S 33 AL 19/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AL 19/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 24.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2009 verurteilt, dem Kläger Verzugszinsen aus einem Betrag von 1.000,00 Euro in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz für den Zeitraum vom 28.01.2007 bis 24.07.2008 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelasssen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Verzugszinsen.

Der Kläger betreibt die private Vermittlung von Arbeitsverhältnissen. In diesem Zusammenhang wurde er für die arbeitslose M. E. tätig, für die die Beklagte am 31.05.2006 einen Vermittlungsgutschein ausgestellt hatte, der vom 31.05.2006 bis 30.08.2006 gültig war.

Am 28.12.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Auszahlung der zweiten Rate in Höhe von 1.000,00 Euro aus dem für M. E. ausgestellten Vermittlungsgutschein. Dem Antrag war die Vermittlungsbestätigung der Büsch GmbH vom 28.12.2006 beigefügt, wonach das Beschäftigungsverhältnis zwischen M. E. und der B. GmbH durch Vermittlung des Klägers zustande gekommen sei und seit dem 19.06.2006 ununterbrochen bestehe. Der Vermittlungsgutschein im Original, eine Kopie des Dienstleistungsvertrags zwischen dem Kläger und M. E. sowie eine Gewerbeanmeldung des Klägers lag der Beklagten bereits aufgrund des Anfang Dezember 2006 gestellten Antrags auf Auszahlung der ersten Rate in Höhe von 1.000,00 Euro vor.

Da die Beklagte lediglich die erste Rate in Höhe von 1.000,00 Euro an den Kläger auszahlte, wiederholte dieser am 01.07.2007 seinen Antrag auf Auszahlung der zweiten Rate in Höhe von 1.000,00 Euro aus dem Vermittlungsgutschein. Eine Reaktion der Beklagten auf diesen Antrag erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 19.05.2008 wies der Kläger die Beklagte unter Beifügung der Vermittlungsbestätigung darauf hin, dass die zweite Rate aus dem Vermittlungsgutschein aufgrund der mehr als 6 Monate fortbestehenden Beschäftigung der Arbeitnehmerin Egger fällig sei. Er fordere die Beklagte deshalb auf, die zweite Rate in Höhe von 1.000,00 Euro, Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 155,30 Euro zu zahlen. Mit Bescheid vom 18.07.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger die zweite Vergütungsrate in Höhe von 1.000,00 Euro. Diese Zahlung ging am 25.07.2008 beim Kläger ein.

Mit Bescheid vom 24.09.2008 lehnte die Beklagte die Auszahlung von Zinsen mit der Begründung ab, dass hierfür keine Rechtsgrundlage bestehe.

Dagegen legte der Kläger am 24.10.1008 Widerspruch ein. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 286 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 288 BGB.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2009 änderte die Beklagte den Bescheid vom 24.09.2008 ab und setzte die Zinsen auf 40,00 Euro fest. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I seien Ansprüche und Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier von Hundert zu verzinsen. Die Verzinsung beginne frühestens nach Ablauf von 6 Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, § 44 Abs. 2 SGB I. Der Kläger habe mit Schreiben vom 28.12.2006 die Zahlung der zweiten Rate in Höhe von 1.000,00 Euro beantragt. Er habe mit einem späteren Schreiben gegenüber der Beklagten bestätigt, dass er die Zahlung von 1.000,00 Euro am 25.07.2008 erhalten habe. Ausgehend von der dargestellten Rechtsgrundlage ergebe sich ein Verzugszinsraum vom 01.07.2007 bis 30.06.2008. Angesichts der in Rede stehenden Geldleistung von 1.000,00 Euro und dem Zinssatz von 4 % errechne sich ein anzuweisender Zinsbetrag von 40,00 Euro.

Zur Begründung seiner am 13.02.2009 erhobenen Klage vertritt der Kläger die Ansicht, die Höhe der Verzugszinsen richte sich nach den Regelungen des BGB, so dass Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen seien. Grundlage der Vermittlung und der Maklerprovision sei ein zivilrechtlicher Dienstleistungsvertrag zur privaten Arbeitsvermittlung. Dies entspreche der Ansicht des BSG, wonach es sich bei dem Vermittlungsvertrag um einen - wenn auch durch öffentlich rechtliche Normen modifizierten - Maklervertrag im Sinne des § 652 BGB handele. Die zivilrechtliche Vergütung des Vermittlungsmaklers durch den Arbeitnehmer sei nach § 296 Abs. 4 Satz 2 SGB III nach Vorlage des Vermittlungsgutscheins bis zu dem Zeitpunkt gestundet, in dem die Bundesagentur für Arbeit gezahlt habe. Der Vermittlungsmakler könne anstelle des privatrechtlichen Vermittlungshonorars einen öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch gegen die Arbeitsagentur geltend machen, die "den Vergütungsanspruch des vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers zu erfüllen" habe (§ 421 g Abs. 1 Satz 2 SGB III). Es gebe keinen sachlichen Grund, privatrechtliche Zahlungsverpflichtungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Regelungen gegenüber dem Vertragspartner nicht durchgesetzt werden können, im Verzugsfalle nicht nach privatrechtlichen Regelungen zu verzinsen. Die private Arbeitsvermittlung sei ein Teil des allgemeinen Wirtschaftslebens, in dem die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen selbstverständlich sei. Die Einordnung des Zahlungsanspruchs gegenüber der Beklagten als öffentliches Recht könne an dieser Beurteilung nichts ändern.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 24.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2009 zu verurteilen, ihm aus einem Betrag von 1.000,00 Euro Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz für den Zeitraum vom 28.01.2007 bis 24.07.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

1.die Klage abzuweisen,

2.die Berufung zuzulassen.

Der Vermittlungsvertrag im Sinne von § 296 SGB III stelle zwar einen privatrechtlichen Maklervertrag dar. Der gegen die Beklagte gerichtete Vergütungsanspruch aus § 421 g SGB III sei jedoch öffentlich-rechtlicher Natur. Diese Differenzierung nehme auch die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des BSG vor. Diese öffentlich-rechtliche Geldleistung sei demgemäß entsprechend der speziellen Bestimmung des § 44 SGB I und nicht nach zivilrechtlichen Regelungen zu verzinsen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Verzugszinsen aus einem Betrag von 1.000,00 Euro in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum vom 28.01.2007 bis 24.07.2008.

Nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Geldschuld während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt nach § 286 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz BGB spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet. Die Verzinsung der Vermittlungsvergütung richtet sich nach den genannten zivilrechtlichen Vorschriften (1). Die Beklagte befand sich mit der Zahlung der zweiten Rate der Vermittlungsvergütung in Höhe von 1.000,00 Euro für den Zeitraum vom 28.01.2007 bis 24.07.2008 in Verzug (2).

(1) Die Verzinsung der Vermittlungsvergütung richtet sich nach den Vorschriften des BGB und nicht nach § 44 SGB I. § 44 SGB I bezieht sich seiner systematischen Stellung nach nur auf Sozialleistungen (Gagel, SGB III, § 421 g, Randnr. 23 a). Der Kläger als Arbeitsvermittler ist jedoch kein Empfänger von Sozialleistungen im Sinne des § 19 Abs. 1 SGB I. Diese würden z. B. in sozialgerichtlichen Verfahren Kostenfreiheit nach § 183 SGG genießen. Dies ist beim Kläger als Arbeitsvermittler aber nicht der Fall (BSG, Urteil vom 06.04.2006, B 7 a AL 56/05 R). Für die Verzinsung des Vermittlungsanspruchs nach zivilrechtlichen Regelungen sprechen auch die Ausführungen des BSG in der Kostenentscheidung des Urteils vom 06.04.2006, B 7 a AL 56/05 R. Danach handelt es sich bei dem Vermittlerhonorar nicht um eine Leistung, sondern um eine Vergütung aus wirtschaftlicher Betätigung. Daraus folgt nach Ansicht der Kammer, dass sich die Tätigkeit des Klägers als privater Arbeitsvermittler und die daraus resultierende Vergütung auch nach den Vorschriften richten müssen, die für das Wirtschaftsleben gelten. Der Einwand der Beklagten, der auf § 421 g SGB III gestützte Vergütungsanspruch sei öffentlich-rechtlicher Natur und deshalb nach § 44 SGB I zu verzinsen, steht der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Das BSG hat z. B. am 03.08.2006, B 3 KR 7/06 R, entschieden, dass im Falle des Verzugs der Krankenkasse der öffentlich-rechtliche Vergütungsanspruch eines Apothekers in entsprechender Anwendung der zivilrechtlichen Bestimmungen zu verzinsen sei.

(2) Die Verzugsvoraussetzungen des § 286 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz BGB liegen vor. Es handelt sich bei der Vermittlungsvergütung um eine Entgeltforderung im Sinne der genannten Vorschrift, denn sie ist auf die Zahlung eines Entgelts für die Erbringung einer Dienstleistung gerichtet (vgl. Palandt, BGB, 66. Auflage, § 286, Randnr. 27). Der Beklagten als Schuldnerin ist am 28.12.2006 eine Rechnung bzw. gleichwertige Zahlungsaufstellung im Sinne des § 286 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz BGB (gemeint ist eine gegliederte Aufstellung über eine Entgeltforderung für eine Warenlieferung oder eine sonstige Leistung) zugegangen, indem der Kläger die Auszahlung der zweiten Rate der Vermittlungsvergütung in Höhe von 1.000,00 Euro beantragt hat. Die zweite Rate der Vermittlungsvergütung war am 28.12.2006 auch bereits fällig, denn das seit dem 19.06.2006 bestehende Beschäftigungsverhältnis zwischen M. E. und der B. GmbH hatte bereits eine sechsmonatige Dauer erreicht. Nach alledem ist die Beklagte am 28.01.2007 in Verzug geraten, da sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Eingang des Zahlungsantrags (28.12.2006) die zweite Rate der Vermittlungsvergütung in Höhe von 1.000,00 Euro an den Kläger gezahlt hat. § 296 Abs. 4 Satz 2 SGB III, wonach der Vergütungsanspruch des Vermittlers gegen den Arbeitssuchenden nach Vorlage des Vermittlungsgutscheins bis zu dem Zeitpunkt gestundet ist, in dem die Agentur für Arbeit nach Maßgabe des § 421 g SGB III gezahlt hat, steht dem Verzug der Beklagten ab dem 28.01.2007 nicht entgegen. Zwar kann Verzug des Arbeitssuchenden aufgrund der gesetzlichen Stundung nicht eintreten, auch wenn er die Zahlung verweigert. Diese Schutzvorschrift kann aber nicht auf den Vergütungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte übertragen werden.

Die Höhe der Verzinsung richtet sich nach § 288 Abs. 2 Satz 2 BGB (5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz). Eine höhere Verzinsung nach § 288 Abs. 2 (8 Prozentpunkte über dem Baiszinssatz) ist nach Ansicht der Kammer nicht möglich, denn an der Vermittlung war M. E. als zu vermittelnde Arbeitnehmerin beteiligt, die in eine versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 13 BGB vermittelt wurde und damit an dem Vermittlungsvertrag als "Verbraucher" beteiligt war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung, denn der Kläger ist als Vermittler kein Leistungsempfänger im Sinne des § 183 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2006, B 7 a AL 56/05 R).

Die Berufung wurde gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Rechtsfrage, ob sich der Verzugszinsanspruch des Vermittlers gegen die Beklagte nach § 44 SGB I oder nach § 288 BGB richtet, ist bislang nicht geklärt.
Rechtskraft
Aus
Saved