S 31 AS 490/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 490/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 05.09.2008 und 22.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2008 sowie der Bescheide vom 20.11.2008 und 16.12.2008 verurteilt, dem Kläger für Oktober bis Dezember 2008 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 40,82 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten zu 1/6. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - für den Zeitraum 01.09.2008 bis 31.01.2009.

Der am 03.05.1956 geborene Kläger ist gelernter Landwirt. Er hat neben mittlerweile volljährigen Kindern aus früheren Ehen zwei 2003 geborene Söhne (M. und J.) aus einer langjährigen Beziehung mit Frau M. G ... Mit dieser, den gemeinsamen Kindern sowie weiteren Kindern der Frau G. lebte er bis Mitte 2008 auf dem Pastor-Smits-Weg 27 in Kalkar. Bereits dort wurden SGB II-Leistungen bezogen.

Mitte 2008 zerbrach die Beziehung zwischen dem Kläger und Frau G ... Am 09.07.2008 erklärte der Kläger gegenüber der Stadt Kalkar, er sei auf Wohnungssuche. Im Juli 2008 übernachtete er verschiedentlich bei Verwandten. Nachdem er Ende Juli 2008 durch die Polizei der gemeinsamen Wohnung mit Frau Gellert verwiesen worden war, mietete er mit Zustimmung der Stadt Kalkar für August 2008 eine Ferienwohnung an.

Am 13.08.2008 teilte der Kläger der Stadt Kalkar mit, er wolle die Wohnung Dederichstraße 1 in Emmerich anmieten. Die Wohnung ist laut Bescheinigung des Vermieters 51,2 qm groß. Sie kostet 295,00 EUR nettokalt im Monat. Hinzu kommt eine Nebenkostenvorauszahlung von 60,00 EUR. Laut Vermerk vom gleichen Tage wurde nach Rücksprache mit dem Beklagten die Zustimmung zum Umzug abgelehnt, da die Kosten der Wohnung unangemessen seien. Der Kläger sei hierüber und über die Konsequenzen einer gleichwohl erfolgenden Anmietung aufgeklärt worden. Am 15.08.2008 unterschrieb der Kläger den Mietvertrag für diese Wohnung. Mietbeginn war der 01.09.2008. Erstmalig zum 01.10.2008 war direkt an den Versorger ein monatlicher Abschlag von 65,00 EUR für Heizkosten zu zahlen.

Mit Bescheiden vom 05.09.2008 und 22.09.2008 wurden dem Kläger durch den Beklagten für den Zeitraum 18.08.2008 bis 31.01.2009 SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung von Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 277,40 EUR gewährt. In diesem Betrag war ein Nebenkostenanteil von 60,00 EUR und ein Heizkostenanteil von 54,45 EUR abzüglich 6,63 EUR wegen Warmwasser enthalten. Hiergegen legte der Kläger am 02.10.2008 Widerspruch ein, den der Landrat des Kreises Kleve mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 zurückwies. Leistungen für Unterkunft und Heizung könnten nur in angemessener Höhe gewährt werden. Leistungen in Höhe der tatsächlichen Kosten seien nicht möglich, da keine Zustimmung zum Bezug der nunmehr bewohnten Wohnung erteilt worden sei.

Hiergegen richtet sich die am 15.12.2008 erhobene Klage.

Mit Änderungsbescheid vom 16.12.2008 hat der Beklagte dem Kläger für Januar 2009 Leistungen für Unterkunft ohne Leistungen für Heizung gewährt, da in diesem Monat keine Vorauszahlung angefallen ist. Unter dem 15.01.2009 hat der Versorger im Rahmen einer Jahresabrechnung für Strom und Erdgas insgesamt 312,50 EUR nachgefordert, wovon der Beklagte 271,68 EUR für Heizkosten übernommen hat.

