L 16 AS 410/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 22 AS 531/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 410/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
verfristeter Widerspruch, Zugangsvermutung nach § 34 Abs. 2 SGB X
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 14.04.2010 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheides vom 27.12.2007 streitig, mit dem die Beklagte dem Kläger die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.2.2008 bis zum 30.4.2008 um 10 % der Regelleistung, monatlich 35,00 Euro, absenkte.

Der Sanktionsbescheid vom 27.12.2007 wurde laut handschriftlichem Vermerk am 27.12.2007 zur Post gegeben.

Mit Schreiben vom 2.2.2008, bei der Beklagten am 4.2.2008 eingegangen, legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.2.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück, da dieser verfristet sei. Die Erhebung des Widerspruches habe nach der Rechtsmittelbelehrung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe zu erfolgen (§ 66
Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Bekanntgabe erfolgte am 30.12.2007. Die Widerspruchsfrist habe daher am 31.12.2007 zu laufen begonnen. Die Frist ende nach § 64
Abs. 2 S. 2 SGG mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher durch seine Benennung dem Tage entspreche, in den das Ereignis (Bekanntgabe) falle. Daher konnte der Widerspruch nur bis zum 30.1.2008 fristgerecht erhoben werden.

Am 27.12.2009 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht München.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.4.2010 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 27.12.2007 sei nicht auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, da er mit fruchtlosem Ablauf der Widerspruchsfrist gemäß
§ 77 SGG bestandskräftig geworden sei. Ein Verwaltungsakt gelte gemäß § 37 Abs. 2
S. 1 SGB X am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Den Beweis der Aufgabe des Verwaltungsaktes zur Post habe die Beklagte nach den Regeln des Anscheinsbeweises geführt. Der Kläger habe den Zugang des Bescheides an sich nicht bestritten. Er bestreite lediglich den Zugang des Bescheides innerhalb von drei Tagen nach Aufgabe zur Post. Das Sozialgericht folge insoweit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, wonach bei einem behaupteten verspäteten Zugang ein einfaches Behaupten nicht ausreiche. Vielmehr müsse der Empfänger konkret vortragen, wann genau und unter welchen Umständen er den Bescheid erhalten habe. Vorliegend habe der Kläger sich jedoch überhaupt nicht dazu eingelassen, wann er den Bescheid erhalten habe, sondern er habe seinen Vortrag darauf beschränkt, die Fristberechnung der Beklagten anzugreifen. Dieser Vortrag sei gänzlich ungeeignet, die Fiktion des § 37 Abs. 2 S. 1
SGB X außer Kraft zu setzen. Daher sei der Widerspruch des Klägers verspätet eingelegt worden. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht vorgetragen. Der streitgegenständliche Absenkungsbescheid sei bestandskräftig geworden. Das Sozialgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Berufung nicht zulässig sei, hat jedoch in der Rechtsmittelbelehrung darauf hingewiesen, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 25.5.2010 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. Er hat sich zum einen gegen die Entscheidung durch Gerichtsbescheid gewandt, zum anderen hat er vorgetragen, dass auf dem Briefumschlag eine Datumsangabe vom 2.1.2008 ersichtlich sei. Er selbst habe auf dem Briefumschlag vermerkt, dass er den Brief am 4.1.2008 erhalten habe. Somit sei der Einspruch am 4.2.2008 noch nicht verfristet gewesen. Der Kläger hat die Kopie eines Briefumschlages zum Beweis vorgelegt, auf der als handschriftliches Datum der 4.1.2008 vermerkt ist.

Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung, entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts, gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht zulässig sei, da er sich gegen eine Absenkung der Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 105,00 Euro wende.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.




Entscheidungsgründe:


Die Berufung ist gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nach § 143 i.V.m. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nicht statthaft, da der Kläger Geldleistungen mit einem Wert von weniger als 750,00 Euro begehrt.

Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG als unzulässig zu verwerfen, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 Euro nicht übersteigt und das Sozialgericht die Berufung nicht zugelassen hat. Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Vorliegend hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid die Regelleistung um insgesamt 105,00 Euro abgesenkt. Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen. In einer falschen Rechtsmittelbelehrung liegt regelmäßig keine Entscheidung über die Zulassung der Berufung (vgl. BSG, SozR 3-1500 § 158 Nr. 1). Der Kläger hat keine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, eine Umdeutung der unzulässigen Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig (so BSG, Urteil vom 20.5.2003, Az.: B 1 KR 25/01 R, SozR 4-1500 § 158 Nr. 1).

Damit ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Eine Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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