L 5 AS 55/07

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 53 AS 1035/05
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AS 55/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts vom 5. September 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Kostengewährung von bei Auszug des Klägers durchgeführter Wohnungsrenovierung.

Der 1975 geborene alleinstehende Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Beklagten. Zuvor erhielt er vom Sozialamt Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Wegen einer schweren psychischen Erkrankung (schizophrene Psychose) lässt er sich in Behörden-, Gesundheits- und Wohnungsangelegenheiten von seiner Mutter, Frau H. N., vertreten. Bis August 2004 bestand eine gerichtlich angeordnete Fremdbetreuung, die im Hinblick auf die Bevollmächtigung der Mutter aufgehoben wurde. Vom Sozialamt wurden zeitweise auch pädagogisch-psychologische Maßnahmen (PPM) gewährt.

Der Kläger bewohnte zu Beginn des Leistungsbezugs nach dem SGB II eine etwa 22 m² große Einzimmerwohnung im S.-Damm, Hamburg, mit Küche und WC, die laut Mietvertrag zum 1. Juni 1996 von seiner Mutter angemietet worden war. Der formularmäßige Mietvertrag enthält in § 17 Abs. 2 eine Regelung, wonach der Mieter verpflichtet ist, während der Mietzeit die erforderlichen Schönheitsreparaturen innerhalb der Wohnung durchzuführen. Üblicherweise seien Schönheitsreparaturen in den Mieträumen in folgenden Zeitabständen erforderlich: in Küchen, Bädern und Duschen alle 3 Jahre, in Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten alle 5 Jahre, in anderen Nebenräumen alle 7 Jahre. Die Mieträume seien zum Ende des Mietverhältnisses in dem Zustand zurückzugeben, der bestehen würde, wenn der Mieter die ihm danach obliegenden Schönheitsreparaturen durchgeführt hätte. Vermieterin war die Grundstücksverwaltungsgesellschaft W. GmbH & Co. KG (W.). Laut Leistungsbescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2004 wurde die Miete direkt an die W. gezahlt, ebenso wie die Strom- und die Heizungskosten an die jeweiligen Versorgungsunternehmen. Zum 1. Februar 2005 zog der Kläger in seine jetzige Wohnung um.

Bereits mit Schreiben vom 19. Dezember 2004 an das damals noch zuständige Sozialamt hatte die Klägervertreterin für diesen u.a. die Übernahme der Kosten für die bei Auszug laut Vorabnahmeprotokoll vorzunehmende Renovierung der Wohnung im S.-Damm unter Hinweis darauf beantragt, dass der Kläger krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, die erforderlichen Arbeiten selbst durchzuführen. Auch sie selbst könne dies nicht. Wegen des Zuständigkeitswechsels wurde der entsprechende Antrag am 5. Januar und 2. Februar 2005 ebenfalls an die Beklagte gerichtet. Dabei wies die Mutter des Klägers darauf hin, dass die Wohnung 8 Jahre lang nicht renoviert worden sei und dass die nunmehr anstehenden, im vorgelegten Vorabnahmeprotokoll im Einzelnen bezeichneten Arbeiten nach Angaben von mehreren Fachbetrieben, von denen Kostenvoranschläge über 1.410,00 EUR bis zu 3.712,00 EUR vorgelegt wurden, u.a. wegen aufwendiger Vorarbeiten und poröser Untergründe von Handwerkern ausgeführt werden müssten und etwa eine Woche in Anspruch nehmen würden.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Februar 2005 mit der Begründung ab, dass die Renovierung vom Unternehmen M. e. V. zum Preis von etwa 400,00 EUR durchgeführt werden würde und diese Kosten mit Hilfe der auszukehrenden Mietkaution vom Kläger getragen werden könnten.

Der Kläger trug mit dem dagegen eingelegten Widerspruch vor, dass die hinterlegte Kaution in Höhe von 800,00 DM nicht zur Verfügung stehe, weil sie ihm nur geliehen worden sei. Im Übrigen würde das Unternehmen M. e.V. laut beigefügtem Schreiben 800,00 EUR verlangen.

Die Beklagte wies den Widerspruch - nach Erhebung einer Untätigkeitsklage (S 53 AS 848/05) - mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2005, abgesandt am 5. September 2005, zurück. Kosten einer Auszugsrenovierung könnten bei Übertragung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum früheren BSHG allenfalls als Kosten der Unterkunft nach § 19 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 SGB II übernommen werden. Dies setze jedoch eine vertragliche Verpflichtung des Hilfebedürftigen voraus, woran es vorliegend fehle. Nach Ermittlungen der Beklagten bei der W. (Telefonvermerk vom 2. September 2005) habe keine mietvertragliche Beziehung zwischen der W. und dem Kläger, sondern allein zu der Mutter des Klägers bestanden. Letztere habe lediglich irgendwann mitgeteilt, der Kläger sei bei ihr eingezogen, und "wohl auch" später, sie habe ihm nunmehr die Wohnung zur Nutzung überlassen. Dies sei stillschweigend von der W. geduldet worden, habe aber nicht zu einer Übertragung von Rechten und Pflichten aus dem Mietvertrag geführt.

Mit der hiergegen am 12. September 2005 erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren die Übernahme der Kosten für die vor der beanstandungsfreien Wohnungsübergabe am 30. Mai 2005 von dem Unternehmen M. e.V. zum Preis von 800,00 EUR durchgeführten Renovierung weiter. Die ebenfalls im Vorabnahmeprotokoll geforderten Reinigungs- und Bodenentfernungsarbeiten seien in Eigenregie, die Bezahlung mit von der Schwester seiner Mutter geliehenem Geld erfolgt. Er habe einen Anspruch gegen die Beklagte, weil er Verpflichteter aus dem Mietverhältnis gewesen sei. Die Wohnung sei 1996 von seiner Mutter für ihn angemietet worden, damit er von da aus einen kürzeren Weg zur von ihm besuchten Gesamtschule S1 habe. Das Elternhaus habe sich damals in E. befunden. Er habe die Wohnung von Anfang an allein genutzt. Dementsprechend habe das Sozialamt die diesbezüglichen Kosten stets als seine Kosten berücksichtigt, ihn mithin als Mieter "akzeptiert".

Das Sozialgericht hat der Klage durch Urteil vom 5. September 2007 stattgegeben und die Beklagte zur Erstattung von 800,- EUR Renovierungskosten an den Kläger verpflichtet. Im Wesentlichen hat es die Renovierungskosten als nicht von der Regelleistung des § 20 SGB II erfasst, sondern als Teil der Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angesehen. Danach sei die Auszugsrenovierung als Teil der Unterkunftskosten dann zu gewähren, wenn der Kläger zur Renovierung mietvertraglich verpflichtet sei und die Renovierungsarbeiten vom Kläger nicht selbst vorgenommen werden konnten, was hier beides der Fall gewesen sei. Schließlich seien die Kosten auch nicht in Selbsthilfe aufgewandt, sondern mit geliehenem Geld bezahlt worden.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Rechtsauffassung, wonach der Kläger Anspruch auf die Gewährung der Kosten für die Auszugsrenovierung habe, teile sie nicht. Außerdem sei nicht nachgewiesen worden, dass 800,- EUR ausschließlich für die Auszugsrenovierung aufgewandt worden seien, die Kosten aus geliehenen Mitteln bestritten worden seien und dass die Renovierung nicht aus der zurück- gezahlten Kaution hätte gezahlt werden können, bei der die Beklagte wiederum nicht als nachgewiesen sehe, dass die Mittel hierfür geliehen gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts vom 5. September 2007 die Klage zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt Bezug auf das Urteil des Sozialgerichts und wiederholt seinen Vortrag vor der ersten Instanz. Weiter legt er Kontoauszüge vor, aus denen sich die Begleichung der Rechnung der Fa. M. in Höhe von 800,- EUR in drei Raten ergibt. Die Mittel für die Kaution habe der Kläger von seiner Tante (der Schwester der Mutter) geliehen erhalten. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Zeugin noch richtig gestellt, dass die Mittel für die Renovierungskosten durch ihren Ehemann zur Verfügung gestellt worden seien. Das sei vom Sozialgericht falsch verstanden worden. Ihr Ehemann sei damals eingesprungen; er habe ihrem Sohn das Geld für die Begleichung der Rechnung der Fa. M. geliehen. Ob ihr Ehemann das Geld von ihr zurückverlange – ihr Sohn könne es natürlich nicht zahlen -, wenn man das Geld vom Staat nicht bekomme, wisse sie nicht. Sie und ihr Ehemann lebten in Gütergemeinschaft und einen schriftlichen Darlehensvertrag gäbe es nicht.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht am 20. April 2010, sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der Leistungsakte der Beklagten sowie der Prozessakte im Verfahren des Sozialgerichts zu dem Aktenzeichen S 53 AS 1035/05 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung, über die die Berichterstatterin mit Einverständnis der Beteiligten an Stelle des Senats nach § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Absatz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheiden kann, ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist auch begründet, denn die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger die Kosten der Auszugsrenovierung zu gewähren. Dem zwar grundsätzlich gegebenen Anspruch auf Kostenerstattung einer - unvermeidbaren - Auszugsrenovierung steht hier die anspruchsschädliche Selbsthilfe des Klägers entgegen. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, die fraglichen Kosten im Wege eines ihm gewährten rückzahlbaren Darlehens aufgebracht zu haben. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Übernahme der für die Auszugsrenovierung der Wohnung im S.-Damm, Hamburg, entstandenen Kosten in Höhe von 800,00 EUR.

1. Ob ein Anspruch aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf Gewährung der Kosten für eine Auszugsrenovierung besteht, kann hier dahinstehen. Zwar sprechen die überwiegenden Argumente für eine solche Auslegung der Norm. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Hierzu dürften auch die – unvermeidbaren – Kosten einer Auszugsrenovierung gehören, soweit der Hilfeempfänger hierzu vertraglich verpflichtet ist, bzw. das Nichtbestehen dieser Pflicht mangels juristischer Sachkenntnis nicht ohne Weiteres erkennen kann, sich insoweit einer "sozialen Wirksamkeit" der Forderung des Vermieters ausgesetzt sehen durfte.

1.1. Das Gericht hat nach den vorbereitenden Schriftsätzen und dem Inhalt der mündlichen Verhandlung keinen Zweifel mehr daran, dass die fraglichen Renovierungskosten als solche entstanden und von dem Kläger bzw. seiner Mutter an die Fa. M. beglichen worden sind. Die Mutter des Klägers hat hierzu anschaulich und glaubwürdig berichtet, dass ihr an Drogensucht erkrankter Sohn zu einer Wohnungsrenovierung in Eigenarbeit weder physisch noch psychisch in der Lage war und man sich gezwungen sah, sich der Hilfe eines professionellen Unternehmens zur Renovierung der Wohnung zu bedienen. Sie hat dem Gericht auch die Kontoauszüge, aus denen sich die Begleichung der fraglichen Rechnung an die Fa. M. in drei Raten ergibt, in Kopie eingereicht. Auch die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hieran keinen Zweifel mehr erkennen lassen.

1.2. Weiter spricht auch viel dafür, dass die Kosten der Auszugsrenovierung von den zu gewährenden Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfasst sind und nicht aus dem Regelsatz zu bestreiten sind. Kosten der Auszugsrenovierung sind der Sache nach die im Laufe der Mietzeit aufgestauten Kosten für laufende Schönheitsreparaturen, zu denen der Mieter auf Grundlage mietvertraglicher Vereinbarungen gesetzlich verankert in § 535 BGB verpflichtet ist. Die in den Regelsatz eingeflossene Position der Instandhaltung und Reparatur der Wohnung (vgl. u.a. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 20 Rn. 24) ist nicht gleichzusetzen mit den Schönheitsreparaturen der Wohnung, die nach den mietvertraglichen Regularien in bestimmten Zeitabständen und nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abhängig von der individuellen Abnutzung der Wohnung anfallen. Letztere sind schon wegen der geringen Höhe (rund 5,- EUR monatlich) der für Instandhaltungskosten in der Regelleistung enthaltenen Beträge nicht geeignet, abgegolten zu sein (in diesem Sinne vgl. auch BSG, Urteil vom 19.3.2008, B 11b AS 31/06 R und Urteil vom 16.12.2008, B 4 AS 49/07 R; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.9.2006, L 9 AS 409/06 ER, in juris). Es spricht daher viel für eine Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Gewährung der vertraglich geschuldeten Kosten für Schönheitsreparaturen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Folgt man dieser Beurteilung, gehören die Aufwendungen der Auszugsrenovierung zu den nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II erstattungsfähigen Kosten, da sie als zum Ende des Mietverhältnisses kulminierte Schönheitsreparaturverpflichtung bei Auszug vom Kläger zu erbringen sind und nicht durch entsprechende Vorsorge aus der Regelleistung anzusparen sind.

1.3. Es dürften auch keine Zweifel daran bestehen, dass der Kläger zu den fraglichen Renovierungsaufwendungen im hier notwendigen Sinne vertraglich verpflichtet war. Ihn dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach die mietvertragliche Pflicht zur Renovierung von Küche, Bad, Wohn-, Schlafraum und Flur getroffen haben. Diese ergibt sich aus § 17 Abs. 2 Satz 5 des fraglichen Mietvertrags zwischen der Mutter des Klägers und dem Vermieter vom 1.6.1996 über die fragliche Wohnung im S.-Damm, wonach der Mieter verpflichtet ist, die Mieträume zum Ende des Mietverhältnisses in dem Zustand zurückzugeben, die bestehen würden, wenn der Mieter die von ihm in Satz 4 der Regelung üblicherweise vorgesehenen Schönheitsreparaturen durchgeführt hätte. Diese Klausel dürfte auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit der Überwälzung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter (vgl. BGH 23. Juni 2004 - VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586; 22. September 2004, VIII ZR 360/03, NJW 2004, 3775; 13. Juli 2005, VIII ZR 351/04, NJW 2005, 3416; 5. April 2006, VIII ZR 178/05, NJW 2006, 1728) wirksam gewesen sein, da sie keinen starren Fristenplan für diese Arbeiten vorsieht.

Zwar hat sich die Rechtsprechung zur Erbringung von Schönheitsreparaturen in den vergangenen Jahren erheblich entwickelt und Auswirkungen auf das ob und wie der mietvertraglich geschuldeten Verpflichtungen des Mieters gehabt. Die formularmäßig aufgeführte Pflicht in vielen Mietverträgen zur Renovierung von bestimmten Räumen in zuvor schematisch festgelegten zeitlichen Intervallen, wurde, maßgeblich beginnend im Jahre 2004, zuerst vom BGH und in der Folge von den Zivilgerichten für unwirksam erklärt. Die Rechtsprechung dazu ist jedoch diffizil, hoch ausdifferenziert und hat zu jeder der in der Praxis vielfältig anzutreffenden mietvertraglichen Klauseln eigene Wirksamkeitsfolgen ausgeurteilt. Letztlich kann es aber offen bleiben, ob der Kläger zivilrechtlich wirksam dazu verpflichtet war, die fragliche Auszugsrenovierung durchzuführen. Denn selbst, wenn dies letztlich nicht der Fall gewesen wäre, träfe den Kläger in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht die Pflicht, sich aufgrund der im SGB II verankerten Kostenreduzierungspflicht gegen die Forderung des Vermieters (zivilrechtlich) zur Wehr zu setzen.

Denn die Pflicht des Leistungsempfängers zur Reduzierung der den SGB II Träger treffenden Kosten kann nur in dem Umfang bestehen, wie dieser zur Kostenreduzierung nach seinen Fähigkeiten und Vorkenntnissen auch in der Lage ist. Vorliegend heißt das, dass der Leistungsträger, soweit er die Rechtsauffassung vertritt, dass den Leistungsempfänger bestimmte mietvertragliche Pflichten nicht treffen, denselben auch in die Lage versetzen muss, seine Rechte gegenüber dem Vermieter durchzusetzen (vgl. zu einer ähnlichen Fallkonstellation BSG, Urteil vom 22.9.2009, B 4 AS 8/09 R in juris). In diesem Fall führt dies dazu, dass nicht entscheidend sein dürfte, ob und zu welcher Schönheitsreparatur der Kläger letztlich mietvertraglich wirksam verpflichtet war, sondern, ob er sich ernsthaft der nachhaltigen Forderung des Vermieters zur Durchführung einer Auszugsrenovierung ausgesetzt sah (in diesem Sinne auch LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27.5.2010, L 8 AS 71/08 welches von einer "sozialen Wirksamkeit" der Forderung spricht, in juris).

Dass dies vorliegend der Fall war, dürfte unstreitig feststehen. Dies umso mehr als der hier zugrunde liegende Sachverhalt sich im Jahre 2004/2005 abgespielt hat, zu einer Zeit also, als sich die fragliche Entwicklung in der Mietrechtsprechung gerade neu abzuzeichnen begann und im Bewusstsein der Bevölkerung noch keine trennscharfen Konturen gewonnen hatte.

1.4. Zweifel dürfte auch nicht in der Notwendigkeit der vom Vermieter geforderten Auszugsrenovierung bestehen. Unbestritten hat der Kläger acht Jahre in der Wohnung gelebt und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger über die gesamte Mietdauer von acht Jahren krankheitsbedingt keine Renovierung vorgenommen hat, der Renovierungsbedarf im Vorabnahmeprotokoll festgehalten und von Fachunternehmen zwecks Erstellung von Kostenvoranschlägen bestätigt worden ist, bestehen keine Zweifel daran, dass eine Renovierung der Wohnung zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands erforderlich war.

1.5. Die Durchführung der Renovierungsarbeiten durch eine Fremdfirma dürfte auch erforderlich gewesen sein. Zwar ist der Kläger grundsätzlich nach dem im SGB II verankerten Selbsthilfegrundsatz beziehungsweise der Subsidiarität der Leistungen des SGB II verpflichtet, die Renovierung selbst beziehungsweise gegebenenfalls mit der Hilfe von Freunden oder Verwandten vorzunehmen. Anderes gilt jedoch, wenn dies nachweislich nicht möglich ist. Aus den Darstellungen des Klägers bzw. seiner ihn ähnlich wie eine Betreuerin vertretenden Mutter ergibt sich für das Gericht nachvollziehbar, dass dem Kläger die Renovierung in Eigenregie krankheitsbedingt nicht möglich gewesen sein dürfte. Eine Verpflichtung der Verwandtschaft, diese Aufwendungen für den erkrankten Kläger zu tragen, ergibt sich aus dem SGB II hingegen nicht.

1.6. Schließlich traf die fragliche Forderung auch den Kläger selbst und nicht die Mutter des Klägers. Zwar hat sie den Mietvertrag mit dem Vermieter im Jahre 1996 unterzeichnet. Ob sie schon damals nur in Vertretung für ihren Sohn tätig geworden ist oder ob der Mietvertrag sich später dahin geändert hat, dass man von eine Änderung der Mietpartei dergestalt auszugehen hat, dass nunmehr der Kläger als Mieter in den Vertrag eingetreten ist, kann letztlich dahinstehen. Jedenfalls sind alle Beteiligten in den Jahren des Mietverhältnisses stets davon aus, dass es sich bei der fraglichen Wohnung um die des Klägers handelte. Der Vermieter (die W.) hat spätestens mit dem Mieterhöhungsschreiben vom 30. August 2003 dokumentiert, den Kläger als Mietvertragspartei anzusehen. Die Mutter des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung auch glaubhaft erläutert, wie die familiäre Wohnsituation in den fraglichen Jahren war und die Notwendigkeit der Unterbringung ihres damals 21 jährigen Sohnes in räumlicher Nähe zur von ihm besuchten Gesamtschule S1 dem Gericht nachvollziehbar vermittelt. Konsequenterweise hat die Beklagte die Kosten der Wohnung auch jahrelang anstandslos gewährt und der Vermieter hat die aus dem Mietverhältnis anfallende Korrespondenz mit dem Kläger selbst vorgenommen und die Mutter des Klägers nur in Fällen eingeschaltet, wenn dies im Hinblick auf die psychische Erkrankung des Klägers geboten war.

1.7. Auch die Höhe der Renovierungskosten selbst begegnet keinen Zweifeln. Erkennbar wurden die laut Vorabnahmeprotokoll erforderlichen Renovierungsarbeiten vom Unternehmen M. e.V. zum Preis von 800,00 EUR ausgeführt, dabei sind die ebenfalls geforderten Reinigungs- und Bodenbelagentfernungsarbeiten von der Familie des Klägers in Eigenregie durchgeführt worden. Die Wohnung ist beanstandungsfrei am 30. Mai 2005 übergeben worden, der Preis war vorab mitgeteilt worden und Konkurrenzunternehmen wären deutlich teurer gewesen. Insoweit hat auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung keinen Zweifel mehr geäußert.

1.8. Letztlich scheitert der hier geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Renovierungskosten aber daran, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass er mit den Kosten für die Renovierung auch heute noch rechtswirksam belastet ist. Die vom Ehemann der Mutter des Klägers zur Verfügung gestellten Mittel stellen im Rechtssinne Einkommen des Klägers dar, welches er zur Begleichung der durch die Renovierung entstandenen Kosten eingesetzt hat. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass er zur Erstattung der fraglichen Kosten gegenüber dem Ehemann seiner Mutter (auch heute noch) verpflichtet ist. Das wäre nur der Fall, wenn der Kläger zur Überzeugung des Gerichts zur Rückzahlung des fraglichen Betrages von 800,- EUR zivilrechtlich wirksam verpflichtet wäre.

Bei der fraglichen Geldzuwendung des Ehemannes der Mutter des Klägers handelte es sich um eine der von § 9 Abs. 1 SGB II stets vorauszusetzenden Hilfebedürftigkeit entgegenstehende Selbsthilfemöglichkeit in der Form von Einkommen des Klägers im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Einkommen ist vorbehaltlich der genannten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen alles das, was jemand nach Antragstellung (zur Abgrenzung zum gemäß § 12 Abs. 2 SGB II vor Antragstellung nicht anzurechnenden Schonvermögen) auf Hilfeleistung wertmäßig dazu erhält (BSG, Urteil vom 30.9.2008, B 4 AS 29/07 R). Einkommen sind somit regelmäßig alle Einnahmen, die den Vermögensstand der Person erhöhen, die sie erhält. Es kommt grundsätzlich nicht auf die Art, Herkunft und Rechtsgrundlage der Einnahmen an. Ohne Bedeutung ist auch, ob die Einnahmen zur Deckung des Lebensunterhaltes bestimmt sind, ob sie steuerpflichtig sind oder ob sie einmalig oder wiederholt anfallen. Umfasst werden also sämtliche Geldmittel (Söhngen in: juris-PK-SGB II, § 11 Rn. 36), wobei entscheidend der tatsächliche Zufluss ist und ob die Mittel tatsächlich zum Bestreiten des Lebensunterhaltes eingesetzt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 18.2.2010, B 14 AS 32/08 R; Gagel, SGB III, § 11 SGB II, Rn. 17; Brühl-Schoch in LPK-SGB II, 3. Auflage, Randnr. 14 f zu § 9).

Ob auch Zuwendungen Dritter als Einkommen anzusehen sind, die einer an sich hilfebedürftigen Person als rückzahlungspflichtiges Darlehen (§ 488 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) gewährt werden, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beurteilt.

Einerseits wird unter Hinweis darauf, dass die Regelungen des SGB II insbesondere im Bereich der Berücksichtigung von Einkommen den früheren Regelungen des Sozialhilferechts nach dem Bundessozialhilfegesetz nachgebildet sind und deshalb bei ihrer Anwendung der existenzsichernde Charakter der Leistungen besonders zu beachten sei, (vgl. dazu BSG, Urteile vom 06.12.2007 – B 14/7b AS 22/06 R und vom 05.09.2007, B 11b AS 15/06 R, beide in juris; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, Randnr. 3 zu § 11; BT-Drs. 15/1516, S. 53) die Auffassung vertreten, dass eine Rückzahlungsverpflichtung der Anrechnung als bedarfsminderndes Einkommen nicht entgegen stehe, solange der Zuwendungsempfänger ihm tatsächlich zufließende Mittel jedenfalls im konkreten Bewilligungszeitraum zur Deckung seines Bedarfs und damit zur Steuerung seiner Notlage uneingeschränkt verwenden könne (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom 3. oder 14.7.2008 – L 13 AS 97/08 ER, FEVS 60, S. 87 und vom 10.12.2009 – L 13 AS 366/09 B ER, juris; SG Reutlingen, Urteil vom 24.4.2007 – S 2 AS 4151/06, info also 2007, S. 227 sowie Gerichtsbescheid vom 10.6.2009 – S 2 AS 1472/08, juris; SG Freiburg, Urteil vom 30.6.2008 – S 2 AS 270/08, juris; SG Detmold, Urteil vom 19.8.2009 – S 18 (23) AS 107/08, juris; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage, Randnr. 27 zu § 82; Hohm/Klaus in Hohm, GK-SGB II, Stand Oktober 2008, Randnr. 88 f zu § 11; Zeitler/Dauber in Mergler/Zink, SGB II, Stand Oktober 2009, Randnr. 10 zu § 11).

Folgte man dieser Auffassung, wäre die Berufung der Beklagten schon deshalb erfolgreich und die Klage unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuweisen, weil dem Kläger die Geldzahlung des Ehemannes seiner Mutter uneingeschränkt für die Begleichung der fraglichen Renovierungsrechnung zur Verfügung stand und eine ggf. später fällige Rückzahlungspflicht rechtlich überhaupt unbeachtlich wäre.

Nach der Gegenauffassung, die an die Rechtsprechung des BSG zum Recht der früheren Arbeitslosenhilfe anknüpft (vgl. BSG, Urteil vom 13.6.1985 – 7 RAr 27/84, SozR 4100 § 138 Nr. 11), darf ein Darlehen bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit nicht als Einkommen berücksichtigt werden, wenn zum Zeitpunkt des Geldzuflusses eine Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers eindeutig festgestellt werden kann. Als Einkommen könnten nur solche Einnahmen berücksichtigt werden, die ihrem Empfänger endgültig und nicht nur vorübergehend zur Verfügung stehen und damit seinen Vermögensstand positiv verändern; hieran fehle es indessen, wenn eine den Vermögenswert aufhebende Rückzahlung geschuldet wird (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.12.2008 – L 7 AS 62/08, juris; VG Bremen, Urteil vom 20.7.2007 – S 8 K 57/07, juris; SG Köln, Urteil vom 2.12.2008 – S 32 (30) AS 116/08, www.sozialgerichtsbarkeit.de; Hengelhaupt in Hauck-Noftz, SGB II, Stand August 2008, Randnr. 42d zu § 11; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, Randnr. 29 zu § 11; gegen eine Anrechnung von Darlehen als Einkommen ohne nähere Begründung auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.6.2008 – L 14 B 648/08 AS ER). Dies sei anhand einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden; bei Zweifeln sei zu prüfen, ob die getroffenen Vereinbarungen einem Fremdvergleich standhielten (so LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).

Auch unter Zugrundelegung dieses Verständnisses des Einkommensbegriffes aus dem SGB II sind die zur Begleichung der fraglichen Rechnung dem Kläger aus der Zahlung des Ehemannes seiner Mutter zugutegekommenen Geldmittel in der hier vorliegenden konkreten Fallkonstellation von der Beklagten zutreffend als Form der (vorrangigen) Selbsthilfe bewertet und den Leistungsanspruch des Klägers ausschließend berücksichtigt worden. Das Gericht muss deshalb nicht entscheiden, welcher der genannten Auffassungen der Vorzug zu geben ist. Nach dem Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung kann nämlich eine eindeutig den Kläger treffende Pflicht, dem Ehemann seiner Mutter die gewährte Geldzahlung zurückzuerstatten (vgl. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB), nicht festgestellt werden. Alle tatsächlichen Umstände sprechen vielmehr dafür, dass es sich um eine Zuwendung aus familiärer Verbundenheit handelte und eine Rückzahlungsverpflichtung nicht den Kläger selbst treffen sollte, sondern nur im Falle eines Erfolgs seines Rechtsmittels letztlich allein die Beklagte. Die Mutter des Klägers hat hierzu erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht richtig gestellt, dass es sich bei der fraglichen Geldzahlung um Mittel ihres Ehemannes (und nicht der Tante des Klägers) gehandelt hat. Ihr Ehemann habe ihrem Sohn das notwendige Geld letztlich nur geliehen. Einen Darlehensvertrag habe man darüber nicht abgeschlossen. Ihr Sohn könne das Geld nicht zurückzahlen. Ob ihr Mann das Geld, wenn man in diesem Rechtsstreit unterliege, dann von ihr zurückfordere, wisse sie nicht. Der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung anwesende Ehemann der Zeugin äußerte sich ebenfalls nicht dergestalt, dass er die Geldmittel in jedem Fall von seiner Ehefrau – vom Kläger mangels bestehender finanzieller Möglichkeiten ohnehin nicht – zurückfordern würde und dass insoweit ein Darlehensvertrag wie unter Fremden beabsichtigt und abgeschlossen worden sei. Dies wäre nach Auffassung des Gerichts auch lebensfremd gewesen und ist der Vortrag der Zeugin daher plausibel.

Bei Bewertung dieses Sachverhalts hat das Gericht schon am Bestehen einer wirksamen Darlehensabrede zwischen dem Ehemann der Mutter des Klägers und dem Kläger erhebliche Zweifel. Es spricht viel mehr dafür, dass der Ehemann der Mutter des Klägers primär seiner Ehefrau, mit der er in Gütergemeinschaft lebt, das Geld zur Verfügung stellen wollte, um primär ihr, der die Situation ihres kranken Sohnes am Herzen lag, zu helfen. Eine den Kläger unabhängig von einem Erfolg seines Rechtsmittels persönlich treffende, im Zeitpunkt der Gewährung der Geldmittel bestehende eindeutige Rückzahlungspflicht gegenüber dem Ehemann seiner Mutter ist damit letztlich schon nicht plausibel dargelegt. Auch eine Rückzahlungspflicht gegenüber seiner Mutter kommt nach diesem Geschehensablauf nicht ernsthaft in Betracht. Letztlich hat der Kläger diese auch gar nicht behauptet.

Nur zur ergänzenden Erläuterung sei darauf hingewiesen, dass die fraglichen Kosten aller Wahrscheinlichkeit nach (und in Kenntnis der in den vergangenen Jahren sich stets weiter entwickelnden Rechtsprechung zur Anwendung und Auslegung der Vorschriften des SGB II) damals bei Umsetzung der geltenden Rechtslage dem Kläger durch die Beklagte hätten gewährt werden müssen. Dies wäre ggf. auch das Ergebnis eines zur damaligen Zeit durchzuführenden einstweiligen Anordnungsverfahrens vor den Sozialgerichten gewesen. Nachdem der Kläger den fraglichen Bedarf jedoch selbst "gedeckt hat", ist durch die nunmehr eingetretene Situation der Selbsthilfe durch (die Familie des) den Kläger(s) eine Verpflichtung der Beklagten nicht mehr gegeben.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved