L 1 SO 8/10

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 14 SO 84/07
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 SO 8/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für die Annahme des Einsetzens der Sozialhilfe (§ 18 SGB XII) genügt es, dass dem Sozialhilfeträger die konkrete Möglichkeit eines sozialhilferechtlichen Bedarfs bzw. hinreichende Anhaltspunkte für die Hilfegewährung bekannt sind. Der Sozialhilfeträger muss nicht aufgrund einer "Schlüssigkeitsprüfung" vom Vorliegen der materiellen Anspruchsvoraussetzungen überzeugt sein.
2. Der Träger einer stationären Pflegeeinrichtung kann gegen den Sozialhilfeträger aus dem im Rahmen des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis erfolgten Schuldbeitritt die Zahlung eines Heimentgelts nur in Höhe der dem Sozialhilfeempfänger bewilligten Leistungen beanspruchen (im Anschluss an BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R -, SozR 4 - 1500 § 75 Nr. 9).
3. Der gesetzlich geregelte Fall der Sonderrechtsnachfolge (§ 19 Abs. 6 SGB XII) kann zu einem weitergehenderen Zahlungsanspruch des Trägers einer Pflegeeinrichtung gegen den Sozialhilfeträger führen, wenn der gegenüber dem Sozialhilfeempfänger ergangene Bewilligungsbescheid noch nicht bestandskräftig geworden ist. Auch dann sind Einkommen und Vermögen des verstorbenen Sozialhilfeempfängers zu berücksichtigen.
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 09.11.2009 - S 14 SO 84/07 - abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 09.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2007 wird abgeändert.

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum vom 22.08. bis 15.09.2005 einen neuen Bescheid über die ihr zu erstattenden Kosten für die Kurzzeitpflege der M J unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erteilen sowie der Klägerin auf die zu erstattenden Kosten ab dem 08.11.2007 Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat der Klägerin ein Zehntel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung weiterer Heimkosten für die Zeiträume vom 22.08. bis 15.09.2005 und vom 19.10.2005 bis 31.01.2006.

Die Klägerin ist der Träger der Pflegeeinrichtung P B (Pflegeheim) und Rechtsnachfolgerin der P gGmbH. Die Pflegeeinrichtung genießt Bestandsschutz gem. § 73 Abs. 3 und 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).

Die 1920 geborene und am 27.05.2006 verstorbene M J (Hilfeempfängerin) war ledig und wurde seit mindestens 2001 in ihrer eigenen Wohnung von ihrer in einer anderen Wohnung lebenden Nichte gepflegt und erhielt von der Pflegekasse der Barmer Ersatzkasse (BEK) ambulante Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II. Mit Bescheid vom 24.10.2005 bewilligte die Pflegekasse Leistungen der vollstationären Pflege ab 18.10.2005 nach der Pflegestufe II. Die Hilfeempfängerin bezog im hier streitigen Zeitraum eine Altersrente von monatlich netto 746,46 EUR und verfügte über kein weiteres Einkommen oder über Vermögen. Sämtliche Erben der Hilfeempfängerin haben das Erbe ausgeschlagen. Seit Februar 2006 war für sie ein Betreuer bestellt.

Die Hilfeempfängerin befand sich vom 18.08. bis 15.09.2005 zur Kurzzeitpflege in dem Pflegeheim, anschließend in stationärer Krankenhausbehandlung bis 18.10.2005 und ab 18.10.2005 bis zu ihrem Tod zur vollstationären Pflege in dem Pflegeheim. Die Pflegekasse zahlte für die Kurzzeitpflege insgesamt 1432,00 EUR und für die vollstationäre Pflege für Oktober 2005 884,10 EUR sowie ab November 2005 monatlich 1279,00 EUR an das Pflegeheim.

Nach den mit dem Pflegeheim abgeschlossenen Wohn- und Dienstleistungsverträgen vom 18.08. und 18.10.2005 war die Hilfebedürftige verpflichtet, einen täglichen Pflegesatz nach der Pflegestufe II in Höhe von (iHv) 51,96 EUR, ein tägliches Entgelt für Unterkunft und Verpflegung iHv 21,03 EUR, tägliche Investitionskosten iHv 14,40 EUR und einen täglichen Beitrag für Ausbildungskosten iHv 0,89 EUR (insgesamt 88,28 EUR) zu zahlen.

Das Pflegeheim berechnete der Hilfeempfängerin ein Entgelt für die Kurzzeitpflege iHv 2560,12 EUR (Pflegesatz nach Pflegestufe II (29 x 51,96 EUR = 1506,84 EUR), Unterkunft/Verpflegung (29 x 21,03 EUR = 609,87 EUR), Investitionskosten (29 x 14,40 EUR = 417,60 EUR), Ausbildungskosten (29 x 0,89 EUR = 25,81 EUR), d.h. täglich 88,28 EUR), für den Zeitraum vom 18. bis 31.10.2005 iHv 1235,92 EUR, für November 2005 iHv 2648,40 EUR, für Dezember 2005 und für Januar 2006 iHv jeweils 2736,68 EUR. Nach der mit dem Pflegeheim bestehenden Vergütungsvereinbarung der Pflegekasse betrug der tägliche allgemeine Pflegesatz nach der Pflegestufe II 51,96 EUR, das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung 21,03 EUR, das Entgelt für Investitionskosten 10,32 EUR und für Ausbildungskosten 0,89 EUR (täglich 84,20 EUR).

Mit Schreiben vom 14.11.2005 erhielt die Nichte der Hilfeempfängerin eine "zweite Mahnung" des Pflegeheims über den Aufenthalt der Hilfeempfängerin seit 18.08.2005 iHv 6.444,44 EUR. Sie wurde an das Versprechen vom 02.11.2005 zur Zahlung des Betrages erinnert sowie an die Zusage, einen Sozialhilfeantrag bei der Kreisverwaltung zu stellen.

Am 22.08.2005 ging bei dem Beklagten per Fax ein von der P Unternehmensgruppe als Muster erstelltes Formularschreiben ein, welches als "Mitteilung über Bewohnereinzug", Daten über das Pflegeheim und die Hilfeempfängerin, die Mitteilung der Aufnahme zur Kurzzeitpflege vom 18.08. bis 31.08.2005, die voraussichtliche Pflegestufe II und das tägliche Heimentgelt von 84,20 EUR enthielt. Das Formular war von der Residenzleitung des Pflegeheims unterschrieben und angekreuzt war die Bitte um Kostenübernahme. Am 23.08.2005 erhielt der Beklagte ein Schreiben des Pflegeheims mit dem Betreff "Sozialhilfe für Frau M J , geb. 03.03.1920", der Mitteilung über die Aufnahme zur Kurzzeitpflege am 18.08.2005 und der Bitte um Kostenzusage. Entsprechende Mitteilungen über die Verlängerung der Kurzzeitpflege bis 15.09.2005 wurden dem Beklagten übermittelt. Am 19.10.2005 erhielt der Beklagte ein erneutes Fax "Mitteilung über Bewohnereinzug" betr. die Aufnahme zur stationären Pflege ab 18.10.2005, am 20.10.2005 ein entsprechendes Schreiben sowie am 27.10.2005 den Bescheid der Pflegekasse über vollstationäre Pflegeleistungen durch das Pflegeheim übermittelt. Der Beklagte wies das Pflegeheim am 29.08., 19.09. und 19.10.2005 darauf hin, dass kein Sozialhilfeantrag vorliege.

Am 15.11.2005 ging bei dem Beklagten der von der Hilfeempfängerin ohne Datum unterschriebene Sozialhilfefragebogen, die Erklärung über Vermögen, die Belehrung über die Folgen fehlender Mitwirkung und eine Auskunftsermächtigung mit einer Rentenmitteilung und Kopien des Girokontos ein.

Der Beklagte zog daraufhin Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), Auskünfte des Grundbuchamtes, der Sparkasse S sowie Kontoauszüge der Hilfeempfängerin bei und leitete die Altersrente der Hilfeempfängerin ab dem 01.02.2006 (Schreiben vom 05.01.2006, Mitteilung der Deutschen Post Rentenservice vom 16.01.2006) auf ihn über.

Mit Bescheid vom 09.01.2006 bewilligte der Beklagte der Hilfeempfängerin Hilfe zur stationären Pflege ab 01.11.2005 und einen Barbetrag von 90,00 EUR und führte aus, dass alle folgenden Zahlungen als Weiterbewilligung für den jeweiligen Monat anzusehen seien. Sie sei verpflichtet, die Altersrente iHv 746,46 EUR und die Leistungen der Pflegeversicherung zur Deckung des Bedarfs einzusetzen. Die Leistungen würden direkt an das Pflegeheim überwiesen. Die Hilfe werde nach § 19 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) als so genannte erweiterte Hilfe gewährt. Das Pflegeheim erhielt von der Beklagten am 05.01.2006 eine "Kostenzusage für Heimunterbringung", in welcher ausgeführt war, dass die Heimkosten ab dem 01.11.2005 unter Anrechnung eines Kostenbeitrages aus vorhandenem Einkommen übernommen würden. Der monatliche Barbetrag werde mit der einzusetzenden Rente verrechnet. Da die monatliche Rente ab 01.02.2006 übergeleitet worden sei, erfolge ab diesem Zeitpunkt keine Einkommensanrechnung mehr.

Für November 2005 zahlte die Beklagte an das Pflegeheim 590,54 EUR (Pflegekosten 2526,00 EUR + Barbetrag 90,00 EUR - Leistung der Pflegekasse 1.279,00 EUR - Einkommen Altersrente 746,46 EUR) und für Dezember 2005 sowie für Januar 2006 jeweils 674,74 EUR (Pflegekosten 2.610,20 EUR + Barbetrag 90,00 EUR - Leistung der Pflegekasse 1.279,00 EUR - Einkommen Altersrente 746,46 EUR). Die Hilfeempfängerin legte Widerspruch ein. Die Klägerin führte das Widerspruchsverfahren nach dem Tod der Hilfeempfängerin weiter. Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung wies den Widerspruch am 05.10.2007 - zugestellt am 09.10.2007 - zurück.

Mit der am 08.11.2007 bei dem Sozialgericht Mainz (SG) eingegangenen Klage hat die Klägerin die Gewährung von Leistungen für die Zeiträume vom 22.08. bis 15.09.2005 iHv 884,40 EUR, vom 19.10. bis 31.10.2005 iHv 263,35 EUR und vom 01.11.2005 bis 31.01.2006 iHv 2.239,38 EUR geltend gemacht. Mit Zugang ihrer Schreiben vom 18.08. und 18.10.2005 bei dem Beklagten sei ein Sozialrechtsverhältnis begründet worden. Aufgrund eines Schuldbeitritts habe der Beklagte die Pflegekosten zu tragen, ohne dass er Eigenanteile der Hilfeempfängerin in Abzug bringen dürfe.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 09.11.2009 abgewiesen. Für die Zeiträume vor dem 01.11.2005 fehle es an der Kenntnis des Beklagten von dem Hilfefall im Sinne von § 18 SGB XII. Zwar setze die Gewährung von Sozialhilfe keine formelle Antragstellung voraus, jedoch habe der Beklagte durch die Formularschreiben des Pflegeheims nur von einer Pflegebedürftigkeit, nicht aber von der finanziellen Hilfebedürftigkeit der Hilfeempfängerin Kenntnis erlangt. Dies sei erst mit dem im November 2005 gestellten Antrag der Fall gewesen. Ein Anspruch für den Zeitraum vom 01.11.2005 bis 31.01.2006 sei nicht gegeben, da der Beklagte eine erweiterte Hilfe nach § 19 Abs. 5 und 6 SGB XII zu Recht erst ab dem 01.02.2006 bewilligt habe. Der Klägerin stünden keine Leistungen ohne Berücksichtigung des Einkommens der Hilfeempfängerin zu.

Gegen das ihr am 09.12.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.01.2010 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, dass sie den Beklagten durch ihre Schreiben vom 18.08. und 20.10.2005 unmissverständlich den Sozialhilfebedarf der Hilfeempfängerin aufgezeigt habe. Eine genaue Darlegung der Höhe des Einkommens bzw. ein Vortrag über das Nichtvorliegen von Vermögenswerten sei nicht erforderlich. Der Beklagte habe im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht tätig werden und ggf. die Hilfeempfängerin befragen müssen. Einkommen habe die Hilfeempfängerin nicht einsetzen müssen, da der Beklagte ihr nach seinem Bescheid vom 09.01.2006 erweiterte Hilfe gewährt habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 09.11.2009 - S 14 SO 84/07 - sowie den Bescheid des Beklagten vom 09.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Pflege der M J für den Zeitraum vom 22.08. bis zum 15.09.2005 884,40 EUR, für den Zeitraum vom 19.10. bis zum 31.10.2005 263,35 EUR und für den Zeitraum vom 01.11.2005 bis zum 31.01.2006 2.239,38 EUR zzgl. jeweils von Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Das SG hat die Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Zwar steht der Klägerin kein unmittelbarer Anspruch auf Zahlung von weiteren Heimkosten zu. Allerdings ist die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin für den Zeitraum vom 22.08. bis 15.09.2005 einen neuen Bescheid über die ihr zu erstattenden Kosten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erteilen. Insoweit ist der Bescheid des Beklagten vom 09.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2007 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Beklagter ist der Landrat der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße als beteiligtenfähige Behörde (§ 70 Nr. 3 SGG; Behördenprinzip). Nach § 2 des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes zur Ausführung des SGG vom 02.10.1954 (GVBl. 115) sind alle Behörden fähig, an Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit im Sinne des § 70 SGG beteiligt zu sein. Dies ist vorliegend (§§ 3 Abs. 2, 97, 98 SGB XII, §§ 21 Abs. 2 und 41 Abs. 1 der rheinland-pfälzischen Landkreisordnung vom 31.01.1994, GVBl. 188) der Landrat der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße (vgl. auch Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 8/06 R -, SozR 4-1300 § 44 Nr. 11).

Der Senat konnte in der Sache entscheiden, ohne den Rechtsnachfolger der Hilfebedürftigen zu dem Verfahren beizuladen (§ 75 Abs. 2 1. Alternative SGG). Sämtliche in Betracht kommenden Erben der Hilfeempfängerin haben das Erbe ausgeschlagen und weitere Erben (vgl. § 1953 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) sind nicht bekannt. Eine Beiladung des Fiskus als gesetzlicher Erbe (§ 1936 BGB) ist aufgrund der beschränkten Erbenhaftung (§ 780 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -) und der Überschuldung des Nachlasses nicht erforderlich.

1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfeleistungen aufgrund des Anspruchsübergangs des § 19 Abs. 6 SGB XII (dazu 3.) bereits ab 22.08.2005 und - dem Grunde nach - ab 19.10.2005 zu.

Dem steht nicht der Kenntnisgrundsatz des § 18 Abs. 1 SGB XII entgegen. Nach dieser Vorschrift setzt die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen.

Die Bewilligung von Sozialhilfe ist hiernach nicht formal von einem Antrag abhängig. Da § 18 SGB XII zum Schutz des Hilfebedürftigen einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilfesystem sicherstellen will, ist es für die Annahme einer Kenntnis im Sinne dieser Vorschrift ausreichend, dass die Notwendigkeit der Hilfe dargetan oder sonst wie erkennbar ist. Die weitere Sachverhaltsaufklärung obliegt dann dem Sozialhilfeträger (§ 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -; vgl. BSG, Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 18/07 R -, SozR 4-3500 § 18 Nr. 1). Dem Sozialhilfeträger wird aber nicht angesonnen, die Notwendigkeit der Hilfe zu "erahnen". Die Pflicht des Hilfesuchenden, bei der Feststellung seines Bedarfs und seiner Bedürftigkeit mitzuwirken, befreit allerdings den Sozialhilfeträger nicht von seiner Aufklärungspflicht, so dass von einem "Bekanntwerden" nicht erst dann gesprochen werden kann, wenn alle Voraussetzungen tatsächlicher Art dem Leistungsträger entscheidungsreif bekannt sind. Abzustellen ist auf alle Besonderheiten des Einzelfalls (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 21.04.1997 - 5 PKH 2/97, Buchholz 436.0 § 5 BSHG Nr. 15).

Aus diesen Maßgaben ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass für eine Kenntnis nicht maßgeblich ist, dass der Sozialhilfeträger aufgrund einer "Schlüssigkeitsprüfung" vom Vorliegen der materiellen Anspruchs-voraussetzungen überzeugt ist. Es ist für die Anwendung des § 18 Abs. 1 SGB XII gerade nicht notwendig, dass die Voraussetzungen der Bedürftigkeit bereits mit Gewissheit und vollständig bekannt sind. Entscheidend ist, ab welchem Zeitpunkt dem Sozialhilfeträger erstmalig die konkrete Möglichkeit eines sozialhilferechtlichen Bedarfs bzw. hinreichende Anhaltspunkte für die Hilfegewährung bekannt gewesen sind. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers muss sich dabei sowohl auf das Vorliegen eines bestimmten Bedarfstatbestandes beziehen als auch darauf, dass sich der Hilfebedürftige nicht selbst helfen kann oder die Hilfe nicht von dritter Seite erhält. Insoweit muss die Kenntnis inhaltlich qualifiziert sein. Die Art, in der dem Träger der Sozialhilfe diese Kenntnis vermittelt werden muss, ist nicht vorgegeben. Dies kann beispielsweise auch durch einen Telefonanruf eines Dritten geschehen, wenn dieser die hauptsächlichen anspruchsbegründenden Tatsachen eines Hilfefalls zum Inhalt hat (vgl. Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 16.09.2003 - Au 3 K 03.889 -, NJW 2004, 1266).

Vorliegend war für den Beklagten aufgrund der Faxmitteilungen des Pflegeheims über den Bewohnereinzug vom 18.08.2005, 06.09.2005, 16.09.2005 und 19.10.2005 sowie der Schreiben vom 18.08.2005, 05.09.2005, 15.09.2005 und 18.10.2005 deutlich erkennbar, welchen konkreten Bedarf die Hilfebedürftige geltend machte - Hilfe zur Pflege - und dass sie anscheinend die hierfür notwendigen Mittel nicht selbst aufbringen konnte. Die Faxmitteilungen richteten sich an den Beklagten als Sozialhilfeträger, es war benannt, dass es um Kurzzeitpflege bzw. dessen Verlängerung und um eine stationäre Pflege ging, die voraussichtliche Pflegestufe war angegeben und der tägliche Pflegesatz/Heimentgelt in konkret bezeichneter Höhe aufgeführt. Außerdem war die ausdrückliche Bitte um Kostenübernahme vorgebracht. In den anschließenden Schreiben war die Bitte um Kostenzusage wiederholt und unter Betreff "Sozialhilfe für Frau M J " angegeben. Da nicht erforderlich ist, dass dem Sozialhilfeträger alle tatsächlichen Voraussetzungen für die Hilfegewährung in entscheidungsreifer Weise bekannt sein müssen, genügt es vorliegend, dass aus den Mitteilungen des Pflegeheims hervor ging, dass die Hilfeempfängerin zur Deckung der Heimkosten auf Sozialhilfe angewiesen war. Demgemäß muss den Mitteilungen des Pflegeheims an den Beklagten eine (überschlägige) Bedürftigkeitsprüfung vorausgegangen sein, die zu dem Ergebnis kam, dass die Hilfeempfängerin die Heimkosten nicht selbst, ggf. auch mit Hilfe Dritter, tragen kann. Dass die Klägerin ihre "Mitteilungen über Bewohnereinzug" ohne eine solche Prüfung in jedem Fall einer Heimaufnahme an die Sozialhilfeträger verschickt, ist nicht ersichtlich und wird auch von dem Beklagten nicht behauptet. Damit war dem Beklagten die konkrete Möglichkeit eines sozialhilferechtlichen Bedarfs aufgezeigt worden und es bestand für ihn Veranlassung, eigene Ermittlungen zur Feststellung des Leistungsanspruchs in die Wege zu leiten. Es war fehlerhaft, auf dem Eingang von Antragsunterlagen bzw. auf einen förmlichen Antrag der Hilfebedürftigen zu bestehen. Dass die Klägerin die Nichte der Hilfeempfängerin mit der Mahnung vom 14.11.2005 zur Stellung eines Sozialhilfeantrags aufgefordert hatte, ist für die Frage des Zeitpunkts der Kenntnis des Beklagten ohne Bedeutung.

2. Der Beklagte als Sozialhilfeträger ist ab dem 01.11.2005 aufgrund eines Schuldbeitritts als Gesamtschuldner an die Seite der Hilfebedürftigen getreten.

Das Leistungserbringungsrecht der Sozialhilfe ist im Bereich der stationären und teilstationären Leistungen wie der Heimpflege durch das so genannte sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis geprägt, das die wechselseitigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Sozialhilfe, dem Leistungsberechtigten und dem Leistungserbringer (Einrichtungsträger) sinnbildlich darstellt. In diesem Verhältnis gehen die Aufgaben der Sozialhilfeträger weit über das reine Reagieren auf individuelle Bedürftigkeit durch Gewährung von Geldleistungen hinaus; die gesetzlichen Regelungen statuieren vielmehr ein Sachleistungsprinzip in der Gestalt einer Sachleistungsverschaffung in einem vorgegebenen gesetzlichen Rahmen, der zwar nicht wie im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgestaltet ist, sich dem aber nähert. Nach § 75 Abs. 2 Satz 1 SGB XII soll der Träger der Sozialhilfe zur Erfüllung der Aufgaben der Sozialhilfe (Gewährleistungspflicht) eigene Einrichtungen und Dienste (zwar) nicht neu schaffen, sondern - soweit vorhanden - auf geeignete Einrichtungen anderer (auch privater) Träger zurückgreifen. Werden die Leistungen - hier Hilfe zur stationären Pflege gem. § 61 Abs. 2 SGB XII - durch eine Einrichtung erbracht, ist der Träger der Sozialhilfe nach § 75 Abs. 3 SGB XII zur Übernahme der Vergütung (grundsätzlich nur) verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband eine (generelle) Vereinbarung über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Satz 1 Nr. 1, Leistungsvereinbarung), die Vergütung (Satz 1 Nr. 2, Vergütungsvereinbarung) sowie die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Satz 1 Nr. 3, Prüfungs-vereinbarung) besteht. Ist eine solche Vereinbarung nicht abgeschlossen, darf der Träger der Sozialhilfe Leistungen durch diese Einrichtung lediglich in begrenzten Einzelfällen (§ 75 Abs. 4 SGB XII) erbringen, wobei auch insoweit bestimmte individuelle Vereinbarungen vorgesehen sind. Das Gesetz sieht außerdem (§ 76 SGB XII) Regelungen über den Inhalt der drei generellen Vereinbarungen und Rahmenverträge auf Landesebene vor (§ 79 SGB XII). Hierin kommt deutlich eine Gewährleistungspflicht zum Ausdruck, mit Trägern von Einrichtungen ohne den Anlass einer aktuellen Hilfe in Kontakt zu treten und die erforderlichen Vereinbarungen zu treffen. Auf diese Weise entstehen typische Dreiecksbeziehungen zwischen dem Sozialhilfeträger, dem Leistungserbringer und dem Sozialhilfeempfänger. In Rheinland-Pfalz sind derartige Vereinbarungen in dem am 01.01.1999 in Kraft getretenen Rahmenvertrag zur vollstationären Pflege zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen, dem Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung für den überörtlichen Träger sowie dem Landkreistag und Städtetag Rheinland-Pfalz für die örtlichen Träger der Sozialhilfe und den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen enthalten. Dieser Vertrag ist nach seinem Geltungsbereich für die Klägerin als Träger der zugelassenen (§§ 73 Abs. 3 und 4, 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI) vollstationären Pflegeeinrichtung unmittelbar verbindlich.

In diesem Dreiecksverhältnis erbringt der Sozialhilfeträger nach dem gesetzlichen Gesamtkonzept die ihm obliegende Leistung grundsätzlich nicht als Geldleistung. Er zahlt gerade nicht an den Sozialhilfeempfänger (Grundverhältnis), um diesem die Zahlung des im Heimvertrag vereinbarten Heimentgelts an den Einrichtungsträger (Erfüllungsverhältnis) zu ermöglichen; vielmehr ist im Gesetzeskonzept eine Zahlung ohne Umweg über den Sozialhilfeempfänger direkt an die Einrichtung (Leistungsverschaffungsverhältnis) zu entnehmen. Die normativen Regelungen zu den notwendigen generellen und individuellen Vereinbarungen lassen nur diesen Schluss zu. Da der Sozialhilfeträger die Leistungen also nicht selbst erbringt, sondern über die Verträge mit Leistungserbringern eine Sachleistung durch diese sicherzustellen hat, beschreibt der Begriff der Sachleistungsverschaffung die Konstellation besser (BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R -, SozR 4-1500 § 75 Nr. 9).

Untrennbarer Bestandteil dieser Sachleistungsverschaffung ist die Übernahme der der Einrichtung zustehenden Vergütung. Übernahme der Unterbringungskosten bedeutet Schuldübernahme durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung, allerdings in der Form des Schuldbeitritts (kumulative Schuldübernahme), wodurch der Sozialhilfeträger als Gesamtschuldner in Höhe der bewilligten Leistungen an die Seite des Sozialhilfeempfängers tritt. Der Hilfeempfänger hat gegen den Sozialhilfeträger einen Anspruch auf Zahlung des übernommenen Betrags unmittelbar an die Einrichtung (BSG, aaO; Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 20/07 R -, Juris). Damit steht in Übereinstimmung, dass den Heimträgern bei zugelassenen Pflegeeinrichtungen - wie hier - ein unmittelbarer vertraglicher Zahlungsanspruch gegen die Pflegekasse bis zu den Höchstbeträgen nach § 43 SGB XI zusteht (vgl. § 87a Abs. 3 Satz 1 SGB XI), der sich nach § 87a Abs. 3 Satz 2 SGB XI in der Höhe an dem Leistungsbescheid der Pflegekasse bemisst und keine Geldleistung der sozialen Pflegeversicherung darstellt, sondern den Heimträgern als Entgelt der Pflegekasse für erbrachte Sachleistungen gewährt wird (BSG, Urteil vom 01.09.2005 - B 3 P 4/04 R -, SozR 4-3300 § 43 Nr. 1).

Aus diesen Grundsätzen geht hervor, dass der Schuldbeitritt nur in Höhe der durch den Beklagten als Sozialhilfeträger der Hilfeempfängerin bewilligten Leistungen bestehen kann. Vor der Kostenübernahme durch Bewilligungs-bescheid besitzt die Einrichtung nämlich keinen Vergütungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger. Einen Anspruch auf die Übernahme des Heimentgelts gegenüber dem Sozialhilfeträger besitzt auch nur der Sozialhilfebedürftige (Grundverhältnis), nicht die Einrichtung selbst (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R -, SozR 4-1500 § 75 Nr. 9 Rdnr. 27; Urteil vom 02.02.2010 - B 8 SO 20/08 R -, Juris).

Aus dem Schuldbeitritt kann die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung der der Hilfeempfängerin mit Bescheid vom 09.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2007 ab 01.11.2005 bewilligten Leistungen geltend machen. Darüber besteht vorliegend kein Streit. Dieser Anspruch ist erfüllt. Aus dieser Rechtsgrundlage kann die Klägerin jedoch keine weitergehenderen bzw. höheren Leistungen beanspruchen.

3. Vielmehr stellt § 19 Abs. 6 SGB XII als gesetzlich geregelter Fall der Sonderrechtsnachfolge im Sinne einer cessio legis ( BSG, Urteil vom 13.07.2010 - B 8 SO 13/09 R -, Juris) die Rechtsgrundlage dar, um vorliegend Leistungen bereits ab dem 22.08. bzw. ab dem 19.10.2005 (vgl. unter 1.) zu erhalten. Die Klägerin als Träger einer Einrichtung nach § 13 Abs. 1 und SGB XII hatte der Hilfeempfängerin vollstationäre Leistungen erbracht und nach dem Tod der Hilfeempfängerin steht der Klägerin deren Anspruch auf Hilfe zur Pflege zu. Durch diesen Anspruchübergang sollen u.a. die Träger einer Einrichtung, die Hilfe zur Pflege erbracht haben, in ihrem Vertrauen auf die Gewährung von Leistungen geschützt werden, um das Kostenrisiko zu vermindern (BSG aaO). Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf den Fall des Versterbens des Hilfebedürftigen vor der Bewilligung (vgl. BSG aaO RdNr. 16) kommt jedenfalls vorliegend nicht in Betracht, da noch die Hilfebedürftige gegen den Bewilligungsbescheid Widerspruch eingelegt hat und damit keine bindende Bewilligung (§ 77 SGG) eingetreten ist. Eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der Vorschrift ist nach Auffassung des Senats insoweit nicht angezeigt, da der Leistungserbringer gerade in diesem Fall nicht leer ausgehen soll.

Hieraus ergibt sich jedoch kein Anspruch der Klägerin auf Übernahme des vollen noch ausstehenden Heimentgelts. Der Übergang der Sozialhilfeleistung auf die Klägerin findet nach § 19 Abs. 6 SGB XII nur statt, "soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre". Daraus folgt, dass im Zeitpunkt der Leistungserbringung alle Voraussetzungen des Anspruchs vorgelegen haben müssen, wozu auch der Nachrang gehört, d.h. Einkommen und Vermögen des Hilfesuchenden selbst sind nach den gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen (vgl. Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 19 Rdnr. 66). Auch begründet § 19 Abs. 6 SGB XII keinen originären eigenen Anspruch im Sinne eines subjektiven Rechts, sondern die dort genannten Personen treten bei Vorliegen der in der Vorschrift geregelten Voraussetzungen in die Rechtsstellung des verstorbenen Hilfeempfängers ein (BSG, Urteil vom 13.07.2010 - B 8 SO 13/09 R -, Juris).

Der Beklagte hat zutreffend das Einkommen der Hilfeempfängerin bei der Leistungsgewährung berücksichtigt. Er hat der Hilfeempfängerin Leistungen nicht in Form der erweiterten Hilfe nach § 19 Abs. 5 SGB XII ab 01.11.2005 gewährt bzw. ab 19.10.2005 zu gewähren. Die erweiterte Hilfe bricht mit dem Netto- oder Zuschussprinzip der Sozialhilfe, indem dem Sozialhilfeberechtigten die zur Beseitigung der Notlage benötigten Mittel in Form eines Zuschusses zu gewähren sind, aber eben nur, soweit ihm deren Aufbringung aus eigenen Kräften und Mitteln nicht möglich bzw. nicht zumutbar ist. Grund der Regelung ist nicht die Verbesserung der Rechtsstellung des Hilfesuchenden, sondern die Erleichterung der Abrechnung der Kosten von stationären Hilfen zwischen Einrichtung und Träger der Sozialhilfe sowie die Verminderung des Risikos des Forderungsausfalls (vgl. Neumann aaO, Rdnr. 53). Eine solche Fallgestaltung war vorliegend nicht gegeben.

Das SG hat ausführlich unter Auslegung auch des Schreibens vom 05.01.2006 an die Pflegeeinrichtung dargelegt, dass der Bescheid vom 09.01.2006 keine Bewilligung von erweiterter Hilfe vor dem 01.02.2006 enthielt, da die Leistungen ausdrücklich von einem monatlichen Einsatz des bezifferten Einkommens abhängig gemacht wurden. Weiterhin hat das SG zutreffend unter Berücksichtigung der Maßgaben für die bei § 19 Abs. 5 SGB XII anzustellende Ermessensentscheidung des Sozialhilfeträgers ausgeführt, dass ein Anspruch auf erweiterte Hilfe vor dem 01.02.2006 nicht bestanden hat und dass sich auch aus der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28.10.2008 aaO) keine anderen Vorgaben herleiten lassen. Dass die Hilfebedürftige ihr Einkommen jedenfalls ab 18.10.2005 in der Höhe der Altersrente einzusetzen hatte, entsprach nach dem nicht zu beanstandenden Darlegungen des SG den Vorschriften der §§ 82 ff SGB XII. Insbesondere waren auch die Voraussetzungen für eine vollständige Heranziehung des Einkommens nach § 82 Abs. 4 Satz 2 SGB XII in der Fassung [idF] des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 09.12.2004, BGBl. I S. 3305) erfüllt, da die Hilfeempfängerin keine weitere Person überwiegend unterhielt und ihr der Barbetrag verblieb (vgl. W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl., § 82 Rdnr. 63). Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung insoweit als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Klägerin steht für den Zeitraum vom 19.10. bis 31.10.2005 kein Anspruch auf Übernahme der noch geforderten Heimkosten iHv 263,35 EUR (13 Tage x 84,20 EUR = 1094,60 EUR - anteiliger Betrag der Pflegeleistungen von 831,25 EUR) zu, da die Altersrente als Einkommen anteilig (746,46 EUR: 31 Tage = 24,07 EUR x 13 Tage = 313,03 EUR) zu berücksichtigen ist und dann kein Zahlbetrag verbleibt. Für November und Dezember 2005 sowie Januar 2006 steht der Klägerin kein über die bereits gezahlten Beträge von 590,54 EUR, 674,74 EUR und 674,74 EUR hinausgehender Betrag zu.

4. Hinsichtlich des Zeitraums der Kurzzeitpflege vom 22.08. bis 15.09.2005 ist der Beklagte jedoch zu verpflichten, der Klägerin einen neuen Bescheid über die zu erstattenden Kosten unter Beachtung der Rechtsaufassung des Senats zu erteilen. Die Möglichkeit eines Grundurteils oder eines Bescheidungsurteils eröffnet das Prozessrecht auch für kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2008 - B 6 KA 45/07 R -, SozR 4-2500 § 106a Nr. 5) wie hier auf Zahlung von höherem Heimentgelt. Dem Beklagten steht nämlich ein Ermessenspielraum hinsichtlich der Frage zu, in welcher Höhe der Hilfeempfängerin Hilfe zur Pflege (§ 61 Abs. 2 SGB XII) zu gewähren ist. Die Hilfeempfängerin bezog eine monatliche Altersrente von netto 746,46 EUR, wobei ihr monatliches Einkommen damit unterhalb der Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 SGB XII lag (doppelter Eckregelsatz iHv 690,00 EUR zzgl. der auch während der Kurzzeitpflege angefallenen angemessenen Kosten der Unterkunft). Ein Einsatz des Einkommens nach § 88 Abs. 1 SGB XII war angesichts der nicht auf voraussichtlich längere Zeit zu erbringenden Leistungen (mind. 6 Monate: vgl. Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 88 Rdnr. 13) bei einer Kurzzeitpflege - andere Erkenntnisse hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer des Pflegebedarfs waren nicht vorhanden - nicht vorzunehmen.

Allerdings kam nach § 82 Abs. 4 Satz 1 SGB XII (idF des Gesetzes vom 09.12.2004 aaO) ein Einsatz des Einkommens jedenfalls in Höhe des Barbetrags nach § 35 Abs. 2 SGB XII in Betracht. Der Hilfeempfängerin stand auch während der Kurzzeitpflege (die Dauer der Leistung ist unerheblich, vgl. W. Schellhorn aaO § 35 Rdnr. 17) der Barbetrag des § 35 Abs. 2 SGB XII als Leistung des Dritten Kapitels zu. Hiernach umfasst der weitere notwendige Lebensunterhalt insbesondere Kleidung und einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung. Es dürfen nur die tatsächlich entstandenen Einsparungen für den häuslichen Lebensunterhalt und nicht lediglich fiktiv anzunehmende Einsparungen berücksichtigt werden. Dabei ist auch zu prüfen, ob die Ersparnis durch andere Mehrkosten aufgewogen wird. Die Höhe der erzielten Ersparnisse kann gem. § 202 SGG iVm § 287 Abs. 2 ZPO geschätzt werden (vgl. BVerwGE, Urteil vom 18.08.1977 - V C 61.76 -, FEVS 26, 133; W. Schellhorn aaO § 82 Rdnr. 53; SG Düsseldorf, Urteil vom 15.01.2009 - S 17 (28) SO 11/07 -, Juris). Vorliegend dürften der Hilfeempfängerin aufgrund der Lebenserfahrung zusätzliche Mehraufwendungen durch die Aufnahme in die Kurzzeitpflege entstanden sein (vgl. W. Schellhorn aaO; Lücking aaO K § 92a Rdnr. 12), andererseits hat sie die Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart. Über die Höhe dieses anzurechnenden Betrags wird der Beklagte zu befinden haben.

5. Der Klägerin steht dem Grunde nach auch ein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen gemäß den §§ 291 und 288 BGB zu. Ebenso wie Apotheker, Krankenpflegeunternehmen und andere Leistungserbringer im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Pflegeeinrichtung zur Finanzierung des laufenden Geschäftsbetriebs auf die zügige Begleichung ihrer Rechnungen angewiesen. Daher gibt es zur Überzeugung des Senats keinen sachlichen Grund, bei Vergütungsansprüchen gegen die Sozialhilfeträger von der Zahlung von Prozesszinsen abzusehen (vgl. zum Bereich der Krankenversicherung: BSG, Urteil vom 23.03.2006 - B 3 KR 6/05 R -, SozR 4-7610 § 291 Nr. 3; Urteil vom 03.08.2006 - B 3 KR 7/06 R -, SozR 4-2500 § 129 Nr. 3; Urteil vom 19.04.2007 - B 3 KR 10/06 R -, Juris). Eine abweichende vertragliche Regelung zwischen der Klägerin und dem Beklagten ist nicht gegeben. Allerdings besitzt das Pflegeheim vor der Kostenübernahme durch Bewilligungsbescheid keinen Vergütungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R -, SozR 4-1500 § 75 Nr. 9 Rdnr. 27), weshalb vor dem Erlass des Bewilligungsbescheides (§ 37 SGB X) auch kein Zinsanspruch wegen Verzugs entstehen kann. Ob ein Anspruch auf Verzugszinsen (§ 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB) überhaupt gegeben ist, kann vorliegend offen bleiben, da die Klägerin einen Anspruch auf Prozesszinsen geltend macht. Jedenfalls dieser besteht seit Rechtshängigkeit - hier ab dem 08.11.2007 (vgl. BSG, Urteil vom 23.03.2006 aaO) -, wobei der Senat über diesen Antrag nicht hinausgehen kann. Die Höhe des Zinsanspruchs richtet sich nach § 288 Abs. 2 BGB, da die Klägerin als Träger der Pflegeeinrichtung kein Verbraucher ist. Der Zinssatz beträgt damit 8 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz. Die Verzinsungspflicht endet mit dem Ablauf des Zahlungstages.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (vgl. BSG, Beschluss vom 01.09.2008 - B 8 SO 12/08 B -, SozR 4-1500 § 183 Nr. 8; Urteil vom 13.07.2010 -B 8 SO 13/09 R -; Juris).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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