Der Kläger trägt vor, ihm habe Obdachlosigkeit gedroht, nachdem sich seine damalige Lebensgefährtin von ihm getrennt habe. Er habe im Juli 2008 mit der Suche nach einer neuen Wohnung begonnen, letztlich aber nur die Wohnung in Emmerich gefunden. Er habe selber intensiv gesucht, insbesondere über Zeitungen. Außerdem habe er die Hilfe der Caritas in Kleve in Anspruch genommen und sich bei Wohnungsverwaltungsgesellschaften bzw. Baugenossenschaften erkundigt. Er sei zur damaligen Zeit außerdem schwer depressiv gewesen. Das Sorgerecht für die beiden Kinder M. und J. übe er gemeinsam mit Frau G. aus. Die beiden Kinder seien von September 2008 an zweimal monatlich jeweils zwei Tage einschließlich einer Übernachtung bei ihm gewesen. Ab 2010 komme nur noch ein Kind in diesem Rhythmus sowie die halben Ferien, das andere Kind komme nur noch einmal im Monat. Nach seinen eigenen Messungen sei die Wohnung nur 49 qm groß. Insgesamt lebten sechs Parteien in dem Haus. Drei Wohnungen hätten eine Wohnfläche von ca. 65qm, die drei weiteren von ca. 50qm. Der Streit werde auf den Zeitraum September 2008 bis Januar 2009 beschränkt.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 05.09.2008 und 22.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2008 sowie der Bescheide vom 20.11.2008 und 16.12.2008 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum 01.09.2008 bis 31.01.2009 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 416,00 EUR monatlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, der Kläger habe den Mietvertrag am 15.08.2008 und damit vor seiner erstmaligen persönlichen Vorsprache in Emmerich abgeschlossen. In Emmerich seien auch zum damaligen Zeitpunkt ausreichend kleine Wohnungen vorhanden gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt sei der angemessene Quadratmeterpreis in Höhe des Mittelwerts des betreffenden Baujahres im Mietspiegel angesetzt worden, wobei nur Wohnungen bis Baujahr 1980 berücksichtigt worden seien.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der Allgemeinmedizinerin Frau Dr. A., des praktischen Arztes Dr. van der B. sowie der Neurologin und Psychiaterin Frau Dr. B ... Das Gericht hat außerdem Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin H. vom Caritas-Verband Kleve. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die vorgenannten Befundberichte sowie das Sitzungsprotokoll vom 14.04.2010 Bezug genommen.

Frau G. hat in einer schriftlichen Stellungnahme erklärt, das Sorgerecht für die beiden gemeinsamen Kinder stehe ihr zu. Bis Mai 2009 seien M. und J. alle vierzehn Tage samstags beim Kläger gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Leistungsakte Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide in ebendiesem Umfang im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - beschwert, da die Bescheide insofern rechtswidrig sind. Dem Kläger stehen für die Monate Oktober bis Dezember 2008 monatlich weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 40,82 EUR zu. Im Übrigen ist die Klage dagegen unbegründet.

Streitgegenstand sind die Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum September 2008 bis Januar 2009.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Gemäß § 22 Abs. 2 SGB II soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrags über die neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind; der für den Ort der neuen Unterkunft örtlich zuständige kommunale Träger ist zu beteiligen.

1. Die Angemessenheit der Aufwendungen ist nach der so genannten Produkttheorie zu bestimmen (vgl. bereits Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R; zuletzt etwa BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R). Die beiden Faktoren dieses Produktes sind die dem Hilfebedürftigen zustehenden Quadratmeter einerseits und der im maßgeblichen Vergleichsraum als angemessen anzusehende Quadratmeterpreis andererseits.

a. Jedenfalls bis zum 31.12.2009 waren in Nordrhein-Westfalen gemäß Ziffer 5.71 der Verwaltungsvorschrift zum Wohnungsbindungsgesetz für einen Alleinstehenden 45 qm als angemessen anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R, Rdnr. 16). Ein höherer qm-Wert ergibt sich für den Kläger auch nicht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die beiden 2003 geborenen Kinder des Klägers von Beginn an regelmäßig bei ihm aufgehalten haben. Zwar kann ein regelmäßiger Aufenthalt von Kindern zur Ausübung des Sorge- bzw. Umgangsrechts einen Anspruch auf weitere qm begründen. Dies setzt aber eine gewisse zeitliche Erheblichkeit des Aufenthalts voraus, der an den Umfang des Aufenthalts einer weiteren Person über einen ganzen Monat heranreichen muss (vgl. bereits Sozialgericht – SG – Aachen, Urteil vom 19.11.2007, S 14 AS 80/07). Selbst wenn hier der Vortrag des Klägers als wahr unterstellt wird, ergibt sich danach kein weiterer Anspruch. Denn auch wenn sich beide Kinder zweimal monatlich zwei Tage bei ihm aufgehalten haben, so entspricht dies gerade dem Aufenthalt einer Person an acht Tagen des Monats.

b. Für die Bestimmung des als angemessen anzusehenden Quadratmeterpreises ist als Vergleichsraum das Stadtgebiet von Emmerich anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 20: Maßstab des Wohnorts).

c. Der Beklagte hat den angemessenen Quadratmeterpreis aus dem örtlichen Mietspiegel abgeleitet und dabei den jeweiligen Durchschnittswert für das betreffende Baualter bis zu Häusern von 1980 zugrunde gelegt. Diese Methode stellt aus Sicht der Kammer kein "schlüssiges Konzept" im Sinne der Rechtsprechung des BSG dar (vgl. insbesondere BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R). Problematisch ist aus Sicht der Kammer dabei jedoch nicht der Rückgriff auf den örtlichen Mietspiegel, sondern die Maßgeblichkeit von Durchschnittswerten in der jeweiligen Baualtersklasse beschränkt bis zum Jahr 1980.

d. Der Mietspiegel der Stadt Emmerich ist als solcher eine hinreichende Datengrundlage im Sinne eines "schlüssigen Konzepts" (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R, Rdnr. 27). Er wird alle 2 Jahre unter Beteiligung des Haus- und Grundbesitzervereins, des Mieterschutzvereins sowie des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Kleve sowie der Stadt Emmerich erstellt und enthält detaillierte und differenzierte Angaben. Der vom BSG für den Fall eines fehlenden "schlüssigen Konzepts" in Erwägung gezogene Rückgriff auf die Tabellenwerte zu § 8 des Wohngeldgesetzes mit ihrer geringen regionalen Differenzierung (lediglich sechs Stufen) kommt angesichts des vorliegenden Mietspiegels nicht in Betracht.

e. Der Rechtsprechung des BSG zur Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II kann bisher allerdings lediglich entnommen werden, dass solche Wohnungen als angemessen anzusehen sind, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen (vgl. BSG, a.a.O., Rdn. 15). Für die Kammer ist bei der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs von Bedeutung, dass bei der Berechnung der Regelsätze nach § 20 SBG II die untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Ein-Personen-Haushalte der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 nach Herausnahme der Sozialhilfeempfänger zugrunde gelegt wurden (vgl. Unterrichtung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 15.06.2006 über die Auswertung der EVS 2003, BT-Ausschuss-Drucks 16 (11) 286). Die Kammer sieht sich allerdings nicht in der Lage, entsprechende Werte für die Leistungen für Unterkunft und Heizung zu ermitteln. Der bei der Ermittlung der Regelleistung berücksichtigte Maßstab kann aber eine Orientierungshilfe bei der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten sein. In eine ähnliche Richtung geht eine Studie der Wohnungsbauförderungsanstalt Nordrhein-Westfalen über den Wohnungsmarkt für Hartz IV-Haushalte, in der das untere Preissegment bei den unteren 25 % der verfügbaren Wohnungen angesetzt wird. Der 1. Senat des Landessozialgerichts - LSG - Nordrhein-Westfalen stellt in einem Beschluss vom 30.03.2009 (L 1 B 37/08 AS) auf das "untere Drittel" des Wohnungsmarkts ab. Diese Definition findet sich auch in der Arbeitshilfe "Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II" des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (vgl. Seite 20 der ab 2010 gültigen Fassung). Die Kammer hält vor diesem Hintergrund das untere Drittel des Wohnungsmarkts für maßgeblich.

f. Angesichts der Bedürfnisse einer Massenverwaltung einerseits und der grundsätzlichen Akzeptanz von Mietspiegeln als Erkenntnisquelle durch das BSG andererseits hält es die Kammer für vertretbar zu unterstellen, dass die Werte des Mietspiegels nicht nur Preisspannen für bestimmte Wohnungen ausweisen, sondern zugleich den tatsächlichen Wohnungsmarkt abbilden. Demnach ist in der nach der jeweiligen Wohnungsgröße zu bestimmenden Spalte des Mietspiegels das untere Drittel der Spanne zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Wert in dieser Spalte maßgeblich. Im vorliegenden Fall des Mietspiegels für Emmerich mit Stand 01.05.2007 beläuft sich dieser Wert auf: 3,40 EUR + ((6,48 EUR - 3,40 EUR = 3,08 EUR): 3 = 1,03 EUR) = 4,43 EUR. 4,43 EUR multipliziert mit 45 Quadratmetern ergibt eine angemessene monatliche Nettokaltmiete von 199,35 EUR.

g. Dieser Wert ist nicht nur "abstrakt", sondern auch "konkret" als angemessen anzusehen. Nach Auffassung der Kammer war es dem Kläger im damaligen Zeitraum möglich, zu diesem Preis eine Wohnung in Emmerich anzumieten. Die Beklagte hatte bereits im Verwaltungsverfahren zeitnah Wohnungsangebote recherchiert. Sie konnte außerdem im Klageverfahren Nachweise über entsprechenden Wohnraum vorlegen.

Zwar hat der Kläger durch Vorlage diverser Unterlagen glaubhaft gemacht, dass er sich selbst durchaus intensiv um günstigeren Wohnraum bemüht hat. Es gelingt ihm gleichwohl nicht, die durch die vom Beklagten vorgelegten Unterlagen begründete Vermutung des Vorhandenseins ausreichend angemessenen Wohnraums zu entkräften, da sich die von ihm nachgewiesenen Bemühungen nur auf ein enges Zeitfenster (Ende Juli bis Mitte August 2008) beschränken. Nur für diesen Zeitraum hat er konkret von ihm recherchierte Angebote vorgelegt, bei denen nach seinen Angaben ein Mietvertrag nicht zustande kam. Dem steht auch nicht die Aussage der Zeugin H. entgegen. Zwar ergibt sich aus deren Aussage, dass das Auffinden einer Wohnung zu einem angemessenen Preis Mitte 2008 schwierig war. Die Zeugin selber hatte den Kläger aber nur im Juli 2008 betreut. Soweit sie darüber hinaus aussagt, dass es generell schwierig sei, in Kleve und Umgebung angemessenen Wohnraum insbesondere für alleinstehende Personen zu finden, so mag dies zutreffen, ist in dieser Allgemeinheit aber nicht geeignet, die Vermutung des Vorhandenseins angemessenen Wohnraums speziell in Emmerich zu entkräften.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass dem Kläger eine längere Suche nicht zuzumuten gewesen wäre. Zwar sieht die Kammer durchaus, dass seine persönliche Situation angesichts der konfliktreichen Trennung von der ehemaligen Lebensgefährtin sehr schwierig war. Die Anmietung einer neuen Wohnung in Emmerich bereits Mitte August 2008 war gleichwohl nicht erforderlich. Leistungen für die Ferienwohnung in Kalkar waren dem Kläger immerhin bis Ende August 2008 gewährt worden. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass auch ein weiterer Verbleib in der Ferienwohnung nicht möglich gewesen sein sollte. Der Kläger hätte demnach seine Suche ohne Weiteres auf einen längeren Zeitraum ausdehnen können. Zwar hat der Kläger ausgeführt, dass er auch nach Bezug der neuen Wohnung weiter gesucht habe. Konkrete Nachweise hierzu liegen aber nicht vor.

h. Die vorübergehende Übernahme der Kosten für die neue Wohnung in voller Höhe kommt auch nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in Frage. Denn die Stadt Kalkar hatte dem Kläger ausweislich des Aktenvermerks vom 13.08.2008 ausdrücklich die Zustimmung zur Anmietung dieser Wohnung verweigert und ihn über die Konsequenzen aufgeklärt. Gilt die Übergangsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ohnehin im Wesentlichen für solche Personen, die erstmalig hilfebedürftig im Sinne des SGB II werden und in einer unangemessen teuren Wohnung leben, so kommt die Übernahme tatsächlicher (unangemessener) Kosten bei einem Wohnungswechsel während des laufenden Leistungsbezugs jedenfalls nicht ohne Zustimmung im Sinne von § 22 Abs. 2 SGB II in Betracht (vgl. zum Verhältnis von § 22 Abs. 2 SGB II zu § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II Berlit, in: LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rdnr. 79).

Angesichts der tatsächlich erfolgten Suchbemühungen ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen sein sollte, eine Wohnung zu einem angemessenen Preis zu finden. Die gegenteilige Erklärung von Frau Dr. B. in ihrem Befundbericht führt zu keinem anderen Ergebnis. Frau Dr. B. behandelte den Kläger erst ab Januar 2009. Eine Aussage über seinen Zustand Mitte 2008 ist ihr damit kaum möglich. Eine nachvollziehbare Begründung wird ebenfalls nicht gegeben. Zu beachten ist auch, dass in den damaligen Kontakten mit der Stadt Kalkar sowie mit dem Beklagten vom Kläger selbst eine entsprechende gesundheitliche Einschränkung nie vorgetragen wurde.

