L 6 AS 1097/10 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 43 AS 1195/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 1097/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.05.2010 geändert.
Dem Kläger wird für das Eilverfahren ab 23.03.2010 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S in E bewilligt.

Gründe:

I.
Zwischen den Beteiligten war die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zur Ausübung des Umgangsrechts des Antragstellers (ASt) mit seinen drei minderjährigen Töchtern in den Osterferien (29.03.2010 bis 05.04.2010) streitig.

Der 1977 geborene ASt, der von der Antragsgegnerin (AG) laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht, beantragte am 08.03.2010 wie auch des öfteren zuvor in einem mit dem Amt für soziale Sicherung der Stadt Düsseldorf abgestimmten Verfahren dort die Übernahme von Kosten für das Abholen und Zurückbringen seiner 1999, 2001 und 2003 geborenen Töchter. Diese wohnen bei der in Schleswig-Holstein lebenden Mutter. Der Antrag wurde am selben Tag mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit der AG abgelehnt. Unter Vorlage des Ablehnungsbescheides wandte sich der ASt am 12.03.2010 mit seinem Begehren nunmehr an die AG. Wegen der bevorstehenden Ferienzeit setzte er eine Frist zur Entscheidung bis zum 18.03.2010.

Am 23.03.2010 hat er bei dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt und zugleich die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der AG am 26.03.2010 erhielt er dort einen Vorschuss für Fahrtkosten in Höhe von 160 Euro. Auf seinen Antrag bewilligte die AG für die Zeit des Aufenthalts der drei Töchter Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe einer sog. temporären Bedarfsgemeinschaft. Daraufhin hat der ASt. am 12.04.2010 das Eilverfahren für erledigt erklärt. Im Vergleichswege hat die AG die Hälfte der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des ASt übernommen.

Das SG hat den Antrag auf Gewährung von PKH mit Beschluss vom 18.05.2010 abgelehnt: Das Eilverfahren habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten, da es an jeglicher Glaubhaftmachung der Voraussetzungen sowohl des Anordnungsanspruchs als auch des -grundes gefehlt habe. Eine solche sei jedoch im Hinblick auf die vom ASt selbst zu vertretende Dringlichkeit um so mehr erforderlich gewesen, als aufgrund seines bloßen Vortrags nicht entscheidbar gewesen sei, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Hinblick auf das angestrebte Umgangsrecht erfüllt gewesen seien. Insbesondere sei nicht deutlich gewesen, ob die Kinder nicht in der Lage gewesen seien, die Reisekosten selbst aufzubringen.

Gegen diesen ihm am 20.05.2010 zugestellten Beschluss hat der ASt am Montag, dem 21.06.2010, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, für die Erfolgsaussichten hätten die von ihm im März 2010 eingereichten Unterlagen gesprochen. Zudem sei ihm nicht verständlich, inwiefern die Kinder für die Ausübung seines Umgangsrechts aufzukommen hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten beigezogenen Leistungsakten Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der Beratung.

II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Dem ASt, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Rechtsverfolgung auch nicht teilweise aufbringen konnte und kann, stand für das Eilverfahren PKH zu, da das Eilverfahren hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig erschien (§ 73 a Abs.1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 115 Zivilprozessordnung (ZPO)). Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage ist nicht der Zeitpunkt der Entscheidung über den PKH-Antrag, sondern grundsätzlich derjenige der Bewilligungsreife (Senatsbeschluss vom 04.03.2010, L 6 B 158/09 AS), die regelmäßig mit dem Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (hier am 23.03.2010) gegeben ist. Zu diesem Zeitpunkt hätte der ASt nach der hier im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung mit seinem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes voraussichtlich Erfolg gehabt.

Nach der Überzeugung des Senats hat der ASt nicht, wie vom SG moniert, die Dringlichkeit des Antrags zu vertreten. Deshalb kann offen bleiben, ob eine selbst verschuldete Eilbedürftigkeit im konkreten Fall die vom SG intendierten Auswirkungen auf den Anordnungsgrund hat. Denn aus den Gerichts- und Beiakten ergibt sich, dass der ASt mit einem noch größerem zeitlichen Vorlauf als im Vorjahr an das Amt für soziale Sicherung der Stadt Düsseldorf herangetreten war, um die Übernahme der Fahrkosten zu beantragen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Aussage des ASt gegenüber diesem Amt unzutreffend ist, er habe die "Selbstverpflichtung", die Jahresurlaubsplanung bereits im Januar vorzulegen, deshalb nicht einhalten können, weil seine Frau die notwendigen Planung nicht abgeschlossen habe. Der weitere Ablauf des Verfahrens nach Erhalt des Ablehnungsbescheids vom 08.03.2010 weist keine dem ASt zurechenbare Verzögerungen auf.

Der vom ASt. geltend gemachte Bedarf ist im Sinne der bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a., juris), und anschließend diskutierten Anspruchsgrundlagen für die Übernahme der Aufwendungen zur Ausübung des Umgangsrechts erkennbar gegeben gewesen. Es bestand eine atypische Bedarfslage, die einen unabweisbaren Bedarf bedingte. Sie wird entscheidend durch die besondere Schwierigkeit geprägt, den Umgang der Kinder auch mit dem nicht an deren Wohnort lebenden Elternteil aufrecht zu erhalten, dessen Wohnort weit entfernt liegt. Entgegen der anscheinend vom Sozialgericht vertretenen Auffassung, ist es unerheblich, wem die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts unterhaltsrechtlich zuzuordnen sind (vgl. bereits BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, juris; dazu noch BGH, Urteil vom 09.11.1994 - XII ZR 206/93 -, NJW 1995, 717; vgl auch Berlit in LPK-SGB XII, 7. Aufl 2005, § 73 RdNr 6). Es ist glaubhaft, dass die geltend gemachten Kosten in dieser Höhe notwendig waren, um die Kinder abzuholen. Kindern in diesem Alter wird (noch) nicht zugemutet, derart weite Strecken wie hier unbegleitet und eigenständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Die Fahrtkosten liegen in einem noch angemessenen Bereich.

Da der Ast. die Kosten der Prozessführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen konnte, stand ihm ratenfreie PKH zu.

Die Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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