L 2 AS 152/07

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 25 AS 2131/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AS 152/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Weder nach den überarbeiteten \"Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen\", noch nach dem \"Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung der Ärzte des öffentlichen Gesundheitswesens Westfalen/Lippe\", noch nach den \"Ernährungsempfehlungen für Diabetiker\" lässt sich eine krankheitsbedingte kostenaufwändigere Ernährung bei Diabetes mellitus, Hypertonie, Hyperlipidämie mehr begründen. Es bestehen auch keine Bedenken, die im Oktober 2008 herausgekommenen Empfehlungen des Deutschen Vereins für einen davor liegenden Zeitraum im Jahr 2007 anzuwenden.
I. II. III. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 14.09.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfs bei kostenaufwändiger Ernährung für beide Kläger im Zeitraum zwischen dem 01.05. und dem 31.10.2007.

Der 1956 geborene Kläger zu 1) leidet an einer Bluthochdruckerkrankung (Hypertonie) und einer Fettstoffwechselstörung (Hyperlipidämie). Bei der 1957 geborenen Ehefrau des Klägers zu 1), hier der Klägerin zu 2), besteht eine Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), eine Bluthochdruckerkrankung und eine Fettstoffwechselstörung. Beide Kläger stehen im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Mit Bewilligungsbescheid vom 19.04.2007 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2007 in Höhe von insgesamt 1.214,61 EUR.

Die Kläger beantragten am 27.02.2007 beide die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Ihrem Antrag fügten beide Kläger jeweils eine ärztliche Bescheinigung ihrer Hausärztin Dr. D1 bei, welche dem Kläger zu 1) die Fettstoffwechselstörung sowie den Bluthochdruck bescheinigte und für die Zeit vom 01.03. bis 31.12.2007 Krankenkost für erforderlich und ärztlich verordnet angegeben wurde, da die Erkrankung chronisch sei und der Dauerbehandlung bedürfe. Von Frau Dr. K1 , Fachärztin für Innere Medizin/Diabetologin wurde der Klägerin zu 2) die Hypertonie sowie der insulinpflichtige Diabetes mellitus bescheinigt, weswegen die Klägerin zu 2) Medikamente einnehmen müsse und eine Heilung nicht zu erwarten sei, bis auf Weiteres.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des ärztlichen Dienstes ein, wonach für beide Kläger keine Mehrkosten entstünden. Beim Kläger zu 1) sei für die Bluthochdruckerkrankung der Verzicht auf Zusalzen und das Vermeiden besonders salzreicher Speisen notwendig. Bei der Fettstoffwechselstörung sei entsprechend des aktuellen Begutachtungsleitfadens für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 30 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) eine fettsenkende Kost erforderlich, d.h. es sollte eine deutliche Verminderung des Verzehrs von vor allem tierischen Fetten erfolgen. Auch für die Klägerin zu 2) wurde entsprechend des aktuellen Begutachtungsleitfadens ein Mehrbedarf krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung bei der Bluthochdruckerkrankung mit derselben Begründung wie beim Kläger zu 1) abgelehnt. Dasselbe gelte für die Fettstoffwechselstörung der Klägerin zu 2). Auch im Zusammenhang mit dem Diabetes mellitus entstünden keine krankheitsbedingten Mehrkosten. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge aus dem Jahr 1997 seien zum größten Teil überholt und nicht auf neuestem wissenschaftlichem Stand.

Mit Bescheid vom 08.05.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von krankheitsbedingten Mehraufwendungen für beide Kläger im Zeitraum zwischen dem 01.05. und 31.10.2007 ab. Sie stützte sich hierbei im Wesentlichen auf die Begründung ihrer Amtsärztin vom 26.04.2007, wonach keine krankheitsbedingten Mehrkosten bei den Klägern anfielen. Den Widerspruch der Kläger wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2007 als unbegründet zurück.

Hiergegen haben die Kläger am 19.06.2007 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage erhoben.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 14.09.2007 der Klage beider Kläger auf Zahlung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfs ab dem 01.03.2007 stattgegeben. Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 5 SGB II der Gewährung eines Mehrbedarfs in angemessener Höhe lägen vor. Der Betrag sei nach den "Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostzulagen" zu bemessen. Auch wenn diese Empfehlungen aus dem Jahr 1997 stammten, seien sie weiterhin als geeignete Entscheidungsgrundlage anzusehen. Diesen Empfehlungen sei oftmals die Qualität eines antizipierten Sachverständigengutachtens beigemessen worden. Das Problem der kostenaufwändigen Ernährung bei Diabetes mellitus Typ IIa sei nicht endgültig geklärt. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahr 1997 würden aktuell überprüft. Bis zum Abschluss dieser Revision, deren Ergebnis noch völlig offen sei, werde an den Empfehlungen aus dem Jahr 1997 festgehalten, in diesen werde weiter eine geeignete Grundlage zur Bemessung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II gesehen. Danach seien für den Kläger zu 1) die Zulage für lipidsenkende Kost und für die Klägerin zu 2) die Zulage für die Diabeteskost zu zahlen. Der Regelwert sei entsprechend der Regelsatzerhöhung fortzuschreiben. Hieraus errechne sich der Empfehlungswert für Diabeteskost von 55,06 EUR und lipidsenkender Kost von 41,24 EUR monatlich.

Gegen den am 21.09.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 17.10.2007 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt.

Das Gericht habe in unzulässiger Weise die Beklagte für einen Zeitraum zur Zahlung des Mehrbedarfs verpflichtet, der über einen jeweiligen Bewilligungsabschnitt hinausgehe, indem es die Beklagte auf unbestimmte Zeit verurteilt habe. Abgesehen davon sei der krankheitsbedingte Mehrbedarf weder im Fall des Klägers zu 1) noch der Klägerin zu 2) zu zahlen, da die Krankheiten des Klägers zu 1) durch eine Ernährungsumstellung in Form eines Verzichts auf Zusalzen sowie eine deutliche Verminderung des Verzehrs vor allem tierischer Fette zu behandeln sei. Hierbei entstünden keine Mehrkosten. Bezüglich der Klägerin zu 2) gelten die selben Überlegungen. Im Hinblick auf den Diabetes mellitus folge die Beklagte nicht den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge aus dem Jahr 1997, da diese nicht mehr dem neuesten wissenschaftlichen Stand entsprächen. Die Beklagte mache sich aus diesem Grunde die medizinische Beurteilung der Amtsärztin zu eigen, welche einen ernährungsbedingten Mehraufwand bei der Klägerin zu 2) ablehne.

Nachdem im Oktober 2008 die neuesten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge herausgekommen sind, hat die Beklagte mit Schreiben vom 28.10.2008 darauf hingewiesen, dass nach nunmehrigem Stand auch des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge bei Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck sowie Diabetes mellitus krankheitsbedingt regelmäßig Vollkost angezeigt sei. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Regelsatz bei den Klägern den notwendigen Aufwand für eine Vollkost decke.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 14.09.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Sie vertreten die Auffassung, dass für den streitigen – zurückliegenden – Zeitraum die nunmehr herausgekommenen "Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge" vom Oktober 2008 noch nicht maßgeblich seien. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom Oktober 2008 mitgeteilt, welche besonderen Lebensmittel sie kaufen müssten. Auf den Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen. Die Klägerin zu 2) hat im Termin angegeben, dass sie die jeweils erforderliche Insulinmenge vor dem Spritzen durch einen Bluttest ermitteln müsse.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakte der ersten Instanz enthaltenen Schriftsätze Bezug genommen. Diese lagen bei der Beratung und Entscheidungsfindung vor.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und auch begründet.

I.

Die Berufung ist zulässig. Streitgegenstand ist hier der Bescheid vom 08.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2007 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz –SGG-), mit welchem die Beklagte für beide Kläger über den krankheitsbedingten Mehraufwand entschieden hat. Mit dieser Ablehnungsentscheidung ist der Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.10.2007 erfasst. Der Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 5 SGB II ist an die sonstigen Voraussetzungen des Arbeitslosengeldes II (Alg II) nach § 19 SGB II gebunden. D.h., nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 SGB II werden hier Bedarfe abgedeckt, die durch die Regelleistung nach § 20 SGB II nicht abgedeckt sind. Dies setzt also voraus, dass ein Anspruch auf Regelleistung besteht. Demzufolge ist der Mehrbedarf genauso wie die Regelleistung jeweils für einen Bewilligungsabschnitt zu gewähren, hier bezogen auf den Zeitraum vom 01.05. bis 31.10.2007. Da über diesen Zeitraum mit Bewilligungsbescheid vom 19.04.2007 zur Regelleistung entschieden worden ist, bezieht sich der entsprechende Ablehnungsbescheid zum Mehrbedarf des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) auch auf diesen Zeitraum.

Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.2000 (BGBl. I, Seite 1983) ist die Berufung zulässig bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft und 500,00 EUR übersteigt. Die zugesprochenen Mehrbedarfe für den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) ab 01.03.2007 übersteigen 500,00 EUR, so dass die Berufung zulässig ist.

II.

Die Berufung ist begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 14.09.2007 ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Bescheid der Beklagten vom 08.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Beide Kläger haben keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf für eine aus medizinischen Gründen notwendige kostenaufwändigere Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II.

Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigeren Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Das Gesetz begründet damit bei medizinischem Erfordernis kostenaufwändiger Ernährung einen Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen. Bei dem Begriff der "angemessenen Höhe" des Mehrbedarfs handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung in vollem Umfang der rechtlichen Überprüfung durch das Gericht unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008, Az.: B 14/7b AS 64/06 R, Rziff. 24 m.w.N., zitiert nach Juris). Nach dem Willen des Gesetzgebers können zur Konkretisierung der Angemessenheit des Mehrbedarfs die hierzu vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden (BT-Drucksache 15/1516 Seite 57). Dies entspricht der generellen Anknüpfung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an das Referenzsystem der Sozialhilfe (vgl. BT-Drucksache 15/1516 Seite 46, 57). In der Praxis und Rechtsprechung zur früheren Parallelvorschrift des § 23 Abs. 4 BSHG fanden die Empfehlungen des Deutschen Vereins allgemein Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008, Az. B 14/7b AS 64/06 R Rziff. 25 m.w.N., zitiert nach Juris). Das BSG hat sich hierbei auf die "Empfehlungen" aus dem Jahr 1997 bezogen. In der zitierten Entscheidung hat das BSG darauf abgestellt, dass im Hinblick auf das Alter der Empfehlungen diese nur noch als Orientierungshilfe im Regelfall dienen könnten.

Mittlerweile liegen die neuen, überarbeiteten Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen vor, die am 01.10.2008 vom Präsidium des Deutschen Vereins verabschiedet worden sind (veröffentlicht unter www.deutscher-verein.de.05/Empfehlungen2008). Nach diesen Empfehlungen zählen die Erhöhung der Blutfette (Hyperlipidämie), der Bluthochdruck (Hypertonie) und die Zuckerkrankheit Typ II und I (Diabetes mellitus) zu Erkrankungen, die diätetisch mit einer Vollkost zu behandeln sind. Bei den genannten Erkrankungen sei in der Regel ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen. Es sei davon auszugehen, dass der auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 (EVS 2003) bemessene Regelsatz den notwendigen Aufwand für eine Vollkost decke (vgl. Empfehlungen des Deutschen Vereins, Okt. 2008, 4.1). Auch nach dem "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung der Ärzte des öffentlichen Gesundheitswesens Westfalen/Lippe" (herausgegeben von dem Arbeitsausschuss des Sozialdezernenten Westfalen/Lippe beim Landschaftsverband Westfalen/Lippe, Stand 1/2002, in der Fassung des Begutachtungsleitfadens www.lwl.org) lässt sich ein krankheitsbedingter Mehrbedarf bei den genannten Krankheiten nicht finden. Zu derselben Auffassung gelangen die "Ernährungsempfehlungen für Diabetiker", herausgegeben vom Verband für Ernährung und Diätetik (VFED), www.vfed.de), die auch Vollkosternährung für ausreichend erachten. Schließlich halten auch die "Diabetesernährungsempfehlungen der Patienteninformationen des Diabeteszentrums Heidelberg" (www.diabeteszentrum-heilelberg.de) speziell bei Diabetes mellitus keinerlei krankheitsbedingte kostenaufwändigere Ernährung für erforderlich.

Der Senat hat auch keine Bedenken, die im Oktober 2008 herausgekommenen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vorliegend für den streitigen Zeitraum im Jahr 2007 (Mai bis Oktober 2007) anzuwenden. Denn der Deutsche Verein hat aufgrund der geänderten wissenschaftlichen Erkenntnisse seine bis dahin veröffentlichten Empfehlungen aus dem Jahr 1997 überarbeitet und den geänderten wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst. Dass die Empfehlungen des Deutschen Vereins nunmehr im Oktober 2008 herausgekommen sind, führt vorliegend nicht dazu, dass für den streitigen Zeitraum Mai bis Oktober 2007 lediglich aufgrund der vorherigen Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahr 1997 ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung bei den Erkrankungen des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) zu zahlen wäre (so auch LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19.12.2008, Az.: L 8 B 386/08, zitiert nach juris). Denn die Erkenntnisse, welche der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge in den Empfehlungen aus dem Jahr 2008 veröffentlicht hat, basieren im Wesentlichen auf Arbeitsgrundlagen, die das "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner und anderer Fachverbände (www.daem.de/docs/rationalisierungsschema) zusammengetragen hatte. So sind in den Empfehlungen aus dem Jahr 2008 Erkenntnisse der Ernährungsmediziner aus davor liegenden Jahren zusammengeflossen, insbesondere wie es in den Empfehlungen unter II.1. heißt, die Auseinandersetzung mit dem "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung des Landschaftsverbandes Westfalen/Lippe 2002", sowie das "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes deutscher Ernährungsmediziner und anderer Fachverbände. Damit sind die in den deutschen Empfehlungen im Oktober 2008 zusammengeflossenen Erkenntnisse nicht als neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu werten, die erst ab diesem Zeitpunkt Gültigkeit finden könnten. Vielmehr ist damit der Deutsche Verein dem Erfordernis nach Überarbeitung seiner aus dem Jahr 1997 stammenden Empfehlungen nachgekommen und hat diese in maßgeblicher Hinsicht den geänderten wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst und damit an diese bereits im Umlauf befindlichen Einschätzungen, insbesondere des "Begutachtungsleitfadens" des Landschaftsverbandes Westfalen/Lippe aus dem Jahr 2002 sowie des "Rationalisierungsschemas 2004", angepasst. Dies nach Auffassung der Herausgeber der Empfehlungen 2008 insbesondere auch, um einer unterschiedlichen Rechtsprechung entgegenzuwirken, je nachdem, ob den alten Empfehlungen des Deutschen Vereins gefolgt wurde oder aber dem neuen "Begutachtungsleitfaden" des Landschaftsverbandes Westfalen/Lippe. Ein Vertrauensschutzaspekt, wonach den Klägern ein schützenswertes Interesse in den Bestand der wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den "Empfehlungen" aus dem Jahr 1997 zuzubilligen wäre, ist nicht gegeben.

Selbst wenn man vorliegend die "Empfehlungen" des Deutschen Vereins aus dem Oktober 2008 nicht für anwendbar hielte, so ergibt sich hier gleichwohl bei beiden Klägern dennoch kein Anspruch, denn für beide Kläger ist kein individueller Mehrbedarf gegenüber dem Gericht nachgewiesen. Die Ärztin des Klägers zu 1) hat für diesen lediglich einen Bluthochdruck mit natriumdefinierter Kost sowie eine Fettstoffwechselstörung in Form von Hyperlipidämie mit lipidsenkender Kost empfohlen. Eine spezielle Ernährungsempfehlung, die Mehrkosten nach sich ziehen würde, hat sie nicht gegeben. Das gleiche gilt für die Klägerin zu 2), bei welcher darüber hinaus ein Diabetes mellitus Typ IIa angegeben ist. Auch hier wird individuell kein besonderer Mehrkostenaufwand genannt. Die im Rahmen der gerichtlichen Ermittlungen eingeholten Informationen der Kläger zu ihren Mehrkosten ergeben keinen für den Senat nachvollziehbaren tatsächlichen Mehrbedarf. Die von den Klägern angegebenen verglichenen Lebensmittel erbringen keinen wesentlichen Unterschied im Hinblick auf die gemachten Vergleiche. So sind hier teilweise die als Normalkost angegebenen Beispiele günstiger und teilweise die als krankheitsbedingte Kost angegebenen Beispiele. Hinsichtlich des Diabetes Mellitus ergibt sich aus dem tatsächlichen Behandlungsplan (Spritzen nach zuvor gemessenem Bedarf) auch keine Notwendigkeit für eine spezielle kostenaufwändige Diätkost. Die in der Aufstellung genannten Lebensmittel lassen nicht auf einen geordneten Ernährungs- und Einkaufsplan schließen, anhand dessen Mehrbedarf und eine Bedingtheit durch die Krankheit geprüft werden könnte. Substantiierte krankheitsbedingte Mehraufwendungen für Ernährung wurden von den Klägern nicht vorgetragen. Weitere Ermittlungen bei den behandelnden Ärzten der Kläger haben sich unter diesem Aspekt erübrigt.

Nach alledem war der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung vorliegend zu verneinen.

Die Berufung hatte demnach Erfolg und die Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision ( § 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved