L 9 AL 158/08 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 11 AL 279/08 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 158/08 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. September 2008 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Instanzen zu tragen.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.

Zwar ist die Beschwerde zulässig sowohl im Hinblick auf § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als auch bezüglich des Rechtsschutzbedürfnisses. In ihrem Schreiben vom 7. Oktober 2008 hat die Antragsgegnerin nämlich eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie zwar der Verpflichtung aus dem Beschluss des Sozialgerichts einstweilen folgt, es wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies nur solange gilt, bis das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist und dass ausgezahlte Leistungen gegebenenfalls zurückzuzahlen sind. Damit ist ein Leistungsvorbehalt im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Beschwerde hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht worden.

Die Beschwerde hat allerdings in der Sache keinen Erfolg, denn das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Ausbildung der Antragstellerin zur Ergotherapeutin bei der "IB-Medizinische Akademie - staatlich anerkannte Schule für Ergotherapie" in QA. beginnend ab dem 1. Oktober 2008 für die Dauer von zwei Jahren nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu fördern.

Neben dem unstreitig vorliegenden Anordnungsgrund, der sich daraus ergibt, dass die Maßnahme bereits seit 1. Oktober 2008 läuft, ist auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung –ZPO-).

Wie das Sozialgericht bereits zutreffend festgestellt hat, ist die Notwendigkeit einer Maßnahme zur beruflichen Teilnahme zwischen den Parteien unstreitig, insoweit wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen. Streitig ist vorliegend allein, ob die Antragstellerin die Voraussetzungen bezüglich der Dauer der vorgesehenen Maßnahme nach § 85 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) erfüllt. Dies ist zu bejahen.

Zwar ist die Dauer einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung grundsätzlich nur dann angemessen, wenn sie gegenüber einer entsprechenden Berufsausbildung um mindestens 1/3 der Ausbildungszeit verkürzt ist. Um aber der Tatsache, dass aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen kürzere Ausbildungszeiten insbesondere für Gesundheitsfachberufe ausgeschlossen sind (vgl. Stratmann in: Niesel, SGB III, 4. Auflage 2007, § 85 Rdnr. 13) Rechnung zu tragen, ist vorgesehen, dass eine Maßnahme auch bis zu 2/3 gefördert werden kann, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer gesichert ist. Damit soll einerseits die Möglichkeit eröffnet werden, dass auch Gesundheitsfachberufe förderungsfähig sind, andererseits soll durch den Finanzierungsvorbehalt vermieden werden, dass entsprechende Weiterbildungen bei Beendigung der Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit aus finanziellen Erwägungen abgebrochen werden müssen (vgl. BT-Drucks. 14/6944 S. 51). Die genannten Fördervoraussetzungen erfüllt die Antragstellerin.

Zwar konnten entgegen der Ansicht des Sozialgerichts die dort aufgeführten Finanzierungsmöglichkeiten nicht als ausreichend angesehen werden. Dies gilt insbesondere für die Berufsunfähigkeitsversicherung, bei der es nach Aktenlage völlig offen ist, ob die Antragstellerin die Voraussetzungen für eine Rentenzahlung erfüllen könnte.

Allerdings haben bereits in erster Instanz die Eltern der Antragstellerin erklärt, sie übernähmen die gesamten Kosten für das dritte Ausbildungsjahr für die Antragstellerin. Die Förderung der Ausbildung durch Leistungen Dritter ist grundsätzlich eine Möglichkeit, die Finanzierung im Sinne von § 85 Abs. 2 SGB III sicherzustellen (vgl. Stratmann in Niesel, SGB III, 4. Auflage 2007, § 85 Rdnr. 13). Die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung, mit der gesetzlichen Regelung könne nur die Sicherstellung der Finanzierung durch den Maßnahmeträger selbst gemeint sein, findet dagegen weder nach dem Gesetzeswortlaut noch nach der Begründung in der bereits zitierten Bundestagsdrucksache eine Grundlage. Eine solche Auslegung würde auch der gesetzlichen Intention widersprechen, denn dies würde dazu führen, dass alle Berufe, bei denen die Ausbildungszeit nicht um 1/3 verkürzt werden kann, faktisch aus der Förderung herausfielen, weil nicht ersichtlich ist, dass Maßnahmeträger bereit wären, nicht nur die Ausbildungs- sondern auch die Lebensunterhaltskosten für ihre Schüler für ein Jahr lang zu übernehmen. Dementsprechend wird in Kommentierungen auch klargestellt, es sei nicht erforderlich, dass die Mittel durch (gesetzliche) Förderungsmöglichkeiten der Länder bereitgestellt würden. Entscheidend sei vielmehr, dass die Finanzierung tatsächlich sichergestellt ist (vgl. Olk in SGB III, Großkommentar, 3. Auflage 2008, § 85 Rdnr. 25 mit Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Oktober 2007 – L 12 B 468/06 AL ER).

Insofern war der Einwand der Antragsgegnerin, die Absichtsbekundungen der Eltern der Antragstellerin seien nicht als Sicherstellung der Ausbildung anzusehen, weil auch bei gutem Willen nicht gewährleistet sei, dass die notwendigen Mittel nach zwei Jahren auch tatsächlich zur Verfügung stünden, berechtigt. Diesbezüglich hat die Antragstellerin aber durch Einreichung weiterer Sicherheiten zwischenzeitlich klargestellt, dass die Finanzierung ihres dritten Ausbildungsjahres zur Ergotherapeutin auch tatsächlich gesichert ist. So haben sowohl ihre Eltern als auch ihr Lebensgefährte selbstschuldnerische Bürgschaften abgegeben und im Übrigen durch die eidesstattliche Versicherung ihrer Eltern glaubhaft gemacht, dass auch tatsächlich Vermögenswerte vorhanden sind, die die selbstschuldnerische Bürgschaft absichern. So besteht eine Lebensversicherung der Mutter über einen garantierten Rückkaufswert zum 1. August 2010 über 21.693,00 Euro. Weiterhin existiert ein Zweifamilienhaus mit einer Grundstücksfläche von 499 qm, das nach den gegebenen Erklärungen im Wesentlichen dinglich unbelastet sei. Ausschlaggebend ist jedenfalls, dass allein der garantierte Wert der Lebensversicherung die Kosten des dritten Ausbildungsjahres sowohl bezüglich der Kosten der Ausbildungsstätte als auch bezüglich der Lebenshaltung der Antragstellerin absichert. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III sind dadurch als erfüllt anzusehen.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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