L 9 SO 163/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SO 52/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 163/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 72/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB durch Beschluss als unzulässig verworfen
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.02.2010 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine Ferienfreizeit im Sommer 2010.

Der 1965 geborene Kläger ist auf Grund eines frühkindlichen Hirnschadens geistig behindert. Ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie die Merkzeichen B, G, H und RF sind zuerkannt. Er steht unter gesetzlicher Betreuung, lebt im ambulant betreuten Wohnen und arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte. Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erhält der Kläger durch das E S. Kostenträger ist der Beklagte.

Der Kläger verfügt über eine Rente von monatlich 716,55 Euro. Er bezieht zudem ein Gehalt aus seiner Tätigkeit in der Behindertenwerkstatt in Höhe von 99,04 Euro monatlich. Ferner bezieht er Wohngeld in Höhe von 54 Euro monatlich. Auf seinem Sparkonto bei der Sparkasse W S hatte er am 04.01.2010 einen Betrag von 416,81 Euro angespart. Auf seinem Girokonto bei der gleichen Bank befanden sich zu diesem Zeitpunkt 1.603,21 Euro.

Unter dem 05.01.2008 stellte der Kläger erstmalig einen Antrag auf Übernahme der Kosten einer Ferienfreizeit nach P im August/September 2008. Diesen lehnte der Beklagte ab, weil die Teilnahme an einer solchen Ferienfreizeit im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens nicht notwendig sei. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Im ebenfalls angestrengten einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht (Az.: S 32 SO 4/08 ER) scheiterte der Kläger ebenso wie in den sich daran anschließenden Klageverfahren (Az.: S 32 SO 5/08 und Az.: S 32 SO 10/08). Am 10.12.2008 stellte der Kläger einen weiteren Antrag auf Kostenübernahme für eine Ferienfreizeit im Sauerland. Auch diese lehnte die Beklagte unter dem 02.01.2009 ab.

Am 26.01.2009 stellte der Kläger einen weiteren Antrag auf Kostenübernahme der vorliegend streitgegenständlichen Ferienfreizeit nach P im Sommer 2010. Der Beklagte lehnte die Kostenübernahme mit Bescheid vom 23.04.2009 ab. Ferienfreizeiten dienten dazu, behinderten Menschen im Alltag ausreichende Kontakte zu nicht behinderten Menschen außerhalb von Einrichtungen zu ermöglichen. Da der Kläger ambulant betreut werde, habe er ausreichend Möglichkeiten, seine Freizeit mit nicht behinderten Menschen zu verbringen.

Der Kläger legte mit Schreiben vom 29.04.2009 hiergegen Widerspruch ein. Es sei nicht möglich, im Rahmen der gewährten Hilfe des ambulant betreuten Wohnens ihn zusätzlich noch bei der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu unterstützen. Die im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens gewährte Hilfe sei in erster Linie darauf gerichtet, ihm zu ermöglichen, sich in einer Wohnung allein zurecht zu finden. Er habe allerdings nur im Rahmen einer Ferienfreizeit die Möglichkeit, in einer Gruppe für ein paar Tage hintereinander am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2009 zurück. Die Kostenübernahme für eine Ferienfreizeit könne zwar im Rahmen der Eingliederungshilfe gewährt werden. Ziel sei es allerdings, behinderten Menschen im Alltag ausreichende Kontakte mit nicht behinderten Menschen außerhalb von Einrichtungen zu ermöglichen. Dieses Ziel werde beim Kläger bereits durch die Leistungen des ambulant betreuten Wohnens sichergestellt. Er fahre zudem Fahrrad und arbeite in einer Behindertenwerkstatt. Außerdem könne er an den vom E angebotenen Freizeitaktivitäten teilnehmen.

Mit seiner hiergegen am 24.08.2009 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Dass er ambulant betreut werde, schließe eine Übernahme nicht aus. Die diesbzgl. Betreuung beinhalte vielmehr in erster Linie, dass ihm die Möglichkeit verbleibe, alleine in einer Wohnung zu leben. Im Rahmen der Ferienfreizeit habe er für 12 Tage die Möglichkeit, neben der Arbeit in der Behindertenwerkstatt Kontakte zu anderen zu knüpfen. Er habe schon mehrfach an ähnlichen Freizeiten der E teilgenommen und die Fahrten stets genossen. Das Zusammensein mit den anderen Reiseteilnehmern z.B. bei den Mahlzeiten, bei Spaziergängen, Gesangs- und Spieleabenden, seien für ihn sehr angenehm gewesen. Er habe durchaus Kontakte zu den Mitreisenden knüpfen können.

Ziele und Inhalte der Freizeit hat die E auf Anfrage des Sozialgerichts dargestellt. Die Reiseausschreibung ist vorgelegt worden. Die verbindliche Anmeldung für die Freizeit hat der Kläger vorgelegt. Gewünscht ist danach eine Unterbringung im Einzelzimmer für 600 Euro. Die Kosten für eine Unterbringung im Doppelzimmer betragen 540 Euro.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 23.04.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2009 zu verurteilen, die Kosten für seine Teilnahme an der Ferienfreizeit des E vom 28.06. - 09.07.2010 nach P in Höhe von 540 Euro zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat in der nichtöffentlichen Sitzung vom 04.01.2010 den Betreuer des Klägers, Herrn F, angehört sowie Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen M, Mitarbeiter der E.

Der Betreuer hat im Wesentlichen erklärt, der geistig behinderte Kläger leide regelmäßig unter psychischen Krisen. Kleinste Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz hätten bereits körperliche Folgen für ihn. Er werde ambulant durch die E betreut und nehme - selten - an den monatlich angebotenen Freizeitaktivitäten teil. Kontakte pflege er zu seinen Kollegen aus der Werkstatt sowie zu den Bewohnern eines nahe gelegenen Heimes. Mit ihnen treffe er sich entweder in seiner Wohnung oder in den Zimmern der Heimbewohner. Allerdings sehe die Freizeitgestaltung bei derartigen Treffen so aus, dass Fernsehen geschaut und viel geraucht werde. Es fänden insofern keine gemeinsamen Aktivitäten statt. Kontakte zu nicht behinderten Menschen pflege der Kläger grundsätzlich nur zu seinem Bruder. Dieser besuche ihn von Zeit zu Zeit, nutze den Kläger allerdings eher aus. Nach den Gruppenreisen sei der Kläger viel entspannter gewesen und habe begeistert über die gemeinsamen Aktivitäten berichtet. Er habe stets seinen Besuchern Videoaufnahmen oder Bilder von diesen Reisen gezeigt und das genossene Gemeinschaftserlebnis betont.

Der Zeuge M hat im Wesentlichen bekundet, die E biete monatliche Gruppenaktivitäten an. Im Sommer nehme der Kläger beim Grillen oder Kegeln öfter teil, ansonsten erscheine er eher selten. Mit nicht behinderten Menschen habe er außerhalb seiner Familie keinen Kontakt. Auch mit behinderten Menschen pflege er kaum Freundschaften. Die angebotene Reise nach P sei sehr programmlastig. Viele Teilnehmer seien nicht in der Lage, ihren Tag selbst zu gestalten. Es gebe täglich zwei verschiedene Aktivitäten. Abends werde das Gemeinschaftserlebnis in Form von Kegelabenden, Gesellschaftsspielen etc. gesucht. Der Kläger habe bereits an drei Reisen teilgenommen und sich grundsätzlich in die Gruppe gut eingefügt. Er sei ausgeglichen gewesen und habe im Gegensatz zu vielen anderen Teilnehmern alle Angebote dankbar wahrgenommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Erklärungen des Betreuers sowie der Aussage des Zeugen wird auf die Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts Bezug genommen.

Am 22.02.2010 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Zulassung der Berufung antragsgemäß verurteilt. Durch die Urlaubsfahrt könnten die Aufgaben der Eingliederungshilfe erfüllt werden. Hierfür genüge es, dass die Ferienfreizeit die Begegnung und den Umgang mit den nicht behinderten Menschen ermögliche sowie der Förderung von Geselligkeit, Unterhaltung oder kulturellen Zwecken (Gedanke aus § 58 Nr. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch/SGB IX) diene. Mehrtägige Gruppenreisen förderten und stärkten die Integration des Behinderten in die Gesellschaft und entwickelten seine vorhandenen Fähigkeiten zielgerichtet weiter. Der Zweck der Eingliederungshilfe, dem Kläger Kontakt zu anderen Menschen, Geselligkeit und kulturelle Erlebnisse nahe zu bringen, könne durch die Ferienfreizeit erreicht werden, wie insbesondere die Aussage des Zeugen M bestätige. Nicht ausreichend sei es demgegenüber, wenn ein behinderter Mensch ein Gemeinschaftsgefühl lediglich im Rahmen der Arbeit mit anderen Behinderten in einer Behindertenwerkstatt erlebe, zumal der Kläger sowohl seinen Kollegen wie auch den Teilnehmern der monatlichen Freizeitveranstaltungen zwiegespalten gegenüber trete. Ihm sei vielmehr die Möglichkeit zu geben, ungetrübte Freizeiterlebnisse in der Gruppe über einen längeren Zeitraum zu erhalten. Auch könne der Kläger nicht auf die Bewilligung der Hilfe zum ambulant betreuten Wohnen verwiesen werden. In diesem Rahmen könne der Zweck Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), 55, 58 SGB IX, nicht in gleichem Maße wie durch die beantragten Ferienfreizeit erfüllt werden. Die ambulante Betreuung stelle, nämlich die soziale Rehabilitation nicht ausreichend sicher. Wie die Freizeitgestaltung des Klägers zeige, fehle eine entsprechende Anleitung. Sie könne im Rahmen der ambulanten Betreuung auch nicht geleistet werden. Ermessensfehlerfrei sei daher nur die beantragte Kostenübernahme. Der Bedarf des Klägers könne nicht durch Ausflüge in die nähere Umgebung oder die von der E angebotenen Freizeitaktivitäten befriedigt werden, weil diese nicht in gleicher Weise wie eine Ferienfreizeit zur Zielerreichung geeignet seien. Auch die Einkommens- und Vermögenssituation des Klägers stehe einer Kostenübernahme nicht entgegen.

Gegen dieses ihm am 24.03.2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 19.04.2010 eingelegte Berufung des Beklagten. Die vom Sozialgericht zur Untermauerung seines Urteils zitierten positiven Entscheidungen hätten fast ausschließlich stationär und damit isoliert untergebrachte Antragsteller betroffen, wohingegen der Kläger nicht stationär untergebracht sei, sondern Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erhalte und zudem in einer Behindertenwerkstatt arbeite. Er habe daher ohnehin die Möglichkeit, selbstständig oder unter Anleitung Kontakte mit nicht Behinderten nach Art und Umfang zu knüpfen, wie es auch bei Gemeinschaftsreisen geschehe. Durch die E würden überdies monatliche Freizeitaktivitäten (Kino, Zoo, Disco, Grillen, Kegeln, Weihnachtsmarkt) angeboten, an denen der Kläger auch teilweise teilnehme. Insoweit sei auch in der Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarung für das betreute Wohnen ein Anteil für die Teilhabe durch Begegnung von Behinderten und nicht Behinderten enthalten. Überdies sei nicht erkennbar, dass im Rahmen der Ferienfreizeit vorgesehen sei, Kontakte außerhalb des bekannten Umfelds des Klägers zu nicht behinderten Menschen herzustellen und/oder dass die Reise integrativ angelegt wäre. Etwaige Kontakte zu nicht Behinderten endeten überdies regelmäßig mit dem Ende der Freizeit, seien also ohnehin nicht von Dauer. Überdies handele es sich beim ambulant betreuten Wohnen um eine fachliche Hilfe, die auf ein selbstständiges Leben des Behinderten in seiner Umgebung gerichtet sei. Diesem Ziel diene die begehrte Maßnahme ohnehin nicht.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.02.2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er könne nicht auf die Hilfen beim ambulant betreuten Wohnen verwiesen werden. Das in der Behindertenwerkstatt erlebte Gemeinschaftsgefühl reiche ebenfalls nicht aus. Überdies verfüge er kaum über Außenkontakte zu nicht Behinderten. Die Besuche von Arbeitskollegen vermittelten auch kein Gemeinschaftserlebnis, da nur ferngesehen und geraucht werde. Die von der E angebotenen stark gemeinschaftsbetonten Gruppenreisen böten hingegen behinderten Menschen die Möglichkeit, ihrer Welt der Häuslichkeit zu entkommen und zu lernen, sich mit anderen Menschen in einer Gemeinschaft auseinander zu setzen. Er sei auch nicht so kommunikativ, wie der Beklagte annehme. Auch die von der E monatlich angebotenen Freizeitaktivitäten seien nicht mit einer Gruppenreise vergleichbar.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist auf Grund ihrer Zulassung im sozialgerichtlichen Urteil statthaft und auch sonst zulässig.

Die Berufung ist begründet, weil der Kläger keinen Anspruch darauf hat, dass der Beklagte die Kosten für eine Teilnahme an der Ferienfreizeit des E vom 28.06.2010 bis zum 09.07.2010 nach P i.H.v. 540,- Euro übernimmt.

Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kommen allein die §§ 53 Abs. 1, 3 u. 4, 54 Abs. 1 SGB XII, 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, 58 Nr. 1 SGB IX in Betracht, deren Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen.

Leistungen der Eingliederungshilfe, wie sie der Kläger begehrt, erhalten nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, wenn die Aussicht besteht, dass hierdurch die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.

Eine solche Behinderung hat das Sozialgericht richtigerweise unter Hinweis auf den frühkindlichen Hirnschaden des Klägers und die ihm neben einem hohen GdB zuerkannten zahlreichen Merkzeichen bejaht. Dafür spricht überdies, dass der Beklagte dem Kläger bereits Leistungen des ambulant betreuten Wohnens nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX erbringt.

Ein Anspruch auf die begehrte Kostenübernahme scheitert allerdings daran, dass die Teilnahme an der Ferienfreizeit, deren Kostenübernahme begehrt wird, im Hinblick auf den Kläger nicht zur Erfüllung der besonderen Aufgaben der Eingliederungshilfe dient. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, ihm die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern (vgl. § 53 Abs. 3 SGB XII). Nach §§ 53 Abs. 4, 54 Abs. 1 SGB XII, 55 Abs. 1 SGB IX werden Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft als Leistung der Eingliederungshilfe erbracht, die dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern. Dies sind gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX insbesondere auch Leistungen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen kulturellen Leben, wie sie in § 58 SGB IX weiter konkretisiert werden. Nach § 58 Nr. 1 SGB IX wiederum umfassen die Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nicht behinderten Menschen, wozu auch Urlaubsreisen und Ferienlager gehören können (Luthe in Juris PK, Stand: 01.02.2010 Rn. 16 zu § 58 SGB IX).

Es besteht allerdings nicht die Aussicht, dass durch die Teilnahme des Klägers an der begehrten Ferienfreizeit die Aufgaben der Eingliederungshilfe i.S.d. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erfüllt werden können. Erforderlich hierfür wäre, dass die Folgen der Behinderung des Klägers mindestens gemildert würden. Ferner müsste die Freizeit dazu beitragen, den Kläger in die Gesellschaft einzugliedern (vgl. § 53 Abs. 3 Satz 1 SGB XII), was insbesondere durch die Förderung der Begegnung mit nicht Behinderten gelingen soll (vgl. § 58 Nr. 1 SGB IX).

Zwar steht der Annahme dieser Voraussetzungen entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht grundsätzlich entgegen, dass der Kläger nicht stationär untergebracht ist, sondern lediglich Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erhält. Wie bereits der mit Beschluss des erkennenden Senats vom 15.05.2005 (Az.: L 9 B 14/05 SO ER) bestätigte Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 06.03.2005 (Az.: S 21 SO 227/05 ER) zeigt, mit dem die Kosten einer Ferienfreizeit für eine im ambulant betreuten Wohnen lebenden Hilfebedürftigen übernommen worden ist, scheidet auch in einer solchen Konstellation eine Kostenübernahme nicht von vornherein aus.

Voraussetzung ist allerdings auch bei im ambulant betreuten Wohnen lebenden Anspruch- stellern, dass durch die Ferienfreizeit die Folgen der Behinderung mindestens gemildert werden und die Freizeit dazu beiträgt, den Anspruchsteller in die Gesellschaft einzugliedern und hierbei insbesondere die Begegnung mit nicht Behinderten fördert.

