S 26 AS 1032/10 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Neuruppin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 AS 1032/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 02. Juli 2010 wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die Gewährung von Leistungen für die Kosten der Unterkunft nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II), wobei im Wesentlichen streitig ist, ob der Antragsgegner verpflichtet ist, die für die Reparatur des Daches des vom Antragsteller bewohnten Mobilheims erforderlichen Kosten zu erstatten.

Der bei dem Sozialgericht Neuruppin am 02. Juli 2010 eingegangene Antrag, mit dem der Antragsteller (sinngemäß) beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei Unterliegen im Hauptsacheverfahren für die Reparatur des Daches des von ihm bewohnten Mobilheimes einen Betrag in Höhe von etwa 3.100,00 EUR zu gewähren,

hat keinen Erfolg.

Der gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtete Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach der genannten Vorschrift des § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Anordnungsanspruch, d. h. die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist, sowie der Anordnungsgrund, d. h. die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung, sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Diese Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt.

1. Es kann offen bleiben, ob dem Antragsteller überhaupt ein Anordnungsgrund zur Seite steht. Die Kammer hat deshalb Zweifel an dem Bestehen einer existenziellen Notlage, weil der Antragsteller nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass bei Nichtgewährung der erstrebten Leistungen eine schier unerträgliche existenzielle Notlage eintritt oder fortwirkt, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu rechtfertigen vermag. Denn nach seinem eigenen Vortrag hat der Antragsteller das Dach seiner Unterkunft bis zum heutigen Tage notdürftig repariert und damit einen Wassereinbruch und die damit einhergehende Schädigung der Bausubstanz erfolgreich verhindern können. Dies wird im Übrigen auch durch die im Rahmen der Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter des Antragsgegners festgestellten Tatsachen gestützt. Ausweislich des Protokolls über die Durchführung des Hausbesuchs vom 30. April 2010 fanden sich zwar auf dem Dach des Mobilheims Wasserpfützen, die jedoch im Inneren der Unterkunft keine Schäden verursacht hätten. Diesen von dem Antragsgegner festgestellten und im Einzelnen auch durch Farbbildaufnahmen dokumentierten Tatsachen ist der Antragsteller im Wesentlichen auch nicht entgegen getreten. Die von dem Antragsteller vorgetragene Gefahr eines Wassereinbruches wird durch die im Protokoll niedergelegten Erkenntnisse nicht getragen; nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei dieser Einschätzung des Antragstellers lediglich um eine vage Vermutung, die das Vorliegen einer existenziellen Notlage nicht zu begründen vermag.

Schließlich verkennt der Antragsteller, dass eine einstweilige Anordnung nicht dazu dient, zu Lasten anderer Beteiligter der Hauptsacheverfahren eine schnellere Entscheidung zu erlangen. Sie ist vielmehr nur dann zu treffen, wenn ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, Breithaupt 2005, S. 803 ff.). Dies ist - wie ausgeführt - hier jedoch zumindest zweifelhaft.

2. Wenn danach bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zweifelhaft erscheint, hat der Antragsteller jedenfalls das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung der Kosten für die Reparatur des Daches seines Mobilheimes nicht zu.

Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zu den grundsätzlich erstattungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft bei Eigenheimen, zu denen auch das vom Kläger genutzte Mobilheim zu zählen ist, gehören neben den zur Finanzierung des Eigenheims geleisteten Schuldzinsen auch die Nebenkosten, wie z.B. Beiträge zur Wohngebäudeversicherung, Grundsteuern, Wasser- und Abwassergebühren und ähnliche Aufwendungen im jeweiligen Bewilligungszeitraum. Berücksichtigungsfähig sind auch tatsächliche Aufwendungen für eine Instandsetzung oder Instandhaltung, soweit diese nicht zu einer Verbesserung des Standards des selbstgenutzten Eigenheims führen und sie angemessen sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 03. März 2009, - B 4 AS 38/08 R, zitiert nach juris). Dieser tatsächliche Erhaltungsaufwand muss geeignet und erforderlich sein, dem Leistungsberechtigten sein Eigentum zu Wohnzwecken zu erhalten. Zum Erhaltungsaufwand zählt somit nicht nur derjenige Aufwand, der periodisch, regelmäßig anfällt und sich auf notwendige Kleinreparaturen, regelmäßig anfallende Wartungsarbeiten sowie kleinere Schönheitsreparaturen und Ausbesserungsarbeiten bezieht, sondern auch solcher Aufwand, der der Verhinderung oder Beseitigung drohender oder schon entstandener Schäden am selbst genutzten Eigenheim dient (vgl. etwa Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. Oktober 2008, - L 16 AS 330/07, zitiert nach juris).

Nicht zum Erhaltungsaufwand gehören demgegenüber jedoch größere Erneuerungs- und Modernisierungsarbeiten, da diese regelmäßig zu einer Umgestaltung, somit zu einem neuen Bestand führen. Kennzeichnend dafür ist, dass das Eigenheim durch sie in einen - nach der Verkehrsanschauung zu beurteilenden - höherwertigen Zustand versetzt wird (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, a. a. O.). Eine Absenkung des Wohnstandards ist somit hinzunehmen, solange der für Leistungsberechtigte nach dem SGB II genügende einfache, ein menschenwürdiges Leben sicherstellende Ausstattungsstandard gewährleistet bleibt (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 05. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER, zitiert nach juris). Es ist nicht Aufgabe der Transferleistungen nach dem SGB II oder SGB XII, die aus öffentlichen Steuermitteln finanziert werden, grundlegende Sanierungs- und Erhaltungsarbeiten zu finanzieren und dem Leistungsempfänger somit einen Zuwachs seines Vermögens zu ermöglichen, den dieser auch noch nach einem eventuellen Ausscheiden aus dem Leistungsbezug für sich realisieren könnte. Wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen sind somit nicht von der Vorschrift des § 22 SGB II umfasst (vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22, Rdnr. 26 sowie Berlit in LPK - SGB II, § 22, Rdnr. 25)

Die Kammer neigt – entgegen den Überlegungen des Antragsgegners – zwar zu der Auffassung, dass die bloße Höhe der Kosten einer Maßnahme eine zutreffende Einordnung, ob eine Erhaltungsmaßnahme oder eine wertsteigernde Erneuerungsmaßnahme vorliegt, nicht ermöglicht; denn es sind ohne Weiteres, etwa nach Unglücksfällen, kostenaufwendige Reparaturmaßnahmen an Immobilien vorstellbar, die sich darauf beschränken, den vorherigen Zustand wiederherzustellen, so dass eine messbare Wertsteigerung nicht eintritt (z. B. Trockenlegung und Neuverputz eines überfluteten Kellers, Erneuerung zerbrochener Glasscheiben in bisheriger Ausführung). Eher dürfte es grundsätzlich auf das Ziel der Maßnahme ankommen, nämlich darauf, ob sie der Erhaltung oder Wiederherstellung der Wohnung in ihrer bisherigen Substanz oder aber der Schaffung eines neuen, verbesserten Zustandes dient. Hierbei bereitet allerdings gerade die Einordnung solcher Maßnahmen Schwierigkeiten, bei denen die Erforderlichkeit einer Reparatur zugleich den Anlass für eine Modernisierung gibt (z. B. der Ersatz zerbrochenen Einscheibenglases durch eine wärmedämmende Verglasung). Kriterium für eine sachgerechte Beurteilung kann in einem solchen Fall etwa die Beantwortung der Frage sein, ob sich die Reparatur überhaupt auf eine bloße Wiederherstellung des bisherigen Zustandes beschränken kann, so dass es sich bei einer darüber hinausgehenden Verbesserung um eine zusätzlich, gewillkürte Maßnahme handelt, oder ob die erforderliche Reparatur zugleich zu einer Verbesserung nötigt, weil etwa Rechtsnormen für das Reparaturergebnis eine bestimmte Beschaffenheit vorschreiben oder Bauteile der bisher verwendeten Art nicht mehr marktgängig sind. Auf der Grundlage dieser Überlegungen geht die Kammer nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen – aber auch ausreichenden – summarischen Prüfung des Tatsachenmaterials davon aus, dass die in Aussicht genommenen baulichen Maßnahmen als wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen zu qualifizieren sind, für die der Antragsgegner Leistungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht zu erbringen hat. Unter Berücksichtigung der vom Antragsteller im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kostenvoranschläge handelte es sich bei der in Aussicht genommenen Dachsanierung nämlich nicht um einfache Instandhaltungsarbeiten, die erforderlich sind, um die Bewohnbarkeit des Anwesens zu erhalten, denn insoweit ist eine einfache Reparatur schadhafter Stellen der Bedachung ausreichend, die das Eindringen von Wasser verhindert. Vorliegend hat sich der Antragsteller jedoch offenbar zu einer aufwendigen und wertsteigernden Vollsanierung des Daches entschlossen, deren Charakter insbesondere in dem Einbau einer gänzlich neuen Dachkonstruktion und der Verwendung bislang – zumindest nach Aktenlage – nicht vorhandener Baustoffe (etwa Bitumenbahnen und Styroporplatten) ihren Ausdruck findet. Letztlich würde durch die in Aussicht genommenen baulichen Maßnahmen gerade nicht derjenige Zustand wieder hergestellt werden, der ursprünglich vorhanden gewesen ist. Aus den vorliegenden Kostenvoranschlägen ergibt sich im Wesentlichen vielmehr, dass die hier in Rede stehenden Arbeiten weit über dasjenige hinausgehen, was normalen Wartungsarbeiten entspricht. Diese Arbeiten kommen einer grundlegenden Sanierung des Daches des Mobilheimes gleich. Derartige Kosten der Unterkunft zu finanzieren, ist jedoch nicht Aufgabe der Leistungen nach dem SGB II, denn sie kommen der wertsteigernden Erhaltung eines Vermögensgegenstandes gleich. Im Übrigen kann die Notwendigkeit einer Maßnahme nicht von vornherein dazu führen, dass es sich um ersatzfähige Erhaltungsaufwendungen handeln würde. Es würde von den steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II dann jede noch so teure Baumaßnahme, die objektiv erforderlich ist, bezahlt werden müssen. Bei älteren Objekten könnten die Baukosten dann den gegenwärtigen Wert des bebauten Grundstücks um ein Mehrfaches übertreffen. Der Leistungsempfänger, der möglicherweise nur kurzfristig in Leistungsbezug steht, würde von derartigen Maßnahmen sodann mehrere Jahrzehnte profitieren. Dies sprengt ersichtlich den vom Gesetzgeber gewählten Begriff der Kosten der Unterkunft.

Soweit der Antragsteller zur Stützung seines Begehrens darüber hinaus einwendet, der nunmehr entstandene erhebliche Reparaturbedarf beruhe im Wesentlichen auch auf dem Umstand, dass der Antragsgegner in den vergangenen Jahren mit Blick auf seine wiederholten Widersprüche hinsichtlich der ihm entstehenden Reparaturkosten, untätig geblieben sei, kann dies die Kammer nicht nachvollziehen. Nach Aktenlage hat der Antragsgegner bei der Berechnung der Kosten der Unterkunft zumindest bis zum Jahre 2009 jährlich pauschale Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten berücksichtigt und dem Kläger in monatlichen Teilbeträgen zusammen mit den anderen nachgewiesenen Unterkunftskosten gewährt (vgl. etwa die Rentabilitätsberechnung vom 14. März 2008 - Bl. 190 der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners - als Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 14. März 2008 - Bl. 185 ff. der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners – für den Bewilligungszeitraum vom 01. Mai 2008 bis zum 31. März 2009). Es kann demgegenüber offen bleiben, warum der Antragsgegner diese Kosten plötzlich ab dem 01. April 2009 – zumindest nach Aktenlage – unberücksichtigt gelassen hat (vgl. etwa die Rentabilitätsberechnung vom 10. März 2009 – Bl. 212 der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners - als Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 10. März 2009 – Bl. 205 ff. der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners – für den Bewilligungszeitraum vom 01. April 2009 bis zum 31. März 2010). Denn es liegt auf der Hand, dass der nunmehr geltend gemachte – erhebliche – Reparaturaufwand nicht allein im vergangenen Jahr aufgetreten sein kann.

Im Übrigen ist sich die Kammer durchaus dessen bewusst, dass der Antragsteller im Ergebnis durch die Ablehnung des vorliegenden Antrages gezwungen sein könnte, sich von seiner Unterkunft zu trennen und eine andere Unterkunft zu suchen. Dies ist aber die Folge des Umstands, dass der Vermögenserhalt – auch wenn er aus sachlichen Gründen durchaus geboten sein mag – nicht aus Mitteln des SGB II finanziert werden kann.

Nur ergänzend weist die Kammer noch auf folgenden Umstand hin: Soweit der Antragsgegner zur Stützung seiner ablehnenden Haltung einwendet, die Kosten der Reparatur schon deshalb nicht erstatten zu müssen, weil die Nutzung des Mobilheims zum dauerhaften Wohnen am jetzigen Standort baurechtlich unzulässig sei, folgt dem die Kammer nicht. Für den Anspruch auf Übernahme von Kosten der Unterkunft ist nämlich nicht maßgeblich, dass die dauerhafte Nutzung eines Wohnmobils oder Wohnwagens baurechtlich oder ordnungsrechtlich unzulässig ist. Das Normsystem des SGB II stellt insofern auf den tatsächlichen Wohnbedarf ab, der im Einzelfall auch durch die Nutzung eines Mobilheims gedeckt werden kann. Dies gilt jedenfalls so lange, wie die Nutzung von der Bauaufsichtsbehörde oder der Ordnungsbehörde nicht tatsächlich untersagt wird (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2010, - B 14 AS 79/09 R, Terminsbericht Nr. 35/10, zitiert nach www.bundessozialgericht.de); das Vorliegen einer (bestandskräftigen) Nutzungsuntersagungsverfügung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde hat der Antragsgegner jedoch nicht einmal selbst behauptet. Darauf kommt es indes nicht entscheidungserheblich an, weil der Antragsteller die begehrten Kosten jedenfalls aus den oben dargestellten Gründen nicht erhalten kann.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG; sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache, in der der Antragsteller vollumfänglich unterlag.

4. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.

Rechtsmittelbelehrung:

( ...)

B.
Richter am Sozialgericht
Rechtskraft
Aus
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