L 7 B 212/09 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AS 104/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 B 212/09 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 19.05.2009 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T aus W beigeordnet. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kann der Klage die hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hatte die Klage des Klägers hinreichende Aussicht auf Erfolg. Entscheidungsreife eines Prozesskostenhilfegesuches ist regelmäßig anzunehmen nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen durch den Antragsteller sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.02.2009 - 13 E 1694/08 m.w.N.; Beschluss des erkennenden Senats vom 05.03.2009 - L 7 B 15/09 AS). Mit Vorlage der nach § 117 Abs. 2 ZPO gebotenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Eingang am 18.11.2008 bei Gericht) hatte der Kläger alles aus seiner Sicht Erforderliche getan. Entscheidungsreife lag spätestens mit Eingang der Stellungnahme der Beklagten am 05.02.2009 vor. Zu diesem Zeitpunkt bot die beabsichtigte Rechtsverfolgung, Gewährung der kostenaufwändigen Ernährung wegen des Diabetes mellitus Typ I auch für Oktober und November 2008, hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das SG hielt seinerseits weitere Ermittlungen für geboten. Denn das SG hat einen Befundbericht vom behandelnden Internisten Dr. T1 eingeholt und insbesondere detaillierte Fragen im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Krankenkost und einer aus den Umständen des Einzelfalls zu begründenden Abweichung von den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. vom 01.10.2008 zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe gestellt.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Klage die hinreichende Erfolgsaussicht auch unabhängig der vom SG durchgeführten Ermittlungen nicht abgesprochen werden kann. Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 29.09.2008 "eine Neuberechnung der Leistungsansprüche ab 01.10.2008 unter Wegfall des Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung bei Vorliegen einer Erkrankung (Diabetes mellitus Typ I) vor" unter Hinweis darauf, dass noch nicht abschließend geklärt sei, ob die Voraussetzungen für den Mehrbedarf tatsächlich vorliegen. Damit änderte die Beklagte den Bescheid vom 02.06.2008, mit dem dem Kläger neben der Regelleistung und den Leistungen für Unterkunft und Heizung auch der Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung für den Zeitraum von Juni bis November 2008 in Höhe von 25,56 EUR bewilligt wurde, ab. Mit Bescheid vom 06.10.2008 erteilte die Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid. Darin verfügte die Beklagte, dass die Entscheidung über den Wegfall des Mehrbedarfszuschlages zunächst bis zur abschließenden Entscheidung des Gesundheitsamtes nur vorläufig ergehe und der Mehrbedarfszuschlag ab Oktober 2008 zunächst nicht ausgezahlt werde, so dass der Bescheid nur vorläufig ergehe. Den Widerspruch des Klägers gegen die Bescheide vom 29.09.2008 und 06.10.2008 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2008 mit der Begründung zurück, nach dem aktuellen Stand der Ernährungsmedizin sei bei Diabetes mellitus eine "Vollkost" angezeigt, die aus dem Regelsatz gedeckt werden könne.

Sofern die Beklagte die Änderungsbescheide vom 29.09.2008 und 06.10.2008 auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) stützen wollte, wird noch zu ermitteln sein, ob der Verwaltungsakt vom 29.09.2008 dem Kläger noch im September 2008 zugegangen ist (vgl. auch § 37 Abs. 2 SGB X). Sollte der Zugang erst im Oktober 2008 erfolgt sein, käme die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft nicht bereits ab Oktober 2008 in Frage. Darüber hinaus wird das SG zu prüfen haben, ob die Neufassung der Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 01.10.2008 als eine Änderung von Bewertungsgrundsätzen und damit als Änderung in den rechtlichen Verhältnissen nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X anzusehen ist. Zu klären ist in diesem Zusammenhang auch, ob auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Änderung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht zurückgegriffen werden kann, wonach eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse angenommen wird (BSGE 67, 204; Schütze Von Wulffen, Kommentar zum SGB X, § 48 Rn. 11) und inwieweit sich Abweichungen in der Beurteilung durch die vom BSG vorgenommene rechtliche Qualifizierung der Empfehlungen des Deutschen Vereins ergeben (BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06 R).

Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemäß § 73a SGG in Verbindung mit § 115 Zivilprozessordnung (ZPO) außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Die Prozesskostenhilfe ist daher ratenfrei zu bewilligen.

Außergerichtliche Kosten sind im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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