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der Kläger bereits aktuell durchaus in die Gesellschaft eingegliedert ist. So fährt er regelmäßig Fahrrad. An den monatlich angebotenen Freizeitaktivitäten der E nimmt er jedenfalls teilweise teil. Er geht hierbei manchmal mit ins Kino oder besucht den Weihnachtsmarkt. Auch nimmt er am Grillen und Kegeln teil. Soweit er an Aktivitäten nicht teilnimmt, hängt das damit zusammen, dass er dort auf Menschen träfe, die er ablehnt. Überdies bekommt er in seiner Wohnung öfter Besuch von seinen Kollegen aus der Werkstatt oder besucht diese an ihren Wohn- bzw. Unterbringungsorten. Er ist nach den Aussagen insbesondere des Zeugen M, an deren Richtigkeit der Senat keine Zweifel hat, an fünf von sieben Abenden in der Woche nicht allein. Somit ist der Kläger in die Gemeinschaft zumindest seiner Kollegen durchaus eingegliedert.

Entscheidend spricht aber gegen eine Kostenübernahme, dass über die angebotene Ferienfreizeit die Begegnung mit nicht Behinderten nicht erkennbar gefördert wird. So bedeutet Eingliederungshilfe in Form der Ermöglichung oder Erleichterung der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft eine Förderung von Kontakten auch und gerade zu nicht behinderten Menschen (vgl. insbesondere § 58 Nr. 1 SGB IX), und zwar nicht nur zu nahe stehenden Personen wie Familienangehörigen, sondern darüber hinaus zu allen Personen, die auf Grund gemeinsamer Interessen und Bedürfnisse dem behinderten Menschen helfen können, das Gefühl menschlicher Isolierung zu überwinden (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 23.07.2003, Az.: 4 LB 564/02, Rn. 31 n.w.N.). Gerade wo solche Kontakte zu nicht behinderten Menschen nicht bestehen, wird die Hilfe darauf auszurichten sein, solche Kontakte herzustellen (Verwaltungsgericht Potsdam, Urteil vom 28.03.2008, Az.: 11 K 2698/04, Rn. 15), wobei allerdings keine dauerhafte Entwicklung Voraussetzung ist, weil es schon ausreicht, wenn mit der Maßnahme eine Milderung der sozialen und behinderungsbedingten Beeinträchtigung erreicht werden kann (Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.03.2005, Az.: 2 LB 71/04, Rn. 31).

Aus dem Vortrag des Klägers sowie aus dem Inhalt der Akten ist schon nicht erkennbar, dass er überhaupt an der Herstellung von Kontakten zu nicht behinderten Menschen interessiert ist. Hinzu kommt, dass die geplante Freizeit nach den auch insoweit glaubhaften Bekundungen des Zeugen M sehr programmlastig ist. Die Tage sind deshalb mit vom Zeugen M beispielhaft genannten Veranstaltungen (therapeutischer Wanderweg, große Wanderung, Besuch von Tropfsteinhöhlen und Falknerei, Schwimmen, Kegeln, Gesellschaftsspiele) durchgeplant. Dieser dichte und allein auf das Zusammensein der behinderten Menschen in ihrer Gemeinschaft selbst gerichtete Programmplan lässt eine Kontaktaufnahme mit nicht behinderten Menschen (mit Ausnahme der die Freizeit begleitenden Betreuer) bereits kaum möglich erscheinen. Ziel der Ferienfreizeit ist die Förderung von Kontakten zu nicht behinderten Menschen jedenfalls nicht.

Auch unter dem Gesichtspunkt, dass § 58 SGB IX als sehr offene und weite Vorschrift anzusehen ist (Gagel in Juris PR-SozR 11/2008 Anm.1) sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben. Bei einer weiten Auslegung des § 58 SGB IX besteht dessen Ziel nämlich darin, die Defizite auszugleichen, die sich im Umgang mit dem Umfeld durch die Behinderung ergeben. Wie dies durch die hier streitgegenständliche Ferienfreizeit geschehen soll, in der die Teilnehmer im Rahmen eines eng geführten Programms jedenfalls im Wesentlichen unter sich bleiben, erschließt sich dem Senat jedoch nicht.

Auf die Berufung des Beklagten war das sozialgerichtliche Urteil daher zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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