S 9 AS 5037/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 5037/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auch nach bereits durchgeführtem Kostensenkungsverfahren kann der Anspruch auf die tatsächlichen Kosten der Unterkunft gem. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II durch nachträglich eintretende Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung wieder aufleben.

2. Eine Kostensenkung durch Umzug oder Untervermietung ist gegen den Rat des behandelnden Arztes unabhängig von den objektiven medizinischen Gegebenheiten in der Regel so lange unzumutbar, wie diese ärztliche Einschätzung nicht durch amtsärztliches Gutachten widerlegt ist.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 07.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2009 und der Bescheid der Beklagten vom 24.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 07.09.2009 und des Änderungsbescheides vom 07.01.2010 werden abgeändert. 2. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 01.07.2009 bis zum 31.01.2010 Leistungen nach dem SGB II für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kaltmiete in Höhe von 680,00 EUR monatlich zu gewähren. 3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 4/5 zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen für die Kosten der Unterkunft und des Sozialgeldes im Rahmen des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II).

Die Klägerin, geboren am XXX, lebt in einem Haushalt mit ihren XXX und XXX geborenen Söhnen, den Klägern. Die XXX geborene Tochter der Klägerin befindet sich seit Januar 2009 in der Obhut einer Pflegefamilie, der Ehemann der Klägerin war am XXX.2008 aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen. Die Familie der Kläger bezog von der Beklagten seit 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Bedarf für die Kosten der Unterkunft wird von der Beklagten seit 1.7.2005 in Höhe des damals für einen 5-Personen-Haushalt für angemessen gehaltenen Kaltmietzinses von 536,60 EUR (5,11 EUR x 105 m²) angesetzt. Im hier maßgeblichen Zeitraum wurden die Leistungen zunächst mit Bescheid vom 2.4.2009 für den Zeitraum vom 1.2.2009 bis zum 31.7.2009 bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 7.6.2009 setzte die Beklagte die Leistungen für Juli 2009 wegen der Anpassung der Regelleistung neu fest. Dieser Bescheid enthielt die Zusicherung, dass er von Amts wegen entsprechend geändert werde, wenn aufgrund der seinerzeit anhängigen Vorlageverfahren vor dem BVerfG bezüglich der Regelleistung für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres eine neue Rechtslage entstehen und diese zu höheren Ansprüchen führen sollte. Ein Widerspruch allein deswegen sei daher nicht erforderlich.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 3.7.2009 Widerspruch. Der Widerspruch richtete sich gegen die Anrechnung von Einkommen der Klägerin, welches seit 1.5.2009 nicht mehr erzielt werde. Die Kläger machten außerdem geltend, die Kosten der Unterkunft seien in der tatsächlich geschuldeten Höhe (Kaltmiete laut Mietvertrag 680 EUR) zu übernehmen. Es sei keine Kostensenkungsaufforderung ergangen, außerdem sei der Mietanteil für die Tochter weiter zu übernehmen. Ziel ihrer Inobhutnahme sei die Stabilisierung des gesamten Familiensystems, danach werde die Rückkehr der Tochter in die Familie angestrebt. Außerdem sei der Klägerin ein Umzug derzeit nicht zuzumuten. Es wurde eine Stellungnahme der sozialen Dienste des Landkreises XXX vom 25.6.2009 vorgelegt. Darin wurde ausgeführt, die psychische Verfassung der Klägerin und die Belastungssituation der Familie seien derzeit sehr problematisch. Sowohl eine Arbeitsaufnahme als auch ein Umzug in eine kleinere Wohnung würden sich destabilisierend auswirken. Würde die Familie zu einem Umzug gezwungen, seien das Kindeswohl gefährdet und ein Ausfall der Mutter sowie eine weitere Fremdunterbringung der Kinder nicht auszuschließen. Schließlich wurde mit dem Widerspruch die Regelleistung für den Kläger Ziff. 2 unter Bezug auf den Vorlagebeschluss des BSG vom 27.1.2009 ( Az.: B 14 AS 5/08 R) als zu gering gerügt.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 16.7.2009 korrigierte die Beklagte die fehlerhafte Einkommensanrechnung. Mit Bescheid vom 24.7.2009 wurden die Leistungen außerdem für den Zeitraum vom 1.8.2009 bis zum 31.1.2010 weiterbewilligt. Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 19.8.2009 Widerspruch.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3.9.2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 7.6.2009 - soweit ihm nicht mit dem Änderungsbescheid vom 16.7.2009 entsprochen wurde - zurück. Zur Begründung führte die Beklagte insbesondere aus, der Bedarf an Kosten der Unterkunft sei seit dem 1.7.2005 nicht mehr gesenkt worden, obwohl inzwischen der Ehemann und die Tochter aus der Wohnung ausgezogen seien. Obgleich der Haushalt lediglich noch 3 Personen umfasse, werde mit Rücksicht auf die besondere Familiensituation weiterhin der früher für einen 5-Personen-Haushalt angemessene Bedarf anerkannt, der höher sei als die aktuelle Mietobergrenze für 3- und 4-Personen-Haushalte. Die Beklagte legte weiter ausführlich dar, wie sie die Angemessenheitsgrenze ermittelt hat. Bezüglich der Höhe des Sozialgeldes führte die Beklagte aus, bis zu einer abweichenden Entscheidung des Gesetzgebers oder des Bundesverfassungsgerichts sei sie wegen ihrer Bindung an das Gesetz nicht befugt, höhere Leistungen als gesetzlich vorgesehen zu gewähren. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 7.9.2009 wies die Beklagte mit im wesentlichen gleicher Begründung den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.7.2009 zurück.

Am 6.10.2009 erhoben die Kläger die vorliegende Klage zum Sozialgericht Freiburg.

Die Kläger verfolgen ihr Begehren aus dem Widerspruchsverfahren weiter. Sie nehmen zusätzlich Bezug auf ein Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. XXX, Freiburg, vom 21.9.2009. Darin wird der Klägerin bescheinigt, dass sie aufgrund einer schweren depressiven Erkrankung sowie der belasteten Familiensituation gegenwärtig durch einen Umzug überfordert wäre und ein solcher auch für den jüngeren Sohn eine starke Belastung bedeuten würde. Auch eine Untervermietung sei nicht empfehlenswert, da andernfalls mit einer Dekompensation zu rechnen sei. Vor einer Stabilisierung sei mit einem längeren Erkrankungsverlauf zu rechnen.

Der Kläger Ziff. 1 befindet sich seit 1.11.2009 von Montag bis Freitag (außer in den Schulferien) in einer Jugendhilfeeinrichtung. Die Beklagte änderte infolgedessen mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.12.2009 (betreffend November 2009) bzw. Änderungsbescheid vom 7.1.2010 (betreffend Dezember 2009 und Januar 2010) die Leistungen unter Herausnahme des Klägers Ziff. 1 aus der Bedarfsgemeinschaft.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 7.6.2009 in der Fassung der Widerspruchsbescheids vom 3.9.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 24.7.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 7.9.2009 und des Änderungsbescheids vom 7.1.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1.7.2009 bis zum 31.1.2010 Leistungen nach dem SGB II für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kaltmiete in Höhe von 680 EUR monatlich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Der psychischen Verfassung und der familiären Situation der Klägerin sei hinreichend dadurch Rechnung getragen, das keine weitere Senkung der Leistungen für die Kosten der Unterkunft durch Berichtigung der Haushaltspersonenzahl erfolgt sei. Eine Anpassung an die aktuellen Mietobergrenzen ohne gleichzeitige Korrektur der Personenzahl sei nicht möglich, im Vergleich zu den aktuellen Mietobergrenzen für 3- und 4-Personen-Haushalte seien die Kläger noch besser gestellt. Die Bescheinigung der Umzugsunfähigkeit könne nicht dazu führen, dass nach bereits erfolgter Absenkung wieder die tatsächlichen Unterkunftskosten zu erbringen seien. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Die Vorschrift solle denjenigen schützen, der nach einer Änderung der wirtschaftlichen oder persönlichen Verhältnisse erstmals mit der Tatsache konfrontiert werde, dass die bisher für ihn tragbare Wohnung nicht mehr angemessen sei.

Die die Bedarfsgemeinschaft der Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Az.: XXX) lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die genannte Verwaltungsakte sowie die Akte des Gerichts, Az. S 9 AS 5037/09, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klagen sind form- und fristgerecht erhoben. Sie sind auch im Übrigen zulässig und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen gem. § 54 Abs. 4 SGG statthaft.

Die Klagen sind auch begründet. Die Kläger haben im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der tatsächlich geschuldeten Kaltmiete.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nach Satz 3 a. a. O. sind die den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigenden Aufwendungen für die Unterkunft als Bedarf der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Hier spricht zwar die erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Kaltmiete der Bedarfsgemeinschaft und der von der Beklagten für angemessen gehaltenen Mietobergrenze (gleich, ob für einen 3- oder 4-Personenhaushalt) dafür, dass die von der Bedarfsgemeinschaft geschuldete Kaltmiete den angemessenen Umfang im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II übersteigt. Ob dies der Fall ist, insbesondere auch, ob die Beklagte die Mietobergrenzen zutreffend festgestellt hat, kann jedoch dahinstehen. Denn es ist der Bedarfsgemeinschaft der Kläger jedenfalls im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht zuzumuten gewesen, die Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft zu senken.

Dies ergibt sich erstens aus der außergewöhnlichen Belastungssituation der Familie und der seelischen Erkrankung der Klägerin, wie sie durch die Stellungnahme der sozialen Dienste des Landkreises XXX vom 25.6.2009 und das Attest der Dr. XXX vom 21.9.2009 nachgewiesen sind. Danach droht sowohl im Falle eines Wohnungswechsels als auch einer Untervermietung eine psychische Dekompensation der Klägerin, die wiederum das Erfordernis nach sich ziehen könnte, auch die noch im Haushalt verbliebenen Söhne (im Falle des Klägers Ziff. 2 nunmehr vollständig) in fremde Obhut zu geben. Die mit einer solchen Entwicklung zwingend verbundene Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit der Klägerin durch weitere Verschlechterung ihres Gesundheitszustands (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG)), ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 und 3 GG sowie der von Art. 6 Abs. 1 GG besonders geschützten Familie der Kläger insgesamt durch die zumindest vorübergehende Unmöglichkeit des Zusammenlebens und der Ausübung der elterlichen Sorge machten es den Klägern unzumutbar, umzuziehen oder Teile ihrer Wohnung unterzuvermieten. Andere Möglichkeiten der Kostensenkung sind nicht ersichtlich.

Zweitens hätten die Kläger unabhängig davon, ob die Prognose des sozialen Dienstes und der behandelnden Fachärztin der Klägerin objektiv richtig ist, ihrer Obliegenheit zur Kostensenkung nur nachkommen können, indem sie deren ausdrücklicher Empfehlung zuwiderhandeln. Patienten und vom sozialen Dienst betreuten Familien muss aber zugebilligt werden, im Interesse ihrer grundrechtlich geschützten körperlichen Unversehrtheit sowie damit ein von der Empfehlung abweichendes Verhalten nicht gegen sie verwendet wird (etwa im Hinblick auf das elterliche Sorgerecht), grundsätzlich solchem ärztlichen und behördlichen Rat Folge zu leisten. Der Beklagten steht bei begründeten Zweifeln an der objektiven Richtigkeit ärztlicher oder sozialarbeiterischer Empfehlungen die Möglichkeit der amtsärztlichen oder gutachterlichen Überprüfung offen (§ 62 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB I -). Die grundsätzliche Achtung der Einschätzung des behandelnden Arztes erscheint auch im Hinblick auf die Bewertung ärztlicher Atteste in anderen Sozialleistungsbereichen zwingend. So stellt ein ärztlicher Rat, eine bestimmte Arbeitsgelegenheit nicht wahrzunehmen, ungeachtet seiner objektiven Richtigkeit einen sowohl subjektiv als auch objektiv wichtigen und damit eine Sperrzeit ausschließenden Grund im arbeitsförderungsrechtlichen Sinne dar (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.8.2005, Az.: L 12 AL 2770/04, n. v.). Auch im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kann sich der Versicherte auf die Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Arztes regelmäßig verlassen, solange ihr nicht der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) im dafür vorgesehenen Verfahren widersprochen hat (st. Rspr., BSG-Urt. v. 8.11.2005, Az.: B 1 KR 30/04 R, veröff. in (juris), m. w. N.). Folgerichtig darf es auch für einen Leistungsempfänger keine negativen Folgen haben, wenn er der Kostensenkungsobliegenheit wegen entgegenstehender ärztlicher Empfehlung nicht nachkommt. Dies gilt zumindest solange, wie der Rat des behandelnden Arztes nicht durch qualifizierte amtsärztliche Stellungnahme oder auf medizinischer Sachverhaltsaufklärung beruhende gerichtliche Entscheidung widerlegt ist.

Drittens schließlich ist festzustellen, dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum und gegenwärtig noch nicht feststeht, wie viele Personen der Bedarfsgemeinschaft in absehbarer Zeit angehören werden. Die Tochter der Klägerin befindet sich zwar in der Obhut einer Pflegefamilie, ihre Rückkehr in den Haushalt der Mutter wird aber angestrebt und ist jedenfalls nicht ausgeschlossen. Der Kläger Ziff. 1 ist vorübergehend während der Schulzeiten in einer Jugendhilfeeinrichtung, seine vollständige Rückkehr in den Haushalt der Bedarfsgemeinschaft steht den Angaben der Klägerin zufolge mit Abschluss des laufenden Schuljahres bevor. Art. 6 Abs. 1, 3 GG gebieten es, der im Hinblick auf beide Kinder in absehbarer Zeit möglichen Wiederherstellung der familiären Lebensgemeinschaft nicht durch einen grundsicherungsrechtlich erzwungenen Umzug in eine für einen 4-Personen-Haushalt zu kleine Unterkunft oder die Untervermietung für die beiden älteren Kinder benötigten Wohnraums in der gegenwärtigen Unterkunft entgegenzuwirken und auf diese Weise sorgerechtlich ungünstige Tatsachen zu schaffen. Von den Klägern wird daher selbst dann, wenn die gesundheitliche und familiäre Situation grundsätzlich einer Kostensenkung durch Umzug oder Untervermietung nicht mehr entgegensteht, lediglich verlangt werden können, die Kosten der Unterkunft auf den Betrag abzusenken, der für die Familie unter Einschluss der möglicherweise in absehbarer Zeit in den Haushalt zurückkehrenden Kinder angemessen ist.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, die erst nach einem durchgeführten Kostensenkungsverfahren eintretende Unzumutbarkeit der Kostensenkung könne von Rechts wegen keinen Anspruch auf Wiedergewährung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft begründen, vermag ihr die Kammer nicht zu folgen. Der Wortlaut des Gesetzes legt eine solche einschränkende Auslegung nicht nahe. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II beschränkt die Gewährung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf die Dauer der Unzumutbarkeit ("so lange"), trifft aber keine Aussage darüber, wann der Anspruch beginnt. Insbesondere wird nicht gefordert, dass die Unzumutbarkeit bereits bei Beginn der Hilfebedürftigkeit, der Leistungsgewährung oder des Kostensenkungsverfahrens vorliegen müsse. Der nach dem Wortlaut möglichen Berücksichtigung nachträglicher Unzumutbarkeitsgründe steht auch der Gesetzeszweck nicht entgegen, denn dieser schützt nach der Rechtsprechung des BSG zwar insbesondere solche Personen, die bei Beginn des Leistungsbezuges bereits in einer unangemessenen Unterkunft leben oder deren Unterkunft ohne Wohnungswechsel während des Leistungsbezuges unangemessen wird; damit werden jedoch lediglich solche Hilfeempfänger vom Schutz des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ausgenommen, die während des Leistungsbezuges aus einer angemessenen in eine unangemessen teure Unterkunft umziehen (BSG-Urt. v. 7.11.2006, Az.: B 7b AS 18/06 R). Eine Rechtfertigung, § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II im Falle nachträglich eintretender Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung nicht anzuwenden, bietet der Gesetzeszweck dagegen nicht. Schließlich sprechen auch systematische Erwägungen nicht gegen die hier vertretene Auslegung. So dürfte offenkundig sein, dass nachträgliches Angemessenwerden zunächst unangemessener Unterkunftskosten (etwa durch personelle Vergrößerung der Bedarfsgemeinschaft, Ansteigen des örtlichen Mietzinsniveaus, Eintreten eines behinderungsbedingt erhöhten Raumbedarfs) zugunsten von Leistungsempfängern zu berücksichtigen ist mit der Folge, dass über § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II der Anspruch auf die tatsächlichen Unterkunftskosten auch nach bereits erfolgter Mietsenkung wieder auflebt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dasselbe Ergebnis über § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II bei nach Absenkung eintretender Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung ausgeschlossen sein sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 7.6.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 3.9.2009 trotz der darin enthaltenen Zusicherung der Beklagten und damit unnötigerweise auch hinsichtlich der Höhe des Sozialgeldes der Kläger erhoben wurden. Daher erscheint die Erstattung der vollen außergerichtlichen Kosten unangemessen und insoweit ein Abschlag von einem Fünftel gerechtfertigt.
Rechtskraft
Aus
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