lägen zumindest die Voraussetzungen für eine Reduzierung des Sanktionszeitraumes auf sechs Wochen vor.

Den Widerspruch vom 23.02.2009 wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 26.02.2009 als unbegründet zurück. Der Kläger habe am 03.12.2008 seine Arbeit bei der Firma m mittels eines Aufhebungsvertrages aufgegeben, obwohl ihm die Fortführung der Tätigkeit unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit und seiner persönlichen Verhältnisse zumutbar gewesen sei. Einen wichtigen Grund hierfür habe der Kläger nicht nachgewiesen. Die Begründung, der Kläger sei nicht über mögliche Folgen in Bezug auf Leistungen der Bundesagentur für Arbeit oder des JobCenters aufgeklärt worden, überzeuge nicht.

Gegen die Absenkungsentscheidung des Beklagten vom 12.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2009 wendet sich der Kläger mit seiner am 09.03.2009 bei dem erkennenden Gericht erhobenen Klage. Zur Begründung nimmt der Kläger Bezug auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und vertritt darüber hinaus die Ansicht, die Regelung in § 31 Abs. 5 SGB II sei ausschließlich auf erwerbsfähige Hilfebedürftige anzuwenden, die das 15. und noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hätten und noch im Haushalt der Eltern lebten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Absenkungsbescheid des Beklagten vom 12.02.2009 sowie den Änderungsbescheid des Beklagten vom 12.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2009 (Az.: ) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Über einen am 24.02.2009 im Hinblick auf den Absenkungsbescheid des Beklagten vom 12.02.2009 gestellten Antrag des Klägers auf einstweiligen Rechtsschutz hat das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 18.05.2009 (Az.: S 26 AS ER) entschieden. Über die hiergegen durch den Beklagten erhobene Beschwerde entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg durch Beschluss vom 20.07.2009 (Az.: L 34 AS B ER).

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten, die dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen.

Entscheidungsgründe:

1. Das Gericht entscheidet gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist. Die Streitparteien sind hierzu gehört worden.

2. Die Klage ist als Anfechtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1, Variante 1 SGG zulässig.

Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits ist bei verständiger Würdigung sowohl der Absenkungsbescheid des Beklagten vom 12.02.2009 als auch der Änderungsbescheid des Beklagten vom gleichen Tage, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2009. Der Absenkungsbescheid und der Änderungsbescheid vom 12.02.2009 sind als einheitliche Verwaltungsentscheidung über die Höhe der Ansprüche des Klägers nach dem SGB II in dem Zeitraum vom 01.03.2009 bis zum 31.05.2009 auszulegen.

Maßstab für die Auslegung eines Verwaltungsaktes ist die Sicht eines verständigen Empfängers, der als Beteiligter die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen in ihre Entscheidung einbezogen hat, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen (Bundessozialgericht, Urteil vom 14.08.1996 – 13 RJ 9/95, Rn. 38 m.w.N.; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.05.2009 – L 28 AS 1354/08, Rn. 39; beide zitiert nach JURIS). Für einen verständigen Adressaten im vorgenannten Sinne stellen sich die beiden genannten Bescheide vom 12.02.2009 als einheitliche Entscheidung des Beklagten über Eintritt und Folgen einer Sanktion bei dem Kläger und über die sich infolge der Sanktion ergebenden Leistungsansprüche des Klägers im Sanktionszeitraum dar. Hierfür spricht zum einen formal die klare Bezugnahme der Bescheide aufeinander durch Nennung des Absenkungsbescheides vom 12.02.2009 als eingetretene Änderung in dem Änderungsbescheid des Beklagten vom 12.02.2009. Zum anderen erschließt sich der Regelungsgehalt der genannten Bescheide weder allein aus dem Absenkungsbescheid vom 12.02.2009 noch allein aus dem Änderungsbescheid vom gleichen Tage. Vielmehr wird erst in der Zusammenschau der beiden – aufeinander bezogenen – Bescheide deutlich, welche Verfügungen der Beklagte hierdurch treffen wollte, nämlich zum einen die Teilaufhebung der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung im Umfang der Regelleistung von 351,00 Euro monatlich für die Zeit vom 01.03.2009 bis zum 31.05.2009, zum anderen die Direktauszahlung der für den vorgenannten Zeitraum bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Vermieter der klägerischen Wohnung und zum dritten die Teilaufhebung der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung im Hinblick auf den zunächst bewilligten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld I (§ 24 SGB II) im Zeitraum 01.03.2009 bis 31.05.2009.

Zwar sind die beiden Bescheide vom 12.02.2009 insofern widersprüchlich, als die Direktauszahlung der Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Vermieter nur in dem Absenkungsbescheid Erwähnung findet, während der Änderungsbescheid diese nicht berücksichtigt, diese Widersprüchlichkeit steht jedoch einer Auslegung der beiden Bescheide vom 12.02.2009 als einheitliche Verwaltungsentscheidung nicht entgegen.

Dies zugrunde gelegt, sind der Absenkungsbescheid des Beklagten vom 12.02.2009 und der Änderungsbescheid vom gleichen Tage als rechtliche Einheit im Sinne einer einheitlichen Entscheidung über die Bewilligung und die Höhe der Leistungen nach dem SGB II an den Kläger für den Zeitraum vom 01.03.2009 bis zum 31.05.2009 aufzufassen (ebenso für die Mitteilung über die Minderung des Arbeitslosengeldes nach § 130 SGB III a.F. und den Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.08.2005 – B 7a AL 4/05 R, Rn. 12 m.w.N.; zitiert nach JURIS).

Dass der Kläger mit seiner dem hiesigen Rechtsstreit zugrunde liegenden Klage beide Bescheide vom 12.02.2009 angreifen wollte, lässt sich der Klageschrift vom 05.03.2009 im Wege der Auslegung entnehmen. Ausdrücklich greift der Kläger "den Bescheid vom 12.02.2009" an, ohne dies entweder auf den Absenkungs- oder auf den Änderungsbescheid vom 12.02.2009 zu beschränken. Darüber hinaus erwähnt er in seiner Klageschrift ausdrücklich, der Beklagte habe "mit zwei Bescheiden vom 12.02.2009 die Leistungen ab dem 01.03.2009 in Höhe des Regelsatzes und des Zuschlages nach § 24 SGB II entzogen und die Bewilligung für diesen Zeitraum abgeändert". Dabei lässt der Kläger keinen Zweifel daran, dass es ihm mit seiner Klage darum geht, die Absenkungsentscheidung des Beklagten für den Zeitraum vom 01.03.2009 bis zum 31.05.2009 insgesamt anzugreifen.

Der Zulässigkeit der so verstandenen Klage steht auch nicht das Fehlen eines Vorverfahrens gemäß §§ 78ff. SGG im Hinblick auf den Änderungsbescheid vom 12.02.2009 entgegen, denn bereits der durch den Klägerbevollmächtigten am 23.02.2009 erhobene Widerspruch ist als gleichermaßen gegen den Absenkungsbescheid des Beklagten vom 12.02.2009 und gegen den Änderungsbescheid vom gleichen Tage gerichtet auszulegen. Über den so aufzufassenden Widerspruch hat der Beklagte insgesamt mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2009 entschieden.

3. Die so verstandene Klage ist begründet. Der Absenkungsbescheid des Beklagten vom 12.02.2009 und der Änderungsbescheid vom 12.02.2009, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2009, sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Die angegriffene, einheitliche Verwaltungsentscheidung in der Gestalt der beiden Bescheide vom 12.02.2009 findet ihre rechtliche Grundlage in § 31 Abs. 5, 6 SGB II in Verbindung mit § 31 Abs. 4 Nr. 3 b) SGB II, § 144 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB III, § 45 Abs. 1, 2 Sätze 1 und 2 SGB X.

Nach § 31 Abs. 5 SGB II in Verbindung mit § 31 Abs. 4 Nr. 3 b) SGB II wird bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, das Arbeitslosengeld II dann auf die Leistungen nach § 22 SGB II beschränkt, wenn diese die im SGB III genannten Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen, wobei der Leistungsträger gemäß § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II die Absenkung und den Wegfall der Regelleistung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf sechs Wochen verkürzen kann.

Die formelle Rechtmäßigkeit der im Streit stehenden Verwaltungsentscheidung vom 12.02.2009 begegnet keinen rechtlichen Bedenken, insbesondere ist der Kläger vor Erlass der beiden Bescheide angehört worden, § 24 Abs. 1 SGB X. Indes ist diese durch den Absenkungsbescheid und den Änderungsbescheid vom 12.02.2009 getroffene Verwaltungsentscheidung materiell rechtswidrig.

Zwar spricht viel dafür, dass die Voraussetzungen der vorgenannten Rechtsgrundlage bei dem Kläger vorliegen. Dieser hat die Voraussetzungen nach dem SGB III für den Eintritt einer Sperrzeit, die das Ruhen eines Anspruches auf Arbeitslosengeld begründet, erfüllt. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III u.a. dann vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Dies dürfte bei dem Kläger der Fall sein. Der Kläger hat am 03.12.2008 einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet und dadurch sein Beschäftigungsverhältnis bei der M GmbH & Co. KG gelöst. Hierdurch dürfte er jedenfalls grob fahrlässig die eigene Arbeitslosigkeit herbeigeführt haben, da nichts dafür ersichtlich ist, dass der Kläger Aussichten auf ein Folgebeschäftigungs-verhältnis bei einem anderen Arbeitgeber hatte, und da vor diesem Hintergrund dem Kläger bewusst gewesen sein muss, dass die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages für ihn mit dem Eintritt von Arbeitslosigkeit verbunden ist. Ein wichtiger Grund für dieses Verhalten des Klägers ist nicht ersichtlich. Allein das Hinwirken des Arbeitgebers auf den geschlossenen Aufhebungsvertrag vermag einen derartigen wichtigen Grund nach Ansicht der Kammer ohne das Hinzutreten besonderer Umstände, etwa einer Nötigungs- bzw. Bedrohungssituation, nicht zu begründen, da der Kläger ohne derart gewichtige besondere Umstände ohne weiteres und ohne nachteilige Folgen befürchten zu müssen dem Hinwirken des Arbeitgebers hätte widerstehen können. Solche besonderen Umstände sind indes weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

Auch Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen der im Streit stehenden Absenkungsentscheidung des Beklagten durch die beiden Bescheide vom 12.02.2009 nicht entgegen. Zwar darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf dessen Bestand vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist, dies ist aber bei dem Kläger nicht der Fall. Dass der Kläger auf den Bestand des Bewilligungsbescheides vom 12.02.2009 tatsächlich vertraut hat, ist nicht ersichtlich. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so ist sein Vertrauen jedenfalls unter Abwägung mit dem öffentlichen Rücknahmeinteresse nicht schutzwürdig. Zunächst liegt keines der in § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X genannten Regelbeispiele für schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten mit Blick auf den Kläger vor. Weder hat dieser bereits erbrachte Leistungen verbraucht noch im Hinblick hierauf Vermögensdispositionen getroffen. Im Übrigen ist im Rahmen von § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X auch die Wertung zu berücksichtigen, die der Gesetzgeber in § 39 Nr. 1 SGB II zum Ausdruck gebracht hat, denn indem der Gesetzgeber hierin anordnet, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte, die Leistungen der Grundsicherung aufheben, zurücknehmen, widerrufen oder herabsetzen, keine aufschiebende Wirkung haben, verdeutlicht er zugleich, dass er dem öffentlichen Interesse an der – berechtigten – Rücknahme, Widerruf bzw. Herabsetzung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende besonderes Gewicht beimisst. Dies zugrunde gelegt, überwiegt hier im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB II das öffentliche Rücknahmeinteresse gegenüber dem Interesse des Klägers, die ursprünglich bewilligten Leistungen in voller Höhe zu erhalten.

Indessen hat der Beklagte die Rechtsfolge des durch den Kläger verwirklichten Sanktionstatbestandes in rechtlich unzutreffender Art und Weise bestimmt. Zwar hat der Beklagte sowohl den Beginn des Sanktionszeitraumes nach § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II zutreffend festgesetzt als auch Ermessen hinsichtlich einer Verkürzung des Absenkungszeitraumes auf sechs Wochen ausgeübt, § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II, ohne dass insofern Ermessensfehler ersichtlich wären. Grundsätzlich wird bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die – wie der Kläger – das 15., jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, gemäß § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II das Arbeitslosengeld II auf die Leistungen nach § 22 SGB II beschränkt. Gemäß § 31 Abs. 5 Satz 6 SGB II in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II kann der Beklagte jedoch in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen, die Entscheidung hierüber steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, § 39 Abs. 1 SGB I. Eines gesonderten Antrages des Hilfebedürftigen bedarf es hierfür nicht, da ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen nichts anderes darstellen als ein Minus zur Regelleistung nach § 20 SGB II und damit von dem Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bereits mit umfasst sind.

Das dem Beklagten hiernach eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Erbringung von Sachleistungen bzw. geldwerten Leistungen ist allerdings in Fällen, in denen die Regelleistung auf Null gekürzt wird und die Absenkungsentscheidung dazu führt, dass das physische Existenzminimum eines Hilfebedürftigen nicht mehr gesichert ist, regelmäßig dahingehend reduziert, dass nur eine Entscheidung für die Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen – jedenfalls in Höhe des physischen Existenzminimums – ermessensfehlerfrei ist (ebenso Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.12.2008 – L 10 B 2154/08 AS ER, Rn. 10; zitiert nach JURIS). Diese Entscheidung ist mit der Absenkungsentscheidung zu verbinden (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).

Diesen rechtlichen Anforderungen genügen der im Streit stehende Absenkungsbescheid vom 12.02.2009 sowie der Änderungsbescheid des Beklagten vom gleichen Tage nicht. Denn die angegriffene Absenkungsentscheidung des Beklagten, die eine Absenkung der Leistungsbewilligung in Höhe der gesamten Regelleistung unter Fortfall des Zuschlages nach § 24 SGB II vorsieht, führte hier dazu, dass während des Sanktionszeitraumes das physische Existenzminimum des Klägers nicht gesichert war. Dabei kann offen bleiben, welcher Betrag als physisches Existenzminimum – im Sinne der Untergrenze des zwingend Lebensnotwendigen – anzusehen ist und welche Bedarfe zwingend existenznotwendig sind, da der Kläger im Absenkungszeitraum über keinerlei anderweitiges Einkommen bzw. Vermögen verfügte und angesichts dessen während dieses Zeitraums keinerlei Bedarfe aus ihm zur Verfügung stehenden Mitteln decken konnte. Darüber hinaus stand dem Kläger während des Sanktionszeitraumes auch nicht die Möglichkeit offen, die von der Absenkungsentscheidung des Beklagten nicht erfassten Leistungen für Unterkunft und Heizung für seinen Lebensunterhalt zu verwenden, da diese Leistungen durch den Beklagten nicht an ihn, sondern unmittelbar an den Vermieter der von ihm bewohnten Mietwohnung ausgezahlt wurden.

Gleichwohl hat der Beklagte auf die Möglichkeit der Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen lediglich hingewiesen, ohne jedoch dem Kläger derartige Leistungen zu gewähren. Zu einer solchen Bewilligung von Ersatzleistungen kam es auch während des Sanktionszeitraums nicht. Vor diesem Hintergrund sind der Absenkungsbescheid vom 12.02.2009 und der Änderungsbescheid vom 12.02.2009, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2009, in vollem Umfang rechtswidrig und waren daher aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und folgt dem Unterliegen des Beklagten in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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