L 7 AS 91/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 24/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 91/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 29.08.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin erstrebt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

1. Die Klägerin ist 1957 geboren. Sie ist Eigentümerin eines Wohnhauses in der A-str. 00 in X und einer Eigentumswohnung in der N-str. 00 in B.

Sie bezog seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Im Dezember 2007 verstarb ihr Ehemann. Der gesetzliche Rentenversicherungsträger bewilligte ihr ab dem 23.12.2007 Witwenrente (in den ersten drei Monaten 888,58 EUR monatlich, ab dem 01.04.2008 533,15 EUR monatlich) und für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 31.12.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit.

2. Mit Bescheid vom 10.12.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für Dezember 2006 (161,74 EUR). Die Beklagte wies darauf hin, dass die Entscheidung vorläufig ergehe, weil die Voraussetzungen noch nicht vollständig geprüft seien. Die Beklagte berücksichtigte als Einkommen der Klägerin Kindergeld (154 EUR) sowie Einkommen aus Vermietung (319,57 EUR).

Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch mit der Begründung, das Kindergeld sei nicht anzurechnen, weil es an den Sohn gezahlt werde; von den Mieteinnahmen seien die Belastungen abzuziehen.

Mit Bescheid vom 03.01.2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für Januar 2007 (161,74 EUR). Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.

Mit Bescheid vom 10.01.2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für Februar 2007 (167,74 EUR) mit dem Hinweis, dass dieser Bescheid Gegenstand des Widerspruchsverfahren werde. Mit Bescheid vom 10.08.2007 erfolgte eine vorläufige Leistungsbewilligung für September 2007 (163,74 EUR), mit Bescheid vom 24.09.2007 für Oktober 2007 (163,74 EUR) und mit Bescheid vom 15.10.2007 für November 2007 (163,74 EUR). Gegen die Bescheide vom 10.08.2007, 24.09.2007 und 15.10.2007 erhob die Klägerin Widerspruch.

Die Beklagte gewährte der Klägerin ferner Leistungen für März 2007 bis August 2007 sowie für Dezember 2007.

Die Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin mit Widerspruchsbescheiden vom 06.02.2008 zurück. Die Beklagte legte die aus ihrer Sicht zutreffende Einkommens- und Vermögensanrechnung dar und wies darauf hin, dass weiterhin Leistungen in Höhe von 163,74 EUR vorläufig bewilligt würden.

3. Hiergegen hat die Klägerin am 11.02.2008 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Aachen erhoben. Sie ist der Auffassung, sie habe einen Anspruch auf höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Denn die Beklagte habe ihr Einkommen und Vermögen unzutreffend berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 15.02.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin vorläufig Leistungen nach dem SGB II für März 2008 in Höhe von 163,74 EUR. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2008 zurück. Mit Schriftsatz vom 05.04.2008 begehrte die Klägerin eine Einbeziehung dieser Bescheide in das Klageverfahren; die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 25.04.2008, dass sie an ihrer Rechtsauffassung festhalte, dass nur eine darlehensweise Bewilligung in Betracht komme.

Nach der Sitzungsniederschrift vom 29.08.2008 hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt: "Keiner der angefochtenen Bescheide beinhaltet eine endgültige Regelung über den bestehenden Leistungsanspruch. Hierüber wird die Beklagte noch einen endgültigen Bescheid erlassen."

Mit Urteil vom 29.08.2008 hat das SG Aachen die Klage abgewiesen. Die Klage sei nicht zulässig. Die Klägerin sei durch die vorläufigen Leistungsbewilligungen nicht beschwert. Die Klägerin wende sich nicht gegen die Höhe einer lediglich vorläufig bewilligten Leistung, sondern erstrebe eine endgültige Leistungsabrechnung.

4. Gegen dieses ihr am 08.09.2008 zugestellte Urteil des SG Aachen hat die Klägerin am 26.09.2008 Berufung erhoben. Sie ist der Auffasung, die Beklagte habe die Leistungen der Höhe nach falsch berechnet. Es seien Einkünfte angerechnet worden, die ihr nicht zuzurechnen seien (Kindergeld) und die keine Einkünfte im Sinne des Gesetzes seien (Nebenkostenzahlungen). Die Beklagte habe zudem Instandhaltungs- und Reparaturkosten bezüglich ihrer Immobilien zu Unrecht nicht in Abzug gebracht.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des SG Aachen vom 29.08.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bewilligungsbescheide zu verurteilen, ihr höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG Aachen für rechtlich zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Auf die beabsichtigte Entscheidung durch Beschluss hat der Senat die Beteiligten mit Schreiben vom 13.05.2009 hingewiesen.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Das SG Aachen hat mit Urteil vom 29.08.2008 ihre Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass im Streit der Leistungszeitraum vom 01.12.2006 bis zum 23.12.2007 steht und ferner die Leistungen für März 2008. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des SG insoweit Bezug und macht sich diese nach Prüfung zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).

2. Zu Unrecht ist das SG allerdings davon ausgegangen, die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

Die Möglichkeit gegen eine Entscheidung über eine vorläufige Leistung Widerspruch und Klage zu erheben, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht in Frage gestellt (vgl. Leopold, info also 2008, S. 104, 107 f.). Denn es ist kein Grund ersichtlich, derartige Verwaltungsentscheidungen und Akte öffentlicher Gewalt von der verfassungsrechtlich verbürgten Garantie effektiven Rechtsschutzes generell auszunehmen. Zwar ist die Bindungswirkung (§ 77 SGG) eines vorläufigen Bewilligungsbescheid von vornherein bis zur Ersetzung durch den endgültigen Verwaltungsakt begrenzt. Ergeht die endgültige Entscheidung, so erledigt sich dadurch der vorläufige Verwaltungsakt (§ 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]). Der vorläufige Bescheid regelt aber im Sinne des § 31 SGB X bis zum Erlass des endgültigen Bescheides den Einzelfall (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.02.2008, L 28 B 1869/07 AS PKH, Juris). Mit einer Klage kann also überprüft werden, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine (nur) vorläufige Leistungsbewilligung vorlagen und - sofern Ermessen eröffnet ist, ob die Verwaltung von diesem rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat.

3. Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet.

Die Beklagte hat die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu Recht bislang nur vorläufig erbracht. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorläufigen Entscheidung gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) waren erfüllt (mit § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II). Danach ist (§ 428 Abs. 1 Satz 3 SGB III) über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen des Anspruchs mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Hilfebedürftige die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat.

Zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs war aufgrund des Umfanges der erforderlichen Sachverhaltsermittlungen längere Zeit erforderlich. Die Beklagte hat in dieser Zeit insbesondere Ermittlungen zur Bestimmung des Verkehrswertes der Eigentumswohnung in der N-str. 00 in B aufgenommen. Aufzuklären war ferner unter anderem auch die komplexe Ausgestaltung der Finanzierung bzw. Darlehenssituation. Die Verwaltungsakten der Beklagten umfassen aus diesem Grund derzeit bereits 7 Bändet mit etwa 1.000 Blatt. Bedenken gegen die Festsetzung der Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen bestehen nicht.

Der Umfang der erforderlichen Ermittlungen war auch ein zureichender Grund dafür, dass die Beklagte bislang keine endgültige Entscheidung getroffen hat bzw. hat treffen können. Sie hat jetzt im Berufungsverfahren mitgeteilt, aufgrund der durchgeführten Sachverhaltsaufklärung eine endgültige Entscheidung demnächst treffen zu können.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe, die Revision zuzulassen, lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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