L 16 AS 170/09 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 AS 359/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 170/09 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 2. März
2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeführers sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) streitig. Insbesondere beantragt der Beschwerdeführer (Bf) ihm im Wege der einstweiligen Anordnung folgende Leistungen zu gewähren:

1. Mindestens 800,00 EUR zum Einkauf von gepflegter Kleidung für einen potentiellen
Arbeitsplatz (Antrag vom 29.08.2008).

2. Mindestens die Gewährung von 1.500,00 EUR zur Wohnungsbeschaffung und für Umzugskosten einschließlich Montage (weiterer Antrag vom 23.09.2008).

3. Mindestens 1.250,00 EUR für die Anschaffung eines günstigen Küchenblocks ein-
schließlich Montage (weiterer Antrag vom 23.09.2008).

4. Die Gewährung eines erhöhten Regelsatzes von mindestens 700,00 EUR (Antrag
vom 13.02.2008).

Der 1955 geborene Bf bezieht seit dem 09.11.2008 Leistungen nach dem SGB II. Zuletzt erhielt der Bf von der Beschwerdegegnerin (Bg) mit Bescheid vom 16.02.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 01.03.2009 bis 31.08.2009 in Höhe von 491,82 EUR bewilligt (Regelleistung
in Höhe von 351,00 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 140,82 EUR).

Der Bf beantragte am 29.08.2008 die Zahlung von 800,00 EUR als Kleiderbeihilfe um sich angemessen um eine Arbeitsstelle bewerben zu können. Diesen Antrag lehnte die Bg mit Bescheid vom 22.09.2008 ab. Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wies die Bg mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2008 zurück, da ein unabweisbarer Bedarf nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht vorliege.
Am 23.09.2008 beantragte der Antragsteller Leistungen zur Wohnungsbeschaffung und die Übernahme von Umzugskosten in Höhe von 1.500,00 EUR sowie die Zahlung von 1.250,00 EUR zur Beschaffung eines Küchenblocks. Diesen Antrag lehnte die Bg mit Bescheiden vom 26.09.2008 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Bg mit weiteren Widerspruchsbescheiden vom 15.12.2008 zurück, da ein Bedarf für die Zukunft, ohne dass derzeit ein konkreter Bedarf vorliege, beantragt worden sei. Eine Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten sei grundsätzlich möglich, doch erst, wenn eine neue Wohnung konkret in Aussicht sei.

Gegen alle drei Widerspruchsbescheide erhob der Bf Klage zum Sozialgericht München.

Am 13.02.2009 beantragte der Bf mit Schreiben vom 12.02.2009 die Gewährung eines erhöhten Regelsatzes von mindestens 1.000,00 EUR pro Monat. Diesen Antrag lehnte die Bg mit Bescheid vom 16.02.2009 ab.

Aufgrund einer Zwangsräumung wohnt der Bf seit dem 13.02.2009 in einer städtischen Unterkunft für Obdachlose in A-Stadt. Die Einrichtungsgegenstände des Bf wurden im Rahmen der Zwangsräumung, nach Angaben des Bg, zur Sicherung der Ansprüche seiner ehemaligen Vermieter bei einer Speditionsfirma eingelagert.

Mit Schreiben vom 14.02.2009, bei der Bg am 17.02.2009 eingegangen, beantragte der Bf verschiedenste weitere Umzugs- und Einlagerungskosten.

Am 17.02.2009, beim Sozialgericht München am 19.02.2009 eingegangen, stellte der Bf Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit oben aufgeführten Anträgen. Zur Begründung seines Anträge führte er aus, dass er die Kleiderbeihilfe benötige um sich um einen Arbeitsplatz bewerben zu können. Er legte eine Zeitungsannonce der Möbelfirma H. vor, aus der hervorgehe, dass ein Verkäufer gesucht werde, ein gepflegtes Äußeres sei Voraussetzung um diese Stelle zu erhalten. Die Bg wies zur Erwiderung daraufhin, dass sie den Regelsatz in gesetzlicher Höhe bereits bewilligt habe und die Unterkunftskosten für das derzeit bewohnte Obdachlosenheim vollständig übernommen habe. Weitere Kosten die im Zusammenhang mit einer neuen Wohnung stünden, könnten pauschal nicht übernommen werden, vielmehr müsste eine konkrete Wohnung in Aussicht stehen, dann könnte eine Aussage dazu getroffen werden, welche Umzugskosten und welche Kosten für Einrichtungsgegenstände übernommen werden können. Eine pauschale Übernahme, die nicht im Zusammenhang mit einer konkreten Wohnung stehen würde, sei nicht möglich. Der Bf sei darüber bereits mehrfach informiert worden. Eine Mobilitätshilfe in Form von Arbeitskleidung könne erst dann bewilligt werden, wenn eine konkrete Anstellung in Aussicht sei.

Das Sozialgericht München lehnte mit Beschluss vom 02.03.2009 den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab, da weder Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund für die von dem Bf begehrten Leistungen bestehen würde. Der Bf erhalte den Regelsatz in gesetzlicher Höhe voll ausgezahlt und auch die Kosten für Unterkunft und Heizung würden vollständig übernommen werden. Einen weitergehenden Anspruch auf eine Regelleistung in Höhe von mindestens 700,00 EUR bestünde nicht; ebenso wenig, wie ein Anspruch auf eine Zahlung in Höhe von 1.500,00 EUR als Unterkunftskosten und auch Zahlungen für eine Erstausstattung der Wohnung in Höhe von 1.250,00 EUR. Dazu habe der Bf kein hinreichend konkretes Wohnungsangebot vorgelegt, außerdem fehle es für die Anschaffung eines Küchenblocks an einer gesetzlichen Grundlage. Auch die Übernahme von Kosten für Arbeitskleidung komme nicht in Betracht, da der Regelsatz nach § 20 SGB II auch den Bedarf von Kleidung mit umfasse. Im Übrigen lasse sich durch die vorgelegte Zeitungsannonce nicht erkennen, dass der Bf zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei.

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 12.03.2009 beim Sozialgericht München sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung der Beschwerde hat er vorgetragen, dass er in einer Notsituation leben würde, und dass das Gericht den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt habe. Er fühle sich in seinen Grundrechten aus Art. 1 und 3 Grundgesetz (GG) verletzt. Außerdem wies er darauf hin, dass er ab dem 1. April 2009 eine Zwei-Zimmer-Wohnung angeboten bekommen habe. Sobald er den Mietvertrag habe werde er diesen vorlegen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Bg sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) Beschwerde des Bf ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der vom Bf "sofortige Beschwerde" eingelegte Rechtsbehelf war als Beschwerde gemäß § 172 SGG gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 02.03.2009 auszulegen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die einstweilige Anordnung soll den Zeitraum bis zu einer abschließenden Hauptsacheentscheidung durch eine Zwischenregelung überbrücken und auf diese Weise den Rechtsstreit in der Hauptsache entscheidungsfähig erhalten. Voraussetzung für deren Erlass ist, dass sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden sind (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung -ZPO- ).

Für die Glaubhaftmachung genügt es, dass bei der Ermittlung des Sachverhalts dieser mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit aufgeklärt wurde. Dagegen dürfen die Anforderungen an die Erkenntnis der Rechtslage, d.h. die Intensität der rechtlichen Prüfung grundsätzlich nicht herabgestuft werden. Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ist grundsätzlich das materielle Recht, das voll zu prüfen ist (vgl. Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so verlangt der Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz eine Eilentscheidung anhand einer umfassenden Güter- und Folgeabwägung (vgl. Bundesverfassungsgericht a.a.O.).

Der Antrag des Bf auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen ist abzulehnen, da weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund für die von ihm geltend gemachten Ansprüche besteht.

Bezüglich der beantragten Kleiderbeihilfe, der Umzugskosten in Höhe von 1.500,00 EUR und der Anschaffungskosten für eine neue Küche in Höhe von 1.250,00 EUR besteht schon deshalb kein Anordnungsanspruch nach §§ 23 Abs. 1, 22 Abs.2 Satz 2 SGB II, da kein konkreter Bedarf des Bf besteht. Der Bf hat weder durch Vorlage eines Mietvertrages, noch auf andere Weise dargelegt, dass er die Möglichkeit hat in eine eigene Wohnung einzuziehen. Daher können Umzugskosten und evtl. zusätzliche Bedarfe hinsichtlich der Wohnungserstausstattung zum jetzigen Zeitpunkt nicht - auch nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes -bewilligt werden. Dies gilt entsprechend für die beantragte Kleiderbeihilfe, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat.

Hinsichtlich der geltend gemachten höheren Regelleistung von zuletzt mindestens 700,00 EUR ist daraufhin zu weisen, dass nach § 20 SGB II die Regelleistung 351,00 EUR beträgt. Ein darüber hinaus gehender Anspruch des Bf besteht nicht, da er die vollständige Regelleistung, die der Gesetzgeber vorgesehen hat, erhält. Die Höhe der Regelleistung wird vom Gesetzgeber in § 20 Abs. 2 SGB II selbst festgelegt und daher demokratisch legitimiert. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die Regelleistung ausreichend um das soziokulturelle Existenzminimum der Hilfesuchenden abzusichern, den Gerichten ist es daher verwert die Höhe der Regelleistung aufgrund eigener Erkenntnisse anders zu bemessen. Damit besteht hinsichtlich der Gewährung einer höheren Regelleistung ebenfalls kein Anordnungsanspruch.

Da auch ein Anordnungsgrund, d.h. die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, nicht erkennbar ist und auch nicht vorgetragen wurde, ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München zurückzuweisen. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Bf vor Abschluss seines Mietvertrages diesen von der Bg gemäß § 22 Abs. 3 SGB II genehmigen lassen muss, die vorherige Zusicherung ist Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugkosten ist.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung beruht auf der Erwägung, dass die Beschwerde keinen Erfolg hatte.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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