L 5 B 483/07 ER AS

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 61 AS 2374/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 B 483/07 ER AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 5. November 2007 abgeändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 23. Oktober 2007 gegen den Sanktionsbescheid vom 17. Oktober 2007 sowie die Aufhebung der Vollziehung des Sanktionsbescheides für die Zeit vom 1. November 2007 bis 31. Dezember 2007 angeordnet. 2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. 3. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller zwei Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Gründe:

Die am 12. November 2007 eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den ihm am 8. November 2007 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 5. November 2007, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG), ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG). Sie ist teilweise begründet.

Streitbefangen in diesem Beschwerdeverfahren ist der Sanktionsbescheid der Antragsgegnerin vom 17. Oktober 2007, der die Zeit vom 1. November 2007 bis 31. Januar 2008 betrifft und zum Anlass den Vorwurf hat, der Antragsteller habe sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, und gegen den am 23. Oktober 2007 Widerspruch erhoben worden ist. Für die Monate November 2007 und Dezember 2007 ist durch diesen Sanktionsbescheid zugleich auch die Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 24. September 2007 teilweise in Höhe von 104 EUR im Monat aufgehoben worden. Einstweiliger Rechtsschutz richtet sich daher insoweit nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Für den Monat Januar 2008 sind erstmals durch Bescheid vom 10. Januar 2008 Leistungen bewilligt und hierbei von vornherein um den Sanktionsbetrag in Höhe von 104 EUR abgesenkte Leistungen bewilligt worden. Einstweiliger Rechtsschutz insoweit richtet sich daher nach § 86b Abs. 2 SGG.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der gegen den Sanktionsbescheid vom 17. Oktober 2007, mit dem im Sinne einer teilweisen Aufhebung über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entschieden worden ist, vom Antragsteller am 23. Oktober 2007 erhobene Widerspruch hatte nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung (vgl. Berlit, in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 31 Rn. 155).

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an einem Aufschub des Vollzuges das öffentliche Interesse an dem sofortigen Vollzug des Bescheides überwiegt. Bei der Interessenabwägung sind die nach vorläufiger Prüfung der Rechtslage und summarischer Prüfung der Tatsachenlage bewerteten Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache von Bedeutung. Danach bestehen vorliegend entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 17. Dezember 2007. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diesen dürften daher nach dem Erkenntnisstand dieses Eilverfahrens Aussicht auf Erfolg haben.

Denn die Anknüpfung einer Sanktion nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB II an den Umstand, dass der Antragsteller trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung nicht abgeschlossen hat, dürfte unverhältnismäßig sein. Zunächst schließt sich der Senat der Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte, die von einer Unverhältnismäßigkeit einer Sanktion nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB II ausgeht, wenn der Leistungsträger den Inhalt der nicht zustande gekommenen Eingliederungsvereinbarung in einem die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II umgesetzt hat, an (LSG Baden-Württemberg 22.1.2007 – L 13 AS 4160/06 ER-B, juris; LSG Niedersachsen-Bremen 31.7.2007 – L 8 AS 605/06 ER, FEVS 59, 34; OVG Bremen 15.8.2007 – S 2 B 292/07, FEVS 59, 60). Nichts anderes aber dürfte sodann für den Fall gelten, dass der Leistungsträger – wie vorliegend die Antragsgegnerin – die offen stehende Möglichkeit des milderen Mittels, einen Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II zu erlassen, ungenutzt lässt und lediglich mit dem intensiveren Eingriff einer Sanktion nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB II auf das Nichtzustandekommen der Eingliederungsvereinbarung reagiert. Denn sonst hätte er es in der Hand, die Sanktionsfolgen eintreten zu lassen oder dies zu vermeiden. Hieran knüpfen sich rechtliche Bedenken, die eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen einen auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB II gestützten Sanktionsbescheid rechtfertigen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14.2.2005 – 1 BvR 199/05, juris, das den Sozialgerichten die verfassungsrechtliche Überprüfung zuweist, ob bei der Weigerung, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, die Geldleistungen nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB II gekürzt werden dürfen oder ob es ausreicht, an Stelle der Vereinbarung einen Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II zu erlassen).

Der Senat weist zudem darauf hin, dass der Gesetzgeber beabsichtigt, den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB II zum 1. Januar 2009 zu streichen (siehe Art. 2 Nr. 14 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Referentenentwurfs für ein Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, der zur Grundlage die Eckpunkte der Bundesregierung für eine Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente hat; dazu BT-Drucks. 16/9701, S. 3). Die Begründung des Entwurfs macht insoweit deutlich, dass das zuständige Bundesministerium auf der Grundlage der genannten Eckpunkte die Sanktionierung der Weigerung zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung für unverhältnismäßig hält, weil bei deren Nichtzustandekommen die Möglichkeit zum Erlass eines Verwaltungsakts nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II bestehe und dies das mildere Mittel darstelle. Mit der Streichung werden durch den Gesetzgeber auch die hierzu ergangenen Entscheidungen der Rechtsprechung berücksichtigt.

Vor diesem Hintergrund ist vorliegend im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 23. Oktober 2007 gegen den Sanktionsbescheid vom 17. Oktober 2007 insoweit anzuordnen, als durch ihn die Bewilligung von Leistungen durch Bescheid vom 24. September 2007 für die Monate November 2007 und Dezember 2007 in Höhe von 104 EUR im Monat teilweise aufgehoben worden ist. Anzuordnen ist insoweit zudem nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung des Sanktionsbescheides vom 17. Oktober 2007 für die Zeit vom 1. November 2007 bis 31. Dezember 2007; die bereits erfolgte Vollziehung ist durch die Antragsgegnerin rückgängig zu machen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kommt es für diese Anordnungen im Rahmen des § 86b Abs. 1 SGG auf einen Anordnungsgrund nicht an.

Anderes gilt für den Monat Januar 2008. Für diesen kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid nicht in Betracht, weil durch diesen Bescheid insoweit keine teilweise Aufhebung einer Leistungsbewilligung erfolgte. Vielmehr sind durch Bescheid vom 10. Januar 2008 für Januar 2008 von vornherein nur abgesenkte Leistungen bewilligt worden. Höhere Leistungen für diesen Monat können im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nur durch eine einstweilige Anordnung erreicht werden, worauf zu Recht schon das Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung hingewiesen hat. Diese Anordnung aber setzt einen zulässigen Antrag auf ihren Erlass voraus und Voraussetzung für dessen Zulässigkeit ist, dass die angegriffene Leistungsbewilligung nicht bereits bestandskräftig ist. Vorliegend hat der Antragsteller gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bewilligungsbescheid vom 10. Januar 2008 Widerspruch erst am 18. September 2008 erhoben. Dieser ist verfristet (§ 84 SGG). Hieran ändert nichts der Umstand, dass durch den Antragsteller rechtzeitig Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 17. Oktober 2007 erhoben und dieser daher für den gesamten Sanktionszeitraum vom 1. November 2007 bis 31. Januar 2008 angefochten ist. Wird in einem Hauptsacheverfahren der streitbefangene Sanktionsbescheid aufgehoben, so hat der Antragsteller deshalb auch für den Monat Januar 2008 trotz der Bestandskraft des diesen Monat regelnden Bewilligungsbescheides einen Anspruch auf um 104 EUR höhere Leistungen im Wege der Folgenbeseitigung. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch kommt vorliegend aufgrund der Bestandskraft des Bewilligungsbescheides eine vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zu Leistungen für diesen Monat ohne Berücksichtigung der Absenkung um 104 EUR nicht mehr in Betracht.

Auf weiteres kam es vorliegend aufgrund des Obsiegens des Antragstellers hinsichtlich der Monate November 2007 und Dezember 2007 und seines Unterliegens hinsichtlich des Monats Januar 2008 schon wegen Unzulässigkeit des dahingehenden Antrags nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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