S 4 SO 5333/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 5333/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für Steuerberatungskosten sind einmalige Beihilfen aus Mitteln der Sozialhilfe regelmäßig ausgeschlossen.
Zu den Voraussetzung des gerechtfertigten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sozialhilfe nach § 73 SGB XII
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Übernahme von Steuerberatungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe.

Die am ... geborene Klägerin, die seit dem 11. Juni 2008 unter umfassender Betreuung - alle Angelegenheiten einschließlich der Postkontrolle - steht, beantragte, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, beim Beklagten am 10. Juli 2008 formblattgemäß ergänzende Leistungen der Sozialhilfe in Form der Hilfe zur Pflege und sonstiger Leistungen. Zur Vermeidung der Heimpflege bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 15. September 2008 der Klägerin ergänzende Hilfe zur Pflege für die Zeit ab dem 1. Juni 2008 bis zum 31. Mai 2009. Aufgrund vorhandener Vermögenswerte wurde die ergänzende Hilfe zur Pflege darlehensweise bewilligt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Unter dem 28. Oktober 2008 beantragte der Betreuer und Bevollmächtigte der Klägerin beim Beklagten darüber hinaus eine einmalige Beihilfe zur Bezahlung von Steuerberatungsleistungen zu gewähren. Dafür führte er aus, die Klägerin sei "auf dem Papier" Geschäftsführerin von zwei Firmen, der K ... GmbH und der J ... GmbH & Co. KG, beide ansässig in der V-Straße in M. Die vorgenannten Firmen erzielten mindestens seit dem Jahre 2006 keine Umsätze mehr. Trotzdem sei er vom Finanzamt R ... aufgefordert worden, für die genannten Firmen entsprechende Steuererklärungen abzugeben. Die genannten Firmen seien seit Jahren vom Steuerberatungsbüro W. in R. betreut worden. Daher habe er den Steuerberater W. gebeten, für die Firmen die entsprechenden Steuererklärungen für die Jahre 2006 und 2007 abzugeben. Steuerberater W. habe ihm dazu mitgeteilt, dass er nur dann dazu bereit sei, die Steuererklärungen für die Firmen K ... GmbH und J ... GmbH & Co. KG zu fertigen, wenn er entsprechende Vorauszahlungen für das ihm zustehende Steuerberatungshonorar erhalte. Die Klägerin sei jedoch nicht in der Lage, diese Vorauszahlungen zu erbringen. Deshalb beantrage er eine einmalige Beihilfe, notfalls darlehensweise, um die entsprechenden Steuererklärungen abgeben zu können. Dem Antrag fügte der Bevollmächtigte der Klägerin einen an das Finanzamt R. adressierten, auf den 2. September 2008 datierten Antrag auf Vollstreckungsaufschub sowie einen weiteren, auf den 10. Juli 2007 datierenden Antrag auf Erlass eines Zwangsgelds bei. Des Weiteren legte der Bevollmächtigte der Klägerin ein von der Steuerberatungskanzlei W. verfasstes Schreiben vom 17. Oktober 2008 bei, in dem dieser für die Bearbeitung von Steuererklärungen und Jahresabschlüssen für die Klägerin einen Vorschuss von 1.500,- EUR zuzüglich Umsatzsteuer erbat. Mit weiterem Schreiben vom 5. November 2008 legte der Bevollmächtigte der Klägerin das auf den 31. Oktober 2008 datierende Schreiben der Steuerberatungskanzlei W. vor, in dem dieser nunmehr wegen des voraussichtlichen Gesamtvolumens der abzugebenden Steuererklärungen und Jahresabschlüsse für die GmbH, die GmbH & Co KG und die Klägerin selbst einen Vorschussbetrag von 4.000,- EUR zuzüglich Umsatzsteuer forderte.

Mit Bescheid vom 10. November 2008 lehnte der Beklagte die Übernahme von Steuerbera-tungskosten zu Gunsten der Klägerin aus Mitteln der Sozialhilfe ab. Zur Begründung hieß es, es sei offensichtlich, dass die Übernahme von Steuerberatungskosten keinen pflegerischen Bedarf im Rahmen der §§ 61 ff. SGB XII darstellten und deshalb auch nicht aus Mitteln der Hilfe zur Pflege übernommen werden könnten. Eine Übernahme der Beratungskosten käme auch im Falle einer Gewährung von Grundsicherungsleistungen im Alter nicht in Frage, da auch hier kein Bedarf im Sinne des SGB XII festzustellen sei. Schließlich seien die Kosten auch nicht vom Einkommen der Klägerin absetzbar, weil es sozialhilferechtlich kein negatives Einkommen aus einem Gewerbebetrieb geben könne. Ein solches negatives Einkommen sei bestenfalls mit 0 anzusetzen.

Den mit Schriftsatz vom 12. November 2008 am 13. November 2008 erhobenen Widerspruch begründete der Bevollmächtigte der Klägerin wie folgt: Bei Steuerberatungskosten handele es sich zwar nicht um pflegerischen Bedarf. Eine solche Leistung sei aber auch gar nicht beantragt worden. Beantragt worden sei vielmehr, der Klägerin eine einmalige Beihilfe aus Sozialhilfemitteln zu gewähren. Dabei seien alle rechtlichen Gesichtspunkte zu prüfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2008 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. In den Ausführungen zur Begründung des Widerspruchsbescheids hieß es: Eine Übernahme von Steuerberatungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe komme weder nach den Vorschriften über die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit noch als Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen in Betracht. Bei Steuerberatungskosten handele es sich weder um Positionen, die Unterkunft, Heizung oder Mehrbedarfe betreffen. Auch eine Schuldenübernahme als Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen komme vorliegend nicht in Frage, weil Schulden nur ausnahmsweise im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens aus Mitteln der Sozialhilfe gezahlt werden dürften. Dies sei z. B. zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt. Als vergleichbare Notlage sei dabei aber nicht jede beliebige Notlage aus jedem Lebensbereich zu verstehen, sondern nur eine solche Notlage, die sich mit der Gefährdung der Unterkunft vergleichen lasse (z. B. Einstellung von Energieversorgungsleistungen wegen rückständiger Gebühren). Da Steuerberatungskosten nicht im sozialhilferechtlichen Regelsatz enthalten seien, sei auch die Gewährung eines ergänzenden Darlehens nicht möglich. Solche ergänzenden Darlehen seien nach Gesetzeslage nur für einen unabweisbar gebotenen Bedarf zu gewähren, der bereits von den Regelsätzen umfasst werde. Auch eine Leistung in sonstigen Lebenslagen gemäß § 73 SGB XII könne vorliegend nicht erbracht werden. Voraussetzung dafür sei nämlich, dass sich der Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen lasse. Der Einsatz öffentlicher Mittel der Sozialhilfe lasse sich aber nur rechtfertigen, wenn die begehrte Leistung sich auch in das System der Sozialhilfe einordnen lasse. Der Bevollmächtigte der Klägerin sei aber die Verpflichtung zur Leistung von Steuerberatungshonoraren nicht eingegangen, um damit eine besondere sozialhilferechtliche Bedarfssituation zu beseitigen. Steuerberatungskosten seien grundsätzlich nicht aus Mitteln der Sozialhilfe erstattungsfähig. Schließlich kollidierte das Begehren der Klägerin zudem mit dem Kenntnisnahmeprinzip. Sozialhilfe dürfe nämlich erst einsetzen, sobald dem Sozialhilfeträger ein Bedarf bekannt werde. Daraus folge, dass rückwirkend grundsätzlich keine Hilfe gewährt werden dürfe. Bei der Beantragung, die Steuerberatungskosten der Klägerin aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen - Datum der Antragstellung: 28. Oktober 2008 - sei die Steuerberatungskanzlei W. aber bereits zur Erstellung der Einkommensteuererklärung und der Jahresabschlüsse der von der Klägerin betriebenen Firmen rechtsverbindlich beauftragt gewesen. Dies ergebe sich aus dem vom Bevollmächtigten der Klägerin dem Antragsschreiben beigefügten Schreiben der Steuerberatungskanzlei W. vom 17. Oktober 2008. Damit sei die Verbindlichkeit, deren Erstattung nunmehr vom Beklagten aus Mitteln der Sozialhilfe begehrt werde, bereits vor der Antragstellung eingegangen worden. Dementsprechend handele es sich um Schulden. Schulden seien aus Mitteln der Sozialhilfe grundsätzlich nicht zu finanzieren.

Am 3. Dezember 2008 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erheben lassen.

Sie trägt vor, sie sei zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, das verlangte Steuerbera-tungshonorar in Höhe von zuletzt 4.000,- EUR zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. Sie beziehe lediglich zwei geringfügige Renten in Höhe von insgesamt 724,14 EUR netto monatlich. Deshalb werde ihr auch ergänzend Hilfe zur Pflege aus Mitteln der Sozialhilfe gewährt. Gleichwohl sei sie verpflichtet, für die beiden von ihr betriebenen GmbHs für die Jahre 2006 und 2007 noch Steuererklärungen und Jahresabschlüsse gegenüber dem Finanzamt R ... vorzulegen. Dazu bedürfe sie der Hilfe durch einen Steuerberater. Dies ergebe sich schon aufgrund der Komplexität des vorliegenden Sachverhalts. Aufgrund ihrer Demenzerkrankung sei sie zudem zur Abgabe der Steuererklärungen auch gar nicht in der Lage. Das Finanzamt Rastatt habe zwischenzeitlich bereits Vollstreckungsankündigungen verfügt und Gewinnschätzungen vorgenommen. Für die Abgabepflicht der Steuererklärungen - Körperschaftssteuererklärung, Erklärung zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags, Gewerbesteuererklärung und Gewinn- und Verlustrechnung/Bilanz - seien die Zeugen S. und H., beide zu laden über das Finanzamt Rastatt, zu benennen. Diese Zeugen könnten bestätigen, dass es notwendig gewesen sei, einen Steuerberater zu beauftragen, um den Forderungen des Finanzamtes R ... Rechnung zu tragen. Vor diesem Hintergrund sei die Behauptung des Beklagten, der Einsatz öffentlicher Mittel zur Gewährung einer sozialhilferechtlichen Beihilfe sei vorliegend nicht gerechtfertigt, als Leerformel zu bewerten. Soweit es sich bei dem An-spruch auf einmalige Beihilfegewährung um einen Ermessensanspruch handeln sollte, sei das Ermes-sen des Beklagten angesichts der Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung auf Null geschrumpft.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 10. November 2008 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 25. November 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Sozialhilfeleistungen zur Bezahlung des Steuerberatungshonorars zur Abgabe von Steuererklärungen gegenüber dem Finanzamt R ... für die Jahre 2006/2007 als Geschäftsführerin/Komplementärin der Firmen K ... GmbH und Gustav J ... GmbH & Co. KG in Höhe von mindestens 4.000,- EUR zuzüglich Umsatzsteuer zu bewilligen, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, über den Bewilligungsantrag betreffend die Bezahlung von Steuerberatungshonorar unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist weiter der Auffassung, eine rückwirkende Hilfe bzw. die Übernahme von Schulden sei nach dem Kenntnisnahmeprinzip grundsätzlich ausgeschlossen. Aus den Ausführungen der Klägerin ergäbe sich, dass die Steuerberatungskanzlei W. bereits mit Schreiben vom 2. Juli 2008 den Auftrag erhalten habe, die Steuererklärungen zu erstellen. Hiervon habe der Beklagte als zuständiger Sozialhilfeträger erst durch die Klagebegründung Kenntnis erlangt. Zum Zeitpunkt der bei ihm beantragten Leistung, am 28. Oktober 2008, habe er davon, dass die Steuerberatungskanzlei W. bereits unter dem 2. Juli 2008 von dem Bevollmächtigten der Klägerin mandatiert worden sei, nichts gewusst. Schon deshalb komme die Übernahme der begehrten Steuerberatungskosten von vornherein nicht in Betracht. Auch eine ausnahmsweise Übernahme der Steuerberatungskosten als Schulden im Sinne von § 34 SGB XII komme vorliegend nicht in Betracht. Eine Schuldenübernahme sei allenfalls zur Sicherung der Unterkunft oder einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt. Das Honorar eines Steuerberaters habe aber mit der Sicherung der Unterkunft nichts zu tun. Zwar könnten gemäß § 73 SGB XII Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigten. Die Norm bezwecke aber weder eine Ausweitung der im Gesetz enthaltenden Leistungstatbestände noch eine Aufstockungsregelung. Zweck der Regelung sei es vielmehr, dem Sozialhilfeträger zu ermöglichen, auf veränderte Bedingungen innerhalb der Aufgaben der Sozialhilfe flexibel und angemessen zu reagieren. Für Steuerberatungskosten könnten gesonderte Leistungen aus Mitteln der Sozialhilfe nicht gewährt werden. Außerdem sei - jedenfalls vorliegend - der Einsatz öffentlicher Mittel hierfür nicht gerechtfertigt. Aus einem Schreiben des Finanzamts R ... vom 10. Juli 2008, das in den Behördenakten enthalten sei, ergebe sich nämlich, dass die Abgabe der hier erforderlichen Steuerklärungen - nachdem keine Umsätze getätigt worden seien - keine Probleme bereiten dürfte. Daraus lasse sich ableiten, dass zur Abgabe der Steuererklärungen auch keine besonderen Kenntnisse erforderlich seien. Daher sei der Einsatz öffentlicher Mittel schon aus diesem Grunde heraus nicht gerechtfertigt.

In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter des Beklagten mit Bl. 497 der Behördenakte eine Kopie des auf den 2. Juli 2008 datierenden Beauftragungsschreibens des Bevollmächtigten der Klägerin an die Steuerberatungskanzlei W. dem Gericht vorgelegt. Darin heißt es u. a. wörtlich:

In der Anlage übersende ich Ihnen die erforderlichen Unterlagen bezüglich der Steuererklärungen der Firma J ... GmbH & Co. KG mit der höflichen Bitte um Erstellung der notwendigen Steuererklärungen für die Jahre 2006 und 2007 (gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte 2006 und 2007/Umsatzsteuererklärungen 2006 und 2007/Gewerbesteuererklärungen 2006 und 2007).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen und dem Gericht vorliegenden Behördenakten und den Inhalt der Prozessakte (S 4 SO 5333/08) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 10. November 2008 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 25. November 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Übernahme von Steuerberatungskosten nicht verlangen.

Zum einen kann die Klägerin ihr Begehren auf keine Anspruchsgrundlage nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - stützen (1). Zum anderen und unabhängig von 1) steht der Kenntnisnahmegrundsatz nach § 18 Abs. 1 SGB XII dem Begehren der Klägerin entgegen (2).

1) Die Klägerin kann ihr Begehren auf keine der beiden überhaupt in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen des SGB XII stützen. Weder § 34 SGB XII noch § 73 SGB XII ist ein-schlägig.

Nach § 34 Abs. 1 SGB XII können Schulden des Leistungsberechtigten dann ausnahmsweise übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer ver-gleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Dass es sich bei Steuerberatungskosten um keine Kosten zur Unterkunftsicherung handelt, ist offensichtlich. Wann eine Notlage, die dem (drohenden) Verlust der Unterkunft vergleichbar ist, vorliegt, lässt sich hingegen allgemein schwer umschreiben. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (FEVS 44, 160, 166) hat darauf abgestellt, ob eine Notlage vorliegt, die den "vorhandenen gegenständlichen Existenzbereich" des oder der Leistungsberechtigten betrifft. Dies ist etwa der Fall, wenn die Belieferung eines Haushalts mit Energie - elektrische Energie oder Energie für Beheizung - "in Frage gestellt" ist (vgl. Oberverwaltungsgereicht Münster, FEVS 51, 89, 91), also eine Sperre der Strom- und Heizungsversorgung wegen vorhandener Schulden oder anderer offener Zahlungsverpflichtungen gegenüber einem Energieversorgungsunternehmen droht oder bereits eingetreten ist (so auch Landessozialgericht Bayern, FEVS 57, 445). Gleiches gilt, wenn die Versorgung von Wohnraum mit Wasser bedroht oder der Anschluss an die gemeindliche Wasserversorgung zu sichern ist (vgl. Oberverwaltungsgericht Lüneburg, FEVS 42, 92). Ebenso ist nach obergerichtlicher Rechtsprechung eine Notlage i. S. von § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gegeben, wenn dem Leistungsberechtigten der Verlust von auf Kredit angeschafften Möbeln oder Einrichtungsgegenständen droht und ihm, wenn er notwendige Hausratsgegenstände verlieren würde, insoweit Leistungen nach den §§ 31, 37 SGB XII gewährt werden müssten. Demgegenüber verneint die obergerichtliche Rechtsprechung eine den "Existenzbereich" berührende Notlage, wenn die Übernahme von Tilgungsraten auf Schuldverpflichtungen, die dem Erwerb einer Rentenanwartschaft dienten (so Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, FEVS 44, 160) oder die Übernahme von Spielschulden (so Oberverwaltungsgericht Hamburg, FEVS 34, 318) erstrebt wird. Diese beispielhafte Aufzählung zeigt, eine vergleichbare Notlage i.S. von § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII setzt einen Bezug zur Sicherung der Unterkunft oder der Bewohnbarkeit einer Unterkunft voraus. Nur für diesen Fall hat der Gesetzgeber eine Ausnahme vom Gegenwärtigkeitsprinzip der auf akute Notlagenhilfe ausgerichteten Sozialhilfe - keine Schuldenübernahme aus Mitteln der Sozialhilfe - zugelassen. Schulden infolge von fälligen Steuerberatungshonoraren stehen in keinem Zusammenhang mit Unterkunftskosten und vermögen schon deswegen tatbestandlich nicht die Voraussetzungen für eine vergleichbare Notlage i.S. von § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu erfüllen.

Gemäß § 73 SGB XII darf der Beklagte als zuständiger Sozialhilfeträger Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbringen, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 Satz 1 SGB XII ergänzt den in § 8 SGB XII ausgewiesenen Hilfekatalog. Danach umfasst die Sozialhilfe die Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfe in anderen Lebenslagen sowie die jeweils gebotene Beratung und Unterstützung. Die Auffangregelung des § 73 SGB XII ist notwendig, um dem Auftrag der Sozialhilfe, jedem die Menschenwürde widersprechendem Zustand zu begegnen, gerecht zu werden (vgl. zur Vorgängervorschrift in § 27 Bundessozialhilfegesetz - BSHG -: Bundesverwaltungsgericht -BVerwGE 29, 235, 236). Sonstige Lebenslagen i. S. der Norm liegen aber nur vor, wenn sich die Hilfesituation thematisch keiner der in § 8 SGB XII aufgeführten Hilfen zuordnen lässt und zugleich eine typische sozialhilferechtliche Bedarfslage gegeben ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25. Juni 2008, B 11b AS 19/07 R Rn. 28) ist nämlich eine Anwendung des § 73 SGB XII nur dann gerechtfertigt, wenn eine Art täglicher Bedarfslage besteht. Dabei darf die Norm aber nicht zur allgemeinen Auffangregelung für Leistungsberechtigte werden. Erforderlich ist vielmehr das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 - 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellt (Bundessozialgericht, a. a. O.; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. November 2008, L 3 AS 76/07, JURIS Rn. 30 und Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. April 2009, L 7b 401/08 AS, JURIS Rn. 7). Steuerberatungskosten, gleich ob notwendig oder nicht, entsprechen zur Überzeugung des erkennenden Gerichts keiner besonderen Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in §§ 47 - 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweisen. Der Zweck des § 73 SGB XII liegt darin, es dem Sozialhilfeträger zu ermöglichen, auf veränderte Bedingungen innerhalb der Aufgaben der Sozialhilfe flexibel und angemessen reagieren zu können. Steuerberatungskosten, die notwendig außerhalb der Aufgaben der Sozialhilfe liegen, werden davon regelmäßig nicht erfasst. Sozialhilferechtlich können solche lediglich im Rahmen der Einkommens- und Vermögensberechnung (§ 82 Abs. 2 SGB XII) berücksichtigt werden. Gesonderte Leistungen dafür sind aber aus Mitteln der Sozialhilfe nicht zu gewähren.

