L 9 SO 5/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 16 (32) SO 20/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 5/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.01.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten einer Reittherapie.

Der im Jahre 1996 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt unter muskulärer Dystonie, Störungen der Koordination und des Gleichgewichtes sowie Störungen der Körperwahrnehmung. Er besucht seit dem Sommer 2003 eine Regelschule ohne eine besondere, auf ihn bezogene Förderung. Seit dem Jahr 2002 nimmt der Kläger an einer Reittherapie bei der Sport- und Reitpädagogin T (Zentrum für therapeutisches Reiten B) teil. Seitens der Stadt H wurden die Kosten einer heilpädagogischen Behandlung übernommen.

Die Übernahme der Kosten für die Reittherapie des Klägers stand bereits in der Vergangenheit zwischen dem Kläger und der Stadt H im Streit. Nachdem die Stadt H zunächst die Übernahme der Kosten abgelehnt hatte, schlossen der Kläger und die Stadt H im Verfahren 13 K 251/03 des Verwaltungsgerichts Düsseldorf im Termin vom 22.04.2005 einen Vergleich, nach dessen Inhalt die Stadt H die Kosten des therapeutischen Reitens zunächst für den Zeitraum von Oktober 2002 bis August 2003 übernahm. Eine Kostenübernahme für nachfolgende Zeiträume machten die Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach Ziffer 2 des Vergleichs vom Ergebnis einer amtsärztlichen Untersuchung abhängig.

Bei der amtsärztlichen Untersuchung vom 24.05.2005 stellte der untersuchende Arzt eine positive Entwicklung des Klägers fest und führte aus, aus amtsärztlicher Sicht sei nicht mit Sicherheit zu beurteilen, in welchem Ausmaß die seit dem Frühjahr 2002 durchgeführte Reittherapie zu diesem Ergebnis geführt habe. Auch die anderen in diesem Zeitraum durchgeführten therapeutischen Maßnahmen - etwa die regelmäßig erfolgte Ergotherapie und die Krankengymnastik - hätten zu dem positiven Gesamtbild beigetragen. Auf der Grundlage der amtsärztlichen Untersuchung übernahm der nunmehr zuständige Beklagte für den Zeitraum vom 01.09.2003 bis 30.06.2005 weiterhin die Kosten der Reittherapie.

Am 29.06.2005 beantragte der Kläger die weitere Übernahme der Kosten ab dem 01.07.2005. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26.08.2005 ab und führte aus: Die amtsärztliche Untersuchung des Klägers im Mai 2005 habe zu der Feststellung einer positiven Entwicklung des Klägers geführt. Der Amtsarzt habe jedoch nicht feststellen können, in welchem Maße die Reittherapie zu diesem Ergebnis beigetragen habe.

Den gegen diesen Bescheid am 01.09.2005 erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte nach beratender Beteiligung sozial erfahrener Dritter gemäß § 116 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2006 als unbegründet zurück. Der therapeutische Erfolg der Reittherapie habe im Falle des Klägers nicht nachgewiesen werden können. Es sei nicht zu erwarten, dass durch die Reittherapie das Ziel der Eingliederungshilfe, nämlich, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern, erreicht werde.

Am 15.03.2006 hat der Kläger beim Sozialgericht Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt: Das therapeutische Reiten sei - wie auch aus der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2001 (Az.: 1 A 193/00) folge - wissenschaftlich anerkannt. Demgegenüber komme es nicht darauf an, ob das therapeutische Reiten in die Heilmittelrichtlinien der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen worden sei. Die Reittherapie sei geeignet, die Ziele der Eingliederungshilfe zu erreichen und im Falle des Klägers auch zur Unterstützung einer weiteren positiven Entwicklung erforderlich. Trotz der Ablehnung der Kostenübernahme durch den Beklagten nehme der Kläger weiter an der Reittherapie teil und weise noch immer Verbesserungen seiner motorischen Fähigkeiten auf. Der Beklagte müsse die Kosten jedenfalls auf der Grundlage des § 55 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) übernehmen. Außerdem ergebe sich aus dem verwaltungsgerichtlichen Vergleich die Verpflichtung der Beklagten, die weiteren Behandlungskosten zu übernehmen. Es sei auch nicht gerechtfertigt, bei unveränderten rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen nunmehr die Übernahme der Kosten der Reittherapie abzulehnen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2006 zu verpflichten, die Kosten für eine Reittherapie ab dem 01.07.2005 zu übernehmen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und im Wesentlichen auf die Gründe des Widerspruchsbescheids verwiesen. Zudem sei eine weitere Kostenübernahme für das therapeutische Reiten ausgeschlossen, weil die Therapie im Rahmen der Eingliederungshilfe nicht als medizinische Rehabilitationsleistung anerkannt sei. Sie zähle nicht zu den von den Krankenkassen anerkannten verordnungsfähigen Heilmitteln im Sinne des § 32 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Ihr therapeutischer Nutzen sei nicht nachgewiesen.

Mit Beschluss vom 21.02.2007 hat das Sozialgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Beschwerde des Klägers hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 21.05.2007 (Az.: L 9 B 16/07 SO) den Beschluss des Sozialgerichts vom 21.02.2007 geändert und dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren bewilligt.

Nach entsprechender Einverständniserklärung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) die Klage abgewiesen. Ungeachtet der Frage, ob die Reittherapie als Hippotherapie oder als therapeutisches Reiten einzustufen sei, komme eine Kostenübernahme nicht in Betracht. Zunächst ergebe sich aus dem vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf geschlossenen Vergleich kein Rechtsanspruch auf eine künftige Übernahme der Kosten für die Reittherapie. Auch im Wege der Eingliederungshilfe seien die Kosten nicht übernahmefähig. Die Voraussetzungen der Nrn. 1 bis 5 des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII lägen nicht vor. Soweit § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf die Leistungen nach den §§ 26,33,41 und 55 SGB IX verweise, ergebe sich der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus diesen Normen. § 41 SGB IX beziehe sich ausschließlich auf Werkstätten für behinderte Menschen und sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Auch § 33 SGB IX sei nicht anwendbar, denn er beziehe sich auf Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Voraussetzungen zur Gewährung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB IX lägen ebenfalls nicht vor. Zwar handele es sich bei der Hippotherapie bzw. dem heilpädagogischen Reiten um eine medizinische Rehabilitationsleistung im Sinne des § 26 SGB IX. Denn Ziel des Reitens sei es, die Folgen der Behinderung des Klägers zu mindern. Ebenso wie die Hippotherapie sei dabei das heilpädagogischen Reiten darauf ausgerichtet, die krankheitsbedingte Behinderung selbst zu bessern. Es gehe bei der Reittherapie nicht in erster Linie darum, Auswirkungen der Behinderung auf die allgemeine Lebensgestaltung aufzufangen. Vielmehr handele es sich im Schwerpunkt um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation als ärztlich verordnete Dienstleistung, die einem Heilzweck diene oder einen Heilerfolg sichere und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfe. Die Übernahme der Kosten für medizinische Leistungen nach § 26 SGB IX scheitere allerdings an § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Denn Leistungen zur medizinischen Rehabilitation könnten nur dann übernommen werden, wenn sie den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprächen. Die Hippotherapie und das therapeutische Reiten seien aber nicht anerkannte und verordnungsfähige Heilmittel im Sinne des § 32 SGB V. Da sie nicht von ärztlichen Fachkräften erbracht würden, zählten sie zu den neuen Heilmitteln, die gemäß § 138 SGB V nur erbracht würden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt habe. Nach der gültigen Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses zu den Heilmittel-Richtlinien vom 20.06.2006 sei die Hippotherapie nicht als neues Heilmittel anerkannt. Gleiches gelte für das therapeutische Reiten. Die Kostenübernahme komme schließlich auch nicht auf der Grundlage des § 55 Abs. 1 und 2 SGB IX in Betracht. Zwar enthalte § 55 Abs. 2 SGB IX einen offenen Katalog an Leistungen, doch dienten die dort genannten Leistungen ausschließlich der Integration des Behinderten in die Gesellschaft. Es handele sich dabei um Maßnahmen, die nicht der Beseitigung der Behinderung dienten, sondern dem Behinderten unter Berücksichtigung seiner spezifischen Bedürfnisse eine bestmögliche Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen sollten. Die Hippotherapie und das therapeutische Reiten setzten jedoch direkt an der Beseitigung der Behinderung an und zählten damit zu den medizinischen Leistungen, die allerdings von den Krankenkassen nicht übernommen würden. Sie unterfielen damit gerade nicht dem Anwendungsbereich des § 55 SGB IX.

Gegen das ihm am 14.01.2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 14.02.2008 eingelegte Berufung des Klägers, zu deren Begründung er noch vorträgt: Er sei der Auffassung, dass für die Hippotherapie und das therapeutische Reiten ein Kostenübernahmeanspruch gemäß § 55 SGB IX auch dann bestehen könne, wenn sie nicht als Leistungen der medizinischen Rehabilitation anerkannt seien. Denn die in § 55 SGB IX genannten Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bildeten neben den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und den diese beide Leistungen ergänzenden Leistungen die vierte Gruppe der Leistungen zur Teilhabe. § 55 SGB IX enthalte keinen abschließenden Katalog der in Betracht kommenden Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.01.2008 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2006 zu verpflichten, die Kosten für seine Reittherapie ab dem 01.07.2005 zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist darauf, dass die Hippotherapie nach der Entscheidung des BSG vom 19.03.2002 - B 1 KR 36/00 R - von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen sei, solange sie vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannt sei. Die Hippotherapie sei nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 20.06.2006 weiterhin nicht anerkannt. Daran scheitere die Kostenübernahme aus Mitteln der Eingliederungshilfe.

Am 23.04.2009 hat der Berichterstatter einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt. Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verfahrensakte 13 K 251/03 des Verwaltungsgerichts Düsseldorf sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Kosten seiner Reittherapie ab dem 01.07.2005 nicht zu. Durch die angefochtenen Bescheide wird er nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGB XII.

Ein Anspruch des Klägers ergibt sich zunächst nicht aus dem im Verfahren 13 K 251/03 des Verwaltungsgerichts Düsseldorf am 22.04.2005 geschlossenen Vergleich. Denn nach dem Inhalt dieses Vergleiches sollte eine Kostenübernahme für Zeiträume ab September 2003 dann erfolgen, wenn nach dem Ergebnis einer durchzuführenden amtsärztlichen Untersuchung eine positive Entwicklung des Klägers gerade durch das therapeutische Reiten festgestellt würde. Der untersuchende Amtsarzt ist jedoch beim Kläger zu dem Ergebnis gelangt, dass zwar eine positive Entwicklung zu verzeichnen gewesen sei, aber ungeklärt sei, ob und inwieweit diese Entwicklung auf die Reittherapie zurückgeführt werden könne. Vor diesem Hintergrund lassen sich Ansprüche für die Zeit ab September 2003 aus dem Vergleich nicht herleiten. Immerhin sind die Kosten der Reittherapie trotz des beschriebenen Ergebnisses der amtsärztlichen Untersuchung noch bis zum 30.06.2005 übernommen worden.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Reittherapie für die Zeit ab dem 01.07.2005 aus Mitteln der Eingliederungshilfe auf der Grundlage der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII.

Nach § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.

Nach dieser Maßgabe liegen die Voraussetzungen der Übernahme der Kosten der Reittherapie als Leistung der Eingliederungshilfe nicht vor. Zunächst liegt keiner der durch § 54 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 SGB XII hervorgehobenen Leistungsfälle vor. Insbesondere handelt es sich nicht um Hilfe zu einer angemessene Schulbildung nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, denn diese Norm bezieht sich nur auf spezielle Ausbildungshilfen, die gerade auf den Schulbesuch ausgerichtet sind. Dieser spezielle Bezug zum Schulbesuch ist bei der Reittherapie des Klägers nicht erkennbar.

Ein Anspruch auf Eingliederungshilfe ergibt sich auch aus keiner der durch § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Bezug genommenen Normen.

Dabei beziehen sich die §§ 41, 33 SGB IX auf Werkstätten für behinderte Menschen sowie auf Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben und sind damit für den Kläger nicht einschlägig.

Zutreffend ist das Sozialgericht des Weiteren davon ausgegangen, dass sich der Anspruch auch nicht aus § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX ergibt und zwar ungeachtet der Einstufung der Reittherapie in die verschiedenen Kategorien des therapeutischen Reitens. Allerdings dürfte das Sozialgericht nicht durchgehend die richtige Terminologie verwendet haben, denn das therapeutische Reiten bildet den Oberbegriff über einerseits das heilpädagogische Reiten (vom Sozialgericht offenbar als therapeutisches Reiten bezeichnet) und andererseits die Hippotherapie. Dabei verfolgt das heilpädagogische Reiten einen ganzheitlichen Ansatz und soll den Menschen körperlich, emotional, geistig und sozial durch die Arbeit mit dem Medium Pferd fördern. Die Hippotherapie setzt demgegenüber Pferde zur Physiotherapie und Ergotherapie ein, hat also krankengymnastischen Charakter (vgl. www.wikipedia.de, Stichwort: Therapeutisches Reiten). Diese Unschärfen in den verwendeten Begrifflichkeiten machen die Entscheidung des Sozialgerichts aber nicht fehlerhaft, da ein Anspruch weder für die Hippotherapie noch für das heilpädagogische Reiten besteht.

Nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX werden zur Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen die erforderlichen Leistungen erbracht, um Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Bestandteil der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind nach § 26 Abs. 3 SGB IX auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die in Abs. 1 genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere auch (Nr. 5) Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen. Dabei richtet sich die Abgrenzung zu Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemäß § 55 Abs. 2 SGB IX danach, welche Bedürfnisse mit dem Hilfsmittel befriedigt werden sollen, also welchen Zwecken und Zielen die jeweilige Leistung dient (vgl. BSG, Urteil vom 19.05.2009 - B 8 SO 32/07 R -).

Sowohl bei der Hippotherapie als auch beim heilpädagogischen Reiten handelt es sich um medizinische Rehabilitationsleistungen im oben dargestellten Sinne. Dem Sozialgericht ist darin beizupflichten, dass durch das Reiten die Folgen der Behinderung gemindert und möglichst sogar überwunden werden sollen. Auch setzt es unmittelbar an der Behinderung an, da gerade die Verbesserung des Gleichgewichtssinnes, der Muskulatur und des Muskeltonus im Vordergrund stehen. Indem die Ursachen der Behinderung beseitigt oder jedenfalls ihre Auswirkungen minimiert werden, werden die behinderungsbedingten Entwicklungsverzögerungen des Klägers aufgeholt. Demnach geht es nicht darum, Auswirkungen der Behinderung auf die allgemeine Lebensgestaltung aufzufangen (vgl. dazu auch VG Aachen, Urteile vom 21.06.2006 - 6 K 103/04 - (heilpädagogisches Reiten) und vom 10.02.2006 - 6 K 2480/06 - (Hippotherapie)). Soweit positive Entwicklungen des Klägers auch im allgemeinen Lebensbereich zu verzeichnen sind, sind dies indirekte Auswirkungen, die mit der Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers einhergehen. Es handelt sich danach schwerpunktmäßig um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach §§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. 26 SGB IX und zwar um ein Heilmittel nach § 26 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX.

Eine Übernahme der Kosten für die Reittherapie als medizinische Rehabilitationsleistung scheitert an § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Nach dieser Vorschrift können Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nur übernommen werden, wenn sie den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Im Rahmen der Eingliederungshilfe sind also keine geringeren, aber auch keine weitergehenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erbringen als in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Reittherapie entspricht nicht dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. Es handelt sich um eine therapeutische Dienstleistung, die auf Verordnung eines Arztes durch besonders ausgebildete, nichtärztliche Fachkräfte erbracht wird. Sie ist als Heilmittel im Sinne des § 32 SGB V einzustufen (vgl. zur Petö-Therapie BSG, Urteil vom 03.09.2003 - B 1 KR 34/01 R -). Neue Heilmittel dürfen die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte nach § 138 SGB V nur verordnen, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat. Neue Heilmittel können damit grundsätzlich nicht beansprucht werden, solange die geforderte Entscheidung des Bundesausschusses nicht ergangen ist (vgl. BSG, a.a.O.). Sowohl bei der Hippotherapie als auch beim heilpädagogischen Reiten fehlt es an der entsprechenden Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dabei ist die Hippotherapie nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 20.06.2006 sogar ausdrücklich als nicht verordnungsfähiges Heilmittel eingestuft. Für das heilpädagogische Reiten fehlt es jedenfalls an der erforderlichen positiven Aufnahme in die Heilmittel-Richtlinien und damit an der verbindlichen Anerkennung als verordnungsfähiges Heilmittel.

Ein Anspruch auf Kostenübernahme ergibt sich schließlich auch nicht aus §§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. 55 Abs. 1 und 2 SGB IX.

Nach § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4-6 nicht erbracht werden. Ziel der Leistungen nach § 55 Abs. 1 SGB IX ist es einerseits, den Menschen, die auf Grund ihrer Behinderung von (Teil-)Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgegrenzt sind, den Zugang zur Gesellschaft zu ermöglichen, andererseits aber auch den Personen, die in die Gesellschaft integriert sind, den Zugang zur Gesellschaft zu sichern, wenn sich abzeichnet, dass sie von gesellschaftlichen Ereignissen und Bezügen abgeschnitten werden (vgl. BSG, Urteil vom 19.05.2009 - B 8 SO 32/07 R -).

Nach dieser Maßgabe bildet das therapeutische Reiten für den Kläger trotz des offenen Leistungskatalogs des § 55 Abs. 2 SGB IX keine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Die Reittherapie setzt nach der oben vorgenommenen Abgrenzung zur medizinischen Rehabilitation schwerpunktmäßig an der Behinderung an und versucht, die Behinderungsfolgen zu mindern oder sogar zu beheben. Die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gemeinschaft wird durch die Reittherapie hingegen allenfalls indirekt positiv beeinflusst. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Fähigkeit des Klägers, in der Gemeinschaft zu leben, durch die positive Entwicklung seiner Motorik und des Gleichgewichtssinnes ebenfalls verbessert wird. So wird es ihm leichter möglich sein, etwa im sportlichen Bereich mit anderen Kindern und Jugendlichen mitzuhalten. Erkennbar im Vordergrund steht allerdings die Beseitigung der Behinderung - nicht zuletzt das Aufholen der Entwicklungsverzögerung - und nicht etwa das Ermöglichen der Teilhabe an der Gesellschaft unter Berücksichtigung der behinderungsspezifischen Bedürfnisse. Angesichts des seit Jahren erfolgenden Besuchs einer Regelschule ohne spezielle Fördermaßnahmen und der im Jahre 2005 nach den vorliegenden Stellungnahmen unverkennbaren Fortschritte des Klägers ist er auch nicht auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft angewiesen. Insbesondere ist als Ergebnis des Verfahrens auch nicht erkennbar geworden, dass der Kläger auch nur von Teilbereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgegrenzt wäre oder dass sich abzeichnen würde, dass der Kläger künftig von den gesellschaftlichen Bezügen abgeschnitten werden könnte.

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob - bezüglich des heilpädagogischen Reitens - nicht bereits aus § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX folgt, dass ein Anspruch für den Kläger nicht besteht. Denn wenn der Anspruch auf heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind, ausdrücklich eingeräumt wird, dürfte das im Umkehrschluss bedeuten, dass dies für eingeschulte Kinder gerade nicht der Fall sein und es - wenn es im Kern um eine medizinische Rehabilitationsleistung geht - beim Anspruchsausschluss verbleiben soll.

Weitere Anspruchsgrundlagen für das vom Kläger geltend gemachte Begehren sind nicht ersichtlich.

Kosten sind gemäß § 193 SGG nicht zu erstatten.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved