S 31 AS 306/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 306/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die sanktionsweise Absenkung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum Februar bis April 2009 um 105,00 EUR monatlich.

Der am 09.12.1957 geborene und seit vielen Jahren in Issum lebende Kläger ist niederländischer Staatsangehöriger. Er ist seit 2001 mit kurzen Unterbrechungen arbeitslos. Noch im November 2004 hatte er vorübergehend in Venray (Niederlande) eine Beschäftigung ausgeübt, diese jedoch ausweislich einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 10.02.2005 aufgegeben, da sein Pkw defekt gewesen sei und er somit nicht habe zur Arbeit kommen können. Seit 2005 bezieht er SGB II-Leistungen.

Am 11.09.2008 trat der Kläger (wiederum) ein Arbeitsverhältnis bei der Firma Proflex B.V. (heute: Start People inhouse Services) in Venray an, worüber er den Beklagten vorab am 03.09.2008 informierte. Auf entsprechende Anträge vom selben Tag sowie vom 29.09.2008 gewährte der Beklagte u.a. Mobilitätsbeihilfen.

Mit Bescheid vom 22.09.2008 rechnete der Beklagte aufgrund entsprechender Angaben des Klägers vorläufig ein Einkommen von 1.350,00 EUR netto an, weswegen ab Oktober 2008 kein Leistungsanspruch mehr bestehe.

Am 29.10.2008 sprach der Kläger erneut bei der Beklagten vor. Die Zylinderkopfdichtung seines Kfz (Opel Corsa) sei defekt gewesen. Aufgrund dessen habe er nicht zur Arbeit fahren können. Er habe die Reparatur einem Bekannten übertragen, der dafür jedoch 14 Tage benötigt habe. Am 28.10.2008 habe ihm der Arbeitgeber telefonisch gekündigt.

Auf einen Fortzahlungsantrag des Klägers vom 10.12.2008 gewährte der Beklagte diesem mit Bescheid vom 16.12.2008 Leistungen für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 unter Absenkung der Leistungen für den Zeitraum Januar bis März 2009 in Höhe von 30 % der Regelleistung. In der Begründung heißt es, es werde Bezug genommen auf ein entsprechendes Schreiben vom 17.12.2008. Dieses Schreiben wurde jedoch nie erstellt.

Unter dem 22.01.2009 (abgesandt am 28.01.2009) erging erneut ein Bescheid für den Zeitraum Januar bis Juni 2009. Darin heißt es: "Wie bei Ihrer letzten Vorsprache bereits mitgeteilt, wird die Leistungskürzung für den Monat Januar 2009 aufgrund des fehlenden Kürzungsbescheids aus der Berechnung entnommen. Bezüglich der Kürzung ab Februar 2009 verweise ich auf meinen Kürzungsbescheid vom 26.01.2009."

Mit Bescheid vom 26.01.2009 (zugestellt gegen Empfangsbekenntnis am 29.01.2009) senkte der Beklagte die Leistungen des Klägers für den Zeitraum Februar bis April 2009 um monatlich 105,00 EUR ab. Er stützte diese Absenkung - jedenfalls in der Begründung des Bescheids - auf § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II. Dem Kläger sei wegen Fehlzeiten gekündigt worden. Es sei ihm zuzumuten gewesen, während der Reparatur seines Kfz auf andere Verkehrsmittel zurückzugreifen oder sich von anderen Arbeitnehmern mitnehmen zu lassen. In einer Werkstatt hätte der Wagen in kürzester Zeit repariert werden können. Wegen der Übernahme der Kosten hätte er beim Beklagten vorsprechen können.

Am 29.01.2009 legte der Kläger Widerspruch ein. Er sei bereits im Oktober 2008 bei seiner Sachbearbeiterin - der Zeugin B. - persönlich vorstellig geworden und habe um Leistungen zur Reparatur seines Kfz gebeten. Dies sei von der Zeugin B. abgelehnt worden. Er habe dieser gegenüber ausdrücklich erklärt, dass ihm eine Kündigung drohe, wenn ihm diese Leistungen nicht gewährt würden. Außerdem habe er sich zum damaligen Zeitpunkt um eine Mitfahrgelegenheit bemüht, jedoch erfolglos.

Am 04.03.2009 stellte der Kläger einen Eilantrag beim erkennenden Gericht (Az.: S 5 AS 83/09 ER), in dessen Rahmen sich der Beklagte auf Anregung des Gerichts dazu bereit erklärte, die einbehaltenen Leistungen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens wieder auszuzahlen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2009 wies der Landrat des Kreises Kleve den Widerspruch zurück. Auch nach nochmaliger Befragung der zuständigen Sachbearbeiter sei nicht ersichtlich, dass der Kläger wegen Leistungen für die Reparatur seines Kfz im Oktober 2008 vorgesprochen habe.

Hiergegen richtet sich die am 13.08.2009 erhobene Klage.

Der Kläger trägt vor, die Kündigung durch den niederländischen Arbeitgeber sei rechtswidrig gewesen, da weder eine Abmahnung erfolgt sei noch eine schriftliche Kündigung vorliege. Er - der Kläger - habe sich unmittelbar nachdem das Fahrzeug nicht mehr funktionsfähig gewesen sei bei seinem Arbeitgeber in den Niederlanden gemeldet. Dort sei ihm dann gesagt worden, dass er zusehen solle, dass er so schnell wie möglich wieder arbeiten komme. Unmittelbar darauf habe er sich sodann bei der Zeugin B. gemeldet. Später habe er sich nochmal bei seinem Arbeitgeber gemeldet. Dort habe man dann wiederum gesagt, dass er so schnell wie möglich wieder arbeiten kommen solle, ansonsten könne man für nichts garantieren. Einen Urlaubsanspruch habe er seiner Einschätzung nach damals noch nicht gehabt. Eine Anreise mit dem öffentlichen Personennahverkehr sei deshalb nicht in Betracht gekommen, da er dann nicht pünktlich zum Schichtbeginn um 6.00 Uhr in Venray hätte erscheinen können. Die Sanktionierung sei im Übrigen deshalb rechtswidrig, da sie nicht unmittelbar im Anschluss an das vermeintliche Fehlverhalten ergangen sei.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide vom 22.01.2009 und 26.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.08.2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die Wirksamkeit der Kündigung, gegen die der Kläger offenbar nicht vorgegangen sei, sei nicht von Belang. Entscheidend sei, dass er Anlass für die arbeitgeberseitige Kündigung gegeben habe. Eine persönliche Vorsprache des Klägers zur Beantragung von Leistungen für die Reparatur seines KfZ sei nicht erfolgt. Die Zeugin B. hätte schon deshalb einen Vermerk hierüber angefertigt, da sie nicht für Eingliederungsleistungen zuständig gewesen sei.

Die Firma Start People inhouse Services hat mehrfach durch Herrn J. schriftlich Stellung genommen. Auf diese Stellungnahmen wird Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin B ... Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 20.07.2010 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Klageverfahrens und die des Eilverfahrens S 5 AS 83/09 ER sowie auf die ebenfalls beigezogene Leistungsakte verwiesen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auszulegende Klage ist unbegründet.

Die ausdrücklich nur als Anfechtungsklage erhobene Klage ist vor dem Hintergrund des klägerischen Begehrens dahingehend auszulegen, dass zugleich eine Leistungsklage erhoben wird. Der Kläger wendet sich gegen eine sanktionsweise Leistungsabsenkung. Dies beinhaltet gleichzeitig das Begehren entsprechend höherer Leistungen. In einem solchen Fall ist eine Anfechtungsklage dann ausreichend, wenn der Sanktionsentscheidung ein Bewilligungbescheid ohne sanktionsweise Leistungsabsenkung vorausgegangen ist. Das war hier aber nicht der Fall. Sowohl mit Bescheid vom 16.12.2008 als auch mit Bescheid vom 22.01.2009 gewährte der Beklagte nur sanktionsweise abgesenkte Leistungen. Die Aufhebung dieser Bescheide beziehungsweise - entsprechend dem klägerischen Antrag - nur des Bescheids vom 22.01.2009 brächte dem Kläger keine höheren Leistungen.

Der Klage fehlt es auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis im Hinblick auf die Monate Februar und März 2009, weil eine sanktionsweise Leistungsabsenkung für diese beiden Monate bereits bestandskräftig mit Bescheid vom 16.12.2008 festgestellt wäre. Es ist vor dem Hintergrund der Einleitung des Bescheids vom 22.01.2009, die auf eine vorherige persönliche Vorsprache des Klägers wegen der nach seiner Ansicht offenbar unzutreffenden Sanktion hindeutet, vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger gegen den Bescheid vom 16.12.2008 Widerspruch eingelegt hat und dass die Beklagte den Bescheid vom 16.12.2008 mit Bescheid vom 22.01.2009 nach § 44 SGB X zurückgenommen hat. Zwar heißt es im Bescheid vom 22.01.2009, dass (lediglich) die Leistungskürzung für den Monat Januar 2009 "aus der Berechnung entnommen" werde. Aus dem Gesamtzusammenhang der Bescheide vom 22. und 26.01.2009, die jeweils aufeinander Bezug nehmen, ist aber zu entnehmen, dass der Beklagte die Leistungen (insbesondere) für die Monate Februar bis April 2009 mit ebendiesen Bescheiden neu regeln wollte.

Der Kläger ist jedoch durch die Bescheide vom 22. und 26.01.2009 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - beschwert, da diese rechtmäßig sind. Denn ihm stehen für die Monate Februar bis April 2009 nicht mehr als die mit den angefochtenen Bescheiden bewilligten Leistungen zu. Insbesondere die Reduzierung der nach §§ 19 ff. SGB II errechneten Leistungen um 105,00 EUR monatlich für die Monate Februar bis April 2009 ist rechtmäßig.

Rechtlicher Maßstab für die Höhe der Leistungen in diesen Monaten sind §§ 19 ff. SGB II einschließlich § 31 SGB II. Anders als in üblichen Sanktionsfällen (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 10.12.2009, B 4 AS 30/09 R, Rdnr. 19) liegt hier keine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X vor. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass mit den Bescheiden vom 22. und 26.01.2009 erstmals die Leistungen für ebendiesen Zeitraum festgesetzt wurden, nachdem die Entscheidung vom 16.12.2008 mit Bescheid vom 22.01.2009 zurückgenommen worden war.

Die Berechnung der Leistungen nach §§ 20, 22 SGB II ist dabei zwischen den Beteiligten nicht im Streit und begegnet auch keinen Bedenken. Der Kläger ist auch nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von SGB II-Leistungen ausgeschlossen. Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik zumindest ein Aufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU hat. Der Beklagte hat die Leistungen sodann für die streitigen Monate zu Recht in Höhe von 105,00 EUR monatlich verringert.

Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II wird das Arbeitslosengeld II um 30 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn die in den dortigen Nrn. 1 oder 2 genannten Voraussetzungen gegeben sind. Gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II gilt Abs. 1 entsprechend bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der die in dem Dritten Buch genannten Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB III ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhält, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt danach u.a. vor, wenn der Arbeitslose durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.

Nach diesen Maßstäben waren hier die Leistungen des Klägers für den Zeitraum Februar bis April 2009 um 30 v.H. der maßgebenden Regelleistung abzusenken.

Gegen die Anwendbarkeit von § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II bestehen keine Bedenken. Ein Arbeitsplatzverlust wegen einer arbeitgeberseitigen Kündigung stellt gerade einen typischen Anwendungsfall von § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II dar (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 68/09 R, Rdnr. 12 f.).

Der Anwendung von § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II im vorliegenden Fall steht auch nicht entgegen, dass der Kläger als niederländischer Staatsbürger ein Beschäftigungsverhältnis in den Niederlanden ausübte. Allerdings hat das BSG in seinen Entscheidungen zu § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II wiederholt erklärt, die Anwendung dieses Sanktionstatbestands setze eine "Beziehung des Hilfebedürftigen zum Rechtskreis des SGB III" voraus (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2009, B 4 AS 30/09 R, Rdnr. 24 f.; Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 68/09 R, Rdnr. 16). Die Kammer lässt dahinstehen, ob der Kläger hier als sogenannter Grenzgänger Anwartschaften im Sinne des SGB III erwerben konnte. Denn auch wenn dies nicht der Fall war, so stünde dies nach Auffassung der Kammer der Anwendung von § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II nicht entgegen. Jedenfalls im Urteil des BSG vom 22.03.2010 (B 4 AS 68/09 R, Rdnr. 16, 17) geht es dem BSG offensichtlich um eine einschränkende Auslegung der Sanktionsnorm für den Fall, dass keine versicherungspflichtige beziehungsweise nur eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt wird. Um eine solche Abgrenzung geht es hier nicht. Das Merkmal der "Beziehung zum Rechtskreis des SGB III" ergibt sich im Übrigen nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Seine Anwendung auch in dem Fall, dass ein Grenzgänger keine Anwartschaft auf SGB III-Leistungen erwirbt, würde eine Lücke in das Sanktionensystem des SGB II reißen. Eine solche Lücke entspricht nach Auffassung der Kammer nicht dem Willen des Gesetzgebers. Nach der Auslegung des BSG sind arbeitgeberseitige Kündigungen gerade durch § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II erfasst (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 68/09 R, Rdnr. 12 f.). Geschützt werden soll hier nicht die Versichertengemeinschaft im Sinne des SGB III, sondern die Solidargemeinschaft, die bei vorwerfbarem – also steuerbarem – Veranlassen einer arbeitgeberseitigen Kündigung durch die entstehende Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II unnötig belastet wird (a.A. wohl BSG, Urteil vom 10.12.2009, B 4 AS 30/09 R, Rdnr. 24; Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 68/09 R, Rdnr. 16). Dies entspricht dem Grundgedanken der übrigen Tatbestände in § 31 Abs. 4 SGB II, der in den Nrn. 1 und 2 besonders deutlich zum Ausdruck kommt. Auch vor dem Hintergrund des in § 2 SGB II kodifizierten Grundsatz des Forderns macht es dabei keinen Unterschied, ob jemand seine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II durch ein vorwerfbares Veranlassen einer arbeitgeberseitigen Kündigung im Ausland oder im Inland verursacht. Demnach sind § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II i.V.m. § 144 SGB III im Fall einer arbeitgeberseitigen Kündigung eines Beschäftigungsverhältnisses im Ausland wortlautgetreu anzuwenden beziehungsweise ist das vom BSG aufgestellte Erfordernis der Beziehung zum Rechtskreis des SGB III einschränkend auszulegen.

Die Voraussetzungen von § 144 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB III sind erfüllt. Der Kläger hat sich versicherungswidrig verhalten, indem er durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.

Der Kläger ist unstreitig im Monat Oktober 2008 über einen längeren Zeitraum - vermutlich 14 Tage - nicht zur Arbeit erschienen. Er begründet dies damit, dass sein Fahrzeug defekt gewesen sei und die bei einem Bekannten in Auftrag gegebene Reparatur derart lange gedauert habe. Nach arbeitsrechtichen Grundsätzen trägt der Arbeitnehmer allein die Verantwortung dafür, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Selbst wenn die Pflicht zum Erscheinen am Arbeitsplatz aufgrund der vom Kläger vorgetragenen telefonischen Absprachen mit dem niederländischen Arbeitgeber vorübergehend suspendiert gewesen sein sollte, so galt dies bereits nach seinem eigenen Vortrag nicht dauerhaft. Er hat geschildert, dass man ihm beim zweiten Anruf gesagt habe, dass er nunmehr umgehend erscheinen solle und andernfalls Konsequenzen drohten. Das Nichterscheinen zum Arbeitsplatz über einen Zeitraum von 14 Tagen stellt auch ohne Weiteres einen schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Verstoß dar. Da der Kläger selber vorträgt, dass ihm anlässlich des mutmaßlichen zweiten Telefonates gesagt worden sei, dass er nunmehr umgehend erscheinen solle, dürfte ihm sogar ein vorsätzliches (dolus eventualis), jedenfalls aber grob fahrlässiges Herbeiführen der Arbeitslosigkeit vorzuwerfen sein.

Dabei kann dahinstehen, ob die vom Kläger selbst vorgetragene arbeitgeberseitige Kündigung formwirksam war. Denn eine solche Formwirksamkeit ist nicht erforderlich (vgl. Winkler, in: Gagel, SGB III, Stand: Juli 2009, § 144 Rdnr. 64). Zwar ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Weiteren - grundsätzlich - eine Abmahnung (vgl. Winkler, a.a.O., Rdnr. 66). Zum einen aber sind bereits die vom Kläger geschilderten Erklärungen des Arbeitgebers in dem mutmaßlichen zweiten Telefonat als Abmahnung anzusehen. Denn dem Kläger wurde dort nach seinem eigenen Vortrag mitgeteilt, dass das Nichterscheinen nicht länger hingenommen werde. Zum anderen arbeitete der Kläger laut den schriftlichen Angaben des Herrn Janssen von Start People inhouse Services unter Geltung niederländischen Arbeitsrechts zu "Zeitarbeit-Bedingungen". Da er weniger als 12 Wochen beschäftigt gewesen sei, habe keine Kündigungsfrist bestanden und auch eine vorherige Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen. Die Kammer hat keinen Anlass an diesen Angaben zu zweifeln.

Der Annahme der grob fahrlässigen Herbeiführung der Arbeitslosigkeit - und auch der Verneinung eines wichtigen Grundes im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III - steht auch nicht der Vortrag des Klägers entgegen, er habe seinen Wagen nicht früher reparieren lassen können.

Zunächst ist nicht ersichtlich, warum der Kläger das Fahrzeug nicht in einer Vertrags- oder zumindest in einer freien Werkstatt hat reparieren lassen. Die Reparatur einer Zylinderkopfdichtung ist nach Kenntnis der Kammer innerhalb weniger Tage möglich. Zwar mögen dadurch höhere Kosten anfallen als die vom Kläger vorgetragenen. Immerhin hat er ausgeführt, er habe seinem Bekannten lediglich 100,00 EUR an Material und weitere 100,00 EUR für den Arbeitsaufwand gezahlt. Nach Recherchen der Kammer kostet eine Reparatur jedenfalls in einer freien Werkstatt dagegen 300,00 - 350,00 EUR. Es ist jedoch bereits nicht ersichtlich, warum der Kläger in einer für ihn so wichtigen Sache zwar 200,00 EUR, nicht aber 300,00 – 350,00 EUR aufbringen konnte. Der Kläger hätte mehrere Möglichkeiten gehabt, diese Mehrkosten zu decken. Denkbar wäre hier die Beantragung eines Vorschusses beim Arbeitgeber, eine Stundungsvereinbarung mit der betroffenen Werkstatt (ggf. abgesichert durch die Abtretung von Lohnansprüchen) oder die Beantragung entsprechender, zumindest darlehensweiser Leistungen bei dem Beklagten gewesen.

Wenn der Kläger vorträgt, er habe genau letzteres - allerdings vergeblich - getan, so hält die Kammer seinen Vortrag insofern nicht für glaubhaft. Die Zeugin Beer hat zur Überzeugung der Kammer nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass sie sich an eine entsprechende Vorsprache des Klägers oder an einen entsprechenden Anruf nicht erinnern könne. Sie hat weiter nachvollziehbar ausgeführt, dass sie in solchen Fällen immer einen Vermerk anfertige. Dies ist insbesondere deshalb nachvollziehbar, da die Zeugin B. nicht für die Entscheidung über Anträge auf Eingliederungsleistungen zuständig war. Ein solcher Vermerk ist in den Akten des Beklagten aber nicht vorhanden. Die Zeugin hat ihre Erklärung, sie fertige im Fall vergleichbarer Anträge immer einen Vermerk an, nur für den Fall relativiert, dass ein Hilfebedürftiger ihr sage, er werde den Antrag demnächst schriftlich stellen. Der Kläger behauptet jedoch nicht, dass er etwas derartiges gesagt habe. Angesichts der wiederholten Gewährung von Mobilitäts- und weiteren Leistungen im Zusammenhang mit dem hier streitigen Arbeitsverhältnis, die auch für die hierfür nicht zuständige Zeugin B. aus der Akte ersichtlich war, wäre es zudem unabhängig von deren fehlender Zuständigkeit umso überraschender, wenn sie weitere Leistungen rundheraus abgelehnt hätte. Gleichzeitig zweifelt die Kammer an der Glaubhaftigkeit des Vortrags des Klägers, er habe einen Antrag gestellt. Denn noch in seinem Widerspruch vom 29.01.2009 hatte er ausdrücklich erklärt, dass er wegen eines Darlehens bei der Zeugin B. persönlich vorgesprochen habe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung behauptete er dagegen, er habe sich telefonisch bei der Zeugin gemeldet.

Neben einer zeitnahen Reparatur in einer Werkstatt hätten dem Kläger noch diverse andere Möglichkeiten zur Verfügung gestanden, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, beispielsweise die Bildung einer Fahrgemeinschaft mit anderen Arbeitskollegen aus der Region. Ausweislich eines Vermerks des Beklagten über ein Telefongespräch mit einer Mitarbeiterin des niederländischen Arbeitgebers kamen einige der Mitarbeiter aus der Gegend, in der der Kläger wohnte. Allerdings hat der Kläger dem entgegengehalten, er habe sich durchaus bei der Beklagten gemeldet und sich - vergeblich - nach Mitfahrgelegenheiten erkundigt. Ob der Kläger tatsächlich einen entsprechenden Anruf bei seinem niederländischen Arbeitgeber getätigt hat, braucht jedoch nicht weiter aufgeklärt zu werden. Neben der bereits angeführten Möglichkeit einer Reparatur in einer Werkstatt hätte der Kläger ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Fahrpläne mit dem öffentlichen Personennahverkehr in zumutbarer Zeit (gute eineinhalb Stunden) zur Arbeit kommen können. Wenn der Kläger dem entgegenhält, die vom Beklagten vorgelegte frühestmögliche Verbindung hätte ihm eine Ankunft beim Arbeitgeber erst gegen 7.00 Uhr morgens erlaubt, während seine Schicht bereits um 6.00 Uhr angefangen habe, so ist zum einen weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger versucht hätte, einen entsprechend späteren Arbeitsbeginn mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren. Zum anderen ist zu bedenken, dass der Arbeitgeber immerhin fast ein zweiwöchiges Nichterscheinen hingenommen hat.

Es bestehen im Übrigen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers, die durch diverse Unstimmigkeiten begründet werden. Dies ist zunächst der bereits erwähnte Widerspruch hinsichtlich der Form seines vermeintlichen Antrags auf darlehensweise Leistungen. Dann sprach der Kläger anlässlich des Termins zur mündlichen Verhandlung wiederholt von einem Defekt an der Wasserpumpe seines Kfz, während schriftsätzlich immer von einem Problem mit der Zylinderkopfdichtung gesprochen wurde. Im Termin zur mündlichen Verhandlung bestritt der Kläger des Weiteren ausdrücklich, eine Vertragsbestätigung vom 12.09.2008 zu kennen. Diese findet sich jedoch in der Leistungsakte des Beklagten mit Eingangsstempel vom 29.09.2008, einem Tag, an dem der Kläger persönlich bei der Beklagten wegen der Beantragung von Eingliederungsleistungen vorgesprochen hatte. Dann gab der Kläger anlässlich der erstmaligen Beantragung einer Mobilitätsbeihilfe am 03.09.2008 die Entfernung von Issum nach Venray unzutreffend mit 110 km statt 69 km an. Schließlich hat die Firma Start People inhouse Services erklärt, der Kläger sei Mitte September 2009 für einige Tage krank und in dieser Zeit nicht erreichbar gewesen. Auch dies hat der Kläger bestritten.

Nach dem Gesamteindruck der Kammer hat der Kläger sich jedenfalls nicht ernsthaft um die Fortführung seines Arbeitsverhältnisses bemüht. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass er wie bereits 2004/2005 kein ernsthaftes Interesse an der Fortführung seines Arbeitsverhältnisses mehr zeigte, nachdem die für ihn einfachste Transportmöglichkeit zumindest vorübergehend weggefallen war.

Der Sanktionsbescheid entspricht im Übrigen § 31 Abs. 1 und Abs. 6 SGB II. Mit einer Absenkung um 105,00 EUR monatlich bleibt der Absenkungsbetrag sogar leicht hinter dem gesetzlich vorgesehenen Anteil von 30 v.H. zurück (vgl. zu der erst am Ende der Leistungsberechnung erfolgenden Rundung Eicher, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 41 Rdnr. 17). Da der unter dem 26.01.2009 erstellte Sanktionsbescheid nicht nur am 29.01.2009 abgesandt, sondern nach einem entsprechenden Protokoll auch an ebendiesem Tag gemäß § 5 Verwaltungszustellungsgesetz NW zugestellt wurde, erfolgte die Sanktion zutreffend für die Monate Februar bis April 2009.

Der Rechtmäßigkeit der Sanktion steht auch nicht entgegen, dass der Sanktionsbescheid "erst" am 26.01.2009 erstellt wurde. Soweit vertreten wird, es müsse ein enger "zeitlicher Zusammenhang" zwischen Pflichtverstoß und Bekanntgabe der Sanktionsentscheidung bestehen (vgl. hierzu etwa Rixen, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 31 Rdnr. 60 m.w.N.), so hält die Kammer jedenfalls den hier vorliegenden Abstand von gut drei Monaten (ausschlaggebendes Fehlen des Klägers vermutlich Ende Oktober 2008) für unproblematisch. Eine gesetzliche Grundlage für die vertretene einschränkende Auslegung ist im Übrigen nicht ersichtlich. Soweit gesetzliche Anknüfungspunkte mit § 88 Abs. 1 SGG oder § 41 Satz 4 SGB II in Betracht kommen, wären entsprechende "Fristen" hier ohne Weiteres gewahrt. Zu bedenken ist schließlich, dass die Beklagte bereits im Dezember 2008 dem Kläger mit dem dann im Januar zurückgenommenen Bescheid vom 16.12.2008 zu verstehen gab, dass sein Verhalten sanktioniert werde.

Es bestehen auch keine Zweifel an der Bestimmtheit des Sanktionsbescheids. Aufgrund der wechselseitigen Bezugnahme in den Bescheiden vom 22. und 26.01.2009 stellen diese eine einheitliche Regelung dar. Auch unter Einbeziehung des Bescheids vom 16.12.2008 ergeben sich keine Unklarheiten. Denn aus den Bescheiden geht sowohl einzeln auch in der Zusammenschau eindeutig hervor, dass die Leistungen für Februar bis April 2009 um monatlich 105,00 EUR abgesenkt werden. Die Bescheide legen nicht nahe, dass etwa von einer doppelten Sanktionierung auszugehen wäre. Es bestehen auch keine Unklarheiten über den Absenkungszeitraum. Im Bescheid vom 22.01.2009 wird vielmehr ausdrücklich klargestellt, dass die ursprünglich ab Januar vorgesehene Leistungskürzung für den Monat Januar zurückgenommen wird. Wegen der Monate ab Februar wird sodann auf den Bescheid vom 26.01.2009 verwiesen. Aus dem Bewilligungsbescheid vom 22.01.2009 bzw. dessen Anhang ist dann nochmals genau zu ersehen, welche Leistungen gewährt werden. Den vom BSG in seinem Urteil vom 17.12.2009 (B 4 AS 20/09 R, Rdnr. 16 f.) "relativierten" (Gebhardt, in: jurisPR-SozR 15/2010, Anm. 1) Bestimmtheitsanforderungen ist damit Genüge getan.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die nicht bereits nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässige Berufung wurde wegen Abweichung von den genannten Urteilen des BSG zum Anwendungbereich von § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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