L 7 AS 65/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AS 84/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 65/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 59/09 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des LSG vom 16.07.2009 aufgehoben und zur erneuten Verhandlung Entscheidung zurückverwiesen.
Neues Az.: =
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.05.2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu tragen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob der Kläger einen Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige für die Zeit vom 01.12.2006 bis 31.05.2007 beanspruchen kann.

Der 1960 geborene Kläger, dem rückwirkend ab dem 01.04.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden ist, ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 90. Das Merkzeichen "G" ist nicht anerkannt. Der Kläger bezog ab Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seit der Heirat am 00.09.2006 bewilligte die Beklagte ihm und seiner Ehefrau als Bedarfsgemeinschaft Leistungen, wobei die Beklagte bei der Höhe der Leistungen zunächst auch einen Mehrbedarf für den Kläger gemäß § 21 Abs. 4 SGB II zugrunde gelegt hat, der sich zuletzt auf monatlich 109,00 Euro belief.

Am 29.05.2006 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung. Unter 1. Leistungen und Pflichten der Vertragsparteien heißt es:

"a) Arbeitsgemeinschaft L: Übernahme Kosten IFD, ebenso Kostenübernahme bei möglichen Bildungsgutscheinen.

b) Herr X X: Kontakt herstellen zu IFD bis 10.6.2006, Aufnahme in Betreuung nachweisen, Bereitschaft Fortbildungsmaßnahmen nach Vorschlag IFD oder ArGe L wahrzunehmen."

Unter 2. Rechtsfolgen bei Nichterfüllung der Rechte und Pflichten ist Folgendes geregelt: "[ ...] b. Herrn X X: Erfüllt Herr X X die vereinbarten Pflichten nicht und weist insbesondere keine Eigenbemühungen nach, treten die gesetzlich vorgeschriebene Rechtsfolgen ein. [ ...]"

Unter 3. Schadensersatzpflicht bei Abbruch einer Bildungsmaßnahme ist aufgeführt: "Herr X X verpflichtet sich zur Zahlung von Schadensersatz, wenn er die Maßnahme aus einem von ihm zu vertretenden Grund nicht zu Ende führt. [ ...]"

In der Rechtsfolgenbelehrung wird u.a. über die Möglichkeit der Absenkung der Regelleistung informiert.

In der Zeit vom 01.07.2006 bis zum 30.06.2007 betreute der Integrationsfachdienst den Kläger mit dem Ziel der Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis. Dazu sprach der Kläger nach Vereinbarung in diesem Zeitraum dort zweimal monatlich vor. Mit Bescheid vom 01.12.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.12.2006 bis 31.05.2007 in Höhe der Regelleistung, insgesamt 622,00 EUR, zuzüglich Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung, die sich auf insgesamt 411,90 EUR beliefen. Einen Mehrbedarf gewährte sie dem Kläger nicht mehr. Mit Bescheid vom selben Tag senkte die Beklagte für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.03.2007 die Regelleistung bezüglich der Ehefrau des Klägers in Höhe von monatlich 93,00 EUR ab.

Gegen diese Bescheide legten der Kläger und seine Ehefrau Widerspruch ein. Zur Begründung eines Mehrbedarfs trug der Kläger vor, er sei wie bisher schwerbehindert und habe sich beim Integrationsfachdienst regelmäßig gemeldet und die Beratungsgespräche wahrgenommen. In diesem Zusammenhang wies er auf eine beigefügte Bescheinigung der Fachberaterin Frau Q vom 07.11.2006 hin. Hinsichtlich der Absenkung der Regelleistung führte er aus, dass diese rechtswidrig sei. Seine Ehefrau habe sich nicht geweigert, eine zumutbare Arbeit auszuführen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Absenkung und die Ablehnung der Gewährung eines Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige zurück. Sie führte zur Begründung aus, ein Anspruch auf Mehrbedarf bestünde nicht, da keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. § 33 SGB IX erbracht würden. Zwar habe der Kläger seine Schwerbehinderung durch Vorlage des Schwerbehindertenausweis vom 20.02.2003 nachgewiesen, es müssten jedoch auch tatsächlich Leistungen gemäß § 33 SGB IX erbracht werden. Dazu zählten berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Weiterbildungsmaßnahmen oder die Teilnahme an reha-spezifischen beruflichen Ausbildungen. Lediglich die Beratung und Vermittlung im Sinne des § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX reiche nicht aus. Ebenso wenig genüge es, wenn der Behinderte nur grundsätzlich die Voraussetzungen erfülle, nicht aber tatsächlich an einer Maßnahme des § 33 SGB IX teilnehme.

