L 6 AS 494/10 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 135/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 494/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 02.03.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne Anrechnung der Abfindungszahlung einer Witwenrente.

Der 1963 geborene Antragsteller zu 1) erhält seit Februar 2009 laufende Leistungen nach dem SGB II. Anfang Juli 2009 teilte er der Antragsgegnerin mit, dass er die Antragstellerin zu 2) am 20.05.2009 geheiratet habe und diese in seinen Haushalt eingezogen sei. Die Antragstellerin zu 2) erhielt am 18. Juni 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See eine Abfindungszahlung auf eine Witwenrente in Höhe von 4.567,63 Euro. Diese überwies sie am 23.06.2009 in Höhe von 4.000 Euro auf das Konto der Mutter des Antragstellers zu 1). Mit Bescheid vom 04.08.2009 gewährte die Antragsgegnerin den Antragstellern als Bedarfsgemeinschaft Leistungen für den Zeitraum vom 01.08. bis 30.09.2009 in Höhe von 805,25 Euro und mit weiterem Bescheid vom 23.09.2009 für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis 31.03.2010 in Höhe von 527,66 Euro (teilweise geändert mit Bescheid vom 28.10.2009: ab 01.11.2009 in Höhe von 597,07 Euro). Dabei rechnete sie als Einkommen der Antragstellerin zu 2) monatlich 507,51 Euro an. Zur Erläuterung führte die Antragsgegnerin aus, dass der Abfindungsbetrag als einmalige Einnahme zu werten sei und auf einen als angemessen erachteten Zeitraum von 9 Monaten à 507,51 Euro aufgeteilt werde. Bezüglich vorangegangener Zeiträume ergehe ein gesonderter Bescheid.

Gegen den Bescheid vom 23.09.2009 erhoben die Antragsteller mit Schreiben vom 29.09.2009 Widerspruch. Die Abfindungszahlung könne nicht angerechnet werden. Der Zahlbetrag sei der Antragstellerin zu 2) im Juni zugeflossen, somit bevor sie am 01.07.2009 in die Wohnung des Antragstellers zu 1) eingezogen sei. Im Übrigen habe sie die Abfindungszahlung weitgehend bereits vor ihrem Umzug insbesondere durch Zahlung an ihre Schwiegermutter verbraucht. Hiermit sei ein Darlehen der Schwiegermutter von 6.000 Euro teilweise beglichen worden. Seit dem 29.04.2009 habe sie bei einer Bekannten gewohnt und für diesen Zeitraum auch keine Leistungen nach dem SGB II erhalten. Zwar habe die ARGE Kreis Unna ihr zunächst Leistungen bewilligt, diese jedoch rückwirkend aufgehoben.

Am 11.01.2010 haben die Antragsteller das Sozialgericht Dortmund (SG) darum ersucht, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihnen ab Antragseingang vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen zu gewähren. Zur Begründung haben sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft, dass die Abfindungszahlung Vermögen und nicht Einkommen darstelle und im Übrigen vor dem gemeinsamen Bezug der Wohnung weitgehend verbraucht gewesen sei. Die gegenteilige Auffassung stünde nicht im Einklang mit den ansonsten unnötigen Sanktionsregelungen der §§ 31 Abs. 4, 34 SGB II. Diese besagten eindeutig, dass auch die Verschwender - ggf. gekürztes - Arbeitslosengeld II bekämen, belastet mit einer Ersatzforderung nach § 34 SGB II. Sofern Einkommen angenommen werde, hätte die Antragsgegnerin dies darüber hinaus nach § 2 Abs. 4 AlgII-V bereits ab September 2009 anrechnen müssen, da sie ausweislich der Akte spätestens im August von der Rentenzahlung gewusst habe. Die Anrechnung erst ab Oktober sei damit rechtswidrig. Die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit ergebe sich aus der Tatsache, dass der Großteil der Rentenabfindung bereits am 23.06.2009 in Höhe von 4.000 Euro verbraucht gewesen sei. Den Antragstellern würden daher 507,51 Euro monatlich zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts nach dem SGB II fehlen. Ihr Vermieter habe das Mietverhältnis mit Schreiben vom 15.01.2010 wegen Mietrückstandes bereits fristlos gekündigt.

Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, dass der Abfindungsbetrag als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller anzurechnen sei. Die Antragstellerin zu 2) habe seit Anfang 2009 im Leistungsbezug nach dem SGB II gestanden, so dass die Abfindungszahlung im Juni Einkommen darstelle. Im Übrigen sei die Antragstellerin zu 2) ausweislich der Rechnung der Transportfirma bereits am 28.04.2009 von Bergkamen in die Wohnung des Antragstellers zu 1) umgezogen. Einen Nachsendeantrag für die Post habe sie sogar bereits am 09.03.2009 gestellt.