Schließlich weist die Kammer des Weiteren darauf hin, dass es vorliegend auch am weiteren Tatbestandsmerkmal des § 73 SGB XII fehlt, nämlich der Voraussetzung, dass der Einsatz öffentlicher Mittel gerechtfertigt sein muss. Die vorliegend von der Klägerin dem Finanzamt vorzulegenden Steuererklärungen sind nämlich nach Auskunft des Finanzamts R ... (Schreiben vom 17. Juni 2008) einfach, nachdem die Klägerin mit ihren Firmen in den Jahren 2006 und 2007 keine Umsätze mehr erzielt hat. Dementsprechend können auch die Steuererklärungen einfach erfasst und abgegeben werden. Hierzu ist der Bevollmächtigte und Betreuer der Klägerin als ausgebildeter Rechtsanwalt in der Lage.

2) Unabhängig vom Vorstehenden kommt eine Übernahme der Steuerberatungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe durch den Beklagten auch deshalb nicht in Betracht, weil Sozialhilfe gemäß § 18 Abs. 1 SGB XII auch im vorliegenden Fall erst dann einsetzt, wenn dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistungen vorliegen. Im Fall der Klägerin ist dem Beklagten erstmals mit Antragstellung vom 28. Oktober 2008 von der konkreten Bedarfslage - Steuerberatungskosten - Kenntnis gegeben worden. Zu diesem Zeitpunkt hat nämlich der Bevollmächtigte und Betreuer der Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Steuerberatungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe beantragt. Am 28. Oktober 2008 ist die Schuldverpflichtung trotz der Steuerberatungskosten aber bereits lange entstanden gewesen, hat doch der Bevollmächtigte und Betreuer der Klägerin das Steuerberatungsbüro W. bereits unter dem 2. Juli 2008, also knapp vier Monate vor Kenntnissetzung des Sozialhilfeträgers, rechtsverbindlich mit der Erstellung der Steuererklärungen beauftragt. Damit hat zum Zeitpunkt der Beantragung beim Beklagten bereits eine Schuld vorgelegen. Im Gegensatz zu § 34 SGB XII werden aber solch allgemeine Schulden aus Mitteln der Sozialhilfe nicht bedient. Der Vortrag des Betreuers und Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, die Schuld entstehe erst, wenn der Steuerberater die Abschlüsse und Steuererklärungen erstellt und vorgelegt habe, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Im Dienstvertragsrecht entsteht die Schuldverpflichtung regelmäßig bereits mit der ver-bindlichen Auftragserteilung, vorliegend also mit dem Auftragsschreiben des Betreuers und Bevollmächtigten der Klägerin vom 2. Juli 2008. Eine Vergütung gilt nach § 612 BGB als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach - wie bei einer Steu-erberatung - nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Fällig wird die Vergütung freilich erst nach Entrichtung der Dienste (§ 614 S. 1 BGB). Zwischen Anspruchsentstehung und Fälligkeit aber ist zu differenzieren.

3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved