S 1 KR 382/07

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 382/07
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es besteht keine Verpflichtung des Krankenhauses, die in der Anlage 1 zu § 3 des Vertrages zu § 115 b SGB 5 aufgeführten Eingriffe ambulant durchzuführen. Vielmehr führt die Anlage 1 Operationen auf, die in der Regel ambulant durchgeführt werden können.

Bei der ärztlichen Entscheidung, ob ein nach § 115 b SGB 5 ambulant durchführbarer Eingriff stationär durchgeführt wird, sind auch die persönlichen Lebensumstände als soziale Erwägungen zu berücksichtigen.

Hierzu zählen auch fehlende ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, soweit dadurch die angemessene Vorbereitung auf die Operation bzw. die anschließende Versorgung des Kranken gefährdet sein kann. Insoweit kann eine präoperative vollstationäre Behandlung notwendig werden.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 698,14 Euro zuzüglich 2% Zinsen über dem Basiszinssatz ab 06. Juni 2007 zu zahlen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtskosten. Der Streitwert wird auf 698,14 Euro festgesetzt. Die Berufung wird zugelassen. Rechtsmittelbelehrung: Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht Gottorfstr. 2 24837 Schleswig schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Lübeck Eschenburgstraße 3 23568 Lübeck schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Lübeck schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen. Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung einer stationären Behandlung streitig.

Die Klägerin betreibt ein Universitätsklinikum in Schleswig-Holstein. Dort wurde vom 02. bis zum 04. Januar 2006 der Säugling A. P , geboren am 2005, stationär behandelt. Zuvor hatte sich die Mutter des Patienten in der kinderchirurgischen Ambulanz der Klägerin vorgestellt, da bei der Routineuntersuchung eine Schwellung der rechten Leiste aufgefallen war. Es wurde eine Hernieotomie festgestellt und am 03. Januar 2006 die Operation durchgeführt und die Bruchlücke verschlossen. Die Klägerin verwies hinsichtlich der Aufnahme zur vollstationären Behandlung darauf, dass die Verständigung mit der Mutter überaus schwierig gewesen sei, da diese über keine Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge, sondern nur russisch spreche und auch die Erkrankung und das Prozedere nur schwer verständlich zu machen waren. Sie verwies auf die Gefahr, dass der Säugling am Operationstag nicht nüchtern in der Klinik erscheinen würde (vergleiche Arztbericht an den behandelnden Kinderarzt Dr. L vom 03. März 2006).

Die Beklagte legte diesen Fall dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nord (MDK) zusammen mit dem Arztbrief und dem Operationsbericht vom 03. Januar 2006 vor. Dieser verwies darauf, dass es sich bei einer Hernienoperation um eine ambulant wahrnehmbare Operation gemäß § 115b SGB V handelt, diese also regelhaft ambulant durchzuführen sei. Der MDK führte aus, im konkreten Behandlungsfall sei die stationäre Behandlungsnotwendigkeit durchaus nachvollziehbar. Dies gelte jedoch nicht für die stationäre Behandlungsdauer. Aus rein medizinischer Sicht sei ein Übernachtverbleib ausreichend gewesen, das weitere Behandlungsprozedere habe durchaus auch ambulant durchgeführt werden können.

Im Ergebnis stellte der MDK eine sekundäre Fehlbelegung fest, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 26. Oktober 2006 der Klägerin mitteilte, dass die Abrechnung entsprechend gekürzt worden sei.

Dagegen richtet sich die Klage vom 06. Juni 2007. Die Klägerin macht geltend, dass lediglich eine Teilzahlung in Höhe von 1.424,83 Euro geleistet worden sei, so dass noch ein Betrag von 698,14 Euro aus der Rechnung vom 02. Februar 2006 über 2.122,97 Euro offen stehe. Die Klägerin ergänzt, der MDK habe lediglich die Dauer der vollstationären Behandlung insoweit kritisiert, als "ein Übernachtverbleib" (gemeint sei nach der Operation) für ausreichend erachtet worden sei. Während die Beklagte die Notwendigkeit des präoperativen Tages kritisiert habe, sei auch der MDK der Auffassung gewesen, dass der präoperative Tag stationär erforderlich gewesen sei, da die Mutter des Kindes nur sehr wenig deutsch gesprochen habe, weshalb die stationäre Aufnahme am Vortag erforderlich gewesen sei, um die Nüchternheit des Patienten am Operationstag zu gewährleisten und den Säugling keiner weiteren Gefahr auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihr 698,14 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf das sozialmedizinische Gutachten des MDK Nord vom 23. Oktober 2006 und führt ergänzend aus, der MDK komme zu dem Ergebnis, dass ein Übernachtverbleib nach der Operation ausreichend gewesen sei, mithin keine medizinische Notwendigkeit für eine Aufnahme am Tag vor der Operation bestanden habe.

Die Kammer hat die den Patienten betreffende Krankenakte beigezogen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2008 hat die Kammer Beweis erhoben durch Anhörung des Arztes für Chirurgie und Sozialmedizin M zu den in der Ladungsverfügung mitgeteilten Beweisfragen. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 28 bis 35 der Gerichtsakte verwiesen. Die Beklagte hat dem Gutachten nicht zu folgen vermocht und ausgeführt, die vom Sachverständigen benannten Gründe für die Krankenbehandlung bedingten keine medizinische Notwendigkeit im Sinne des § 39 SGB V.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Denn es geht bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch einen Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 86, 166, 167 ff.; BSGE 90, 1 ff.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.

Die zulässige Klage ist auch begründet, denn die Beklagte ist unzutreffend von einer sekundären Fehlbelegung ausgegangen. Zur Auffassung der Kammer und in Würdigung des Gutachtens des Gerichtssachverständigen hat die vollstationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit in dem gesamten Behandlungszeitraum vom 02. bis zum 04. Januar 2006 bestanden.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i. V. m. der entsprechenden Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2006. Die Zahlungspflicht der Krankenkasse entsteht -unabhängig von einer Kostenzusage- unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Der Behandlungspflicht der zugewiesenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in den §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und nach der Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträgern festgelegt wird (BSGE 86, 166, 168; BSGE 90, 1, 2).

Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssten beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen, wobei unter Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ein Krankheitszustand zu verstehen ist, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Neben der Krankenbehandlung, die bereits notwendig ist, wenn es gilt, die Verschlimmerung einer Krankheit zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, verlangt eine Behandlung mit den besonderen Mitteln des Krankenhauses nach § 39 SGB V die medizinische Notwendigkeit eines besonders qualifizierten Pflegepersonals, die besondere apparative Ausstattung und insbesondere die intensive Behandlung und jederzeitige Präsenz bzw. Rufbereitschaft qualifizierter Ärzte. Die Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus muss gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich sein, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre und ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Für sich alleine gibt diese Formulierung keinen endgültigen Aufschluss darüber, ob mit dem Merkmal der Erforderlichkeit ausschließlich der medizinische Bedarf gemeint ist oder ob auch andere Umstände die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung begründen können. Fest steht nach dem Wortlaut nur, dass der Aufenthalt im Krankenhaus einem Behandlungszweck dienen muss und die Krankenkasse deshalb nicht leistungspflichtig ist, wenn der Patient aktuell keiner ärztlichen Behandlung (mehr) bedarf, sondern aus anderen Gründen, etwa wegen Hilflosigkeit, Pflegebedürftigkeit, zur Verwahrung oder zum Schutz der Öffentlichkeit, im Krankenhaus behalten oder dort untergebracht wird (ständige Rechtsprechung des BSG; siehe zuletzt BSGE 94, 161; Beschluss des Großen Senats vom 25. September 2007, GS 1/06). Bereits in seinem Urteil vom 12. September 1979 (BSGE 49, 216) hat das BSG bekräftigt, dass soziale Erwägungen in allgemeiner Art oder familiärer Umstände einen Anspruch auf Krankenhauspflege gegen den Träger der Krankenversicherung nicht begründen können, die stationäre Behandlung vielmehr allein aus medizinischen Gründen notwendig sein muss. Reiche eine ambulante Behandlung aus, könne die Notwendigkeit von Krankenhauspflege nicht damit begründet werden, dass der Versicherte mangels eines geeigneten Pflegeplatzes außerhalb des Krankenhauses nicht ordnungsgemäß betreut werden könne. Soziale Notlagen zu beseitigen sei nicht die Zweckbestimmung eines Krankenhauses (BSG, a. a. O.). Andererseits können die konkreten sozialen Bedingungen im Einzelfall und die familiären Umstände bei der Aufnahme zur vollstationären Behandlung dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn sie Auswirkungen auf den Erfolg der Behandlung haben.

Dies gilt insbesondere bei Eingriffen, die in der Regel ambulant durchgeführt werden können (§ 115 b SGB V ). Dabei ist unstreitig, dass eine Hernienoperation, also die operative Versorgung eines Leistenbruchs, in der Regel ambulant durchgeführt werden kann. Dies war bereits in der Anlage 1 zum früheren Vertrag nach § 105 b SGB V der Fall ( GO Nr. 2620 ). Die Kammer geht davon aus, dass die Anlage 1 zum aktuellen Vertrag keine andere Regelung enthält, obwohl mangels Gliederung der OPS-Codes dieser für die Hernienoperation nicht ermittelt werden konnte.

Allerdings gilt der Katalog ambulant durchführbarer Operationen nach der aktuellen Anlage 1 zum Vertrag nach § 115b SGB V – Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus – vom 17. August 2006 ( DÄ Jg. 103, Heft 39, Seite 2578 ff ) nicht uneingeschränkt, sondern bezeichnet lediglich Operationen, die in der Regel ambulant durchgeführt werden können. Aus dem als Anlage 1 zu § 3 des Vertrages beigefügten Katalog kann nicht die Verpflichtung hergeleitet werden, dass die dort aufgeführten Eingriffe ausschließlich ambulant zu erbringen sind ( § 2 Abs. 2 S. 1 des Vertrages, a.a.O. ). Der Arzt ist verpflichtet, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Art und Schwere des Eingriffs unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands des Patienten die ambulante Durchführung der Operation nach den Regeln der ärztlichen Kunst mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erlauben ( § 2 Abs. 2 S. 2 des Vertrags, a.a.O. ) Auch muss sich der verantwortliche Arzt vergewissern und dafür Sorge tragen, dass der Patient nach Entlassung aus der unmittelbaren Betreuung des operierenden Arztes auch im häuslichen Bereich sowohl ärztlich als gegebenenfalls auch pflegerisch angemessen versorgt wird ( § 2 Abs. 2 S. 3 des Vertrages, a.a.O. ).

In dem Vertrag sind somit allgemeine Tatbestände bestimmt, bei deren Vorliegen nach der Entscheidung des verantwortlichen Arztes und nach dessen Ermessen eine stationäre Durchführung erforderlich sein kann. Diese Tatbestände liegen als persönliche Lebensumstände grundsätzlich außerhalb der eigentlichen medizinischen Erforderlichkeit, die im engeren Sinn eine vollstationäre Behandlung nicht erforderlich machen.

Weitere allgemeine Tatbestände, bei deren Vorliegen eine stationäre Durchführung der vereinbarten in der Regel ambulant durchführbaren Operationen erforderlich sein kann, ergeben sich aus der Anlage 2 zum Vertrag nach § 115 b SGB V. Auch danach sind als allgemeine individuelle Tatbestände die fehlende Sicherstellung der Versorgung des Patienten im familiären bzw. häuslichen Umfeld oder die pflegerische Nachbetreuung anzusehen. Daneben wird anerkannt, dass auch soziale Faktoren zu prüfen sind. So kann die fehlende Kommunikationsmöglichkeit des Patienten im Fall von postoperativen Komplikationen die ambulante Versorgung postoperativ gefährden ( § 2 Abs. 2 S. 4 der Anlage 2 des Vertrags nach § 115 b SGB V ). All dies zeigt, dass durchaus bei Eingriffen nach § 115 b SGB V neben der medizinischen Notwendigkeit auch andere Faktoren zu berücksichtigen sind.

Vorliegend wird vom MDK auch nicht bestritten, dass trotz der in der Regel ambulant durchführbaren Hernienoperation die vollstationäre Behandlungsbedürftigkeit nachvollziehbar ist. Leider wird diese Bewertung nicht näher begründet, denn es wäre interessant zu erfahren, welche konkreten Gründe die vollstationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit dem Grunde nach zu begründen vermocht haben, jedoch nicht deren Dauer. Der Hinweis, ein Übernachtverbleib sei aus rein medizinischer Sicht ausreichend gewesen, hilft hier auch nicht weiter, denn er sagt nichts über den hier strittigen präoperativen Behandlungstag aus. Jedenfalls hat der MDK den präoperativen Behandlungstag, d.h. die Aufnahme des Säuglings am Tag vor der Operation, nicht ausdrücklich als medizinisch nicht notwendig abgelehnt.

Hierzu hat der nach § 106 SGG angehörte medizinische Sachverständige ausgeführt, dass es nach Auswertung des Sachverhaltes fraglich erscheint, dass die Mutter das Kind ordnungsgemäß zur Operation auf Grund der Verständigungsschwierigkeiten hätte vorbereiten können. Es habe durchaus die Gefahr bestanden, dass das Kind nicht nüchtern zur Operation erschienen wäre, die Säuberung des Kindes vor der Operation sei ebenfalls zwingend erforderlich gewesen. Der Gutachter hat im Ergebnis nicht nur die vollstationäre Krankenhausbehandlung dem Grunde sondern auch der Länge nach für medizinisch erforderlich angesehen. Sein Hinweis, dabei habe es sich um eine Ermessensentscheidung des behandelnden Arztes gehandelt, schränkt dieses Ergebnis nicht ein. Denn nach dem Vertrag nach § 115 b SGB V ist es gerade der verantwortliche Arzt, der von der Regel des ambulanten Eingriffs bei Vorliegen besonderer Tatbestände abweichen kann. Der Einwand der Beklagten im Termin, sollte tatsächlich das Kind nicht nüchtern zur Operation erschienen sein, so hätte es nach Hause geschickt werden können, vermochte die Kammer nicht zu überzeugen. Denn auf Grund der Verständigungsschwierigkeiten mit der Mutter wäre es eben gerade fraglich gewesen, ob das Kind nun nüchtern oder nicht nüchtern gewesen sei. Die Kontrolle darüber, ob das Kind keine Nahrung aufgenommen hat, war nur bei der Aufnahme am Tag vor der Operation möglich. Im Übrigen steht es nicht im Belieben der Krankenkasse, den Zeitpunkt der Leistungserbringung zu bestimmen. Dies obliegt vielmehr dem Krankenhaus.

Die Kammer hat letztlich keine begründeten Anhaltspunkte dafür zu sehen vermocht, dem Gutachten nicht folgen zu können. Der Sachverständige ist bereits lange Jahre für die Sozialgerichtsbarkeit tätig und verfügt über umfangreiche Erfahrungen.

Zwar entscheidet letztlich darüber, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Gewährung vollstationärer Krankenhausbehandlung als Sachleistung zusteht und darin eingeschlossen, ob eine stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, die Krankenkasse, gegen die sich der Anspruch richtet und ein Beurteilungsspielraum oder eine Einschätzungsprärogative im Sinne eines Entscheidungsfreiraums mit verminderter Kontrolldichte kommt dem Krankenhausarzt nicht zu (BSG, Beschluss des Großen Senats a. a. O.), die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist im Prozess vom Gericht jedoch vollständig zu überprüfen und dies gilt auch dann, wenn die Krankenkasse ihre Leistungspflicht nachträglich für einen zurückliegenden Zeitraum bestreitet. Als Ergebnis dieser gerichtlichen Überprüfung in Übereinstimmung mit den Feststellungen des hierzu gehörten Gerichtssachverständigen war dem Klaganspruch letztlich stattzugeben, denn auch für den präoperativen Tag war die Beklagte leistungspflichtig.

Der Zinsanspruch resultiert aus der zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossenen Pflegesatzvereinbarung für 2006.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert richtet sich nach der geltend gemachten Forderung, denn gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 3 GKG ist bei einer Klage auf eine bezifferte Geldleistung deren Höhe maßgebend. Die geltend gemachten Zinsen waren gemäß § 43 Abs. 1 GKG nicht zu berücksichtigen.

Die Kammer hat die nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des SGG und des ArbGG vom 26. März 2008 grundsätzlich unzulässige Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen.

Klingauf
Rechtskraft
Aus
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