2. Die Nebenkosten sind in Höhe der tatsächlichen Kosten von 60,00 EUR zu berücksichtigen. Auch wenn die tatsächliche Wohnungsgröße leicht über dem als angemessen anzusehenden Wert von 45 qm lag – unabhängig davon, ob sie nun 49 oder 51 qm betrug -, so ist die Nebenkostenpauschale nicht anteilig zu kürzen, da ausweislich Blatt 3 des Mietvertrags sämtliche in die Nebenkostenpauschale eingeflossenen Positionen nicht nach Quadratmetern berechnet wurden.

3. Die Heizkosten sind in den Monaten, in denen sie angefallen sind, also Oktober bis Dezember 2008, in tatsächlicher Höhe abzüglich eines Anteils für die Warmwasseraufbereitung nach den Vorgaben des Urteils des Bundessozialgerichts vom 27.02.2008 (B 14/11b AS 15/07 R) zu berechnen: 65,00 EUR - 6,33 EUR = 58,87 EUR. Einer weiteren Kürzung steht das Urteil des BSG vom 02.07.2009 (B 14 AS 36/08 R) entgegen. Bei Fehlen eines örtlichen Heizkostenspiegels ist danach als angemessen anzusehen der obere Grenzwert in der jeweiligen Kategorie des Heizkostenspiegels des Bundes. Hier ist der Heizkostenspiegel des Bundes von 2007 und dort die Tabelle für das Heizmittel Gas heranzuziehen. Im Falle einer insgesamt beheizten Wohnfläche von bis zu 250 qm beträgt der Grenzwert in Euro pro Quadratmeter und Jahr 16,70, bei Häusern bis 500 qm Wohnfläche 15,70 (und das Haus, in dem sich die Wohnung des Klägers befindet, hat jedenfalls keine größere beheizbare Wohnfläche als 500qm). Dies bedeutet einen monatlichen Wert pro Quadratmeter von 1,39 EUR bzw. 1,31 EUR und bei 45 qm einen Grenzwert von 62,55 EUR bzw. 58,95 EUR. Beide Werte liegen über den zuvor ermittelten reinen Heizkosten im vorliegenden Fall.

4. In den Monaten Oktober 2008 bis Dezember 2008 ergeben sich mithin angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 318,22 EUR (199,35 EUR + 60,00 EUR + 58,87 EUR). Da in diesen Monaten tatsächlich von der Beklagten lediglich 277,40 EUR an Leistungen für Unterkunft und Heizung gewährt wurden, ergibt sich ein weiterer monatlicher Anspruch von 40,82 EUR.

Für September 2008 ergibt sich dagegen kein weiterer Anspruch, da der Beklagte hier ebenfalls 277,40 EUR gewährte, obwohl in diesem Monat gar keine Heizkostenvorauszahlung beim Kläger anfiel und sein Bedarf sich daher unter Berücksichtigung des oben Gesagten auf lediglich 259,35 EUR belief.

Im Januar 2009 gewährte der Beklagte zwar nur noch Leistungen für Unterkunft ohne Leistungen für Heizung in Höhe von 229,58 EUR und damit eigentlich 29,77 EUR zu wenig. Gleichzeitig wurden dem Kläger aber aufgrund der Jahresabrechnung von Mitte Januar 2009 271,68 EUR nachgezahlt, obwohl nur ein deutlich geringerer Betrag tatsächlich hätte nachgezahlt werden müssen, so dass im Ergebnis keine weiteren Leistungen zu erbringen sind.

Dass ein deutlich zu hoher Betrag aus der Rechnung der Stadtwerke von Mitte Januar übernommen wurde, ergibt sich aus Folgendem: Der Rechnungsbetrag für den Zeitraum 01.09.2008 bis 31.12.2008 und damit für vier Monate belief sich auf 451,68 EUR. Unter Berücksichtigung des Heizspiegels des Bundes wären höchstens (4 x 62,55 EUR =) 250,20 EUR zu übernehmen gewesen. Nach Abzug der bereits für September bis Dezember 2008 gewährten Abschläge in Höhe von (4 x 47,82 EUR =) 191,28 EUR hätte demnach lediglich ein Betrag von 58,92 EUR aus der Heizkostenabrechnung übernommen werden müssen. Tatsächlich wurden aber eben 271,68 EUR übernommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Begehrt wurden 4 x (416,00 EUR - 277,40 EUR = 138,60 EUR) = 554,60 EUR + (416,00 EUR - 229,58 EUR = 186,42 EUR) = 740,82 EUR. Demgegenüber war der Kläger in Höhe von 3 x 40,82 EUR = 122,46 EUR erfolgreich, was ungefähr einem Sechstel entspricht.

Rechtsmittelbelehrung:
Rechtskraft
Aus
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