L 5 AS 449/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 AS 11382/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 AS 449/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Mangel der hinreichenden Bestimmtheit eines Sanktionsbescheides kann durch dessen Konkretisierung im Widerspruchsbescheid mit Rückwirkung geheilt werden.
Stellt ein Arbeitsangebot nicht von vornherein offensichtlich eine Gefährdung der Kindeserziehung dar, kann dessen Unzumutbarkeit nur dann angenommen werden, wenn hierfür konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Dies setzt regelmäßig eine Kontaktaufnahme des Hilfebedürftigen mit dem Arbeitgeber voraus.
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheides.

Der 1969 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben nach Abbruch eines Studiums lange Zeit als Fernsehredakteur gearbeitet. Seit Anfang 2005 bezieht er vom Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Seit Mai 2005 lebt in seinem Haushalt auch sein im Dezember 2003 geborener Sohn, der seit Oktober 2005 eine Kita besucht.

Mit Bescheid vom 29. März 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 7. April 2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger und dessen Sohn Leistungen für September und Oktober 2006 in Höhe von monatlich 966,00 Euro, wobei er dem Kläger den Regelsatz von 345,00 Euro gewährte. Am 6. Juli 2006 überreichte der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten dem Kläger im Rahmen eines – laut Angaben des Klägers in der Klageschrift "ausführlichen" - Beratungsgespräches zwei Vermittlungsvorschläge, darunter einen für eine Vollzeittätigkeit bei der Z K gGmbH. Nach Angaben des Klägers wurde laut Stellenbeschreibung ein Erzieher zur Anleitung anderer ABM-Helfer mit viel Erfahrung in sozialen und organisatorischen Bereichen sowie in der Betreuung an Grundschulen gesucht. Der Vermittlungsvorschlag enthielt auch eine Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Nichtaufnahme der angebotenen Arbeit. Auf diese Stelle bewarb sich der Kläger nicht.

Mit Schreiben vom 18. Juli 2006 hörte der Beklagte den Kläger wegen des nicht zustande gekommenen Arbeitsverhältnisses an. Daraufhin teilte der Kläger mit Schreiben vom 21. Juli 2006 mit, dass er den Vermittlungsvorschlag in seinen Unterlagen abgelegt und dort vergessen habe.

Am 26. Juli 2006 erließ der Beklagte einen Bescheid zur Absenkung des Arbeitslosengeldes II gemäß § 31 SGB II. Darin hieß es wörtlich: "Der Ihnen zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II wird unter Wegfall des eventuell zustehenden Zuschlages nach § 24 SGB II für die Zeit vom 1. September 2006 bis 30. November 2006 monatlich um 30 % der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages, abgesenkt. Daraus ergibt sich eine Absenkung in Höhe von maximal 104,00 Euro monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wird insoweit ab dem 1. September 2006 gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben." Zur Begründung hieß es, dass der Kläger die ihm am 6. Juli 2006 angebotene, zumutbare Arbeit als Erzieher bei der Firma Z K gGmbH trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht angenommen habe, indem er sich nicht beworben habe.

Am 17. August 2006 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Der Sanktionsbescheid sei rechtswidrig. Er habe sich nicht geweigert, sich bei dem Arbeitgeber vorzustellen, sondern dies lediglich versäumt. Er bemühe sich sehr stark, eine Stelle zu finden und entfalte umfangreiche Eigenbemühungen. Die Verhängung einer Sanktion sei unverhältnismäßig. Darüber hinaus sei zu beachten, dass die angebotene Stelle für ihn auch vollkommen ungeeignet gewesen sei. Er sei kein Erzieher und habe auch keine große Erfahrung im sozialen Bereich oder in der Arbeit an Grundschulen.

Durch Änderungsbescheid vom 21. August 2006 setzte der Beklagte mit der Begründung, dass eine Energiepauschale abzuziehen sei, die Leistungen für Oktober 2006 neu fest und bewilligte nun nur noch 841,40 Euro. Dem beigefügten Berechnungsbogen ließ sich entnehmen, dass außerdem ein Minderungsbetrag von 104,00 Euro wegen einer eingetretenen Sanktion in Abzug gebracht worden war.

Unter dem 24. August 2006 hörte der Beklagte den Kläger wegen einer weiteren Sanktion an, nachdem auch der Arbeitgeber der zweiten am 6. Juli 2006 vorgeschlagenen Arbeitsstelle angezeigt hatte, dass eine Bewerbung nicht erfolgt sei. In seiner Stellungnahme vom 15. September 2006 räumte der Kläger ein, dass er versehentlich auch diesen Vermittlungsvorschlag nicht beachtet habe. Allerdings habe er inzwischen eine Tätigkeit mit Mehraufwandsentschädigung (sogenannter Ein-Euro-Job) aufgenommen.

Mit Bescheid vom 1. November 2006 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum November 2006 bis April 2007. Ausweislich des Berechnungsbogens brachte er dabei für November 2006 einen Minderungsbetrag von 208,00 Euro in Abzug, wobei er eine zwischenzeitlich verhängte weitere Sanktion mit berücksichtigte. Für November 2006 ergab sich damit ein Leistungsbetrag von 737,40 Euro. Nach Aufhebung der zweiten Sanktion berücksichtigte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 24. November 2006 nur noch einen Minderungsbetrag von 104,00 Euro und bewilligte für November 2006 einen Betrag von 841,40 Euro.

Durch Widerspruchsbescheid vom 24. November 2006 wies der Beklagte schließlich den Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 26. Juli 2006 als unbegründet zurück. Trotz eines zuvor beim Beklagten geführten intensiven Gesprächs hinsichtlich der Bewerbungsstrategie und einer Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger sich nicht bei der Z K gGmbH beworben. Er habe hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass er die Aufnahme der angebotenen Arbeit verweigere. Einen wichtigen Grund hierfür habe er nicht nachgewiesen. Die Tätigkeit sei angesichts der beruflichen Laufbahn des Klägers auch angemessen und zumutbar gewesen. Die Voraussetzungen für die Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 30 % der maßgebenden Regelleistung seien daher erfüllt. Für den Kläger betrage die Regelleistung 345,00 Euro, woraus sich ein Absenkungsbetrag in Höhe von gerundet 104,00 Euro ergebe. Die Sanktion umfasse die Kalendermonate September bis November 2006. Für diesen Zeitraum sei die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung teilweise aufzuheben gewesen.

Am 11. Dezember 2006 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben. Ergänzend hat er vorgetragen, dass er einen wichtigen Grund für die Ablehnung der angebotenen Arbeit gehabt habe bzw. diese unzumutbar gewesen sei. Aufgrund seiner Schwierigkeiten, eine Arbeitsgelegenheit mit der Erziehung seines Kindes zu vereinbaren, hätte ihm eine Vollzeitbeschäftigung gar nicht angeboten werden dürfen. Das Kind könne in der Kita keinen Mittagsschlaf machen und müsse deswegen immer abgeholt werden. Wenn überhaupt, komme nur eine Teilzeittätigkeit in Betracht oder aber eine Tätigkeit, bei der auf die Kindesbetreuung entsprechend Rücksicht genommen werde.

Durch Gerichtsbescheid vom 22. Januar 2008, dem Beklagten zugestellt am 1. Februar 2008, hat das Sozialgericht Berlin den Bescheid vom 26. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Sanktionsbescheid vom 26. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 nicht den Anforderungen, die an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes zu stellen seien, genügt habe. Die Rechtsgrundlage des Sanktionsbescheides sei § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c SGB II, wonach das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 % der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung unter anderem dann abgesenkt werden könne, wenn sich der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigere, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund nachzuweisen. Gemäß § 31 Abs. 6 SGB II trete die Absenkung erst mit Wirkung des Kalendermonates ein, der auf das Wirksamwerden des Sanktionsbescheides folge. Sinn und Zweck des Ausschlusses einer Sanktion für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum sei es, den Betroffenen zu ermöglichen, sich auf eine Leistungskürzung einzustellen. Da mit den Leistungen das soziokulturelle Existenzminimum abgedeckt werden solle, müsse es dem Hilfeempfänger möglich sein, auf eine Absenkung zu reagieren und im Vorhinein zu entscheiden, auf welche Weise er gegebenenfalls den fehlenden Bedarf decken wolle. Dazu müsse ihm insbesondere von vornherein klar sein, in welcher Höhe eine Absenkung erfolgen werde. Der Umfang der Kürzung müsse deshalb konkret und unmissverständlich dem Bescheid zu entnehmen sein. Mangele es dem Bescheid an einer Bestimmtheit in diesem Sinne, könne dies nicht nach Ablauf des Sanktionszeitraums nachträglich geheilt werden. Der Sanktionsbescheid vom 26. Juli 2006 genüge diesen Anforderungen nicht, da dem Kläger durch die Formulierung "30 %, höchstens in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages und Absenkung von maximal 104,00 Euro monatlich" lediglich eine Obergrenze mitgeteilt worden sei, nicht hingegen ein konkreter und unmissverständlicher Minderungsbetrag. Die mangelnde Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes könne auch nicht nach § 41 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) geheilt werden, denn es handele sich nicht um einen Formmangel. Die mangelnde Bestimmtheit sei vorliegend auch nicht durch andere Bescheide hergestellt worden. Der Änderungsbescheid vom 21. August 2006 habe lediglich beschränkt auf den Monat Oktober 2006 einen konkreten Minderungsbetrag genannt. Allein aus der Festsetzung für den Monat Oktober 2006 habe der Kläger indes nicht den Rückschluss ziehen können, dass dieser Minderungsbetrag auch in den Monaten September und November 2006 anfalle. Da es sich bei dem Erlass einer Sanktion um eine einheitliche Regelung handele, könne der Bescheid vom 21. August 2006 auch nicht zumindest für Oktober 2006 die Bestimmtheit des Sanktionsbescheides herstellen. Die weiteren Bescheide aus November 2006 seien bereits wegen des großen zeitlichen Abstandes zum Sanktionsbescheid nicht geeignet gewesen, dessen Bestimmtheit herzustellen. Vor diesem Hintergrund komme es auf die Frage, ob der Kläger sich überhaupt geweigert habe, eine Arbeit aufzunehmen und ob diese Arbeit zumutbar gewesen sei, nicht an. Lediglich ergänzend sei anzumerken, dass unter Berücksichtigung der Wertung von § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II Vieles für die Unzumutbarkeit der angebotenen Vollzeittätigkeit spreche. Aus dieser Vorschrift folge, dass ein Hilfebedürftiger, der ein unter 3-jähriges Kind betreue und erziehe, nicht zur Aufnahme einer Arbeit verpflichtet werden könne. Trotz des unter 500,00 Euro liegenden Streitwertes sei die Berufung auf Antrag des Beklagten zuzulassen gewesen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und die entscheidenden Rechtsfragen noch nicht höchstrichterlich entschieden worden seien. Am 27. Februar 2008 hat der Beklagte Berufung eingelegt.

Seiner Auffassung nach verstößt der Sanktionsbescheid nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Aus dem Bescheid lasse sich klar und unzweideutig erkennen, dass der dem Kläger zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II für den konkreten Zeitraum vom 1. September 2006 bis 30. November 2006 monatlich abgesenkt werde. Aus der Benennung der Rechtsgrundlagen und der Begründung der Entscheidung ergebe sich auch der zugrunde liegende Sachverhalt. Die weiteren Ausführungen zur Höhe der Absenkung ließen die Rechtsfolge erkennen. Dem Kläger sei aufgrund der bereits erlassenen Bewilligungsbescheide insbesondere bekannt gewesen, dass in seinem Falle die Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro monatlich nicht vom Auszahlungsbetrag abweiche. Er sei damit in die Lage versetzt gewesen zu erkennen, dass die monatliche Absenkung den Maximalwert von 104,00 Euro betrage. Darüber hinaus sei er durch die weiteren Änderungsbescheide vom 21. August 2006, 1. November und 24. November 2006 ausreichend unterrichtet worden. Ebenfalls zu berücksichtigen sei auch der Widerspruchsbescheid vom 24. November 2006, in dem der Absenkungsbetrag eindeutig auf 104,00 Euro beziffert worden sei. Schließlich sei die angebotene Arbeit auch zumutbar gewesen. Ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger könne eine Arbeit nur dann ablehnen, wenn die Erziehung des Kindes dadurch gefährdet sei. Ein solcher Sachverhalt ergebe sich nach Aktenlage jedoch nicht.

Der Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Zwar beträgt der Beschwerdewert lediglich 312,00 Euro, denn es wird um eine Sanktion von monatlich 104,00 Euro für einen Zeitraum von drei Monaten gestritten. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 Euro nicht übersteigt. Das Sozialgericht hat jedoch die Berufung ausdrücklich nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Hieran ist das Berufungsgericht gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

Die Berufung ist auch begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Zu Unrecht ist das Sozialgericht Berlin davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 26. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 rechtswidrig ist.

Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl das sozialgerichtliche Verfahren an einem erheblichen Mangel litt. Das Sozialgericht hätte nicht durch Gerichtsbescheid der Kammervorsitzenden als Einzelrichterin entscheiden dürfen.

Eine solche Verfahrensweise ist nach § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - nur erlaubt, wenn die Sache u.a. keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Diese Voraussetzungen lagen im Falle des Klägers jedoch aus – insoweit entscheidender - Sicht der Vorsitzenden der 18. Kammer des Sozialgerichts offensichtlich nicht vor, denn sie hat die Berufung gegen den Gerichtsbescheid ausdrücklich wegen der ihrer Auffassung nach grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfragen zugelassen, also gerade wegen der rechtlichen Schwierigkeit. Sie hat damit den Kläger entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) seinem gesetzlichen Richter entzogen: Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens; wird ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden und damit die Vorschrift über die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGG) missachtet, wird der grundrechtliche Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Richter verletzt (vgl. zum Vorhergesagten BSG, Urteil vom 16. März 2006 - B 4 RA 59/04 R = SozR 4-1500 § 105 Nr. 1).

Trotz dieses wesentlichen Verfahrensmangels konnte der Senat jedoch in der Sache selbst entscheiden. Denn bei einem solchen Verfahrensmangel besteht zwar nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG die Befugnis, nicht aber die zwingende Verpflichtung des Landessozialgerichts, den Gerichtsbescheid aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen (BSG, Urteil vom 30. August 2001 - B 4 RA 87/00 R = BSGE 88, 274 - 288). Der Senat hielt eine Zurückverweisung im vorliegenden Fall im Interesse der Beteiligten an einer zeitnahen Entscheidung nicht für sachgerecht.

In der Sache gilt Folgendes:

Rechtsgrundlage für die verhängte Sanktion ist § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c SGB II. Danach wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 % der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, unter anderem eine zumutbare Arbeit aufzunehmen oder fortzuführen. Dies gilt nicht, wenn er einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Nach § 31 Abs. 6 treten Absenkung und Wegfall "mit Wirkung" des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung der Leistung feststellt, folgt.

In Anlegung dieses Maßstabes sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Bescheid vom 26. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 – anders als es das Sozialgericht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat – inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X gewesen ist. Dabei kann dahinstehen, ob bereits der Sanktionsbescheid vom 26. Juli 2006 den Bestimmtheitsanforderungen genügt – dies hat das Sozialgericht ausgehend vom Wortlaut des Entscheidungssatzes mit durchaus überzeugender Begründung und unter Verweis auf obergerichtliche Rechtsprechung (LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 14. Juni 2007 – L 26 B 907/07 AS ER -, vom 29. Juni 2007 – L 28 B 889/07 AS ER- und vom 12. Juli 2007 – L 28 B 1087/07 AS ER -) verneint, wobei der Fehler allerdings keineswegs so offensichtlich ist, dass er die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes im Sinne von § 40 SGB X zur Folge hätte. Jedenfalls nämlich ist ein Mangel an Bestimmtheit im Widerspruchsbescheid geheilt worden, wie der Beklagte zutreffend eingewandt hat. Dort hat der Beklagte eindeutig und auf den konkreten Fall bezogen den monatlichen Minderungsbetrag mit 104 Euro beziffert. Zwar geht auch der Senat davon aus, dass ein Verwaltungsakt, aus dem der Wille der Behörde nicht klar erkennbar ist, zu unbestimmt und deshalb rechtswidrig ist und dass diese mangelnde Bestimmtheit nicht nach § 41 SGB X geheilt werden kann, da es sich nicht nur um einen Formfehler handelt (so auch von Wulffen/Engelmann, SGB X, 5. Aufl. 2005, Rnr. 10 zu § 33). Der Mangel der hinreichenden Bestimmtheit kann indes durch Ersetzung des Verwaltungsaktes durch einen klarstellenden Verwaltungsakt, ggf. noch im Widerspruchsbescheid, mit Rückwirkung geheilt werden (von Wulffen a. a. O). Es genügt insoweit, wenn sich der Wille der Behörde unmissverständlich im Zusammenhang mit den Begründungen zur angefochtenen Verfügung und dem Widerspruchsbescheid ergibt (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Oktober 1987 – 3 C 33/85, NJW 1988, S. 506; die Frage, ob eine Ersetzung möglich ist, ausdrücklich offen lassend Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Juli 2006 – B 7a AL 24/05 R – Rnr. 18, zitiert nach juris).

Es ist nicht ersichtlich, dass diese von Literatur und Rechtsprechung grundsätzlich anerkannte Möglichkeit der nachträglichen Konkretisierung eines nicht hinreichend bestimmten Bescheides im Widerspruchsverfahren im Zusammenhang mit Sanktionsbescheiden nach § 31 SGB II verschlossen ist. Zwar wird eine nachträgliche Klarstellung des Sanktionsbescheides im Widerspruchsbescheid den betroffenen Hilfeempfänger bei üblichem Verfahrensverlauf erst erreichen, wenn der Sanktionszeitraum bereits läuft oder gar abgelaufen ist. Dies ist indes die Folge einer Vorschrift, die allgemein im Bereich des SGB II und nicht nur speziell für Sanktionsbescheide gilt, nämlich von § 39 Nr. 1 SGB II, wonach ein Widerspruch gegen einen Bescheid, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeit entscheidet, keine aufschiebende Wirkung hat. Auch auf anderen Rechtsgrundlagen beruhende Leistungskürzungen entfalten damit ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit zunächst immer ihre Wirkung. Wie in jenen Fällen ist der Hilfebedürftige diesem Verlauf allerdings auch im Fall eines unklaren Sanktionsbescheides nicht schutzlos ausgeliefert. Abgesehen von der Möglichkeit, beim Beklagten um Klarstellung zu bitten, kann er gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, indem er zeitnah die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen den an sich nach § 39 SGB II vollziehbaren Sanktionsbescheid beantragt.

Schließlich ist im vorliegenden Fall zu bedenken, dass bei Erlass des Sanktionsbescheides eine Bewilligung für November 2006 noch gar nicht erfolgt und folglich – da diese von einem erneuten Antrag und dem Maß der dann vorliegenden Hilfebedürftigkeit abhängig war – jedenfalls für diesen Monat eine genaue Bezifferung der Leistungsabsenkung noch gar nicht möglich war. Es liegt des Weiteren auch ein Sachverhalt vor, der den Eintritt einer Sanktion zur Folge hat.

Der Kläger ist über die Rechtsfolgen einer Arbeitsverweigerung durch den Vermittlungsvorschlag ausreichend belehrt gewesen.

Er hat sich auch geweigert, eine Arbeit anzunehmen. "Sich weigern" bedeutet im Rahmen des Sanktionstatbestandes die vorsätzliche Nichtaufnahme einer angebotenen Arbeit (Rixen in Eicher/Spellbrink, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2. Aufl. 2008, Rnr. 17 zu § 31). Zwar hat der Kläger in seiner Stellungnahme vom 21. Juli 2006 vorgetragen, den Vermittlungsvorschlag "leider in seinen Bewerbungsunterlagen abgelegt und dann übersehen" zu haben. Angesichts des Umstandes, dass er ihn nur kurze Zeit zuvor, nämlich am 6. Juli, im Rahmen eines ausführlichen Beratungsgesprächs zusammen mit nur einem anderen Vorschlag persönlich ausgehändigt bekommen hat und er sich auch auf die zweite Stelle zunächst nicht beworben hat, ist dieser Vortrag indes nicht glaubhaft. Vielmehr spricht alles dafür, dass er sich auf die Stellen bewusst nicht beworben hat.

Es ist des Weiteren nicht ersichtlich, dass die angebotene Arbeit für den Kläger unzumutbar gewesen wäre. Gemäß § 10 Abs. Abs. 1 SGB II ist dem Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar. Gemäß Abs. 2 Nr. 1 SGB II ist eine Arbeit nicht schon allein deshalb unzumutbar, weil sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit des Hilfebedürftigen entspricht. Der Umstand, dass der Kläger eigenen Angaben nach bisher noch nicht als "Erzieher" gearbeitet hat, ist mithin unbeachtlich. Sein Einwand, die Arbeit sei für ihn nicht "geeignet" gewesen, stellt zum einen keinen gesetzlich anerkannten Rechtfertigungsgrund für die Nichtaufnahme einer Tätigkeit dar. Er beruht zum anderen auf Spekulation, hat er sich doch selbst durch seine Nichtbewerbung der Möglichkeit begeben, festzustellen, ob die Arbeit für ihn in Betracht kommt. Nicht ersichtlich ist jedenfalls, dass der Kläger im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB II körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage gewesen wäre, eine Arbeit im erzieherischen Bereich und in der Anleitung anderer ABM-Kräfte auszuüben.

Auch der Umstand, dass der Kläger allein seinen damals noch nicht dreijährigen Sohn erzieht, führt nicht zur Unzumutbarkeit der angebotenen Stelle. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II ist dem Hilfebedürftigen jede Arbeit zumutbar, es sei denn, deren Ausübung würde die Erziehung seines Kindes gefährden; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege sichergestellt ist. Vorliegend ist eine solche Gefährdung der Kindeserziehung nicht ersichtlich. Der Kläger selbst hat diesen Einwand erstmals im Klageverfahren vorgebracht. Er überzeugt bereits deshalb nicht, weil der Kläger in seinen früheren Stellungnahmen und Widerspruchsschreiben besonders betont hat, wie sehr er sich um eine Arbeit bemühe, ohne seine angeblich eingeschränkte Vermittelbarkeit auch nur anzudeuten. Auch die vom Kläger geschlossene Eingliederungsvereinbarung enthält keinerlei einschränkende Bedingungen. Der Kläger führt im Übrigen selbst in der Klageschrift noch aus, dass eine Tätigkeit, bei der auf die Kindesbetreuung Rücksicht genommen werde, durchaus in Betracht komme. Vor dem Hintergrund, dass das Kind des Klägers unstreitig bereits seit Oktober 2005 in einer Kita betreut wird, ergibt sich damit ein weiter Raum für zumutbare Arbeitsangebote. Allein der Umstand, dass es sich bei der angebotenen Tätigkeit um eine Vollzeitstelle gehandelt hat, macht diese jedenfalls nicht von vornherein unzumutbar. Zur Klärung der Frage, inwieweit die Tätigkeit ansonsten mit seiner individuellen Situation als alleinerziehender Vater vereinbar gewesen wäre, hätte der Kläger mit dem Arbeitgeber in Kontakt treten und ggf. anschließend mit der Kita Rücksprache halten müssen. Unklarheiten, die sich aus der Verweigerung einer Kontaktaufnahme ergeben, gehen insoweit zu Lasten des Klägers. Stellt ein Arbeitsangebot nicht von vornherein offensichtlich eine Gefährdung der Kindeserziehung dar, kann dessen Unzumutbarkeit nur dann angenommen werden, wenn hierfür konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Angesichts der je nach Arbeitsplatz unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten und der höchst individuellen Betreuungssituation des jeweiligen Hilfebedürftigen, setzt dies regelmäßig eine Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber voraus.

Einen sonstigen wichtigen Grund für sein Verhalten hat der Kläger nicht nachgewiesen.

In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist der Sanktionszeitraum schließlich entsprechend § 31 Abs. 6 SGB II durch Bescheid vom 26. Juli 2006 für den Zeitraum September bis November 2006 festgelegt worden. Auch die Höhe der Absenkung begegnet mit Blick auf § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II keinen Bedenken.

Der Umstand, dass der Kläger allem Anschein nach im August 2006 eine Tätigkeit mit Mehraufwandsentschädigung aufgenommen hat, lässt die eingetretene Sanktion im Übrigen nicht entfallen. Späteres "Wohlverhalten" kann am Eintritt einer einmal verfügten Leistungsabsenkung nichts mehr ändern (Argument aus § 31 Abs. 3 Satz 5, vgl. Rixen in Eicher/Spellbrink, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2. Aufl. 2008, Rnr. 57a zu § 31).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Berufungsverfahrens.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen aus Sicht des Senats nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved