L 7 B 149/09 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 21/09 ER
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 B 149/09 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.03.2009 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für das Beschwerdeverfahren.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet.

1. Die Antragsgegnerin greift mit ihrer Beschwerde an, dass das Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit Beschluss vom 27.03.2009 "die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 27.03.2009 gegen den Änderungsbescheid vom 13.01.2009 angeordnet" hat.

a) Das SG hat damit gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die aufschiebende Wirkung des Widerspruches der Antragsteller vom 27.01.2009 gegen den Änderungsbescheid vom 13.01.2009 angeordnet, mit dem die Antragsgegnerin eine Leistungsteilaufhebung für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis zum 30.04.2009 verfügte; mit Bewilligungsbescheid vom 26.09.2008 hatte sie für diesen Zeitraum zuvor höhere Leistungen bewilligt.

b) Nicht angeordnet hat das SG dagegen die aufschiebende Wirkung der Klage (SG Düsseldorf S 10 AS 53/09) gegen den weiteren Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ebenfalls vom 13.01.2009 (in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2009), mit dem die Antragsgegnerin eine Leistungsteilaufhebung und -erstattung für den Zeitraum vom 01.08.2008 bis zum 31.01.2009 verfügte. Hierüber hatte der Senat nicht zu entscheiden, weil die insoweit beschwerten Antragsteller keine Beschwerde erhoben haben.

c) Soweit das SG den Antrag der Antragsteller im Übrigen abgelehnt hat, bezog sich dies auf ihr weitergehendes Begehren, die Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 01.05.2009 gemäß § 86b Abs. 2 SGG einstweilen zu verpflichten (Beschlussgründe Seite 6). Gegen diese Teilablehnung haben die ebenfalls Antragsteller keine Beschwerde erhoben.

2. Das SG hat zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 27.03.2009 gegen den Änderungsbescheid vom 13.01.2009 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG angeordnet.

a) Nach dieser Regelung kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Mit Änderungsbescheid vom 13.01.2009 verfügte die Antragsgegnerin eine Leistungsteilaufhebung für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis zum 30.04.2009; mit Bewilligungsbescheid vom 26.09.2008 hatte sie für diesen Zeitraum zuvor höhere Leistungen bewilligt. Der Widerspruch der Antragsteller hiergegen hat gemäß § 39 Nr. 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.2008, BGBl. I S. 2917, geändert mit Wirkung vom 01.01.2009) keine aufschiebende Wirkung. Denn der Änderungsbescheid vom 13.02.2009 hebt Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (zum Teil) auf gemäß § 39 Nr. 1 SGB II.

b) Das SG hat zu Recht entschieden, dass das Aufschubinteresse der Antragsteller hier ein hinreichendes Gewicht hat, um das vorläufige Zurücktreten des öffentlichen Vollzugsinteresses im Rahmen der gebotenen Abwägungsentscheidung zu rechtfertigen, so dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gerechtfertigt gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist.

Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug und macht sich diese nach Prüfung zu Eigen (entsprechend § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Das Vorbringen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung.

aa) Die Antragsgegnerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Einkommen im SGB II grundsätzlich nicht zur Schuldentilgung, sondern zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu verwenden ist. Der Hilfebedürftige muss sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich verwenden, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen (Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 19.09.2008, B 14/7b AS 10/07 R, Juris (Rn. 25)). Ausnahmen können allenfalls für titulierte Ansprüche oder gepfändete oder auf andere Weise der Disposition entzogene Einkommensteile in Betracht kommen (offengelassen von BSG a.a.O.), die hier nicht vorliegen.

Hier ist jedoch die Besonderheit zu beachten, dass die streitige Witwenrentenabfindung auf das Girokonto der Schwester der Antragstellerin zu 2) überwiesen worden ist. Die Witwenrentenabfindung ist damit den Antragstellern nicht unmittelbar - jedenfalls nicht in voller Höhe - zugeflossen. Die Antragstellerin zu 2) hat durch eine eidesstattliche Versicherung ihrer Schwester glaubhaft gemacht, dass ihre Schwester ihr insgesamt 6.650 EUR darlehensweise überlassen hatte und ihre Schwester nach Eingang der Witwenrentenabfindung auf ihrem Konto 6.500 EUR zum Ausgleich der Darlehensverbindlichkeit einbehalten hat. Die Schwester der Antragstellerin zu 2) hat hierbei darauf verwiesen, dass ein Auslandsjahr ihrer Tochter mit entsprechend hohen Kosten anstehe, so dass sie auf die Rückzahlung des Darlehens angewiesen gewesen sei.

bb) Ob die Antragstellerin zu 2) und ihre Schwester einen wirksamen Darlehensvertrag abgeschlossen haben, wird ggf. im sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren abschließend zu klären sein. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin scheidet dies nicht von vornherein deshalb aus, weil kein schriftlicher Darlehensvertrag vorhanden ist. Denn im SGB II gibt es mangels normativer Grundlage keinen derartigen Fremdvergleich, wonach ein Vertrag nach Inhalt und tatsächlicher Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen und, soweit er inhaltlich diesem Fremdvergleich standhält, auch dem Vertragsinhalt gemäß vollzogen werden muss. Eine Übertragung der Maßstäbe des Fremdvergleichs auf das SGB II scheidet aus (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 03.03.2009, B 4 AS 37/08 R, Juris (Rn. 26 f.)).

Unterstellt, die Antragstellerin zu 2) und ihre Schwester haben einen Darlehensvertrag wirksam abgeschlossen, hätte die Schwester die einbehaltenen 6.500 EUR nicht rechtsgrundlos erlangt gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch die Leistung ihrer Schwester, die die Überweisung der Witwenrente auf das Konto ihrer Schwester veranlasst hat. Die Antragstellerin könnte also eine Herausgabe des Geldes von ihrer Schwester wirksam gar nicht verlangen; umgekehrt wäre der Anspruch der Schwester auf Rückzahlung der Darlehenssumme gegenüber der Antragstellerin zu 2) durch Erfüllung erloschen gemäß § 362 Abs. 1 BGB.

cc) Die Antragsgegnerin war nicht berechtigt, vor der erforderlichen weiteren Klärung des Sachverhaltes ein Einkommen in Höhe der vollen Witwenrentenabfindung anspruchsmindernd zu berücksichtigen und die bereits bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes insoweit (fast vollständig) aufzuheben.

Der Senat hatte nicht zu entscheiden, ob die Antragstellerin zu 2) durch die Verwendung der Witwenrentenabfindung zur Tilgung privater Schulden ihr Einkommen gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB II in der Absicht vermindert hat, ihre Hilfebedürftigkeit herbeizuführen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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