Die Antragsteller haben erwidert, dass die Antragstellerin zu 2) am 28.04.2009 lediglich begonnen habe, ihren Haushalt aufzulösen, dass sie aber zunächst bis 30.06.2009 noch bei ihrer Schwägerin gewohnt habe. Sie sei nicht sofort beim Antragsteller zu 1) eingezogen, weil sie aus finanziellen Gründen die Fahrten zwischen Bergkamen und Dortmund nicht habe in Kauf nehmen wollen. Einen Nachsendeantrag bei der Post habe sie sogar bereits am 01.12.2008 gestellt, weil die Heirat zunächst für Januar 2009 geplant gewesen sei. Nachdem der Antragstellerin zu 2) jedoch durch ihren Arbeitgeber zum 04.12.2008 gekündigt worden sei, habe man die Hochzeit aufgeschoben und die Planungen erst wieder aufgenommen, als die Mutter des Antragstellers zu 1) ein Darlehen in Höhe von 6.000 Euro zugesagt habe.

Das SG hat den Eilantrag mit Beschluss vom 02.03.2010 abgelehnt. Es fehle dem Anspruchsbegehren in Höhe von 477,51 Euro an einem glaubhaften Anordnungsanspruch. Die Antragsgegnerin habe dem Grunde nach zu Recht die der Antragstellerin zu 2) im Monat Juni 2009 zugeflossene Witwenrentenabfindung als Einkommen auf den Leistungsanspruch der Antragsteller angerechnet. Diese Abfindung stelle Einkommen der Antragstellerin zu 2) dar. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen sei im SGB II die Antragstellung gemäß § 37 SGB II. Einkommen sei danach grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhalte und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits gehabt habe (BSG, Urteil vom 30.07.2008, B 14 AS 43/07 R). Die Antragstellerin zu 2) habe bereits vor Auszahlung der Witwenrentenabfindung im Leistungsbezug gestanden, somit einen Antrag nach § 37 SGB II bereits vor Eingang der Geldzahlung gestellt. Auf die späteren Aufhebungsbescheide komme es nach dem vom Bundessozialgericht (BSG) formulierten Anfangskriterium nicht an. Auch werde durch die Aufhebungsentscheidung der ARGE Unna nicht ein ursprünglich als Einkommen zu wertender Zufluss nachträglich zu Vermögen. Im Hinblick auf § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II bildeten die Antragsteller auch spätestens seit ihrer Hochzeit am 20.05.2009 eine Bedarfsgemeinschaft. Auf die Frage der Wohnverhältnisse der Antragstellerin zu 2) komme es – ungeachtet dessen, dass das Vorbringen weder lebensnah noch ansatzweise widerspruchsfrei sei – insoweit nicht an. Die von der Antragsgegnerin gewählte Anrechnung des Einkommens auf 9 Monate sei nach Maßgabe des § 2 Abs. 4 S. 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) nicht zu beanstanden. Die Anrechnung unterliege auch nicht deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Antragstellerin bereits am 23.06.2009 - nach ihrem Vorbringen zur Schuldentilgung - einen Betrag von 4.000 Euro an ihre Schwiegermutter überwiesen habe. Im Falle von einmaligen Einnahmen sei der nach § 2 Abs. 4 Alg II-V errechnete Teilbetrag selbst dann bis zum Ende des angemessenen Zeitraums anzurechnen, wenn das Einkommen vorzeitig verbraucht worden sei. Ansonsten habe es der Hilfesuchende in der Hand, eine in der Verordnung vorgesehene Einkommensberücksichtigung nachträglich zu seinen Gunsten zu verändern und die Behörde auf einen (nicht unbedingt realisierbaren) Anspruch nach § 34 Abs. 1 SGB II zu verweisen. Dieses Ergebnis sei schon vor dem Hintergrund nicht sachgerecht, dass auch der vorzeitige Verbrauch von angerechneten regelmäßigen Einkünften nicht etwa zum Entstehen eines neuen Leistungsanspruchs im noch laufenden Monat führe. Soweit den Antragstellern danach das angerechnete Einkommen tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden habe, wäre allenfalls eine Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II als Darlehen oder in Form von Gutscheinen in Betracht zu ziehen gewesen. Diesbezüglich fehle es jedoch an einer entsprechenden Antragstellung. Soweit die Anrechnung der Witwenabfindung einen Rechenfehler aufweise, weil die Versicherungspauschale fälschlich dem Antragsteller zu 1) zugeordnet worden sei, dem sie mangels eigenen Einkommens nicht zugute komme, fehle es an einem Anordnungsgrund. Der allenfalls zu beanspruchende Betrag von 90 Euro mache den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht erforderlich. Angesichts der von den Antragstellern geleisteten Rückzahlung an die Mutter des Antragstellers zu 1) und der von dieser eingereichten Bescheinigungen sei nicht ersichtlich, dass nunmehr keine Unterstützungsbereitschaft mehr bestehe und durch den Fehlbetrag eine existentielle Notlage ausgelöst werde.

