S 11 AS 96/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 96/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2008 verpflichtet, der Klägerin für die Zeit von Juni 2008 bis März 2009 einen Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II zu gewähren. Der Beklagte trägt die Kosten der Klägerin dem Grunde nach. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bei minderjährigen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft.

Die am 01.01.1998 geborene Klägerin steht mit ihrer Mutter und ihrem Bruder beim Beklagten seit Januar 2005 im Leistungsbezug. Sie ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 und bei ihr ist (unter anderem) das Merkzeichen "G" anerkannt.

Am 26.03.2007 beantragte die Mutter der Klägerin einen Mehrbedarf wegen Behinderung für die Klägerin. Dieser Mehrbedarf wurde in der Folgezeit vom Beklagten auch zunächst bewilligt. Vor Erlass des Bewilligungsbescheids für die Zeit ab Juni 2008 fiel dem Beklagten auf, dass zum Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB XII vertreten wird, dass dieser nur volljährigen Personen zu gewähren sei. Aus diesem Grund bewilligte der Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 29.04.2008 für die Zeit von Juni 2008 bis März 2009 Leistungen ohne einen Mehrbedarf für die Klägerin. Hiergegen legte die Mutter der Klägerin mit Schreiben vom 02.05.2008 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Bescheid vom 15.05.2008 als unbegründet zurückwies. Der Beklagte führte zur Begründung aus, dass die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II ausscheide, weil die Klägerin "Sozialgeld" und keine "Regelleistung" beziehe, von welcher aber letztlich ein Mehrbedarf in Höhe von 17 % zu gewähren wäre, weshalb ein Mehrbedarf erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres in Betracht käme.

Hiergegen hat zunächst die Mutter der Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten am 16.06.2008 Klage erhoben und neben dem Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II zusätzlich einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung beantragt. Der Beklagte hat den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung der Mutter der Klägerin im Laufe des Verfahrens bereits zugesagt, woraufhin diese die diesbezügliche Klage zurückgenommen und auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts klargestellt hat, dass die Klage in Hinblick auf den Mehrbedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II von ihrer Tochter, also der Klägerin, geführt werden soll.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 29.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2008 für die Zeit Juni 2008 bis März 2009 zu verpflichten, der Klägerin einen Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 N. 4 SGB II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.

Der Beklagte bleibt bei seiner Auffassung, dass ein Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II nur Personen zu gewähren sei, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Er stützt seine Auffassung nunmehr auf ein Urteil der 8. Kammer des SG Aachen (SG Aachen, Urteil vom 30.05.2008, S 8 AS 36/08 n.v.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die der Kammer bei ihrer Entscheidung vorgelegen haben und deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und die Klägerin in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Die Klägerin hat Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II.

Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II erhalten nichterwerbsfähige Personen einen Mehrbedarf von 17 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G sind. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt die Klägerin. Die Klägerin ist unstreitig Inhaberin eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G. Ferner ist sie "nichterwerbsfähig" im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II. Das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze ist hierfür nicht erforderlich. Sie ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift oder der Gesetzessystematik (hierzu unter 1.) noch ist sie in die Vorschrift aufgrund der Gesetzesbegründung hineinzulesen (hierzu unter 2.).

1. Das SGB II definiert den Begriff der Erwerbsfähigkeit an sich in § 8 SGB II. Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Begriff des "nichterwerbsfähigen" kann somit so verstanden werden, dass nur solche Personen hierunter zu subsumieren sind, die "wegen Krankheit oder Behinderung" auf absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein mit der Folge, dass Personen, die "aus anderen Gründen" nicht erwerbsfähig sind, nicht hierunter fallen. Es kommt jedoch auch eine dahingehende Auslegung in Betracht, dass "nichterwerbsfähig" jede Person ist, die entweder aus gesundheitlichen Gründen (§ 8 Abs. 1 SGB II) oder aus rechtlichen Gründen (beispielsweise Jugendschutzvorschriften) außer Stande ist, erwerbstätig zu sein. Für letztere Ansicht spricht, dass auch § 8 SGB II die Erwerbsfähigkeit an rechtliche Umstände knüpft, die nicht mit gesundheitlichen Einschränkungen zu tun hat. Denn nach § 8 Abs. 2 SGB II können Ausländer nur erwerbstätig im Sinne von Absatz 1 sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte.

Die Kammer wendet für den Begriff des "Nichterwerbsfähigen" in § 28 SGB II die letztgenannte Auslegungsmöglichkeit an, die für eine "Nichterwerbsfähigkeit" auch rechtliche Hindernisse ausreichen lässt. Hierfür war unter anderem folgender Umstand von Bedeutung: Obwohl zur Vorschrift des § 28 SGB II in der Literatur zur Bestimmung der Gruppe der "nicht erwerbsfähigen" teils auf § 8 SGB II, verwiesen wird (Breitkreuz in: BeckOK SGB II § 28 Rn. 4; Rothkegel in: Gagel, SGB III, 31. Ergänzungslieferung 2008), der zum Alter keine Regelung trifft, entspricht es einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass Personen, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben "nicht erwerbsfähige Angehörige" im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind und demnach Sozialgeld erhalten und insoweit sogar die größte Gruppe der Anspruchsberechtigten bilden (Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 28 Rn. 8; Birk in: LPK-SGB II. § 28 Rn. 9; Altenweger in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 28 Rn. 5; Breitkreuz in: BeckOK SGB II § 28 Rn. 4; zur Rechtsprechung vgl. nur BSG, Urteil vom 16.10.2007, B 8/9b SO 2/06 R, m.w.N. wo ebenfalls darauf hingewiesen wird, dass die Sozialgeldberechtigung von Kindern unter fünfzehn "unstreitig" sei). Um "nicht erwerbsfähiger Angehöriger" nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu sein kommt es demnach nach einhelliger Meinung nicht zwingend auf den in § 8 Abs. 1 SGB II geregelten Gesundheitszustand an, sondern es sind auch andere Umstände zu berücksichtigen, die einer Erwerbsfähigkeit entgegenstehen mit der Folge, dass auch Minderjährige, die aus rechtlichen Gründen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können "nicht erwerbsfähig" im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind. Eine andere Sichtweise wäre auch sinnwidrig, da in § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II der Sozialgeldsatz für Personen geregelt ist, die bis zu 14 Jahre alt sind und der Gesetzgeber somit offensichtlich davon ausging, mit § 28 SGB II (auch) Leistungen für Personen zu regeln, die unabhängig vom Gesundheitszustand nicht erwerbsfähig sind.

Wenn somit auch Minderjährige unter den Begriff des "nicht erwerbsfähigen Angehörigen" nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB fallen, gibt es keinen Grund, den in § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II enthaltenen Begriff der "nichterwerbsfähigen Person" anders auszulegen. Insbesondere ist keine Altersgrenze in die Vorschrift hineinzulesen. Dies ergibt sich unter anderem aus einem Vergleich der in den Ziffern 2 und 4. geregelten Mehrbedarfe. Während in § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB II ausdrücklich geregelt ist, dass der darin enthaltene Mehrbedarf nur Personen zusteht, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, fehlt eine entsprechende Regelung in Nr. 4. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dies ein "gesetzgeberisches Versehen" ist. Die in Nr. 2 geregelte Altersgrenze fand mit dem selben Gesetz Eingang ins SGB II wie der in Nr. 4 enthaltene Mehrbedarf. In der Gesetzesbegründung heißt es zu Nr. 2 wörtlich "Mit der Änderung wird ein redaktionelles Versehen beseitigt. Behinderte Sozialgeldbezieher erhalten - wie auch Arbeitslosengeld II-Bezieher - einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II erst nach Vollendung des 15. Lebensjahres." (BT-Drucks. 16/1410 S. 25, Zu Buchstabe a). Wenn der Gesetzgeber eine (überschaubar lange) Vorschrift ändert und in einer Ziffer gezielt eine Altersgrenze einfügt, sollte davon ausgegangen werden können, dass er in der Lage gewesen wäre, die identische - oder die vom Beklagten mit 18 Jahren angesetzte abweichende - Altersgrenze in die übernächste Ziffer ebenfalls einzufügen, wenn dies denn beabsichtigt gewesen wäre.

2. Die Gesetzesbegründung zu § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II legt ebenfalls keine Altersgrenze nahe. Laut Gesetzesbegründung sollte mit der Einfügung des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II "eine im SGB XII bestehende Mehrbedarfsregelung für Behinderte im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (Artikel 3 des Grundgesetzes) Aufnahme in das SGB II" finden. Weiter heißt es "Sozialgeldbezieher, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G besitzen, erhalten einen Mehrbedarf in Höhe von 17 % der maßgeblichen Regelleistung" (BT-Drucks. 16/1410, S. 25, Zu Buchstabe b). Der Gesetzgeber stellt somit lediglich auf den Bezug von Sozialgeld ("Sozialgeldbezieher") und nicht auf andere Umstände ab.

Mit der von der Gesetzesbegründung erwähnten "im SGB XII bestehenden Vorschrift" ist § 30 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) gemeint. Gemäß § 30 Abs. 1 SGB XII wird für Personen, die 1. die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder 2. die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind, und die durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Diese Vorschrift enthält nach Auffassung der Kammer ebenfalls keine Altersgrenze bzw. jedenfalls keine von 18 Jahren. Soweit die 8. Kammer des SG Aachen eine Altersgrenze von 18 Jahren in § 30 Abs. 1 SGB XII und über die Gesetzesbegründung zu § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II auch in diese Vorschrift hineingelesen hat (SG Aachen, Urteil vom 30.05.2008, S 8 AS 36/08 n.v.), folgt die Kammer dem nicht. § 30 Abs. 1 SGB XII selbst enthält - wie auch § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II - keine ausdrückliche Mindestaltersgrenze. Die 8. Kammer des SG Aachen stützt die von ihr angenommen Altersgrenze von 18 Jahren darauf, dass nach § 41 Abs. 3 SGB XII nur Personen wegen dauerhafter voller Erwerbsminderung leistungsberechtigt seien, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Aus diesem Grund setze der Begriff der "vollen Erwerbsminderung" im Sinne des SGB XII voraus, dass der Betroffene das 18. Lebensjahr vollendet habe und dies sei auch im Rahmen des § 30 Abs. 1 SGB XII zu berücksichtigen. Wenn der Gesetzgeber jedoch tatsächlich gewollt hätte, dass der Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII nur Personen zu gewähren ist, die das 18. Lebensjahr erreicht haben, hätte es nahe gelegen, auf die Vorschrift des § 41 Abs. 3 SGB XII zu verweisen, in der eben diese Altersgrenze enthalten ist. Es wurde in Hinblick auf das Alter jedoch ausschließlich auf die Altersgrenze in § 41 Abs. 2 SGB XII (65. Lebensjahr für vor dem 01.01.1947 Geborene bzw. das abweichende und in einer Tabelle in § 41 Abs. 2 SGB XII geregelte Alter für nach dem 31.12.1946 Geborenen) verwiesen und eben nicht auch auf Abs. 3. Auch bezüglich des Begriffs der "vollen Erwerbsminderung" wurde nicht auf § 41 Abs. 3 SGB XII verwiesen, sondern darauf abgestellt, ob die Person voll erwerbsgemindert nach dem "Sechsten Buch", also den Vorschriften zur gesetzlichen Rentenversicherung ist. Hierzu hatte das OVG NRW zu einer ähnlichen Vorschrift im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bereits entschieden, dass der im damaligen § 23 BSHG geregelte Mehrbedarf für Personen unter 65 Jahren, die erwerbsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung sind, auch erwerbsunfähigen Jugendlichen zu gewähren ist, sobald für sie keine Verpflichtung zum Besuch einer Schule mit Vollunterricht mehr besteht (OVG NRW, Urteil vom 04.06.1975, VIII A 823/74). Insgesamt überzeugt es aus den vorstehenden Gründen nicht, in § 30 Abs. 1 SGB XII und über den Gedanken der Angleichung des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II eine Altersgrenze von 18 Jahren in die Vorschrift hineinzulesen.

Aber selbst wenn § 30 Abs. 1 SGB XII nach Sinn und Zweck der Vorschrift und/oder der Rechtsprechung zu Vorgängerregelungen im BSHG eine Altergrenze enthalten sollte (zB Erreichen eines Alters, bei dem die Schulfplicht einer Erwerbstätigkeit nicht mehr entgegensteht), wäre diese nicht auf § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II zu übertragen. Denn nur weil der Gesetzgeber eine Regelung im SGB XII zum Anlass genommen hat, einen Mehrbedarf ins SGB II aufzunehmen, müssen die beiden Regelungen nicht absolut identisch gehandhabt werden. Denn dann hätten die Vorschriften auch mit identischen Voraussetzungen und Rechtsfolgen ausgestattet werden müssen, was jedoch nicht geschehen ist (a.A. zu "identischen Voraussetzungen" SG Aachen, Urteil vom 30.05.2008, S 8 AS 36/08). Denn während das SGB II auf die "Nichterwerbsfähigkeit" abstellt, die - wie bereits ausgeführt - in eine gesundheitliche und rechtliche Komponente aufgeteilt werden kann (und in § 8 SGB II mit Abs. 1 und 2 auch wird), stellt § 30 Abs. 1 SGB XII auf die "volle Erwerbsminderung" ab, die ausschließlich eine gesundheitliche Komponente hat (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Ferner ist der Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II mit 17 % der maßgeblichen Regelleistung festgeschrieben, während nach § 30 Abs. 1 SGB XII auch ein höherer Anspruch in Betracht kommt ("soweit nicht im Einzelfall ein höher Bedarf nachgewiesen wird"). Der Gesetzgeber hätte auch auf § 30 Abs. 1 SGB XII verweisen können, wenn er dessen entsprechende Anwendung gewünscht hätte. Er hat jedoch mit § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II eine eigenständige und in Teilen von § 30 Abs. 1 SGB XII abweichende Vorschrift geschaffen, die aus diesem Grund auch maßgeblich im Lichte des SGB II und nicht des SGB XII auszulegen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Berufung wurde zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Der Kammer ist bislang nur eine Entscheidung der 8. Kammer des SG Aachen bekannt, die sich mit dem Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II bei minderjährigen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft befasst und - anders als die hiesige Kammer - die Verwaltungspraxis, den Mehrbedarf nicht zu gewähren, bestätigt hat.
Rechtskraft
Aus
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