L 5 AS 425/10 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 27 AS 74/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 AS 425/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 10. Februar 2010 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 10. Februar 2010 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, ist zwar nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und insbesondere innerhalb der Frist des § 173 SGG eingelegt, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem An-tragsteller für die Reparatur des Daches und des Schornsteins seines Hauses einen Betrag von 8.971,59 EUR darlehensweise zu zahlen. Das Sozialgericht hat nach einer Folgenabwägung den Anspruch auf Übernahme der Repara-turkosten bejaht. Es hat den Ausgang des Klageverfahrens zutreffend als offen eingeschätzt. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, juris). Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen vorläufigen Prüfung der Sach- und Rechtslage erscheint es offen, wenngleich auch überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller einen Anspruch nach § 22 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) auf Erstattung der Kosten für die Reparatur des Daches hat. Das Sozialgericht hat ausführ-lich dargetan, dass es sich bei den vom Antragsteller begehrten Kosten in Höhe von 8.791,59 EUR allein um Erhaltungsaufwand handelt, selbst wenn es in Folge der Reparaturmaßnahmen zu einer Wertsteigerung des Gebäudes kommen sollte. Es ist nämlich nicht zu erkennen, dass durch die Reparatur des Daches der Wohnstandard des Hauses erhöht wird. Vielmehr ist ein dichtes Dach ersichtlich auch bei niedrigem Wohnstandard unerlässlich. Die durch das Haus des Antragstellers verursachten Kosten der Unterkunft und Heizung sind schließlich – auch unter Berücksichtigung der Reparaturkosten – nicht offensichtlich unange-messen im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien, wenn die Reparaturkosten auf einen Zeit-raum von zwei Jahren umgelegt würden. Dabei hat die Antragsgegnerin jedoch nicht dargetan, wovon sie den Zeitraum von zwei Jahren ableitet. Insoweit hat das Sozialgericht andere, über-zeugendere Maßstäbe wie etwa eine Umlage von 11 v. H. jährlich entsprechend § 559 BGB oder die Dauer des bisherigen Leistungsbezugs aufgezeigt. Nach beiden Maßstäben würden die Kosten der Unterkunft nicht den von der Antragsgegnerin angenommenen Grenzwert für die angemessenen Kosten der Unterkunft überschreiten. Auf welchen Zeitraum derartige Kosten umzulegen sind und ob weitere Reparaturkosten in der nahen Zukunft zwingend erforderlich sind, welche die Kosten der Unterkunft gegebenenfalls unangemessen werden lassen, kann nicht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geklärt werden. Selbst wenn jedoch die Kosten der Unterkunft bereits in Folge der Kosten der Reparatur des Daches unangemessen hoch werden sollten, so wären sie voraussichtlich gleichwohl von der Antragsgegnerin nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II zu übernehmen. Hiernach sind auch Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Um-fang übersteigen, als Bedarf des Hilfebedürftigen solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, längstens für sechs Monate. Obgleich der An-tragsgegnerin der Erhaltungszustand des Hauses spätestens seit dem Besuch des Außen-dienstmitarbeiters beim Antragsteller am 17. Juni 2009 ihr die (zumindest bei allgemeiner Be-trachtung unangemessen hohen) Heizkosten auch schon länger bekannt waren, hat sie den An-tragsteller nicht zur Senkung der Kosten der Unterkunft und Heizung entsprechend § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II aufgefordert. Vielmehr war die Antragsgegnerin ersichtlich der Auffassung, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung mit 220,82 EUR deutlich unter dem von ihr als ange-messen erachteten Grenzwert von 315,- EUR lagen und so ein Verbleib des Antragstellers in seinem Haus (vorerst) günstiger sei (so auch der Vermerk Bl. 249 des Verwaltungsvorgangs). Erstmals mit Ablehnung des Antrags hat die Antragsgegnerin dann auf die vermeintliche Un-wirtschaftlichkeit von Reparaturmaßnahmen hingewiesen. Die Wirtschaftlichkeit von Repara-turen am Haus des Antragstellers zu beurteilen, obliegt jedoch nicht der Antragsgegnerin. Dies ist allein dem Antragsteller als Eigentümer vorbehalten. Der Antragsgegnerin bleibt es unbe-nommen, die Übernahme solcher Kosten zu verweigern, welche wertsteigernd sind und nicht lediglich der Erhaltung dienen. Wie oben bereits dargelegt, ist dies vorliegend nicht der Fall. Ebenso kann die Antragsgegnerin einen Hilfebedürftigen nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II auf unangemessen hohe Kosten der Unterkunft und Heizung hinweisen und ihn zur Senkung der Kosten auffordern. Auch dies hat die Antragsgegnerin bislang nicht getan, sondern lediglich dem Antragsteller ein Informationsblatt zum Wohnungswechsel übersendet. Nach den Feststellungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes droht das Haus auch vollständig unbewohnbar und wertlos zu werden, wenn die Reparaturmaßnahmen unterlassen werden. Angesichts der drohenden und teils irreparablen Schäden an Eigentum und Gesundheit des Antragstellers spricht die Folgenabwägung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, wie das Sozialgericht richtig festgestellt hat. Es ist schließlich auch keine kostengünstigere Maßnahme zur Erhaltung des Hauses zu ersehen. Der Antragsteller hat verschiedene Kosten-voranschläge sowie ein Schreiben der Dachdeckergesellschaft mbH "Spreewald" eingereicht, nach der eine günstigere Erhaltungsmaßnahme nicht möglich sei. Nach alledem hat die Beschwerde der Antragsgegnerin keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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