Am 20.07.2007 haben der Kläger und seine Ehefrau Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Zu deren Begründung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, er habe weder ein Schreiben der Beklagten vom 26.05.2006 noch im darauf folgenden Zeitraum eines erhalten, in dem er zum Nachweis der tatsächlichen Teilnahme an einer Maßnahme gemäß § 33 SGB IX aufgefordert worden sei. Er selbst habe trotz Bemühungen keine Arbeitsstelle finden können. Zwar seien ihm vom Integrationsfachdienst einige Angebote vermittelt worden, die er auch wahrgenommen habe. Aufgrund seiner Schwerbehinderung sei er aber nie übernommen worden. Es habe für ihn kein Anlass bestanden, sich um die Teilnahme an einer Maßnahme zu bemühen, da er zum einen regelmäßig beim Integrationsfachdienst vorgesprochen habe und zum anderen der Mehrbedarf bis einschließlich November 2006 weitergezahlt worden sei. Es sei auch nicht darauf hingewiesen worden, dass eine Teilnahme an einer solchen Maßnahme Anspruchsvoraussetzung für den weitergehenden Bezug des Mehrbedarfs sei. Rechtswidrig sei auch die gegenüber seiner Ehefrau erfolgte Absenkung der Leistungen nach § 31 SGB II.

Die Beklagte hat während des Klageverfahrens die Ehefrau des Klägers klaglos gestellt und die Nachzahlung von insgesamt 279,00 EUR veranlasst.

Daraufhin hat der Kläger noch beantragt,

den Bescheid vom 01.12.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2007 insoweit abzuändern, als zusätzlich der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II bewilligt wird für die Zeit vom 01.12.2006 bis 31.05.2007.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die Aufforderung vom 26.05.2006 erhalten habe, da er andere Unterlagen vorgelegt habe, die in diesem Schreiben auch angefordert worden seien. Im Übrigen könne der Kläger keine Ansprüche für die Zukunft aus einer vergangenen rechtswidrigen Zuvielleistung herleiten.

Das SG hat eine Auskunft des Integrationsfachdienstes vom 18.12.2007 eingeholt. Danach ist die Vermittlung des Klägers in ein Arbeitsverhältnis in dem Zeitraum der Betreuung vom 01.07.2006 bis zum 30.06.2007 nicht erfolgreich gewesen. Die Vermittlungsbetreuung sei von der ARGE weder beauftragt noch finanziert worden; lediglich im Erfolgsfalle hätte über einen Vermittlungsgutschein abgerechnet werden können.

Mit Urteil vom 16.05.2008 hat das SG die Beklagte verurteilt, einen Mehrbedarf in Höhe von 109,00 EUR monatlich für die Zeit vom 01.12.2006 bis 31.05.2007 zu bewilligen. Des Weiteren hat es der Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das SG aufgeführt, es könne dahinstehen, ob die einjährige Betreuung durch den Integrationsfachdienst als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX angesehen werden kann, denn jedenfalls handele es sich um eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben. Was der Gesetzgeber darunter verstehe, habe er anders als bei den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und den Eingliederungshilfen durch Hinweis auf § 33 SGB IX bzw. § 54 SGB XII nicht definiert. Es könne aber insoweit auf § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX zurückgegriffen werden, in dem ausdrücklich Beratung und Vermittlung genannt werden. Diese Leistungen seien auch tatsächlich von einem öffentlichen Träger erbracht worden.

Gegen das der Beklagten am 20.06.2008 zugestellte Urteil hat diese am 16.07.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, sie sei kein möglicher Rehabilitationsträger nach § 6a SGB IX. Zwar habe sie den Kläger zur Vorsprache bei dem Integrationsfachdienst aufgefordert, jedoch diesen nicht beauftragt, insbesondere sei sie nicht Kostenträger gewesen. Entgegen der Feststellungen in der vom Kläger unterzeichneten Eingliederungsvereinbarung vom 29.05.2006 sei sie nicht zur Finanzierung der Vermittlungsbetreuung verpflichtet. Die Finanzierung sei über das Integrationsamt des Landschaftsverbandes Rheinland erfolgt. Selbst wenn sie Leistungen gem. § 16 Abs. 1 SGB II erbracht habe, rechtfertige dies nicht die Gewährung von Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 4 SGB II. Die Gewährung von Mehrbedarf komme aber auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Einordnung der Leistungen des Integrationsfachdienstes als sonstige Hilfen in Betracht. Denn Leistungen der Beratung und Vermittlung würden in § 33 Abs. 3 SGB IX gesondert aufgezählt und fielen daher nicht unter Sonstiges. Erst die Bewilligung und der Bezug direkter berufsbezogener Leistungen führten zu einem Anspruch auf Zahlung des Mehrbedarfs.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.05.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Die Beklagte habe ihn dazu aufgefordert, sich bei dem Integrationsfachdienst beraten zu lassen. Er habe der Beklagten auch die wahrgenommenen Beratungstermine mittels einer Bescheinigung des Integrationsfachdienstes bestätigt. Es komme nicht darauf an, wer Kostenträger der Maßnahme gewesen sei oder ob tatsächlich Kosten angefallen seien.

Mit Beschluss vom 31.03.2009 hat der erkennende Senat dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte sowie des Beiheftes der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 16.05.2008 zu Recht verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.12.2006 bis 31.05.2007 einen Mehrbedarf in Höhe von monatlich 109,00 EUR zu gewähren.

Aufgrund der Klaglosstellung der Ehefrau des Klägers im Klageverfahren ist im Rahmen der Anfechtungs- und Leistungsklage Streitgegenstand des Verfahrens nur noch, ob der Kläger von der Beklagten für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis 31.05.2007 einen Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige mit Erfolg beanspruchen kann. Der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das von dem Kläger aufgrund eines konkreten Sachverhaltes an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG, Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 9/06, Rn. 16, Juris). Die Beschränkung des prozessualen Anspruchs des Klägers auf einen Mehrbedarf ist zulässig. Denn nach der Rechtsauffassung des Senats stellen Leistungen für Mehrbedarfe gemäß § 21 SGB II einen eigenständigen Streitgegenstand dar (Urteile des erkennenden Senats vom 28.05.2009, L 7 AS 4/09, Rn. 41 und vom 13.09.2007, L 7 AS 41/07, Rn. 27; vgl. ferner BSG, Urteil vom 03.03.2009, B 4 AS 50/07 R, -Juris).

Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung eines Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige gem. § 21 Abs. 4 S. 1 SGB II. Nach § 21 Abs. 4 S. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-3 SGB XII erbracht werden, einen Mehrbedarf in Höhe von 35 % der nach § 20 SGB II maßgeblichen Regelleistung.

Der Kläger erfüllt in dem streitigen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, was von den Beteiligten auch nicht in Frage gestellt worden ist. Im streitigen Zeitraum lag auch eine Erwerbsfähigkeit gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 SGB II vor. Eine Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung erfolgte erst ab 01.04.2009. Auch an der Behinderung im Sinne des § 2 SGB IX bestehen insbesondere aufgrund der Feststellung eines Grades der Behinderung von 90 keine Zweifel.

Bei der einjährigen Betreuung durch den Integrationsfachdienst handelt es sich um eine "Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben" im Sinne des § 21 Abs. 4 S. 1 SGB II. Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen gemäß § 33 Abs. 1 SGB IX erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.

Entgegen der Ansicht des SG sind die Beratung und Vermittlung durch den Integrationsfachdienst nicht als "sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben" i. S. d. § 21 Abs. 4 S. 1 SGB II zu qualifizieren. Welche Leistungen tatsächlich als sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben in Betracht kommen, bleibt angesichts der ausdrücklichen Benennung von Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 33 ff. SGB IX) und zur Eingliederung (§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII) unklar. Dem Wortlaut ist zu entnehmen, dass ein direkter Bezug zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes erforderlich ist (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.05.2009, L 7 AS 4/09, Rn. 50, Juris; Münder in LPK SGB II, § 21 Rn. 23). Auch der systematische Standort verdeutlicht, dass die "sonstigen Hilfen" unmittelbar darauf gerichtet sein müssen, den erwerbsfähigen, aber behinderten hilfebedürftigen Menschen wieder in das Erwerbsleben zu integrieren, wie dies auch die Zielvorgabe des § 1 Abs. 1 S. 1 SGB II zusammen mit § 2 Abs. 1 S. 1 SGB II im Allgemeinen für das Grundsicherungsrecht vorgibt (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.05.2009, L 7 AS 4/09, Rn. 51, Juris). Aus dem systematischen Zusammenhang folgt zudem, dass sonstige Hilfen jedenfalls nur dann einen Mehrbedarf auslösen, wenn sie von einem öffentlichen Träger erbracht werden (vgl. Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 21 Rn. 45; Behrend in jurisPK SGB II, § 21 Rn. 36).

Da § 21 Abs. 4 S. 1 SGB II explizit auf § 33 SGB IX Bezug nimmt, sind die erbrachten Leistungen des Integrationsfachdienstes vorrangig unter die dortige Spezialregelung einzuordnen. Erst wenn deren Voraussetzungen nicht eingreifen, kann zur Überzeugung des Senats auf die insoweit eine Auffangfunktion beinhaltenden sonstigen Leistungen zurückgegriffen werden.

Nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX umfassen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung und Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen. Darunter fallen z.B. die Übernahme von Bewerbungskosten (vgl. Vogt in Kossens/von der Heide ua., Kommentar zum SGB IX, 2. Auflage 2006, § 33 Rn. 15).

Für eine Ausnahme der Beratung und Vermittlung von den Leistungen des § 33 Abs. 3 SGB IX besteht entgegen der Ansicht der Bundesagentur für Arbeit (BA) in den Durchführungshinweisen kein Raum (Hinweise der BA zu § 21 SGB II, Rn. 21.16a). Zum einen verweist § 21 Abs. 4 SGB II in seinem Wortlaut pauschal auf § 33 SGB IX (vgl. Loose in Gemeinschaftskommentar zum SGB II -GK-SGB II-, 2007, § 21 Rn. 29). Davon sind einzelne Nummern nicht ausgenommen. Zum anderen können auch durch Beratung und Vermittlung tatsächlich vermehrte Ausgaben entstehen, z.B. für Bewerbungen, Fahrtkosten und andere Aktivitäten (vgl. SG Berlin, Urteil vom 16.09.2005, S 37 AS 5525/05, Rn. 16, Juris; Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 21 Rn. 44). Allerdings ist es unerheblich, ob tatsächlich ein Mehrbedarf durch zusätzliche Kosten (bei dem Kläger) angefallen ist, denn § 21 Abs. 4 SGB II gewährt pauschalierend eine Erhöhung der Regelleistung, wenn nach allgemeinen Umständen ein Mehrbedarf zu erwarten ist (vgl. Loose in GK-SGB II, § 21 Rn. 28).

Die Beratung und Vermittlung des Klägers durch den Integrationsfachdienst war auch tatsächlich auf die Erlangung eines Arbeitsplatzes gerichtet. Ausweislich der Bescheinigung des Integrationsfachdienst wurde der Kläger bei der Arbeitssuche unterstützt. So konnte ihm der Integrationsfachdienst tatsächlich Angebote vermitteln, die nach den Angaben des Klägers allein aufgrund seiner Schwerbehinderung nicht zu einem dauerhaften Arbeitsverhältnis führten.

Die Anwendung des § 21 Abs. 4 SGB II setzt ferner voraus, dass die in dieser Vorschrift bezeichneten Leistungen "erbracht werden". Für die Bejahung eines Mehrbedarfs genügt nicht, dass möglicherweise ein Anspruch auf eine Teilhabeleistung oder eine Leistung der Eingliederungshilfe besteht (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2008, B 11b AS 19/07 R, Rn. 22, Juris; Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 21 Rn. 41). Die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf sind erst erfüllt, wenn der Berechtigte an einer Integrationsmaßnahme des § 33 SGB IX tatsächlich teilnimmt (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2008, B 11b AS 19/07 R, Rn. 22, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.11.2008; L 29 B 414/08 AS NZB, Rn. 25, -Juris; Loose in GK-SGB II, § 21 Rn. 28).

Sofern für das Tatbestandsmerkmal "erbracht werden" über den Wortlaut hinaus eine Leistungsbewilligung vorausgesetzt wird, kann vorliegend auf die Eingliederungsvereinbarung zurückgegriffen werden. Zwar stellt diese Vereinbarung in der Eingliederungsvereinbarung keinen Bewilligungsbescheid im engeren Sinne dar. Die Rechtsnatur einer Eingliederungsvereinbarung ist insoweit streitig. Nach der überwiegend im Schrifttum vertretenen Ansicht stellt die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB II einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne der §§ 53 ff. SGB X dar. Nach anderer Auffassung handelt es sich bei der Eingliederungsvereinbarung um eine neue Form hoheitlichen Handelns, die ähnlich wie ein Verwaltungsakt einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. zum Meinungsstand Eicher/Spellbrink, SGB II, § 15 Rn. 10 ff., 39 ff.). Aus Sicht des Klägers ist aber vor allem angesichts der in der Rechtsfolgenbelehrung der Eingliederungsvereinbarung aufgeführten Sanktionsmöglichkeiten deutlich, dass er zur Teilnahme an der Beratung durch den Integrationsfachdienst verpflichtet ist. Dies wird auch dadurch unterstützt, dass er seitens der Beklagten mehrmals zum Nachweis der Beratung aufgefordert wurde. Zudem kann sich die Regelung in der Eingliederungsvereinbarung, nach der die Beklagte die "Kosten IFD" übernimmt, angesichts der Grundfinanzierung der Tätigkeit des Integrationsfachdienstes über das Integrationsamt des Landschaftsverbandes Rheinland, nur auf die Kosten beziehen, die der Kläger durch die Kontaktaufnahme zum Integrationsfachdienst hat. Gerade dies regelt auch § 21 Abs. 4 S. 1 SGB II.

Der Kläger hat im Zeitraum vom 01.07.2006 bis zum 30.06.2007 den Integrationsfachdienst mit dem Ziel der Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis tatsächlich aufgesucht. Dazu sprach er nach Vereinbarung in diesem Zeitraum zwar nur zweimal monatlich dort vor. Damit stellt diese "Maßnahme" von ihrer Intensität her sicherlich die untere Grenze dar, die eine Bewilligung eines Mehrbedarfs noch rechtfertigt. Es ist zu berücksichtigen, dass der Kläger den Anforderungen der Beklagten stets und über den Zeitraum von einem Jahr nachgekommen ist. Veranlasst wurde diese Kontaktaufnahme zudem von der Beklagten, welche in der Eingliederungsvereinbarung vorschlug, der Kläger solle bis zum 10.06.2006 Kontakt zum Integrationsfachdienst herstellen. Er solle die Aufnahme in Betreuung nachweisen und die Bereitschaft zeigen, Fortbildungsmaßnahmen nach Vorschlag des Integrationsfachdienstes wahrzunehmen. Diese Verpflichtung war überdies sanktionsbewährt. Eine Gewährung des Mehrbedarfs erscheint daher auch im konkreten Fall unter dem Gesichtspunkt des dem SGB II zugrundeliegenden Prinzips des "Förderns und Forderns" gerechtfertigt (vgl. §§ 2, 14 SGB II). Ist der Hilfebedürftige einerseits gehalten, alle Möglichkeiten zur Beendigung seiner Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen, so korrespondiert dies andererseits mit der Pflicht des Leistungsträgers, diesen umfassend zu unterstützen. Dies schließt die Gewährung von Mehrbedarf für die gesetzlich typisierten Fallgruppen ein. Da dort keine Einschränkung im Hinblick auf die zeitliche Intensität einer Leistung aufgenommen wurde, sondern der Mehrbedarf vielmehr pauschaliert in Höhe von 35 % des Regelsatzes gewährt wird, gibt es keinen Anknüpfungspunkt für einen Ausschluss der hier vorliegenden vierzehntägigen Beratung und Vermittlung vom Mehrbedarf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Denn die Frage ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Leistungen zur Beratung und Vermittlung gemäß § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX die Bewilligung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 SGB II rechtfertigen.
Rechtskraft
Aus
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