L 12 AS 28/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 36/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 28/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 34/09 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 16.05.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der der Klägerin für die Zeit von Juli 2006 bis Juni 2007 zustehenden Leistungen für die Kosten der Unterkunft. Die 1949 geborene Klägerin lebt von ihrem Mann getrennt. Sie bewohnt mit ihrer 1972 geborenen Tochter eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 88 qm. Die Kaltmiete hierfür beträgt 485,73 EUR. Hinzu kommen Nebenkosten von 100,00 EUR und Heizkosten (einschließlich der Kosten für die Warmwasserbereitung) von 90,00 EUR monatlich. Ab September 2006 wurden die Heizkosten auf 110,00 EUR monatlich erhöht.

Seit Januar 2005 bezieht die Klägerin - wie ihre Tochter auch - Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Für die Monate Januar 2005 bis Dezember 2005 waren ihr monatlich insgesamt 674,86 EUR bewilligt worden. Neben der Regelleistung von 345,00 EUR bezog sie für die Kosten der Unterkunft 329,86 EUR. Diese setzten sich zusammen aus der Hälfte der Miete, der Nebenkosten und der Heizkosten.

Mit Schreiben vom 28.06.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der als angemessen angesehene Höchstbetrag für die von ihr und ihrer Tochter bewohnten Wohnung 540,00 EUR monatlich betrage. Auf sie entfalle die Hälfte dieses Betrages, mithin 270,00 EUR als angemessene Kosten der Unterkunft. Außerdem wurde der Klägerin mitgeteilt, ihre Unterkunftskosten würden spätestens nach Ablauf von 6 Monaten nur noch mit dem angemessenen Betrag berücksichtigt, so dass empfohlen werde, die Unterkunftskosten auf das Angemessene zu reduzieren.

Nachdem in der Folgezeit kein Wohnungswechsel oder eine andere Reduzierung der Unterkunftskosten durch die Klägerin erfolgte, bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 18.11.2005 für die Zeit von Januar 2006 bis Juni 2006 neben dem Regelsatz von monatlich 345,00 EUR für die Kosten der Unterkunft nur noch monatlich 270,00 EUR.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2006 zurück. Zur Begründung hieß es, für einen Zwei-Personen-Haushalt sei eine Wohnfläche von 60 qm angemessen. Auf der Grundlage des Wohnungsmietspiegels nach den Kenndaten des C Mietwohnungsmarktes sei hierfür eine Gesamtmiete von 540,00 EUR angemessen. Der Klägerin stehe hiervon, da sie mit ihrer Tochter zusammen wohne, die Hälfte, mithin 270,00 EUR zu.

Ihre dagegen vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhobene Klage begründete die Klägerin damit, sie bilde mit ihrer Tochter keine Bedarfsgemeinschaft. Jede sei als alleinstehend anzusehen. Daher sei für sie und ihre Tochter eine Wohnfläche von jeweils 45 qm angemessen. Die derzeit bewohnte Wohnung übersteige diese Fläche nicht und sei somit angemessen. Im Übrigen sei auch zu bedenken, dass bei einer Wohngemeinschaft von fremden Personen von einem Bedarf von 45 qm pro Person ausgegangen werde. Es sei nicht einzusehen, wieso das bei ihr und ihrer Tochter anders sein solle.

Mit Urteil vom 24.11.2006 wies das SG Köln (- S 11 AS 103/06 -) die Klage als unbegründet ab. Dieses Urteil wurde rechtskräftig.

Mit Bescheid vom 08.06.2006 gewährte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Juli 2006 bis Dezember 2006 und mit Bescheid vom 04.12.2006 für die Zeit von Januar 2007 bis Juni 2007 im bisherigen Umfang.

Die von der Klägerin dagegen im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft am 27.06.2006 und 04.01.2007 erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2007 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat vor dem SG Köln Klage erhoben und weiterhin höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft begehrt.

Das SG ist von dem Antrag der Klägerin ausgegangen,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 08.06.2006 und 04.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2007 zu verurteilen, ihr für die Zeit von Juli bis August 2006 Kosten der Unterkunft von 329,86 EUR monatlich und für die Zeit von September 2006 bis Juni 2007 Kosten der Unterkunft von 337,96 EUR zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer in den angefochtenen Bescheiden zum Ausdruck gebrachten Auffassung festgehalten.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.05.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es wie folgt ausgeführt:

"Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Klägerin ist durch sie nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat die der Klägerin zu gewährenden Leistungen nach dem SGB II richtig berechnet. Einen Anspruch auf höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft hat die Klägerin nicht.

Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate.

Die Klägerin hat hier für insgesamt 12 Monate die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizungskosten für die von ihr zusammen mit ihrer Tochter bewohnte Wohnung erhalten. Mit Schreiben vom 28.06.2005 ist die Beklagte auf die Unangemessenheit dieser Wohnung sowie auf die sich hieraus ergebenden Konsequenzen (Berücksichtigung lediglich der jeweils hälftigen Kosten für einen Zwei-Personen-Haushalt) hingewiesen.

Die Frage der Angemesssenheit der Wohnung ist vorliegend nach Ansicht des Gerichts unter Berücksichtigung des tatsächlich bestehenden Zwei-Personen-Haushaltes zu prüfen. Nicht abzustellen ist, wie die Klägerin offenbar meint, auf den fiktiven Bedarf zweier Ein-Personen-Haushalte, denn allein der tatsächliche Bedarf der von der Klägerin und ihrer Tochter frei gewählten Lebensform des Zwei-Personen-Haushaltes ist maßgebend. Laut § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Tatsächliche Aufwendungen entstehen vorliegend für einen Zwei-Personen-Haushalt, denn das Arbeitslosengeld II soll lediglich den tatsächlichen Bedarf decken. Bei dessen Ermittlung hat im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin der Begriff der Bedarfsgemeinschaft keine Bedeutung. Dies ergibt sich bereits zwangsläufig daraus, das es ansonsten zu einer Ungleichbehandlung von Lebensformen je nachdem kommt, ob diese eine Bedarfsgemeinschaft bilden (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz). Diese Ungleichbehandlung lässt sich aber durch keine sachlichen Gründe rechtfertigen. Durch die Lebensform der Haushaltsgemeinschaft - ohne dass es sich um eine Bedarfsgemeinschaft handelt - werden von den daran Beteiligten infolge zumindest gemeinsamen Wohnens Kosten gegenüber einem getrennten Wohnen eingespart. Diese Situation ist der von Familien bzw. Bedarfsgemeinschaften (mit minderjährigen Kindern) vergleichbar. Der Bedarf solcher Familien oder Lebensgemeinschaften, die eine Bedarfsgemeinschaft bilden, wird dabei jeweils anhand der für diese Bedarfsgemeinschaft vorgegebenen und als angemessen betrachteten Wohnungsgröße ermittelt. Nicht abgestellt wird auf den Bedarf jedes einzelnen Mitglieds dieser Bedarfsgemeinschaft. Diesen gegenüber wären bloße Haushaltgemeinschaften oder Wohngemeinschaften leistungsrechtlich besser gestellt, wenn für diese auf einen fiktiven Bedarf abgestellt werden würde, ohne dass es einen sachlichen Grund für diese Differenzierung gäbe. Deshalb ist bei der Berechnung der zu zahlenden Unterkunftskosten auf die tatsächlich bestehende Wohnsituation abzustellen und deren Angemessenheit zu prüfen (vergl. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 15.09.2006, Az.: L 10 B 429/05 AS ER).

Eine Ermittlung des Unterkunfts- und Heizungskostenbedarfs anhand zweier fiktiven Ein-Personen-Haushalte würde zu einer Überversorgung dieser Haushaltsgemeinschaft führen, denn durch gemeinsames Wohnen würde die Haushaltsgemeinschaft finanzielle Aufwendungen einsparen. Damit würde aus Steuermitteln ein nicht bestehender Bedarf gedeckt werden.

Es ist somit der Bedarf der einzelnen Bewohner danach zu bemessen, welche Unterkunfts- und Heizungskosten in einem Zwei-Personen-Haushalt tatsächlich entstehen und dieser Bedarf ist dann anteilig auf beide Bewohner zu verteilen (im Ergebnis ebenso: Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdnr. 39; zur Rechtslage nach dem BSHG vgl. OVG Nds. Urteil vom 16.06.2004 - 12 LC 67/04 - veröffentlicht in "juris").

Die angemessenen Unterkunftskosten sind auch durch die Beklagte zutreffend ermittelt worden. Bei einer Belegung der Wohnung mit zwei Personen ist eine Wohnungsgröße - wie früher auch im Bereich der Sozialhilfe - von 60 qm durchaus angemessen und ausreichend. Der Betrag von insgesamt 540 EUR für eine 60 qm große Wohnung entspricht zudem den Angemessenheitskriterien für den Rheinisch-Bergischen-Kreis. Nach der Anlage zu § 8 WoGG ist bei einem Haushalt mit zwei Personen in C eine Miete von ca. 350 EUR bis 380 EUR berücksichtigungsfähig. Rechnet man Neben- und Heizkosten hinzu, ergibt sich eine angemessene Miete von - höchstens - 540 EUR. Einwände gegen diese Berechnung hat die Klägerin auch nicht vorgetragen.

Anhaltspunkte dafür, dass es nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung auf ein angemessenes Maß zu senken, fehlen. Insbesondere hat die Klägerin die Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit nicht dargetan."

Gegen den ihr am 23.05.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14.06.2007 Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, durch die Wohngemeinschaft mit ihrer Tochter fielen Kosten für die Unterkunft von 329,86 bzw. 337,96 EUR monatlich an. Neben der Gesamtgröße der Wohnung von 88 qm sei auch der geringe Mietzins von 5,52 EUR / qm zu berücksichtigen. Sie ist der Ansicht, ihre Betriebskosten seien angemessen. Von ihr zu verlangen, einen Wohnungswechsel vorzunehmen, sei wirtschaftlich unsinnig und nicht nachvollziehbar.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 16.05.2007 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Für die Berufung der Klägerin, die entgegen dem Wortlaut des vom SG angenommenen Klageantrags nach ihrem Schriftsatz vom 12.06.2007 und ihrem gesamten Vorbringen eindeutig erkennbar monatlich 329,86 EUR bzw. 337,96 EUR statt der von der Beklagten bewilligten Leistungen für die Kosten der Unterkunft in Höhe von 270,00 EUR begehrt, ist angesichts des Zeitraums von 12 Monaten der erforderliche Wert von 500,00 EUR gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis 31.03.2008 gültigen Fassung erreicht (2 x 59,86 = 119,72 und 10 x 67,96 = 679,60; gesamt: 799,32 EUR).

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft der oben genannten monatlichen Differenzbeträge in Höhe von 119,72 EUR für Juli und August 2006 und in Höhe von 679,60 EUR für die Zeit vom 01.09.2006 bis 30.06.2007.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Prüfung der Angemessenheit der Wohnung vorliegend unter Berücksichtigung der tatsächlich bestehenden Zwei-Personen-Haushaltsgemeinschaft zu erfolgen hat und der Unterkunftskostenbedarf anteilig auf beide Haushaltsmitglieder aufzuteilen ist.

Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides und schließt sich ihnen an (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, von ihr zu verlangen, einen Wohnungswechsel vorzunehmen, sei wirtschaftlich nicht nachvollziehbar, und sie damit möglicherweise zum Ausdruck bringen möchte, dass die Kosten für die Beklagte insgesamt dann ansteigen könnten, wenn sowohl sie (die Klägerin) als auch ihre Tochter allein jeweils in angemessene 45 qm Wohnungen umziehen würden, vermag ein solcher lediglich angenommener Fall nichts an der hier maßgeblichen tatsächlichen Unangemessenheit der derzeitigen Wohnung der Klägerin zu ändern. Im Übrigen lässt sich einer möglichen Kostentragung zweier Ein-Personen-Haushalte durch die Beklagte entgegenhalten, dass die Klägerin und ihre Tochter zumindest in nächster Zukunft in der bisherigen Haushaltsgemeinschaft weiterhin zusammen leben möchten und damit in erster Linie ein Umzug in eine für zwei Personen angemessene Wohnung in Betracht käme. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass sich durch Erlangung eines entfernt liegenden Arbeitsplatzes der 1972 geborenen Tochter der Klägerin unter Umständen ein Zusammenleben in der Haushaltsgemeinschaft nicht mehr aufrecht erhalten ließe.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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