L 10 AS 154/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 20204/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 154/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt zuletzt nur noch die Neubescheidung eines Antrags auf Förderung der Ausbildung zur Ergotherapeutin durch die Beklagte.

Sie ist 1980 geboren und beendete im August 1998 erfolgreich eine Ausbildung zur Assistentin in Bibliotheken, einem ehemaligen Ausbildungsberuf nach § 25 Berufsbildungsgesetz mit einer Ausbildungsdauer von zwei Jahren. Danach nahm sie keine versicherungspflichtige Tätigkeit (mehr) auf. Von 1999 bis 2005 besuchte sie ein Kolleg, um das Abitur nachzuholen, was letztlich nicht gelang. Seit Januar 2006 erhält sie von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Schreiben vom 01. März 2007 teilte die Akademie der Gesundheit B, eine staatlich anerkannte Schule für Ergotherapeuten, der Klägerin mit, sie sei zur Ausbildung zur staatlich anerkannten Ergotherapeutin ab dem 1. April 2007 zugelassen. Die Ausbildung sollte drei Jahre dauern. Zum Abschluss eines entsprechenden Vertrages ist es jedoch bis heute nicht gekommen.

Die Beklagte lehnte die von der Klägerin am 20. März 2007 beantragte Förderung der Ausbildung zur Ergotherapeutin unter Hinweis auf einen Beschluss des 6. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg (vom 29. November 2005 – L 6 B 388/00 AL ER, juris) vornehmlich mit der Begründung ab, dass es sich bei der streitigen Bildungsmaßnahme nicht um eine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung im Sinne des § 77 Abs 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) handele, sondern um eine berufliche Ausbildungsmaßnahme (Bescheid vom 18. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. August 2007).

Die anschließend erhobene Klage, mit der die Klägerin zuletzt beantragt hatte, die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen den Antrag auf Umschulung zur Ergotherapeutin, hilfsweise, zu einem anderen Beruf mit qualifiziertem Abschluss, ermessensgerecht zu bescheiden, ist erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgericht (SG) Berlin vom 23. November 2007). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die Förderung der Ausbildung zur Ergotherapeutin wegen § 85 Abs 2 Satz 3 SGB III ablehnen müssen, da die Klägerin eine eigenständige Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres vor Beginn der Maßnahme nicht habe sicherstellen können. Zu übrigen Ausbildungen habe die Beklagte keine besonderen Ermessenserwägungen anstellen müssen. Sie habe die Notwendigkeit einer beruflichen Umorientierung grundsätzlich anerkannt und nicht generell Weiterbildungsmaßnahmen abgelehnt oder auf die angebotenen kaufmännischen Tätigkeiten verengt. Es sei zunächst Sache der Klägerin, nach Mitteilung möglicher Ausbildungswünsche, deren Förderungsfähigkeit feststellen zu lassen.

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin zunächst ihre zuletzt bereits erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgt. Nachdem sie vom Senat auf die Unzulässigkeit des Hilfsantrags hingewiesen worden war (Schreiben des Berichterstatters vom 07. März 2008), hat sie diesen zurückgenommen und nur noch beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. August 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Antrag auf Förderung der Weiterbildung zur Ergotherapeutin für die Dauer von drei Jahren bei der Akademie für Gesundheit Bunter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des SG und ihre Bescheide für zutreffend.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, sowie die die Klägerin betreffende Leistungsakte und die Förderakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich noch das im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage (§ 54 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) verfolgte Begehren der Klägerin zum Erlass eines Bescheidungsurteils (§ 131 Abs 3 SGG), soweit es den von der Beklagten mit Bescheid vom 18. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. August 2007 abgelehnten Antrag auf Förderung betrifft; denn die Klägerin wendet sich mit ihrem Rechtsmittel nicht mehr gegen die Zurückweisung ihres hilfsweise im Verfahren vor dem SG erhobenen Klagebegehrens; dementsprechend begehrt die Klägerin - entgegen ihrem ausdrücklich gestellten Antrag, der insoweit nicht maßgeblich ist (§ 123 SGG) – auch nicht mehr die (vollständige) Aufhebung des Urteils des SG vom 23. November 2007, sondern nur noch dessen Änderung.

Die (jetzt noch anhängige) Klage ist jedoch nicht begründet, da die Beklagte den von der Klägerin behaupteten Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Ermessensausübung nicht verletzt hat. Die "Unterlassung des Verwaltungsaktes" ist nicht rechtswidrig, so dass der Bescheid vom 18. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. August 2007 rechtmäßig und die Beklagte nicht zu verpflichten war, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (§ 131 Abs 3 SGG).

Gemäß § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II können als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit unter anderem alle im Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III geregelten Leistungen erbracht werden. Soweit das SGB II nichts Abweichendes regelt, gelten für diese Leistungen die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des SGB III mit Ausnahme der Anordnungsermächtigungen für die Bundesagentur und mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Arbeitslosengeldes das Arbeitslosengeld II tritt (§ 16 Abs 1a SGB II). § 16 Abs 1a SGB II stellt somit klar, dass es sich bei der Verweisung auf die Regelungen des SGB III um eine Rechtsgrundverweisung handelt (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, RdNr 56 zu § 16).

Nach § 77 Abs 1 SGB III in der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Gesetzes können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn (1.) bei ihnen wegen eines fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, (2.) vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und (3.) die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind. Aus dem Wort "können" ist zu entnehmen, dass die Förderung der Maßnahme im Ermessen steht. Insoweit hat das SGB II nichts Abweichendes geregelt, wie sich aus der Verwendung des Wortes "kann" in § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II ergibt.

Zwar haben gemäß § 39 Abs 1 Satz 2 Allgemeiner Teil des Sozialgesetzbuchs (SGB I) die durch eine leistungsrechtliche Ermessensnorm des SGB – wie hier des § 77 Abs 1 Satz 1 SGB III – Begünstigten einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens, dies aber nur dann, wenn die Voraussetzungen für die Pflicht zur Ermessensbetätigung vorliegen. Nach § 54 Abs 2 Satz 1 SGG unterliegt die Erfüllung der Voraussetzungen für das Bestehen der Ermessensbetätigungspflicht der vollen gerichtlichen Überprüfung. Hingegen sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bezüglich der Ermessensbetätigung und ihres Ergebnisses, der Ermessensentscheidung, gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 SGG darauf beschränkt zu kontrollieren, ob die zuständige Behörde ihrer Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch), mit ihrer Ermessensentscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, das heißt eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt (Ermessensüberschreitung), oder von dem Ermessen in eine dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechende Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit und Ermessensmissbrauch). In jedem Fall entsteht die Pflicht des Leistungsträgers zur Ermessensbetätigung und das damit korrespondierende Recht des Bürgers auf fehlerfreien Ermessensgebrauch nur, wenn alle Voraussetzungen für die Ermessensbetätigungspflicht vorliegen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Es fehlt bereits an der Qualität der von der Klägerin angestrebten Maßnahme als Maßnahme der beruflichen Weiterbildung

Dabei ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entscheidungserheblich, ob ihre Behauptung zutrifft, ihr sei bereits am 20. März 2007 von einer Sachbearbeiterin der Beklagten ein Bildungsgutschein ausgehändigt worden, der die Zusage für die Förderung einer Umschulung zur Ergotherapeutin in den ersten zwei Jahren der Ausbildung "unter der Voraussetzung, dass die Finanzierung des dritten Jahres der Umschulung sichergestellt ist (entsprechende Nachweise sind vorzulegen)" enthalten habe, den diese Sachbearbeiterin dann aber wieder von ihr zurückverlangt habe. Denn zum einen hätte eine solche Zusage nur für eine auf insgesamt 24 Monate verkürzte Weiterbildung zur Ergotherapeutin gegolten und damit dem Begehren der Klägerin, vollständige Förderung einer dreijährigen Ausbildung bei der Gesundheits-Akademie, nicht entsprochen. Zum anderen kann mit einem Bildungsgutschein – so auch die Auffassung der Klägerin - allein das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen für die Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen, mithin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 77 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 und 2 SGB III, bestätigt werden (§ 16 Abs 1 SGB II iVm § 77 Abs 3 SGB III). Ob die dann vom Inhaber des Bildungsgutscheins ausgewählte Maßnahme auch zu fördern ist bzw die Kosten hierfür in voller Höhe zu übernehmen sind, hängt davon ab, dass neben der Übereinstimmung mit den im Bildungsgutschein genannten Kriterien auch die weiteren Voraussetzungen für die Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen – wie in § 77 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB III iVm §§ 84, 85 ff SGB III bestimmt - vorliegen. Dies ist jedoch schon deshalb nicht der Fall, weil es sich bei der hier streitigen Maßnahme nicht um eine solche der beruflichen Weiterbildung iS der §§ 77 ff SGB III handelt. Die insoweit allein förderungsfähigen beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen sind von Berufsausbildungsmaßnahmen (hierzu wären die Voraussetzungen in §§ 59 ff SGB III oder §§ 97, 98 Abs 1 Nr 1, 99, 100 Nr 5 SGB III iVm § 59 SGB III zu prüfen) und nach Maßgabe des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) förderungsfähigen schulischen Ausbildungsmaßnahmen abzugrenzen (Schmidt in Eicher/Schlegel, SGB III, RdNr 2a zu Vor §§ 77-96). Wie das Bundessozialgericht (BSG) zu den Regelungen des SGB III in Abgrenzung zur Rechtsprechung unter Geltung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) klargestellt hat, ist im Rahmen des SGB III die Abgrenzung zwischen Aus- und Weiterbildung ausschließlich unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme nach objektiven Kriterien vorzunehmen (BSG (7a. Senat) SozR 4-4300 § 77 Nr 2 RdNr 9; BSG, Urteil vom 17. November 2005 - B 11a AL 23/05 R, juris RdNr 17; vgl auch: Eicher in Jahrbuch des Sozialrechts Bd 27, S 371, Schmidt in Eicher/Schlegel, SGB III, RdNr 2a ff Vor §§ 77 bis 96, Stand Juni 2007; Luik in juris PraxisReport Sozialrecht 11/2007 Anm 3; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2006 – L 6 B 388/06 AL ER, juris RdNr 18, dieser Entscheidung ausdrücklich zustimmend Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, RdNr 82 zu § 16; LSG Baden-Württemberg, Entscheidungen vom 4. April 2007 - L 7 AL 755/07 ER-B, juris RdNr 18, und 19. Juli 2007 – L 7 AS 689/07, juris RdNr 15); maßgebend ist dabei die konkrete Ausgestaltung der Maßnahme, nicht die Perspektive des Teilnehmers. Daher ist es in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, ob es sich aus dessen Sicht um eine erste Bildungsmaßnahme handelt oder eine weitere Förderung nach Vorliegen eines Berufsabschlusses. Maßgeblich ist vielmehr die konkrete Ausgestaltung des Bildungsangebotes selbst nach Zuschnitt, Struktur und Inhalt. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, etwa welche Vorkenntnisse für die erfolgreiche Teilnahme erforderlich sind, welche Unterrichtsformen geplant sind und welcher Abschluss angestrebt wird. Während die berufliche Weiterbildung nach § 77 Abs 2 SGB III erkennbar auf eine angemessene Berufserfahrung als Grundlage einer beruflichen Weiterbildung abstellt, baut eine Ausbildungsmaßnahme nicht auf bereits erworbene berufliche Kenntnisse auf. Wie sich aus der in § 85 Abs 2 Satz 3 SGB III gegenüber einer Ausbildungsmaßnahme verkürzten Dauer einer Weiterbildungsmaßnahme ergibt, müssen die Inhalte und ihre Vermittlung bei einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung anders gestaltet sein als bei einer Erstausbildung; sie müssen an berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten anknüpfen, die aus einer vorangegangenen Ausbildung oder Tätigkeit resultieren.

Bei der Ausbildung zur staatlich anerkannten Ergotherapeutin handelt es sich um eine Ausbildungsmaßnahme. Nach dem Gesetz über den Beruf der Ergotherapeutin und des Ergotherapeuten vom 25. Mai 1976 (ErgThG; BGBl I 1246; zuletzt geändert durch Gesetz vom 02. Dezember 2007, BGBl I 2686) iVm der nach § 5 ErgThG erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten vom 02. August 1999 (ErgThAPrV; BGBl I 1731; zuletzt geändert durch Gesetz in der Fassung des Gesetzes zur Reform der beruflichen Bildung vom 23. März 2005 -BGBl I 931) dauert die Ausbildung – sofern sie in der Bundesrepublik Deutschland durchlaufen wird – drei Jahre. An dieser zeitlich ungekürzten Bildungsmaßnahme kann jede Person teilnehmen, die die in § 4 Abs 2 ErgThG normierten Voraussetzungen erfüllt. Nach dieser Vorschrift wird lediglich der Realschulabschluss oder eine andere gleichwertige Ausbildung oder eine nach dem Hauptschulabschluss abgeschlossene Berufsausbildung von mindestens zweijähriger Dauer vorausgesetzt. Ergänzend hierzu hat die Gesundheits-Akademie auf ihrer Internetseite (vgl www.Gesundheit-Akademie.de/Bildungsangebote/Ausbildung Ergotherapie.html) die Voll-endung des 17. Lebensjahres sowie das Vorliegen von Kommunikationsfähigkeit und der Bereitschaft zur Reflexion sowie der gesundheitlichen Eignung als sonstige Eigenschaften gefordert. Besondere berufliche Vorkenntnisse oder Erfahrungen sind weder nach § 4 Abs 2 ErgThG noch den zusätzlichen Kriterien der Gesundheits-Akademie Voraussetzung für die Teilnahme an dieser dreijährigen Bildungsmaßnahme. Insbesondere wird durch den für Teilnehmer mit Hauptschulabschluss zusätzlich geforderten Berufsabschluss nur der der Allgemeinbildung zuzuordnende Realschulabschluss ersetzt. Dass es sich bei der von der Klägerin angestrebten Ausbildung um eine umfassende Ausbildung für nicht beruflich Vorgeschulte/Erfahrene handelt, wird zum einen aus dem umfangreichen verbindlichen Themenkatalog in der Anlage 1 zur ErgThAPrV und zum anderen aus der Regelung des § 4 Abs 4 ErgThG deutlich. Denn nach § 4 Abs 4 Satz 1 ErgThG kann die zuständige Behörde auf Antrag eine andere Ausbildung im Umfange ihrer Gleichwertigkeit auf die Ausbildung für Ergotherapeuten anrechnen, wenn die Durchführung der Ausbildung und die Erreichung des Ausbildungszieles dadurch nicht gefährdet werden. Liegt eine nach bundesgesetzlichen Vorschriften abgeschlossene Ausbildung als Krankengymnast oder Physiotherapeut oder eine nach landesgesetzlichen Vorschriften abgeschlossene Ausbildung als Erzieher vor, ist diese sogar mit mindestens einem Jahr auf die Ausbildung zum Ergotherapeuten anzurechnen (§ 4 Abs 4 Satz 2 ErgThG). Demzufolge kann (§ 4 Abs 4 Satz 1 ErgThG) bzw muss (§ 4 Abs 4 Satz 2 ErgThG) die dreijährige Ausbildung bei bestimmten beruflichen Vorkenntnissen verkürzt werden. Derartige verkürzte Ausbildungen, für die die Klägerin ohne Vorkenntnisse nicht in Betracht kommt, könnten als berufliche Weiterbildung anzusehen sein (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2006 – L 6 B 388/06 AL ER, juris).

Die in Rede stehende Maßnahme ist im Übrigen selbst dann nicht als eine Weiterbildungsmaßnahme zu qualifizieren, wenn der Senat der Rechtansicht der Klägerin folgen würde, wonach eine berufliche Bildungsmaßnahme schon dann als Weiterbildung zu charakterisieren ist, wenn sie sich aus der subjektiven Sicht des (potentiellen) Teilnehmers als solche darstellt. Denn die Klägerin verfügt über keinerlei berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten, an die sie anknüpfen könnte und die es ihr erlauben würden, die angestrebte Maßnahme zu verkürzen, wenn dies denn erlaubt wäre.

Selbst wenn es sich bei der Ausbildung zur Ergotherapeutin um eine grds förderbare Weiterbildung iS der § 77 ff SGB III handeln würde, stände einer Förderung – wie bereits das SG zutreffend hervorgehoben hat - die Regelung des § 85 Abs 2 Satz 2 SGB III entgegen. Danach ist die Dauer einer Vollzeitmaßnahme nur dann angemessen, wenn sie gegenüber einer entsprechenden Berufsausbildung um mindestens ein Drittel der sonst üblichen Ausbildungszeit verkürzt ist. Zwar ist nach § 85 Abs 2 Satz 3 SGB III die Förderung eines Maßnahmeteils von bis zu zwei Dritteln der Maßnahme nicht ausgeschlossen, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert ist und eine Verkürzung um mindestens ein Drittel der Ausbildungszeit auf Grund von Bundes- oder Landesregelungen ausgeschlossen ist. Dabei kann unerörtert bleiben, ob ein gesetzlicher Ausschluss der Verkürzung der Ausbildungszeit überhaupt gegeben ist. Bedenken ergeben sich im Hinblick auf § 4 Abs 4 ErgThG, wonach - wie bereits dargelegt - beim Vorhandensein bestimmter beruflicher Vorkenntnisse/Erfahrungen eine Verkürzung der Ausbildung um ein Jahr (= ein Drittel) nicht nur möglich, sondern sogar zwingend zu gewähren ist. Ebenfalls keiner weiteren Erörterung bedarf es, ob nur eine institutionelle Finanzierung der gesamten Maßnahme bzw des dritten Ausbildungsjahres für alle Teilnehmer der Maßnahme den Anforderungen des § 85 Abs 2 Satz 3 SGB III gerecht würde (so jedenfalls die Rechtsauffassung der Bundesagentur für Arbeit im Verfahren L 6 B 388/06 AL ER des LSG Berlin-Brandenburg) oder eine "private" Förderung des dritten Ausbildungsjahres für den die Leistung beantragenden Teilnehmer als ausreichend angesehen werden könnte. Denn es existiert weder eine institutionelle Absicherung des dritten Ausbildungsjahres noch ist die Klägerin oder eine dritte Person bereit bzw in der Lage, vor Beginn der Ausbildung eine Absicherung des dritten Ausbildungsjahres zu gewährleisten, so dass sichergestellt werden könnte, dass die Maßnahme nicht nach Beendigung der zweijährigen Förderung aus finanziellen Erwägungen abgebrochen werden müsste.

Die fehlende Absicherung des letzten Ausbildungsdrittels ist – anders als die Klägerin meint – auch nicht etwa deshalb unerheblich, weil der Beklagten die Möglichkeit offen stehe, diese Finanzierungslücke durch weitere Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II zu schließen. Zwar ist es richtig, dass nach der zitierten Vorschrift über die in § 16 Abs 1 SGB II genannten Leistungen hinausgehend weitere Leistungen erbracht werden können, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind. Auch enthält § 16 Abs 2 Satz 1 SGB II eine Generalklausel für ergänzende Eingliederungsleistungen aller Art, für die die nicht abschließend in Satz 2 der Vorschrift aufgeführten Einzelleistungen die Rolle von Hauptbeispielen übernehmen (BSG (11b-Senat) SozR 4-4200 § 16 Nr 1 RdNr 18). Eine Finanzierung des dritten Jahres durch die Beklagte scheitert aber, was die Klägerin übersieht, an der Regelung in 16 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II, wonach die weiteren Leistungen die Leistungen nach Abs 1 nicht aufstocken dürfen.

Die Bestimmungen des § 85 Abs 2 Satz 2 und 3 SGB III sind auch mit der Verfassung vereinbar. Im Gegensatz zu der Auffassung der Klägerin enthalten diese Bestimmungen schon keine von Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) untersagte Beschränkung der Berufsfreiheit; denn sie verbieten nicht die Wahl eines bestimmten Berufes, sondern untersagen nur die staatliche Förderung einer bestimmten, im übrigen unbeschränkt und frei wählbaren Berufsausbildung, sofern die in § 85 Abs 2 Satz 3 SGB III statuierten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Sie betreffen damit nur die wirtschaftliche Lage des Berufsbewerbers, nicht aber die Art und Weise des Berufszugangs oder der Berufsausübung (vgl BSG SozR 4100 § 36 Nr 21). Ebenso wenig betreffen die bezeichneten geschlechtsneutral formulierten Vorschriften vor allem Frauen, so dass eine mittelbare Diskriminierung von Frauen gegenüber Männern in Frage stände und damit der Schutzbereich von Art 3 Abs 2 GG bzw Art 3 Abs 3 Satz 1 GG berührt wäre (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl 2007, RdNr 85f zu Art 3). Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang daher der Einwand der Klägerin, die Regelungen der § 85 Abs 2 Satz 2 und 3 SGB III seien deshalb mittelbar diskriminierend, weil von ihr diejenigen betroffen seien, die – wie sie - in Gesundheitsfachberufe und damit Berufe strebten, die überwiegend von Frauen ausgeübt würden.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die angestrebte Ausbildung bei der Gesundheitsakademie auch nicht nach §§ 59 ff SGB III von der Bundesagentur für Arbeit gefördert werden könnte. Dies scheitert schon daran, dass förderungsfähig nach § 60 Abs 2 Satz 1 SGB III nur die erstmalige Ausbildung ist. Diese Voraussetzung erfüllt die Ausbildung zur Ergotherapeutin aber nicht, weil die Klägerin bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung zur Assistentin in Bibliotheken besitzt. Darüber hinaus sind aber auch die Voraussetzungen nach § 60 Abs 1 SGB III nicht erfüllt, weil es sich bei der von der Klägerin konkret ins Auge gefassten Ausbildungsmaßnahme der Gesundheitsakademie nicht um eine betriebliche oder außerbetriebliche Ausbildung, sondern um eine schulische Ausbildung an einer Berufsfachschule (§ 4 Abs 1 ErgThg) handelt, da der Unterrichtsteil mit 2700 Stunden den praktischen Ausbildungsteil mit 1800 Stunden (vgl www.Gesundheit-Akademie.de/Bildungsangebote/Ausbildung Ergotherapie.html) bei weitem überwiegt. Demzufolge ist diese schulische Ausbildung nach den Vorschriften des BAföG grds förderungsfähig (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BAföG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung zur Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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