L 25 AS 11/09 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 16 AS 2031/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 11/09 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 11. November 2008 aufgehoben. Der Klägerin wird für das Verfahren erster Instanz ab dem 22. September 2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen nach den hierfür einschlägigen §§ 73a SGG, 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) vor.

Nach § 114 S. 1 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entsprechend.

Vorliegend hat das Sozialgericht im angefochtenen Beschluss zu Unrecht eine hinreichende Erfolgsaussicht im vorstehenden Sinn verneint. Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gebietet in Verbindung mit dem unter anderem in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck gebrachten Rechtsstaatsprinzip und dem aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder -verteidigung ins Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe eben dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. November 2007 – 1 BvR 68/07, 1BvR 70/07, 1 BvR 71/07 -, rech. bei juris Rn. 8 ff.). Deshalb dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden können (BVerfG a.a.O. und Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 1993 - 1 BvR 1523/92 -, NJW 1994, 241, 242). Demnach ist ausgehend vom für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht gegebenenfalls von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG - Kommentar, 9. Auflage 2008, § 73 a Rn. 7a).

Hieran gemessen ergeben sich vorliegend hinreichende Erfolgsaussichten. Der angefochtene Bescheid, mit welchem der Beklagte die Leistungsbewilligung unter Hinweis auf die der Klägerin zugeflossene Eigenheimzulage in der Annahme teilweise aufhebt, dass es sich um nach § 11 Abs. 1 SGB des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) anrechenbares Einkommen handele, erscheint nicht ohne Weiteres rechtmäßig, sei es, dass der Bescheid auf § 45 oder § 48 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) gestützt wird. Es spricht Einiges dafür, dass die der Klägerin zugeflossene Eigenheimzulage gerade nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II-V) als Einkommen anzurechnen ist, wonach außer den in § 11 Abs. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Einnahmen die Eigenheimzulage, soweit sie nachweislich zur Finanzierung einer nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II nicht als Vermögen zu berücksichtigenden Immobilie verwendet wird, nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist.

Zunächst ist es vorliegend nicht von vornherein auszuschließen, dass die Klägerin die Eigenheimzulage im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V zur Finanzierung ihres Wohnhauses verwendete. Es reicht aus, den Begriff der Finanzierung so auszulegen, dass mit den Mitteln der Eigenheimzulage die Errichtung der zu Beginn des Leistungsbezugs bereits vorhandenen Immobilie finanziert werden muss. Dieses zieht bei wirtschaftlicher Betrachtung jedoch nicht die Verpflichtung des Grundsicherungsempfängers nach sich, die Eigenheimzulage nur zur Zinszahlung zu verwenden. Es steht ihm vielmehr frei, sie auch zum unmittelbaren Erwerb von Baumaterialien oder zur Abgeltung von Handwerkerleistungen zur Errichtung beziehungsweise Fertigstellung des Hauses einzusetzen. Auch ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, weitere Verwendungsmöglichkeiten, wie etwa die Erweiterung der Immobilie, als zweckentsprechend anzusehen (Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 19/07 R -, zitiert nach juris Rn. 21).

Dies zugrunde gelegt, erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Klägerin die Eigenheimzulage zur Finanzierung ihrer Immobilie einsetzte. Denn sie verweist darauf, die Eigenheimzulage vollständig für Baumaßnahmen an ihrem Wohneigentum eingesetzt zu haben, und legt hierfür Rechnungen vor. Ob diese Baumaßnahmen die Errichtung oder Fertigstellung des Hauses betreffen, bedarf gegebenenfalls einer weiteren Sachaufklärung, welcher durch das Prozesskostenhilfeverfahren nicht vorgegriffen werden darf. Auch könnte eine Anrechnung der Eigenheimzulage als Einkommen nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V nach dem oben Gesagten insoweit ausscheiden, als die Klägerin die mit den durch die Eigenheimzulage zugeflossenen Geldmitteln Baumaterialien zur Erweiterung ihres Hauses anschaffte. Selbst wenn die Klägerin die Eigenheimzulage für bloße Instandhaltungs- oder -setzungsmaßnahmen eingesetzt haben sollte, dürfte nach dem zuvor Gesagten die Anrechenbarkeit als Einkommen nicht derart auf der Hand liegen, dass der Klage bereits im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens hinreichende Erfolgsaussichten abzusprechen wären.

Da die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin mit den Anlagen zum am 22. September 2008 zu den Gerichtsakten gelangten Antragsschriftsatz gemäß § 118 Abs. 2 S. 1 ZPO glaubhaft gemacht worden sind und mithin ab diesem Zeitpunkt Bewilligungsreife gegeben gewesen ist, war Prozesskostenhilfe ab eben diesem Zeitpunkt zu bewilligen.

Angesichts der schwierigen, von einem Laien wie der Klägerin kaum zu erfassenden Sach- und Rechtslage ist es gemäß §§ 73a SGG, 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlich, ihr ihren Prozessbevollmächtigten als Rechtsanwalt beizuordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit §§ 118 Abs. 1 S. 4, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar, § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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