S 20 SO 29/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 29/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 63/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen der Grundsicherung (GSi) nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in der Zeit von März 2008 bis Juni 2009.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist verheiratet; ihr am 00.00.0000 geborener Ehemann ist als Schwerbehinderter anerkannt nach einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 mit dem Nachteilsausgleichsmerkmal "G". Er ist Halter eines PKW. Die Klägerin bezieht Altersrente; diese betrug ab Juli 2007 monatlich 81,17 EUR, ab April 2008 monatlich 81,03 EUR, ab Juli 2008 monatlich 81,70 EUR und ab Januar 2009 monatlich 81,33 EUR. Ihr Ehemann bezog Erwerbsunfähigkeitsrente; diese betrug ab Juli 2007 monatlich 772,66 EUR, ab April 2008 monatlich 771,38 EUR, ab Juli 2008 monatlich 777,74 EUR und ab Januar 2009 monatlich 774,30 EUR. Seit dem 01.08.2009 bezieht er eine Altersrente. Die Eheleute erhielten bis Juni 2008 monatlich 76,00 EUR Wohngeld. Sie leben in ihrem im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Wohngebäude in T. Es handelt sich um ein Einfamilienhaus auf einem ca. 400 qm großen Grundstück. Der Beklagte geht von einer Gesamtwohnfläche von 104 qm aus. Als angemessenen Verkehrswert des Hauses einschließlich Grundstück ermittelten das Kataster- und Vermessungsamt und der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Aachen 151.050,00 EUR; der tatsächliche Verkehrswert wird mit rund 260.000,00 EUR beziffert. Die Klägerin und der Ehemann zahlen Zinsen und Tilgung für zwei Baudarlehen; das eine Darlehen wird ausschließlich mit Zinsen, das andere Darlehen auch mit Tilgungsraten bedient; darüber hinaus zahlen die Eheleute Beiträge in einen Bausparvertrag, der bei Zuteilungsreife zur Tilgung des erstgenannten Darlehens herangezogen werden soll.

Am 20.03.2008 beantragte die Klägerin GSi-Leistungen.

Durch Bescheid vom 06.06.2008 bewilligte der Beklagte GSi für die Zeit vom 01.03. bis 30.06.2008 in Höhe von monatlich 174,42 EUR. Dabei ging sie von folgendem sozialhilferechtlichen Bedarf aus: Regelsatz Klägerin 312,00 EUR Regelsatz Ehemann 312,00 EUR Mehrbedarf Ehemann wegen Erwerbsunfähigkeit 53,04 EUR Kosten der Unterkunft (KdU) 367,21 EUR Heizkosten 60,00 EUR 1.104,25 EUR Diesen Bedarf stellte sie folgendes zu berücksichtigende Einkommen gegenüber: Rente der Klägerin 81,17 EUR Rente des Ehemannes 772,66 EUR Wohngeld 76,00 EUR 929,83 EUR Die KdU errechnete der Beklagte durch eine so genannte Rentabilitätsberechnung, in der er als Hauslasten die Zinsen für zwei Darlehen, öffentliche Abgaben für Versicherungsbeiträge und einen pauschalen Erhaltungsaufwand, jährlich 4.406,56 EUR (= monatlich 367,21 EUR) anerkannte.

Dagegen legte die Klägerin am 12.06.2008 Widerspruch ein und machte geltend, die Hauslasten seien höher.

Durch Schreiben des Ehemanns der Klägerin vom 27.06.2008 machte dieser eine kostenaufwändige Ernährung wegen Diabetes mellitus Typ II a, Hyperlipidämie, Hypertonie, Hyperurikämie und Vitamin K-Mangel geltend und wies daraufhin, dass dies dem Beklagten bereits aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Aachen vom 28.09.2005 - 6 K 3173/03 - bekannt sei. Darüber hinaus wollte der Ehemann der Klägerin PKW-Kosten berücksichtigt haben.

Durch Bescheid vom 25.06.2008 bewilligte der Beklagte GSi für die Zeit vom 01.07.2008 bis 30.06.2009 in Höhe von monatlich 253,49 EUR. Die geänderte Höhe ergab sich aus der Erhöhung von Regelsatz, Mehrbedarfsleistungen sowie Renteneinkommen und dem Wegfall des Wohngeldes.

Dagegen legte die Klägerin am 03.07.2008 Widerspruch ein. Sie machte geltend, die Zinsen für die Hausdarlehen seien erhöht worden; die Renten seien seit Monaten niedriger gewesen; Beiträge an die Bausparkasse und Tilgungsleistungen seien erneut nicht berücksichtigt worden.

Durch Bescheid vom 03.09.2008 berechnete der Beklagte die GSi für die Zeit von April 2008 bis Juni 2009 neu; im Hinblick auf die geringeren Rentenbeträge ergab sich für April bis Juli 2008 eine monatlich höhere Leistung von 1,42 EUR; ab Juli 2008 wurde eine um 6,00 EUR höhere Heizkostenpauschale anerkannt; und wegen veränderter Zinsbelastung berücksichtigte er als KdU ab Juni 2008 monatlich 373,01 EUR. Die laufende GSi-Leistung betrug danach monatlich 265,29 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 24.09.2008 bewilligte der Beklagte einen Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung des Ehemanns für die Zeit vom 01.06.2008 bis 31.05.2009 in Höhe von monatlich 55,00 EUR. Den Beginn der Leistung (erst ab Juni 2008) begründete er mit der Kenntnisnahme von dem Mehrbedarf durch das Schreiben vom "28.06.2008" (richtig: 26.06.2008).

Dagegen legte die Klägerin am 14.10.2008 Widerspruch ein.

Durch Änderungsbescheid vom 18.11.2008 berechnete der Beklagte die GSi ab Oktober 2008 wegen veränderter Wohngebäudeversicherungsbeiträge, durch weiteren Änderungsbescheid vom 16.01.2009 ab Januar 2009 wegen verminderter Rentenzahlung neu.

Soweit den Widersprüchen der Klägerin durch die Änderungsbescheide nicht abgeholfen worden war, wies der Beklagte sie durch Widerspruchsbescheid vom 09.03.2009 zurück. Zur Begründung führte er aus, Tilgungsleistungen für das Eigenheim könnten sozialhilferechtlich nicht als KdU anerkannt werden, da sie der Vermögensbildung dienten; ein Tatbestand, der nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hiervon eine Ausnahme begründen könne, sei nicht erkennbar; es sei z.B. eine Aussetzung oder Streckung der Tilgungsleistungen möglich; nur wenn diese nachweislich unverzichtbar seien, könnten sie als KdU mit anerkannt werden. Darüber hinaus sei aufgrund der vorliegenden Größen und Wertangaben von einem unangemessenen, nicht geschützten Vermögen auszugehen.

Dagegen hat die Klägerin am 06.04.2009 Klage erhoben. Sie behauptet, die Berechnungen der Beklagten seien falsch. Bei dem von ihr und ihrem Ehemann bewohnten Eigenheim handele es sich um ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 138,95 qm. Die Zahlungen für Tilgung eines Baudarlehens und auf den Bausparvertrag zur späteren Ablösung des weiteren Darlehens müssten als KdU anerkannt werden. Darüber hinaus müsse der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung des Ehemannes höher angesetzt werden; im Übrigen müsse er auch für die Monate März bis Mai 2008 gezahlt werden, da er den Beklagten bereits seit dem VG-Urteil aus dem Jahre 2005 bekannt sei. Desweiteren macht die Klägerin die Versicherungsbeiträge für den PKW des Ehemannes im Hinblick auf dessen Schwerbehinderung nach einem GdB von 80 und einer erheblichen Gehbehinderung als sozialhilferechtlichen berücksichtigenden Bedarf geltend.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter entsprechender Abänderung der Bescheide vom 06.06.2008, 25.06.2008, 03.09.2008, 24.09.2008, 18.11.2008 und 16.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2008 zu verurteilen, ihr für die Zeit von März 2008 bis Juni 2009 höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu zahlen und zwar dergestalt, dass als Kosten der Unterkunft auch die Zahlungen zur Tilgung eines Baudarlehens sowie in einen Bausparvertrag berücksichtigt werden, des Weiteren einen höheren Mehraufwand für kostenaufwändige Ernährung des Ehemannes, und diesen auch bereits ab März 2008, sowie die Kosten für die Versicherung eines PK des Ehemannes zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf das Urteil des BSG vom 18.06.2008 (B 14/11 b AS 67/08 R); dort sei zwar festgestellt worden, dass bei einer im sozialhilferechtlichen Sinne angemessenen Eigentumswohnung die Berücksichtigung der Tilgungsleistungen nicht von vornherein ausgeschlossen sei; jedoch setze das Gericht voraus, dass der Hilfebedürftige vor einer Inanspruchnahme staatlicher Leistungen alles unternehmen müsse, um die Tilgungsleistungen während des Bezuges von Grundsicherungsleistungen so niedrig wie möglich zu halten. Darüber hinaus könnten Finanzierungskosten einschließlich der Tilgungsleistungen insgesamt vom Grundsicherungsträger nur bis zur Höhe übernommen werden, die auch bei einer angemessenen Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu tragen wären. Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin nicht gegeben. Desweiteren sei die Berücksichtigung eines Mehrbedarfszuschlag wegen kostenaufwändiger Ernährung vor dem Monat der Kenntnis, also vor Juni 2008, ausgeschlossen; soweit sich die Klägerin auf das Urteil des VG Aachen aus dem Jahre 2005 berufe, sei festzustellen, dass es sich um ein Verfahren des Ehemannes gehandelt habe, die Klage durch dieses Urteil abgewiesen worden sei und es in den Entscheidungsgründen heiße, dass der Ehemann der Klägerin "für die Zeit vom 05.03.2003 bis 27.09.2003 weder einen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt etc. noch auf Gewährung eines Mehrbedarfszuschlages wegen Erwerbsunfähigkeit oder wegen kostenaufwändiger Ernährung" gehabt habe. Unabhängig davon rechtfertigten nach den inzwischen vorliegenden Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (3. völlig neu überarbeitete Auflage 2008) die Gewährung eines Mehrbedarfes nicht mehr. Die Berücksichtigung weiterer Mehrbedarfe zur Unterhaltung eines PKW seien im Gesetz nicht vorgesehen und könnten trotz der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen des Ehemanns der Klägerin nicht in Ansatz gebracht werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Sozialgerichtsakten S 19 SO 26/08 ER, S 19 SO 58/08 ER und S 19 SO 61/08, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere GSi-Leistungen nach dem SGB XII für den allein streitbefangenen Zeitraum von März 2008 bis Juni 2009 (in Bezug auf den Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung bis Mai 2009).

Der Anspruch der Klägerin auf GSi-Leistungen ergibt sich aus §§ 41 ff. SGB XII. Hinsichtlich des Umfangs der Leistungen verweist § 42 SGB XII u.a. auf § 28 (Regelsatz), § 30 (Mehrbedarf) und § 31 (einmalige Bedarfe) sowie § 29 (Kosten der Unterkunft - KdU).

Die Vergleichs- und Rentabilitätsberechnungen des Beklagten zur Ermittlung der sozialhilferechtlich berücksichtigungsfähigen KdU sind nicht zu beanstanden. Das BSG hat die angemessene Größe für eine selbst genutzte Eigentumswohnung für einen Zwei-Personen-Haushalt in Höhe von 80 qm für angemessen gehalten, jedoch entschieden, dass dies nur eine Orientierung am Durchschnittsfall ist und je nach Umständen des Einzelfalles eine Anpassung nach oben, ggf. aber auch nach unten bedürfe. Die bei Eigentumswohnungen bezogene Grenze könne nicht ohne Weiteres für ein selbst genutztes Hausgrundstück übernommen werden. Das BSG hat dementsprechend ein Hausgrundstück mit einer Größe von 91,89 qm noch für angemessen gehalten (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 2/05 R, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7 b AS 34/06 R, Urteil vom 19.09.2008 - B 14 AS 54/07 R). Der Beklagte hat in seiner Rentabilitätsberechnung im Fall der Klägerin und ihres Ehemannes 104 qm als (noch) angemessen anerkannt und der Berechnung der berücksichtigungsfähigen KdU zugrunde gelegt. Er hat als KdU die von der Klägerin und ihrem Ehemann aufzubringenden Baudarlehens-Zinsen, die Ausgaben für Grundsteuer, Winterdienst, Müllabfuhr, Kanalbenutzungsgebühr, Feuer-, Sturm- und Wasserversicherung, für Schornsteinfeger und für Wasser, des Weiteren einen Erhaltungsaufwand in Höhe von 10 % sowie für Aufwendungen zur Bewirtschaftung einen Betrag in Höhe von 1 % der Jahresroheinnahmen und des Mietwertes der eigenen Wohnung anerkannt. Den Jahresmietwert hat sie für 104 qm bei einem Quadratmeterpreis von 5,11 EUR für zwölf Monate mit 6.377,28 EUR angesetzt. Auf der Grundlage dieser Berechnungen ergab sich für die Zeit ab März 2008 ein monatlicher KdU-Betrag von 367,21 EUR, für die Zeit ab Juni 2008 ein solcher von 373,01 EUR, ab Oktober 2008 ein solcher von 374,60 EUR. Diese Beträge sind in der Rentabilitätsberechnung und anhand der von der Klägerin und ihrem Ehemann vorgelegten Daten zutreffend berechnet worden.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass auch die auf eines der Baudarlehen gezahlten Tilgungsraten sowie die Beiträge für den Bausparvertrag, der zur Tilgung des anderen Baudarlehens dienen soll, sozialhilferechtlich anerkannt und bedarfserhöhend berücksichtigt werden müssen, ist der Beklagte diesem Begehren zurecht nicht nachgekommen. Zwar hat das BSG in der Entscheidung vom 18.06.2008 (B 14/11 b AS 67/06 R) entschieden, dass die Berücksichtigung von Tilgungsraten als Bestandteil der Finanzierungskosten einer vom Hilfebedürftigen selbst genutzten Eigentumswohnung vom Grundsicherungsträger bis zur Höhe der angemessenen Kosten einer Mietwohnung als KdU übernommen werden können; das BSG hat jedoch zugleich deutlich gemacht, dass dies nicht generell und in jedem Fall gilt, sondern nur dann, wenn der Hilfebedürftige anderenfalls gezwungen wäre, seine Wohnung aufzugeben. Es besteht insoweit ein Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Wohnungseigentums einerseits und der Beschränkung der Sozialhilfe auf die aktuelle Existenzsicherung anderseits. Die Leistungen der Sozialhilfe sollen den Lebensunterhalt sichern und grundsätzlich nicht der Vermögensbildung dienen. Die mit der Tilgung eintretende Minderung der auf dem Wohneigentum ruhenden Belastungen führt jedoch bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Mehrung des Vermögens des Eigentümers. Dies ist aber bei Abwägung der widerstreitenden Zielvorgaben jedenfalls dann hinzunehmen, wenn ohne Übernahme der Tillgungsleistungen durch den Grundsicherungsträger der Verlust des selbst genutzten Wohneigentums droht. Ist die Erbringung von Tilgungsleistungen notwendig, um die Eigentumswohnung weiter nutzen zu können, und wäre ohne Fortführung der Tilgung eine Aufgabe der Wohnung unvermeidlich, hat bei wertender Betrachtung der Gesichtspunkt der Vermögensbildung zurückzutreten (so entsprechend für das Arbeitslosengeld II: BSG, Urteil vom 18.08.2008 - B 14/11 b AS 67/06 R). Erforderlich ist daher - so das BSG (a.a.O.) - zum einen, dass die Kosten in Form von Tilgungsleistungen zur Erhaltung des Wohneigentums unvermeidbar sind. Der Hilfebedürftige muss deshalb vor einer Inanspruchnahme staatlicher Leistungen alles unternehmen, um die Tilgungsverpflichtung während des Bezugs von Grundsicherungsleistungen so niedrig wie möglich zu halten. Zum anderen können Finanzierungskosten einschließlich der Tilgungsleistungen insgesamt vom Grundsicherungsträger nur bis zu der Höhe übernommen werden, die er auch bei einer angemessenen Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu tragen hätte.

Die Klägerin hat nicht vorgebracht und erst recht nicht nachgewiesen, dass nicht die Zinszahlungen, sondern auch die Tilgungsraten in der gezahlten Höhe notwendig und unverzichtbar sind, um das Einfamilienhaus weiter benutzen zu können. Denkbar wäre, mit dem Darlehensgeber über eine Aussetzung oder Herabsetzung der Tilgungsraten zu verhandeln. Auch wäre ein Antrag auf Aussetzung oder Herabsetzung der Bausparvertragsraten in Betracht zu ziehen. Schließlich kommt möglicherweise auch ein vorzeitiger Ablauf des Bausparvertrages in Betracht. Die Klägerin hat jedoch - soweit ersichtlich - keinerlei Versuche unternommen, die Tilgungsraten oder Einzahlungen auf den Bausparvertrag zu senken. Aus diesem Grunde können diese Zahlungen auch nicht als KdU anerkannt werden.

Unabhängig hiervon kommt eine Anerkennung höherer KdU auch deshalb nicht in Betracht, weil die vom Beklagten seit März 2008 anerkannten Kosten bereits die vom BSG im Urteil vom 18.06.2008 (B 14/11 b AS 67/06 R) als Obergrenze angesehene Höhe der abstrakt angemessenen Kosten einer Mietwohnung erreicht bzw. überschritten haben. Bei der Bestimmung der angemessenen Grundfläche ist auf die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße abzustellen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R). Nach § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) können die Länder im geförderten Mietwohnungsbau die Anerkennung von bestimmten Wohnungsgrößen nach den Grundsätzen der Angemessenheit regeln. Hierzu erlassen die einzelnen Bundesländer Richtlinien. In dem Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen betreffend die "Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz" vom 08.03.2002 in der geänderten Fassung vom 21.09.2006 ist für das Land Nordrhein-Westfalen bestimmt, dass in der Regel für einen Haushalt mit zwei haushaltsangehörigen Personen zwei Wohnräume oder 60 qm Wohnfläche im Sinne von § 27 Abs. 4 WoFG angemessen sind (Ziffer 5.7). Dementsprechend werden auch in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung im Mietwohnungsbereich 60 qm für zwei Personen als angemessen erachtet (vgl. z.B. LSG NRW Urteil vom 16.02.2009 - L 9 AS 62/08; Urteil vom 09.01.2008 - L 12 AS 77/06). Dividiert man nun die vom Beklagten anerkannten KdU (367,21 EUR, 373,01 EUR und zuletzt 374,60 EUR) jeweils durch 60 qm, so ergibt sich ein Quadratmeter-Preis von 6,12 EUR, 6,22 EUR bzw. 6,24 EUR. Dieser Wert liegt noch über dem Satz, der nach der für die Stadt T. maßgeblichen Mietwerttabelle (Stand: 01.03.2008) angemessen ist. Vergleichsmaßstab ist insoweit der Preis für eine Wohnung im unteren Segment der in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet. Nach der Mietwerttabelle werden in der Spalte II (Wohnungen mit Bad/Dusche und mit Heizung) für Wohnungen in mittlerer Wohnlage der Baujahre 1960 bis 1970 im unteren Preissegment 3,55 bis 4,00 EUR angesetzt; in diesen Nettokaltmieten sind die Betriebskosten noch nicht enthalten. Rechnet man zu den angegebenen Werten noch Nebenkosten in Höhe von - großzügig bemessen - 1,80 EUR/qm hinzu, so ergäbe sich ein Quadratmeter-Preis in der Spanne von 5,35 bis 5,80 EUR. Die für die Klägerin und ihren Ehemann abstrakt angemessenen Kosten einer Mietwohnung von 60 qm beliefen sich hiernach auf 321,00 EUR bis 348,00 EUR. Diese Grenzen werden bereits von den bisher vom Beklagten anerkannten KdU überschritten.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf erhöhte Sozialhilfeleistungen wegen Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung ihres Ehemannes. Nach § 42 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 30 Abs. 5 SGB XII wird für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder eine Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Der Ehemann der Klägerin bedarf keiner Ernährung, deren Kosten über den üblichen Bedarf hinausgehen. Bei dem bei ihm bestehenden Diabetes mellitus Typ II, der Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfette), der Hypertonie (Bluthochdruck), der Hyperurikämie (Erhöhung der Harnsäure im Blut) und dem Vitamin-K-Mangel ist nach den "Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" vom 01.10.2008 (im Folgenden: Empfehlungen 2008) eine Vollkost-Ernährung angezeigt. Eine Vollkost ist eine Kost, die

1.den Bedarf an essenziellen Nährstoffen deckt, 2.in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf berücksichtigt, 3.Erkenntnisse der Ernährungsmedizin zur Prävention und auch zur Therapie berücksichtigt, 4.in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst ist, soweit Punkt 1 bis 3 nicht tangiert werden (Definition nach: Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner [BDEM] e.V., der Deutschen Adipositas Gesellschaft [DAG] e.V., der Deutschen Akademie für Ernährungsmedizin [DAEM] e.V., der Deutschen Gesellschaft für Ernährung [DGE] e.V., der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin [DGEM] e.V., des Verbandes der Diätassistenten - Deutscher Bundesverband [VDD] e.V. und des Verbandes der Diplom-Oecotrophologen [VDOE] e.V.). Die Vollkost-Ernährung für Diabetiker erfordert keinen krankheitsbedingten erhöhten Ernährungsaufwand und dementsprechend keinen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Wesentlich ist die Erhebung einer strukturierten Ernährungsanamnese, die Feststellung eines Therapieziels, die Erstellung eines individuellen Ernährungsplans und eine Diabetiker-Schulung. Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist eine vollwertige ausgewogene Ernährung (Mischkost) angezeigt, wie sie auch für gesunde Erwachsene generell empfohlen wird. Eine besondere kostenaufwändige Ernährung mit "für Diabetiker geeignete" Lebensmitteln ist als Ernährungstherapie bei Diabetes mellitus nicht erforderlich und wird auch nicht empfohlen (so übereinstimmend: Empfehlungen 2008; Rationalisierungsschema 2004; "Evidenz-basierte Ernährungsempfehlungen zur Behandlung und Prävention des Diabetes mellitus" in Abstimmung mit der DDG, DAG, DGEM und DGE, abgedruckt in Diabetes und Stoffwechsel, Heft 14/2005, S. 74 ff.; "Ernährungstherapie bei Diabetes mellitus", Info der DGE vom 01.08.2008; ebenso: LSG NRW, Urteil vom 28.07.2008 - L 20 SO 13/08). Diese für Diabetes mellitus Typ II gegebenen Empfehlungen gelten entsprechend für die Hyperlipidämie, die Hypertonie, die Hyperurikämie und einen Vitamin-Mangel. Die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierten Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen können für die Entscheidung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung besteht, herangezogen werden (vgl. BT-Drucksache 15/1516, S. 57 zu § 21 Abs. 5 SGB II). Sie sind zwar keine Rechtsnormen, können jedoch in der Fassung der Empfehlungen 2008 als "antizipiertes Sachverständigengutachten" angesehen werden. Allerdings hatte das Bundessozialgericht (BSG) die früheren Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahre 1997 noch nicht ("derzeit") als antizipiertes Sachverständigengutachten akzeptiert. Es hatte dies damit begründet, dass die Empfehlungen aus dem Jahre 1997 datieren, sich auf Gutachten aus den Jahren 1991 bis 1996 stützen und die inzwischen eingetretenen Entwicklungen noch nicht aktualisiert waren (BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/7 b AS 64/06 R; Urteil vom 15.04.2008 - B 14/11 b AS 3/07 R). Diese Ausgangslage hat sich jedoch durch die neuen Empfehlungen 2008 grundlegend geändert. Die Empfehlungen 2008 wurden in einer vorwiegend mit sozialrechtlichen und medizinischen Fachkräften besetzten Arbeitsgruppe erstellt. Wichtige Arbeitsgrundlagen waren das Rationalisierungsschema 2004 sowie eine wissenschaftliche Ausarbeitung der DGE zu den Lebensmittelkosten bei einer vollwertigen Ernährung von April 2008. Weiterhin wurde die einschlägige Literatur ausgewertet (Urteil der Kammer vom 28.04.2009 - S 20 SO 82/08). Jedenfalls in Bezug auf die Erkrankungen "Diabetes mellitus", "Hyperlipidämie", "Hypertonie" und "Hyperurikämie" geben die Empfehlungen 2008 den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand umfassend wieder. Im Fall der Klägerin waren in Bezug auf ihren Ehemann keine Besonderheiten ersichtlich und sind von ihr auch nicht vorgetragen worden, die der Kammer hätten Veranlassung geben müssen, den medizinischen Sachverhalt durch Einholung eines Einzelfall bezogenen Sachverständigengutachtens aufzuklären. Für die von der Klägerin begehrten Übernahme der Kosten für die Versicherung des PKW ihres Ehemannes aus Mitteln der Sozialhilfe fehlt es an einer entsprechenden Anspruchsgrundlage. Die Berücksichtigung eines solchen Mehrbedarfs ist im Gesetz nicht vorgesehen. Den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen des Ehemannes der Klägerin - er besitzt einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "G" - wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass bei der Bewilligung der GSi-Leistungen gem. § 42 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 30 Abs. 1 SGB XII ein Mehrbedarf von 17 v. H. des maßgebenden Regelsatzes anerkannt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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