Gegen den ihnen am 06.03.2010 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 22.03.2010 Beschwerde erhoben und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ihrer Auffassung nach ist für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft nicht der Heiratstermin sondern der tatsächliche Zuzug in eine gemeinsame Wohnung ausschlaggebend. Bis zum 01.07. hätten sie im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB II getrennt gelebt, so dass Einkommen und Vermögen der Antragstellerin zu 2) vor diesem Zeitpunkt nicht zu berücksichtigen seien. Im Zeitpunkt des Zuflusses der Abfindung habe ein Hilfebedarf der Antragstellerin zu 2) nicht bestanden. Dies ergebe sich aus der rückwirkenden Leistungsentziehung durch die ARGE Unna. Auch könne entgegen der Auffassung des SG Einkommen nicht berücksichtigt werden, wenn es - wie hier wegen der erfolgten Schuldentilgung - im Bedarfszeitraum nicht mehr vorliege.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Antragsteller haben, wie vom Sozialgericht zutreffend entschieden, keinen Anspruch auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung der Rentenabfindung.

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das von Antragstellerseite geltend gemachte Recht (sog. Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit, d.h. die Dringlichkeit, die Angelegenheit sofort vor einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu regeln (sog. Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Hiervon ausgehend sind vorliegend die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht erfüllt, weil es an einem glaubhaften Anordnungsanspruch fehlt. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 02.03.2010 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG).

Soweit die Antragsteller mit ihrer Beschwerde geltend machen, dass sie erst ab dem - zum 01.07.2009 behaupteten - Einzug der Antragstellerin zu 2) in die Wohnung des Antragstellers zu 1) eine Bedarfsgemeinschaft gebildet haben, innerhalb derer Einkommen und Vermögen der Antragstellerin zu 2) gemäß § 9 Abs. 2 SGB II zu berücksichtigen war, ist dies unzutreffend. Eine Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller lag wie vom Sozialgericht zu Recht angenommen (spätestens) seit der Hochzeit am 20.05.2009 vor. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II u.a. der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte. Ein "dauerndes Getrenntleben" im Sinne der Vorschrift liegt dabei nicht bereits - wie von den Antragstellern angenommen - bei räumlicher Trennung vor, sondern lediglich dann, wenn einer der Ehepartner die eheliche Gemeinschaft ablehnt und das Eheband lösen will (BSG, Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 49/09 R). Dies ist hier nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Da die Rentenabfindung der Antragstellerin zu 2) im Juni 2009 und somit nach Eheschließung zugeflossen ist, kommt es somit weder darauf an, wann der Einzug in die Wohnung des Antragstellers zu 1) erfolgt ist, noch ob die Antragstellerin zu 2) im Juni 2009 selbst hilfebedürftig war.

Soweit die Antragsteller im Weiteren die Auffassung vertreten, dass die Rentenzahlung zumindest deshalb nicht berücksichtigt werden könne, weil sie im Anrechnungszeitraum bereits größtenteils verbraucht gewesen sei, ist dies gleichfalls unzutreffend. Zu Recht hat das Sozialgericht hierzu ausgeführt, dass die Berücksichtigung von Einkommen des Hilfesuchenden bzw. seines Partners nicht bedeutet, dass die bei der Berechnung berücksichtigten Gelder über die gesamte Bedarfszeit tatsächlich vorhanden sein müssen. Vielmehr sind die Einnahmen auch dann bis zum Ende des nach § 2 Abs. 4 Alg II-V angemessenen Zeitraums mit den jeweiligen Teilbeträgen anzurechnen, wenn der Hilfebedürftige das Einkommen vorzeitig verbraucht (ebenso LSG NRW, Urteil vom 02.04.2009, L 9 AS 58/07; BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R; Bay. LSG, Urteil vom 13.04.2007, L 7 AS 309/06; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rn 66; aA wohl Brühl in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 11 Rn 16; SG Bremen, Urteil vom 15.05.2008, S 3 V 1349/08 (in juris und LPK-SGB II fälschlich: VG); wohl auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.11.2008, L 14 B 1818/08 AS ER; Geiger, info also 2009, 20, 23). Dies ergibt sich sowohl aus Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Vorschriften wie auch aus dem Gesetzeszweck.

Nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert (bis auf die ausdrücklich normierten Ausnahmen) zu berücksichtigen. Einkommen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dabei grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, wobei der tatsächliche Zufluss maßgeblich ist (BSG, Urteil vom 30.07.2008, B 14 AS 26/07 R; Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R). Welche Positionen von den Einnahmen abziehbar sind, regeln § 11 Abs. 2 SGB II und § 13 Abs. 1 SGB II i.V.m. der Alg II-V abschließend (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R Rn 19 = BSGE 101, 291-301; Bay. LSG, Urteil vom 13.04.2007, L 7 AS 309/06 Rn 20). Die genannten Vorschriften sehen einen Abzug für Schulden bzw. Darlehenstilgungen nicht vor, so dass deren Berücksichtigung bei der Prüfung des Anspruchs auf Gewährung von Arbeitslosengeld II nach § 19 SGB II nicht möglich ist. Einkommen ist somit selbst dann zuförderst zur Sicherung des Lebensunterhalt des Hilfebedürftigen bzw. der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft einzusetzen, wenn es den Hilfebedürftigen dadurch außerstande setzt, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R Rn 19; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.6.2006 - L 29 B 314/06; LSG NRW, Urteil vom 14.02.2007, L 12 AS 12/06; bereits auch schon BVerwG, Urteil vom 27.01.1965, V C 32.64 Rn 15 zur damaligen Sozialhilfe nach dem BSHG). Das SGB II erlaubt bei der Prüfung der Bedürftigkeit weder eine Saldierung von Aktiva und Passiva (BSG, Urteil vom 15.04.2008, B 14 AS 27/07 R Rn 44) noch ermöglicht es, den vorzeitigen Verbrauch von verfügbaren Mitteln z.B. durch Schuldentilgung, zu berücksichtigen.

Dass bestehende Verbindlichkeiten (und deren Begleichung) bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit damit grundsätzlich außer acht gelassen werden müssen, entspricht dabei dem dem SGB II zugrundeliegenden Grundsatz, dass staatliche Fürsorge lediglich subsidiär ist und erst dann eingreifen soll, wenn der Hilfebedürftige ihm zur Verfügung stehende Mittel (zur Deckung seines Lebensunterhalts) verbraucht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Leistungsempfänger ihm zufließende Einkünfte entgegen dem Gebot, vor der Befriedigung seiner Gläubiger zunächst seinen eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen, zur Tilgung von Schulden einsetzt (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R Rn 19; Urteil vom 15.04.2008, B 14 AS 27/07 R Rn 44).

Kann ein Antragsteller nach den gesetzlichen Vorschriften des § 19 SGB II i.V.m. §§ 11, 13 SGB II i.V.m. der Alg II-V nicht als hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II angesehen werden, fehlen ihm aber gleichwohl tatsächlich die notwendigen Mittel zum Lebensunterhalt, steht der faktisch Hilfebedürftige nach der Konzeption des SGB II nicht schutzlos da. Vielmehr besteht die Möglichkeit, nach § 23 Abs. 1 SGB II ein ergänzendes Darlehen zu erhalten (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 03.02.2010, L 12 AS 91/10 B). Hat der Leistungsträger hierüber (negativ) entschieden, ist auch die eventuelle Darlehensgewährung Streitgegenstand (BSG, Urteil vom 22.08.2009, B 14 AS 45/08 R). Im vorliegenden Verfahren stand eine darlehensweise Gewährung der begehrten Leistungen zwischen den Beteiligten nicht in der Diskussion.

Die hier streitige Frage des Verbrauchs von berücksichtigungspflichtigem Einkommen entspricht auch der Rechtslage bei vorzeitigem sonstigem Verbrauch von gezahlten Regelleistungen. Denn auch der Hilfeempfänger, der mit den gewährten Leistungen der Grundsicherung in einem laufenden Monat nicht auskommt, kann nicht etwa wegen erneuter Hilfebedürftigkeit noch einmal Leistungen als Zuschuss verlangen. Vielmehr steht auch ihm lediglich der Weg offen, bei unabweisbarem Bedarf (weitere) Sach- bzw. Geldleistungen als Darlehen zu erhalten. Ausdrücklich sieht das Gesetz dabei die Möglichkeit vor, solchen Hilfebedürftigen, die sich als ungeeignet erweisen, mit der Regelleistung ihren Bedarf zu decken, so z.B. bei unwirtschaftlichem Verhalten, die (weiteren) (Darlehens-)Leistungen in voller Höhe oder anteilig (nur) als Sachleistungen zu gewähren (§ 23 Abs. 2 SGB II).

Entgegen der Auffassung der Antragsteller ergibt sich auch aus den Vorschriften der § 31 Abs. 4 SGB II und § 34 SGB II kein anderes Ergebnis. Insbesondere lässt sich hieraus nicht ein Anspruch darauf ableiten, bei vorzeitigem Verbrauch eines Einmaleinkommens vollständige Grundsicherungsleistungen lediglich mit einer Ersatzforderung nach § 34 SGB II belastet, zu erhalten. Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen als Zuschuss ist wie oben aufgeführt allein § 19 SGB II, zur Gewährung dieser Leistungen als Darlehen § 23 SGB II. Die Regelung des § 31 Abs. 4 SGB II sieht keinen Anspruch des Hilfebedürftigen, sondern vielmehr die Möglichkeit vor, einen Hilfebedürftigen durch Leistungskürzungen zu sanktionieren. § 34 SGB II hingegen normiert allein einen Ersatzanspruch des Leistungsträgers gegen den Hilfebedürftigen, nicht aber umgekehrt einen Anspruch des Hilfebedürftigen auf Gewährung von Leistungen.

Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Anrechnung der Witwenrentenzahlung nach der Alg II-V begegnet entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil die Anrechnung dieser Zahlung erstmals mit Bescheid vom 23.09.2009 für den Zeitraum ab dem 01.10.2009 erfolgt ist. Einmalige Einnahmen sind gemäß § 2 Abs. 4 S. 1 Alg II-V ab dem Monat des Zuflusses bzw. wenn Leistungen bereits erbracht sind, gemäß § 2 Abs. 4 S. 2 Alg II-V ab dem Folgemonat zu berücksichtigen. Der sogenannte Verteilzeitraum beginnt somit unmittelbar im Zuflussmonat bzw. dem auf diesen folgenden Monat. Auf die Kenntnis des Leistungsträgers vom Zufluss kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Hier hatte die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu 1) im Zeitpunkt des Zuflusses im Juni 2009 Leistungen bereits für diesen Monat erbracht, so der Verteilzeitraum am 01.07.2009 begonnen hat. Die Tatsache, dass der Leistungsträger eine Anrechnung erst zu einem späteren Zeitpunkt vornimmt, hindert die grundsätzliche Möglichkeit der Anrechnung nicht. Durch die spätere Anrechnung ändert sich allerdings auch der Verteilzeitraum nicht, was bedeutet, dass der Leistungsträger nun nicht mehr den gesamten Betrag der einmaligen Einnahme des Hilfebedürftigen auf die ab Anrechnung laufenden Leistungen mindernd berücksichtigen darf. Vielmehr kann er eine Anrechnung unter Aussparung der "versäumten" Monate lediglich bis zum Ende des Verteilzeitraums vornehmen. Die Anrechnungsbeträge der "versäumten" Monate können lediglich über einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid geltend gemacht werden. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass eine Anrechnung bei einem Verteilzeitraum von 9 Monaten ab Juli 2009 bis März 2010, nicht aber darüber hinaus möglich war. Da die Antragsgegnerin Leistungen in den Monaten Juli bis September 2009 ohne Anrechnung erbracht hat, konnte sie die zu viel gezahlten Beträge (lediglich) mittels eines Rückforderungsbescheides unter Aufhebung der für diesen Zeitraum maßgeblichen Bewilligungsbescheide geltend machen.

Da ein Anordnungsanspruch nicht vorliegt, war nicht weiter zu prüfen, ob eine besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit auch im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Beschwerdegericht (noch) vorliegt, obwohl der Zeitraum, in dem die Antragsgegnerin hier streitig Einkommen angerechnet hat, mittlerweile verstrichen ist. Ein Anordnungsgrund läge zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nur bei (noch) bestehender gegenwärtiger Notlage vor. Eine solche dürfte bei streitigen Leistungskürzungen in einem abgelaufenen Bewilligungszeitraum lediglich dann zu bejahen sein, wenn die wesentlichen Nachteile aus der Nichtzahlung noch im Zeitpunkt der (Eil-)Entscheidung des Gerichts fortbestehen (Berlit, info also 2005, 3, 10 f.).

Prozesskostenhilfe ist nicht zu gewähren, weil der Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz aus den o.g. Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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