L 20 AS 18/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 15 (19) AS 6/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AS 18/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 02.04.2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte Heiz- und Betriebskosten der Kläger für das Jahr 2005 aus einer Nebenkostenabrechnung des Vermieters vom 29.01.2007 als Leistungen nach § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) übernehmen muss.

Die Kläger zu 1 und 2 sind Eheleute; die Kläger zu 3 und 4 sind ihre Kinder. Sie bewohnen gemeinsam eine Wohnung, deren Mieter laut Mietvertrag der Kläger zu 1 und deren Vermieter der Vater des Klägers zu 1 ist. Seit dem 09.06.2005 beziehen die Kläger als Bedarfsgemeinschaft Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Mit Schreiben vom 29.01.2007 teilte der Vermieter dem Kläger zu 1 mit, für das Jahr 2005 habe er monatlich 98,10 EUR Heizkostenvorauszahlung, für sonstige Nebenkosten monatlich 163,70 EUR erhalten; zusammen betrage das für zwölf Monate 3.141,60 EUR. Tatsächlich seien jedoch Kosten i.H.v. 3.580,75 EUR entstanden. Den Differenzbetrag von 439,15 EUR bitte er bis zum 28.02.2007 zu überweisen.

Mit Bescheid vom 23.03.2007, adressiert an die Bevollmächtigten der Kläger und Bezug nehmend allein auf den Kläger zu 1, lehnte die Beklagte die beantragte Übernahme dieser Kosten ab. Betriebskosten müssten spätestens zwölf Monate nach Ende des Abrechnungszeitraums "dem Mieter zugegangen sein". Die Abrechnung für die Kläger sei jedoch erst am 29.01.2007 erstellt worden.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch, eingelegt durch den Kläger zu 1, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2007 zurück. Die vom Vermieter angesetzten Vorauszahlungen seien nach § 22 SGB II geleistet worden. Nunmehr stelle der Vermieter mit Abrechnung vom 29.01.2007 eine Nachforderung für 2005. Nach § 556 Abs. 3 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) betrage die Frist für den Vermieter zur Mitteilung der Abrechnung an den Mieter zwölf Monate nach Ende des Abrechnungszeitraumes. Mit der danach eintretenden sog. Abrechnungsreife könne laut § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB eine Nachforderung von Nebenkosten an den Mieter durch den Vermieter nicht mehr erfolgen. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn der Vermieter nachweise, dass er die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten habe. Mangels gesetzlicher Grundlage für die Nachforderung sei die angefochtene Entscheidung rechtens. Der Kläger zu 1 müsse sich mit seinem Vater, der sein Vermieter sei, selbst einigen; ein Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Vermieter habe nie bestanden.

Hiergegen haben (wie die Kläger mit Schriftsatz vom 27.06.2008 ausdrücklich klargestellt haben) die Kläger (und nicht nur der Kläger zu 1) am 04.01.2008 Klage erhoben und vorgetragen, es sei der Beklagten verwehrt, sich auf eine zivilrechtliche Norm zu berufen. Diese Norm gelte allenfalls im Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter; für die Leistungspflicht der Beklagten spiele § 556 Abs. 3 BGB keine Rolle. Dem Kläger zu 1 könne nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er in Unkenntnis einer Ausschlussfrist die Rechnung beglichen habe. Er habe nach der Erstellung der Betriebskostenabrechnung die tatsächlichen Unterkunftskosten aufzubringen, die deshalb auch von der Beklagten zu übernehmen seien.

Die Kläger haben schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 23.03.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2007 aufzuheben und den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form von Kosten der Unterkunft aufgrund der Betriebskostenabrechnung vom 29.01.2007 für das Jahr 2005 nach den gesetzlichen Bestimmungen des SGB II darlehensfrei zu gewähren und hierüber einen Bescheid zu erteilen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihre angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Das Sozialgericht hat mit Schreiben vom 18.02.2009 die Beteiligten unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide darauf hingewiesen, dass die Klage unbegründet sei. Bei einer zivilrechtlich nicht geschuldeten Leistung dürfte es sich nicht um tatsächliche Unterkunftskosten i.S.v. § 22 SGB II bzw. um einen tatsächlichen Bedarf handeln. Es sei beabsichtigt, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.04.2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Es könne offen bleiben, ob die Kläger zu 2 bis 4, die nicht Mietvertragspartei seien, überhaupt einen Anspruch haben könnten. Denn jedenfalls habe die Beklagte zu Recht die Übernahme der am 29.01.2007 abgerechneten Nebenkostennachforderung für das Jahr 2005 abgelehnt. Unabhängig davon, ob solche nachgeforderten Kosten als gegenwärtiger Bedarf i.S.v. § 22 Abs. 1 SGB II anzusehen seien, fehle jedenfalls eine entsprechende Bedarfslage dann, wenn ein zivilrechtlicher Anspruch des Vermieters wegen Nichteinhaltens der Abrechnungsfrist nicht mehr bestehe. So sei es im Falle der Kläger. Wegen § 556 Abs. 3 BGB hätte der Vermieter bei einem Abrechnungszeitraum vom 01.01. bis 31.12.2005 spätestens bis zum 02.01.2007 eine Nachforderung abrechnen müssen, um nicht von der Nachforderung ausgeschlossen zu sein. Die Abrechnung erst unter dem 29.01.2007 halte diese Frist nicht ein. Umstände, aus denen entnommen werden könne, dass der Vermieter diese Nichteinhaltung nicht zu vertreten habe, seien weder ersichtlich noch vorgetragen worden. Bei fehlender Nachforderungsberechtigung des Vermieters habe eine nach dem SGB II zu beachtende Bedarfslage nicht bestanden. Es sei auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es zu Lasten des Steuerzahlers verwehrt sein sollte, den zivilrechtlichen Nachforderungsausschluss bei den Leistungen nach dem SGB II unberücksichtigt zu lassen. Die Berufung werde wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 144 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassen.

Gegen den am 03.04.2009 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 15.04.2009 Berufung eingelegt. Sie tragen vor, Nachforderungen auf Mietneben- und Heizkosten, die trotz ordnungsgemäßer Zahlung der vertraglich vereinbarten monatlichen Vorauszahlungen entstünden und vom Vermieter geltend gemacht würden, seien grundsätzlich als gegenwärtiger Bedarf i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzusehen und nicht etwa als Schulden nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II vom Leistungsträger zu übernehmen. Der Anspruch des Vermieters auf die Nachzahlung könne erst nach endgültiger Abrechnung entstehen und fällig werden und stelle dementsprechend erst im Zeitpunkt seiner Geltendmachung einen gegenwärtigen, zu befriedigenden Bedarf dar. Auf § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB könne nur dann i.S. einer Bedarfsverneinung abgestellt werden, wenn der Mieter trotz Kenntnis dieser Vorschrift sich nicht auf sie berufe und gegenüber dem Vermieter die Nachforderung erfülle. Ihnen - den Klägern - sei die Vorschrift jedoch bis zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides nicht gegenwärtig gewesen. Soweit und solange der Leistungsträger nach dem SGB II nicht auf diese Vorschrift hinweise und sich der Leistungsempfänger wegen entsprechend fehlender Kenntnis für zur Begleichung der Nachforderung verpflichtet halte, bestehe auch der Leistungsanspruch nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 02.04.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.03.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2007 zu verurteilen, an die Kläger 439,15 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren Gerichtsbescheid sowie auf das angefochtene Urteil. Soweit sich der Kläger auf eine fehlende Kenntnis des § 556 Abs. 3 BGB berufe, könne dies zu keiner anderen Entscheidung führen. Unkenntnis setze die Frist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht außer Kraft. Allein bei fehlendem Verschulden des Vermieters sei die Wirkung des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossen.

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 16.07.2008 darauf hingewiesen, dass auch eine Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht nach § 159 SGG in Betracht komme.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist zulässig und im Sinne einer Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht begründet.

I. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet.

Das sozialgerichtliche Verfahren leidet an einem solchen Mangel. Denn das Sozialgericht hätte nicht durch Gerichtsbescheid des Kammervorsitzenden entscheiden dürfen. Eine solche Verfahrensweise ist nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nur erlaubt, wenn die Sache u.a. keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Kläger jedoch nicht vor.

Denn die aufgeworfenen rechtlichen Fragen, die das Sozialgericht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG annehmen ließen, begründen gerade eine besondere rechtliche Schwierigkeit. Eine grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist bzw. wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Das kann dann der Fall sein, wenn die Klärung einer Zweifelsfrage mit Rücksicht auf eine Wiederholung ähnlicher Fälle erwünscht bzw. von einer derzeitigen Unsicherheit eine nicht unbeträchtliche Personenzahl betroffen ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 144 Rn. 28 i.V.m. § 160 Rn. 6 ff. m.w.N.). Das Vorliegen einer rechtlichen Zweifelsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung führt jedoch gleichzeitig dazu, dass die Rechtssache entgegen § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG keineswegs "keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art" aufweist; denn anderenfalls ließe die Rechtsfrage gerade keine ernstlichen Zweifel über ihre Beantwortung zu. Lässt deshalb das Sozialgericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu, ist eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid des Kammervorsitzenden verfahrensfehlerhaft (BSG, Urteil vom 16.03.2006 - B 4 RA 59/04 R = SozR 4-1500 § 105 Nr. 1; teilweise einschränkend Leitherer, a.a.O., § 105 Rn. 16 einerseits, Rn. 6 andererseits).

Die Verfahrensfehlerhaftigkeit gründet darauf, dass das Sozialgericht, wenn es gleichwohl durch Gerichtsbescheid entschieden hat, die Kläger entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) ihrem gesetzlichen Richter entzogen hat: Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens; wird ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden und damit die Vorschrift über die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGG) missachtet, wird der grundrechtliche Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Richter verletzt (BSG, a.a.O.).

Zwar hat das Landessozialgericht bei einer Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 SGG eine Ermessensentscheidung zu treffen, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor allem auch prozessökonomische Gesichtspunkte nicht außer Acht lassen darf. Letzteres spricht zwar in der Regel für eine Entscheidung des Landessozialgerichts in der Sache selbst. So führte etwa jüngst der 14.Senat des Bundessozialgerichts aus (Beschluss vom 07.05.2009 - B 14 AS 91/08 B), ob eine Sache bei wesentlichen Mängeln des sozialgerichtlichen Verfahrens an das Sozialgericht zurückverwiesen werde, stehe nach § 159 Abs. 1 SGG im Ermessen des Landessozialgerichts und könne im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob ein Ermessensfehlgebrauch des Berufungsgerichts vorliege. Da das Berufungsgericht in vollem Umfang als zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet sei, könne es (wenn keine Präklusionsvorschriften griffen) allenfalls in Ausnahmefällen sachgerecht sein, den Rechtsstreit wegen einer geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs im ersten Rechtszug an das Sozialgericht zurück zu verweisen. Im Zweifel sei die Entscheidung des Landessozialgericht, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens vorzugswürdig (vgl. zum Ganzen nur BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 57; BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr. 1).

Allerdings handelt sich es bei einer Verfahrensfehlerhaftigkeit der Entscheidung gerade aufgrund einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht um einen Gesichtspunkt, der mit dem Charakter des zweitinstanzlichen Verfahrens als weiterer voller Tatsacheninstanz in Zusammenhang stünde. Auch das rechtliche Gehör als solches ist nicht betroffen. Es geht vielmehr um die richtige Besetzung der Richterbank als einer zentralen Voraussetzung für die gerichtliche Verfahrensrichtigkeit. Die überragende Bedeutung der Entscheidung durch den bzw. die gesetzlichen Richter für die Verfahrensrichtigkeit findet ihren verfassungsrechtlichen Niederschlag im Verfahrensgrundrecht des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; danach darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Dementsprechend ist eine Fehlbesetzung des Gerichts etwa nach der gesetzlichen Wertung für das Revisionsverfahren in § 202 SGG i.V.m. § 547 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) als absoluter Revisionsgrund ausgestaltet ("eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war"). Zwar kann man Vorschriften über das Revisionsverfahren mangels entsprechender gesetzlicher Regelung nicht unmittelbar auf § 159 Abs. 1 SGG übertragen. Wegen der verfassungsrechtlichen Bedeutung des gesetzlichen Richters erscheint es jedoch bei der nach § 159 SGG zu treffenden Ermessensentscheidung nicht fehlerhaft, die Sache bei Fehlbesetzung des Sozialgerichts an dieses zurück zu verweisen. Denn es geht nicht (wie etwa in dem genannten Beschluss des Bundessozialgerichts) um einen bloßen Verfahrensfehler eines richtig besetzten sozialgerichtlichen Spruchkörpers, sondern von vornherein um eine gerichtliche Entscheidung ohne die gesetzlich einzig vorgesehenen und als gesetzliche Richter i.S.v. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG fungierenden (drei) Richter.

Erst nach Zurückverweisung der Sache kann das Sozialgericht deshalb eine erstinstanzliche Entscheidung erstmals unter Beteiligung aller hierfür gesetzlich vorgesehenen Richter treffen.

Kann nach dem Vorstehenden in Fällen wie dem vorliegenden den Interessen der Beteiligten an einer zügigen, auch höchstrichterlichen Klärung einer vom Sozialgericht gesehenen Rechtfrage mit grundsätzlicher Bedeutung nicht mit einer (i.d.R. zügigeren) Entscheidung durch Gerichtsbescheid Rechnung getragen werden, so haben die Beteiligten und das Sozialgericht allerdings nach § 161 SGG die Möglichkeit, nach mündlicher Verhandlung und Entscheidung durch Urteil diesem Interesse mit der Durchführung einer Sprungrevision (§ 161 SGG) Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht über Tatsachenfragen gestritten wird, sondern allein die Beurteilung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ansteht. Das Sozialgericht mag im Falle der Kläger deshalb diese Möglichkeit und das dazu ggf. erforderliche Prozedere im Interesse eines prozessökonomischen Vorgehens mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtern.

II. Der Senat weist - ohne dass er in der Sache entscheidet - ergänzend darauf hin, dass in der streitigen Rechtsfrage viel für die Ansicht des Sozialgerichts spricht:

Zwar bilden berechtigte Nebenkostennachforderungen des Vermieters im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit ggf. einen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigenden Bedarf. Nicht fällige oder von vornherein gar nicht bestehende Forderungen können hingegen keine aktuell notwendigen und damit auch keine angemessenen Unterkunftskosten sein.

Dass der Vermieter der Kläger nach § 556 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB nicht mehr berechtigt gewesen wäre, die Nebenkosten für 2005 erst am 29.01.2007 nachzufordern, bestreiten auch die Kläger nicht. Bereits der Wortlaut von § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB, demzufolge nach Ablauf der Frist des Satzes 2 die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter "ausgeschlossen" ist (es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten), zeigt, dass ein Nachzahlungsanspruch des Vermieters (und Vaters des Klägers zu 1) nicht mehr bestanden hat. Keineswegs war etwa ein Nachzahlungsanspruch nur einer Einrede ausgesetzt, auf deren Geltendmachung die Beklagte möglicherweise keinen Einfluss hätte nehmen dürfen. Die zwölfmonatige Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB ist vielmehr eine Ausschlussfrist, mit deren Versäumung der Vermieter grundsätzlich seinen Nachzahlungsanspruch verliert (Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 556 Rn. 11 m.N. der Rspr. des BGH). Hat im Übrigen schon das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass Gründe für ein fehlendes Vertretenmüssen des Vermieters nicht ersichtlich seien, und haben die Kläger auch im Anschluss daran nichts vorgetragen, was für ein solches fehlendes Vertretenmüssen spräche (dies zudem, obwohl sie nach Berufungseinlegung mit Schriftsatz vom 24.06.2009 noch um Fristaufschub für die Berufungsbegründung baten, um noch ergänzende Feststellungen treffen zu können), so kann davon ausgegangen werden, dass entsprechende Gründe beim Vermieter nicht bestanden haben.

Einem fehlenden deckungsfähigen Bedarf der Kläger steht auch nicht etwa entgegen, dass die Beklagte Hinweispflichten verletzt hätte und dies doch noch zu einer Leistungspflicht der Beklagten führte. Denn zum einen können sich Hinweispflichten der Beklagten kaum auch auf zivilrechtliche Frage zum Mietverhältnis der Kläger beziehen. Es ist vielmehr Sache der Kläger, sich über ihre mietrechtlichen Pflichten - und auch Pflichtfreistellungen i.S.v. § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB - zu informieren. Versäumen sie dies, kann dies einen zur Leistungspflicht der Beklagten führenden Bedarf i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht erst bewirken; denn mit diesem Bedarf korrespondiert von vornherein keine zivilrechtliche Pflicht der Kläger. Sollten deshalb - was der Senat nicht klären muss - die Kläger tatsächlich noch vor Erlass des ablehnenden Bescheides an ihren Vermieter auf die Nachforderung von Wohnungsnebenkosten gezahlt haben (mit der Folge, dass ihnen kein Rückzahlungsanspruch gegen den Vermieter zusteht; vgl. Weidenkaff, a.a.O., m.N. der Rspr. des BGH), haben sie die Konsequenzen ihres nachlässigen Umgangs bei der Befassung mit dem vermeintlichen Anspruch des Vermieters selbst zu tragen. Eine Belastung der die Leistungen nach dem SGB II durch Steuern aufbringenden Allgemeinheit erscheint demgegenüber nicht gerechtfertigt.

Wollte man - entgegen dieser Ansicht des Senats - jedoch eine (verletzte) Beratungspflicht der Beklagten annehmen, so bezöge sich diese im Übrigen nicht auf sozialrechtliche, sondern auf mietrechtliche Gestaltungen. Es erscheint deshalb fraglich, ob etwa ein sozialrechtlicher Zustand im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches wieder hergestellt werden könnte. Denn ein sozialrechtlich anzuerkennender Bedarf i.S.v. § 22 Abs. 1 SGB II erscheint von vornherein ausgeschlossen (s.o.). Ein etwaiger Amtshaftungsanspruch wegen fehlerhafter Beratung über zivilrechtliche Fragen mit entsprechendem (zivilrechtlich zu beurteilenden) Schaden auf Seiten der Kläger durch Leistung an den Vermieter auf eine nur vermeintlich bestehende Schuld wäre jedoch von vornherein nicht vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit verfolgbar.

III. Das Sozialgericht wird auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben.

IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen an dieser Stelle des Verfahrens nicht.
Rechtskraft
Aus
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