L 17 P 2/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 P 239/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 P 2/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. September 1998 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1940 geborene Klägerin beantragte im März 1995 bei der Beklagten die Gewährung von Pflegegeld, da sie in den Bereichen der Körperpflege, der Bewegung und der hauswirtschaftlichen Versorgung u.a. wegen operativer Versteifung des linken Hüftgelenks einen Pflegebedarf habe.

Die Beklagte veranlasste die Erstattung eines Gutachtens durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). In dem Gutachten vom 5. September 1995 stellte die Gutachterin Dr. W. die pflegebegründenden Diagnosen: Li. Hüftgelenkversteifung nach Knochen-Tbc, Gonarthrose beidseits, rez. Lumboischialgien, Torsionsskoliose, Arthrose li. Fußgelenk. Zum Hilfebedarf führte sie aus, die Klägerin benötige Hilfen beim Duschen für das Ein- und Aussteigen sowie für das Festhalten während des Duschens. Ferner bestehe ein Hilfebedarf beim Ankleiden der linken Gummisocke und für bestimmte Kleidungsstücke unterhalb der Gürtellinie. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung bestehe ein erheblich höherer Hilfebedarf. Die Gutachterin kam zum Ergebnis, dass der notwendige Hilfebedarf nicht den gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen entspreche.

Mit Bescheid vom 14. November 1995 lehnte die Beklagte die Gewährung von Pflegegeld ab.

In ihrem dagegen erhobenen Widerspruch gab die Klägerin an, sie habe einen deutlich höheren Hilfebedarf. Die Beklagte veranlasste eine weitere Begutachtung durch Dr. H, der in seinem Gutachten vom 29. Februar 1996 im Wesentlichen die gleichen pflegebegründenden Diagnosen stellte. Er bejahte im Bereich der Grundpflege einen Pflegebedarf beim Duschen/Baden einmal täglich im Sinne einer Teilhilfe beim Waschen des Rückens und des linken Beines sowie im Bereich der Mobilität beim An- und Auskleiden der Gummisocke, des linken Strumpfes und des linken Schuhs. Der tägliche Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege liege unter 45 Minuten. Es überwiege der Hilfebedarf im hauswirtschaftlichen Bereich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 1997 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück.

Mit ihrer am 23. Mai 1997 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe einen wesentlich höheren Hilfebedarf als von der Beklagten angenommen. Ohne Hilfe ihres Ehemannes sei sie nicht in der Lage, die Wohnung zu verlassen oder sie wieder aufzusuchen.

Das Sozialgericht hat ein allgemeinmedizinisches Gutachten von Dr. B. vom 30. Dezember 1997 eingeholt. Darin hat die Sachverständige folgende Erkrankungen festgestellt:

Hüftversteifung links nach Hüftgelenkstuberkulose mit Beinverkürzung links (seit 1985),

schwere Abnutzungserscheinungen beider Knie und des linken Sprunggelenks mit Teilversteifungen, Zustand nach Kniegelenkstuberkulose links,

Fehlhaltung der Wirbelsäule mit häufigen Schmerzzuständen,

Zustand nach Lungentuberkulose (1947-52).

Im Bereich der Grundpflege hat die Sachverständige dargelegt, es bestehe ein Hilfebedarf von vier Minuten für eine Teilhilfe beim Waschen/Baden und von zwei Minuten für eine Teilhilfe bei der Darm-/Blasenentleerung. Im Bereich der Ernährung liege kein Hilfebedarf vor, da die Klägerin die Nahrung selbst mundgerecht zubereiten und die Nahrung selbständig aufnehmen könne. Im Bereich der Mobilität sei ein täglicher Hilfebedarf von fünf Minuten für die Hilfe beim An- und Auskleiden des elastischen Strumpfes, 15 Minuten für das siebenmal täglich vorkommende An- und Ausziehen des linken Schuhs und fünf Minuten für das Verlassen des Hauses für den 14-täglichen Arztbesuch vorhanden. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung werde die maximal berücksichtigungsfähige Zeit überschritten. Der Hilfebedarf bestehe insgesamt für 76 Minuten. Darüber hinaus hat die Sachverständige einen weiteren Hilfebedarf für das Eincremen und Bandagieren des linken Fußgelenks (10 Minuten), für die Pediküre und die Haarwäsche (fünf Minuten) und das mehrfache An- und Ausziehen des orthopädischen Schuhs aufgeführt, was nicht im Zusammenhang mit Tätigkeiten aus dem Bereich der Grundpflege stehe.

Mit Urteil vom 24. September 1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da der berücksichtigungsfähige Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege weniger als 45 Minuten betrage und somit nicht die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt seien.

Gegen das der Klägerin am 22. Dezember 1998 zugestellte Urteil hat sie am 18. Januar 1999 Berufung eingelegt und vorgetragen, ihr berücksichtigungsfähiger Hilfebedarf sei vom Sozialgericht nicht ausreichend gewürdigt worden. Ihr Ehemann leiste weit mehr Hilfe als im Urteil angegeben. So sei unberücksichtigt geblieben, dass er das Kochen und Decken des Tisches übernehme. Bei jeder Autofahrt müsse sie von ihrem Ehemann begleitet werden, da sie sich wegen ihrer steifen Hüfte allein nicht mehr bewegen könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. September 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 14. November 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. April 1997 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr Pflegegeld der Pflegestufe I seit dem 1. März 1995 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.

Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts Berlin Az. S 76 P 239/97 haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe I nach §§ 36, 37 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI). Zwar benötige die Klägerin aufgrund ihrer Krankheiten und Behinderungen für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer Hilfe, sie ist jedoch nicht pflegebedürftig im Sinne des SGB XI. Nach §§ 14, 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI sind Pflegebedürftige der Pflegestufe I Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen in einem oder mehreren Bereichen mindestens täglich einmal der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI muss in der Pflegestufe I der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, mindestens täglich 90 Minuten im Wochendurchschnitt betragen, hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall, wie sich insbesondere aus dem von Dr. C erstatteten Sachverständigengutachten zur Überzeugung des Senats ergibt. Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts Bezug und verweist auf sie. Soweit die Klägerin gegen das angefochtene Urteil vorbringt, es seien wesentliche Hilfeleistungen ihres Ehemannes nicht berücksichtigt worden, kann ihr nicht gefolgt werden. So kann das von ihr erwähnte Kochen und das Eindecken des Tisches nicht als Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege gewertet werden, da es sich bei diesen Verrichtungen um den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung handelt. Zu dem Hilfebedarf im Bereich der Ernährung ist nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI nur das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung zu zählen; dazu gehört lediglich das Zerkleinern von Speisen und der Vorgang des Essens selbst. Für diese Verrichtungen benötigt die Klägerin jedoch keine Hilfe.

Soweit die Klägerin auf die Hilfen ihres Ehemannes bei außerhäuslichen Verrichtungen verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass nach dem SGB XI nur solche Verrichtungen außerhalb der Wohnung einzubeziehen sind, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen notwendig machen, z.B. der Besuch von Ärzten. Letzteres gilt übrigens auch nur insoweit, als derartige Besuche regelmäßig wöchentlich erforderlich sind. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall. Damit erfüllt sie nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe I.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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