L 24 KR 173/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 685/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 173/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2009 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 02. März 2009 und vom 23. Juni 2009 wird angeordnet, soweit Beiträge zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit von September 2006 bis Januar 2009 von insgesamt 2.487,01 Euro, für die Zeit ab Februar 2009 von mehr als 318,47 Euro und für die Zeit ab Juli 2009 von mehr als 307,13 Euro gefordert werden. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen Bescheide der Antragsgegnerin, mit denen Beiträge zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung gefordert werden.

Die Antragstellerin ist seit 01. September 2006 als hauptberuflich selbständig Erwerbstätige freiwillig versichertes Mitglied der Antragsgegnerin. Im Haushalt der Antragstellerin und ihres Ehemannes lebt seit Dezember 1999 als Pflegekind die im Februar 1999 geborene J L. Nach dem am 01. Oktober 2003 mit dem Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Spandau von Berlin, Abteilung Jugend und Familie - Jugendamt - geschlossenen heilpädagogischen Pflegevertrag haben sich die Antragstellerin und ihr Ehemann als Pflegepersonen verpflichtet, dieses Pflegekind in ihrem Haushalt aufzunehmen, zu erziehen, zu versorgen und zu beaufsichtigen. Das Jugendamt hat sich verpflichtet, nach Maßgabe des § 39 Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (KJHG) und der von der für das Jugendwesen zuständigen Senatsverwaltung erlassenen Verwaltungsvorschriften im Einzelnen genannte geldliche Leistungen für den Lebensbedarf sowie für die Kosten der Erziehung des Pflegekindes zu erbringen. Für den Monat Dezember 2008 zahlte das Jugendamt unter Anrechnung des geleisteten (hälftigen) Kindergeldes von 77 Euro insgesamt 1.463,01 Euro an die Pflegepersonen. Dieser Betrag setzt sich u. a. aus dem Pauschalbetrag nach Alter in Höhe von 416 Euro zuzüglich eines Pauschalbetrages wegen erweitertem Förderbedarf in Höhe von 76 Euro sowie einem Zuschlag sozialpädagogische Pflegestelle (so genanntes Erziehungsgeld für Pflegekinder mit erweitertem Förderbedarf) in Höhe von 959 Euro zusammen.

Nachdem die Antragstellerin im September 2008 den Bescheid für 2006 über Einkommensteuer vom 09. Juli 2008 vorgelegt und darauf hingewiesen hatte, dass sie für das Pflegekind Pflege- und Erziehungsgeld erhalten habe, erteilte die Antragsgegnerin zugleich im Namen der Pflegekasse den Bescheid vom 02. März 2009, mit dem sie die Beiträge zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung wie folgt festsetzte: Ab September 2006 344,76 Euro (305,16 Euro und 39,60 Euro), ab Januar 2007 351,75 Euro (312,15 Euro und 39,60 Euro), ab Januar 2008 358,74 Euro (319,14 Euro und 39,60 Euro), ab Juli 2008 364,57 Euro (319,14 Euro und 45,43 Euro) und ab Januar 2009 392,53 Euro (347,10 Euro und 45,43 Euro). Nach Anrechnung der bereits gezahlten Beiträge ab September 2006 von 273,80 Euro, ab Januar 2007 von 279,35 Euro, ab Januar 2008 von 287,01 Euro, ab Juli 2008 von 291,67 Euro und ab Januar 2009 von 318,47 Euro ermittelte sie für die Zeit von September 2006 bis Januar 2009 eine Beitragsnachforderung von 2.487,01 Euro. Zur Begründung wird im Bescheid ausgeführt: Bisher waren Ihre Beiträge auf der Grundlage Ihrer Einnahmeschätzung nur vorläufig festgesetzt. Jetzt haben Sie uns Ihren ersten Einkommensteuerbescheid zur selbständigen Tätigkeit zugesandt. So konnten wir für die Zeit vom 01. September 2006 bis 31. Januar 2009 die Beiträge endgültig berechnen. Aus dem Einkommensteuerbescheid für 2006 ergibt sich eine beitragspflichtige Einnahme ab 01. September 2006 von 2.329,50 Euro monatlich. Ihre frühere Schätzung ab 01. September 2006 von 1.850 Euro weicht davon ab. Daraus ergibt sich eine Beitragsnachzahlung von insgesamt 2.487,01 Euro. Das Erziehungsgeld haben wir je zur Hälfte auf Ihre Beiträge und die Beiträge Ihres Ehegatten angerechnet. Wir haben daher für Sie einen Betrag von monatlich 479,50 Euro berücksichtigt.

Mit dem dagegen am 23. März 2009 eingelegten Widerspruch hat die Antragstellerin geltend gemacht, das Pflegegeld einschließlich des Erziehungsbeitrages sei kein Einkommen, denn es stelle die Leistungen zum Unterhalt des Kindes dar.

Am 21. April 2009 hat die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches bezogen auf die Anrechnung des Erziehungsbeitrages beantragt.

Sie hat vorgetragen, aus dem Pflegeverhältnis nach §§ 33 und 39 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) resultiere kein Einkommen. Die Pflegeeltern stünden im Gegensatz zu einem freien Träger in keinem Abhängigkeits- oder Dienstverhältnis zum Jugendamt. Es handele sich um ein Betreuungsverhältnis eigener Art. Die Betreuung eines Pflegekindes sei keine berufliche Tätigkeit. Das Pflegegeld setze sich aus dem Teil des direkten Unterhaltes für das Kind und dem Erziehungsbeitrag, der dem Zweck diene, die Erziehung unmittelbar zu fördern, zusammen. Die Antragstellerin hat den Pflegevertrag vom 01. Oktober 2003 vorgelegt.

Die Antragsgegnerin hat darauf hingewiesen, dass das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt entschieden habe, dass nur diejenigen Einnahmen, die zum Bestreiten des allgemeinen Unterhaltes dienten, nicht jedoch zweckbestimmte, wegen einer besonderen Belastung oder eines schädigungsbedingten Mehraufwandes gewährte Sozialleistungen der Beitragspflicht unterfielen. Daher sei der für materielle Aufwendungen gezahlte Pauschbetrag nach § 39 Abs. 1 SGB VIII nicht als Einnahme zum Lebensunterhalt der Antragstellerin berücksichtigt worden, da er für die Pflegeeltern lediglich einen durchlaufenden Posten darstelle, denn er sei für den Unterhalt des Pflegekindes bestimmt. Anders verhalte es sich jedoch hinsichtlich des Pauschalbeitrages für die Kosten der Erziehung. Damit würden die immateriellen Belastungen der Pflegeeltern durch die Unterhaltung und Erziehung des Pflegekindes abgegolten. Dieser Betrag honoriere somit die Tätigkeit der Pflegeeltern selbst und sei diesen deshalb zur eigenen Verwendung zugewiesen.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2009 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt: Die Kosten der Erziehung seien beitragspflichtige Einnahmen, da sie für den Lebensunterhalt verbraucht werden könnten und von der Antragstellerin auch zum Lebensunterhalt verbraucht würden. Unmaßgeblich sei, dass sie steuerfrei und zweckbestimmte Einnahmen seien. Unabhängig davon sei die Auffassung, dass die Kosten der Erziehung auch den Pflegepersonen gegenüber zweckbestimmte Einnahmen darstellten (u. a. Hinweis auf BSG, Urteil vom 29. März 2007 – B 7 b AS 12/06 R), verfehlt. Denn nur für den Inhaber des Anspruches aus § 39 Abs. 1 SGB VIII könnten diese Kosten zweckbestimmte Einnahmen sein. Inhaber des Anspruches aus § 39 Abs. 1 SGB VIII sei jedoch nicht die Pflegeperson, sondern entweder der Personensorgeberechtigte oder das Kind. Der Pflegeperson gegenüber handele es sich vielmehr um die Vergütung für die von ihr erbrachte Erziehungsleistung.

Gegen den seiner Verfahrensbevollmächtigten am 22. Mai 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am 02. Juni 2009 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin.

Mit Bescheid vom 23. Juni 2009 setzte die Antragsgegnerin zugleich im Namen der Pflegekasse die Beiträge zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 01. Juli 2009 auf 378,55 Euro (333,12 Euro und 45,43 Euro) fest.

Die Antragstellerin weist darauf hin, dass von Seiten des öffentlichen Trägers lediglich die notwendigen Unterhaltsleistungen geleistet würden, wozu auch der Erziehungsbeitrag gehöre. Nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 SGB VIII umfasse der notwendige Unterhalt nämlich auch die Kosten der Erziehung. Somit diene der gesamte Unterhaltsanspruch nicht als Zuwendung für die Pflegeperson zur Deckung ihres Bedarfs.

Die Antragstellerin beantragt ihrem Vorbringen entsprechend,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 02. März 2009 hinsichtlich der Beitragsnachzahlung von 2.487,01 Euro und für die Zeit ab Februar 2009 hinsichtlich des den Beitrag von 311,75 Euro übersteigenden Betrages sowie gegen den Bescheid vom 23. Juni 2009 für die Zeit ab Juli 2009 hinsichtlich des den Beitrag von 300,65 Euro übersteigenden Betrages anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist im Wesentlichen begründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 02. März 2009 zu Unrecht abgelehnt. Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides, soweit Beiträge zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit von September 2006 bis Januar 2009 in Höhe von 2.487,01 Euro nachgefordert und ab Februar 2009 von mehr als 318,47 Euro monatlich verlangt werden. Dasselbe gilt für den Bescheid vom 23. Juni 2009, soweit solche Beiträge ab Juli 2009 von mehr als 307,13 Euro monatlich gefordert werden. Der Senat hat auch über letztgenannten Bescheid zu entscheiden, denn dieser hat den Bescheid vom 02. März 2009 für die Zeit ab Juli 2009 abgeändert, so dass er nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist und daher als mit dem Widerspruch angefochten gilt.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung (§ 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG). Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG jedoch bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.

Danach hat der Widerspruch gegen die Bescheide vom 02. März 2009 und vom 23. Juni 2009 keine aufschiebende Wirkung, denn mit diesen Bescheiden werden Beiträge zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung angefordert.

Es bedarf daher der Anordnung der aufschiebenden Wirkung, um zu erreichen, dass der angefochtene Verwaltungsakt nicht vollzogen wird. Bei der Entscheidung über diese Anordnung hat das Gericht zwischen dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen. Wegen des mit dem Verwaltungsakt verbundenen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen hat diese Abwägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) in besonderem Maße Rechnung zu tragen. Die für den Regelfall vorgeschriebene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ist insoweit eine adäquate Ausprägung dieser Garantie und ein fundamentaler Grundsatz öffentlich-rechtlicher Streitverfahren in Anfechtungssachen. Allerdings gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe nicht schlechthin. Überwiegende öffentliche Belange können es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes ist daher ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Der Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers ist dabei umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken. Geltung und Inhalt dieser Leitlinien sind nicht davon abhängig, ob der Sofortvollzug eines Verwaltungsaktes einer gesetzlichen oder einer behördlichen Anordnung entspringt (so BVerfG, Beschluss vom 21. März 1985 2 BvR 1642/83 , abgedruckt in BVerfGE 69, 220; Beschluss vom 10. April 2001 1 BvR 1577/00 m. w. N., zitiert nach juris).

In den Fällen des § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung regelmäßig jedoch nur in Betracht, wenn so § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn nach summarischer Prüfung des Verwaltungsaktes neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unsicherheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (so Bundesfinanzhof BFH , Beschluss vom 02. November 2004 XI S 15/04 ), also im Hauptsacheverfahren ein Erfolg wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dafür spricht die Erwägung, dass durch § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bewusst auf den Adressaten verlagert worden ist, um die notwendigen Einnahmen der öffentlichen Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben sicherzustellen. Diese gesetzliche Risikoverteilung würde unterlaufen, wenn bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens die Vollziehung ausgesetzt würde (Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Auflage, § 86 a Rdnr. 27 a). Eine unbillige Härte ist anzunehmen, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung des Verwaltungsaktes Nachteile entstehen oder ernsthaft drohen, die nicht oder nur schwer wieder gutgemacht werden können, sofern sie über die eigentliche Zahlung hinausgehen, denn Nachteile, die mit dem Vollzug eines nicht rechtskräftigen Verwaltungsaktes allgemein verbunden sind, sind regelmäßig zumutbar. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen unbilliger Härte kommt allerdings nur in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht ausgeschlossen werden können. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, ist eine unbillige Härte ausgeschlossen, denn die Vollziehung zur Verwirklichung eines vom Gesetz vorgeschriebenen Rechtszustandes bedeutet lediglich die Durchsetzung der Rechtspflichten, die jedem anderen Betroffenen in derselben Situation obliegen (vgl. Meyer Ladewig, a. a. O., § 86 a Rdnr. 27 b; BFH, Beschluss vom 02. November 2004 XI S 15/04 ; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 01. November 2005 4 EO 871/05 , zitiert nach juris).

Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 02. März 2009 und vom 23. Juni 2009, denn die Geldleistung des Jugendamtes zur Erziehung des Pflegekindes (Erziehungsbeitrag bzw. Erziehungsgeld) rechnet nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen der Antragstellerin.

Rechtsgrundlage ist, unabhängig von den verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften, § 252 Abs. 1 Satz 1 und § 250 Abs. 2 SGB V hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung sowie § 60 Abs. 1 Satz 1 und § 59 Abs. 4 Satz 1 SGB XI hinsichtlich der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung. Danach sind diese Beiträge von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat. Dies sind die freiwilligen Mitglieder bzw. die Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind, denn sie tragen diese Beiträge allein.

Die Beiträge der Krankenversicherung werden nach § 223 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB V nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze bemessen. Die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung werden nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGB XI nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben.

Für freiwillige Mitglieder der Krankenversicherung wird die Beitragsbemessung durch die Satzung, seit 01. Januar 2009 aufgrund des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl I 2007, 378) einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 SGB V). Dabei sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitgliedes zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Bei Mitgliedern der Pflegekasse, die freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind, ist für die Beitragsbemessung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden (§ 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI).

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ergibt sich grundsätzlich aus den Einnahmen und Geldmitteln, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung (BSG, Urteil vom 22. März 2002 – B 12 KR 8/05 R, abgedruckt in SozR 4-2500 § 240 Nr. 6 m.w.N.). Es muss sich also um solche Einnahmen und Geldmittel handeln, die dem Mitglied bei wirtschaftlicher Betrachtung zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (BSG, Urteil vom 23. September 1999 - B 12 KR 12/98 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 240 Nr. 31).

Um eine solche Einnahme handelt es sich bei der Geldleistung des Jugendamtes zur Erziehung des Pflegekindes nicht. Die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlassenen Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträgen (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) vom 27. Oktober 2008 (EGfM), in Kraft getreten am 01. Januar 2009 (§ 13 EGfM) gehen von diesen im Gesetz geregelten (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 EGfM) und von der Rechtsprechung ausgefüllten (§ 3 Abs. 1 EGfM) Begriffen aus. Ob die Satzung der Antragsgegnerin bis zum 31. Dezember 2008 an denselben Begriffen anknüpfte, vermag der Senat nicht zu entscheiden, denn ihm liegt die entsprechende Satzung nicht vor. Dies ist allerdings vorliegend unschädlich. Hätte diese Satzung eine Regelung enthalten, die über die genannten Begriffe hinausgehend Einnahmen und Geldmittel der Beitragsbemessung unterworfen hätte, die bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht dem Mitglied zur Verfügung standen, wäre eine solche Satzungsregelung wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht, nämlich gegen die genannten Bestimmungen des § 240 SGB V, unwirksam.

Damit sind solche Einnahmen und Geldleistungen der Beitragsbemessung nicht zugrunde zu legen, die nicht zum Lebensunterhalt bestimmt sind, denn diese können notwendigerweise nicht zum Lebensunterhalt verbraucht werden.

Vor dem Inkrafttreten des SGB V am 01. Januar 1989 wurden dazu solche vornehmlich öffentlich-rechtliche Leistungen gerechnet, die gezielt zur Bewältigung bestimmter Lebenssituationen gewährt wurden, um besondere Defizite auszugleichen, und die daher uneingeschränkt für den angestrebten Zweck zur Verfügung stehen mussten, also sondern zur Deckung eines besonderen Bedarfes insofern zweckgebunden waren. Durch solche zweckgebundenen Sozialleistungen wurde auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitgliedes in der Regel nicht erhöht (so noch BSG, Urteil vom 23. November 1992 - 12 RK 29/92, abgedruckt in SozR 3-2500 § 240 Nr. 12 = BSGE 71, 237).

Im Hinblick auf den unterschiedlichen Wortlaut des bis zum 31. Dezember 1988 geltenden § 180 Abs. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO), wonach neben dem Arbeitsentgelt die sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt beitragspflichtig waren, und des § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abstellt, hat das BSG aber eine Modifizierung der früheren Rechtsprechung zu den zweckbestimmten Sozialleistungen für erforderlich gehalten, denn damit ist die Beschränkung der Beitragspflicht auf bestimmte Einkunftsarten ebenso wie auch die Einnahme mindernde Berücksichtigung des Zwecks der Leistung entfallen. Die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird von den Einnahmen und nicht von der Bedarfssituation des Mitglieds bestimmt (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 – B 12 KR 1/00 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 240 Nr. 34 = BSGE 87, 228; BSG, Urteil vom 06. September 2001 - B 12 KR 14/00 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 240 Nr. 41; BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 28/05 R, abgedruckt in SozR 4-2500 § 240 Nr. 9).

Gleichwohl zählten weiter die früheren Leistungen der Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen nach den §§ 27 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zu den nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitgliedes einwirkenden Leistungen (BSG, Urteil vom 06. September 2001 – B 12 KR 14/00 R); bei Personen, denen Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem BSHG gewährt wurde, konnte mithin nur der Betrag der Beitragsbemessung zugrunde gelegt werden, der ihnen als Hilfe zum allgemeinen Lebensunterhalt nach den §§ 11 ff. BSHG zu gewähren gewesen wäre (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 12 RK 70/80, abgedruckt in SozR 2200 § 180 Nr. 15 = BSGE 56, 101). Zu den Leistungen der Sozialhilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG gehörten der Regelsatz, alle Mehrbedarfszuschläge, die übernommenen Unterkunftskosten einschließlich Neben- und Heizkosten, einmalige Leistungen zum Lebensunterhalt, Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung und - im Unterschied zu dem bis 31. Dezember 1988 geltenden Recht - im Falle einer entsprechenden Satzungsregelung auch das Wohngeld (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - B 12 KR 1/00 R).

Andere früher als zweckbestimmt angesehene und deshalb beitragsfreie Leistungen wie das Wohngeld und die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 06. September 2001 - B 12 KR 14/00 R) erhöhen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und unterliegen daher der Beitragsbemessung (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 28/05 R; zum früheren Recht vgl. BSG, Urteil vom 22. September 1988 - 12 RK 12/86, abgedruckt in SozR 2200 § 180 Nr. 44 = BSGE 64, 100 und wegen weiterer Nachweise BSG, Urteil vom 23. November 1992 - 12 RK 29/92).

Neben den früheren Leistungen der Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen bleibt allein wegen der gesetzlich geregelten Sonderstellung die Grundrente nach § 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG) insoweit, als sie nahezu im gesamten Rechtssystem nicht als Einkommen gewertet wird, das zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung steht, weil sie ihrem wesentlichen Zweck nach eine Leistung darstellt, die einen ideellen Ausgleich für ein vom Einzelnen erbrachtes gesundheitliches Opfer schafft, für das die staatliche Gemeinschaft verantwortlich ist oder die Verantwortung übernimmt, auch weiterhin beitragsfrei und beeinflusst nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitgliedes (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 28/05 R).

Anders als die Grundrente nach § 31 BVG, die grundsätzlich nicht als Einkommen im Recht der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende gilt (§ 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II), gehört die Leistung wegen der Erziehung des Pflegekindes aber lediglich wegen der besonderen Zweckbestimmung nicht zum Einkommen, das anzurechnen ist (§ 83 Abs. 1 SGB XII, § 11 Abs. 4 Nr. 1 SGB II für das erste und zweite Pflegekind).

Nach den dargelegten Grundsätzen der o.g. Rechtsprechung des BSG gilt, dass die Geldleistung des Jugendamtes zur Erziehung des Pflegekindes den Einnahmen zum Lebensunterhalt nicht zuzurechnen ist, da sie dem Versicherten - und so auch der Antragstellerin - bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zum Bestreiten des Lebensunterhaltes nicht zur Verfügung steht. Die Leistung ist nicht zum Verbrauch für deren Lebensunterhalt bestimmt.

Nach § 39 Abs. 1 SGB VIII gilt: Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 SGB VIII oder nach § 35 a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGB VIII gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.

Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 SGB VIII gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall (§ 27 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 erster Halbsatz SGB VIII). Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll nach § 33 SGB VIII entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.

Der Anspruch auf Leistungen zum Unterhalt eines Kindes in Vollzeitpflege, einschließlich des Anspruches auf Hilfe zur Erziehung, steht dem Personensorgeberechtigten und weder dem Kind bzw. dem Jugendlichen als dem auf Unterhalt angewiesenen noch den Pflegepersonen zu (Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - , Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31/95, abgedruckt in NJW 1997, 2831; BVerwG, Beschluss vom 26. März 1999 - 5 B 129/98, zitiert nach juris; zum Teil abweichend BSG, Urteil vom 29. März 2007 – B 7 b AS 12/06 R, abgedruckt in SozR 4-4200 § 11 Nr. 3). Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII hat nämlich ein Personensorgeberechtigter bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

Für die Stellung der ("fremden") Pflegepersonen bedeutet dies Folgendes: Als nicht mit dem Pflegekind in gerader Linie verwandt, sind sie weder unterhaltsverpflichtet noch unterhaltsberechtigt (§ 1601 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - ). Da ihnen der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII einschließlich der Geldleistungen nach § 39 Abs. 1 SGB VIII nicht zusteht, müssten sie, wenn sie für das Pflegekind gleichwohl den notwendigen Unterhalt einschließlich der Kosten für die Erziehung aufbrächten, dies auf eigene Kosten tun und damit ihre eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Allerdings hat die Pflegeperson während der Dauer der Pflege Anspruch auf Beratung und Unterstützung (§ 37 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz SGB VIII). Um das aufgezeigte Ergebnis daher zu vermeiden, ist das Jugendamt gehalten, mit der Pflegeperson einen Pflegevertrag zu schließen.

Die der Antragstellerin gewährte Leistung zur Erziehung des Pflegekindes nach § 5 des heilpädagogischen Pflegevertrages mit dem Jugendamt vom 01. Oktober 2003 beruht auf § 39 SGB VIII i. V. m. dem Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) vom 09. Mai 1995 (Gesetz und Verordnungsblatt Berlin - GVBl - 1995, 300) in der Fassung des Gesetzes vom 23. Juni 2005 (GVBl 2005, 322) und den dazu ergangenen Ausführungsvorschriften der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII) - (AV-Pflege) vom 21. Juni 2004.

Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII soll der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf durch laufende Leistungen gedeckt werden. Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen (§ 39 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII). Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind (§ 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII). Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht (§ 39 Abs. 5 SGB VIII).

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 AG KJHG ist u. a. die Hilfe zur Erziehung bedarfsgerecht bereitzustellen, weiter zu entwickeln und zu differenzieren. Im Rahmen der Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII ist sicherzustellen, dass auch erweitertem Förderbedarf angemessen Rechnung getragen wird. Das Jugendamt soll bei jeder Unterbringung in einer Pflegestelle mit den Pflegepersonen einen schriftlichen Pflegevertrag abschließen, der die Rechte und Pflichten der Vertragspartner regelt (§ 29 Abs. 2 AG KJHG). Die zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und dieses Gesetzes erforderlichen Verwaltungsvorschriften erlässt die für Jugend und Familie zuständige Senatsverwaltung (§ 56 Abs. 1 Satz 1 AG KJHG).

Die dazu ergangenen AV-Pflege regeln nach ihrer Ziffer 1 Abs. 1 die Vermittlung, Unterbringung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen sowie die Leistungen für den Unterhalt, einschließlich der Kosten der Erziehung des Kindes oder Jugendlichen bei Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege aufgrund von § 33 SGB VIII (im Folgenden Vollzeitpflege). Die Vollzeitpflege umfasst die Unterbringung, Erziehung und Betreuung eines Kindes oder Jugendlichen in einem familiären Lebenszusammenhang außerhalb der Herkunftsfamilie (Ziffer 2 Abs. 1 Satz 1 AV-Pflege). Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf des Kindes/Jugendlichen ist dann gegeben, wenn besondere, über den allgemeinen Erziehungshilfebedarf hinausgehende Anforderungen aufgrund erheblicher Erziehungsschwierigkeiten und Entwicklungsbeeinträchtigungen, ggf. in Zusammenhang mit einer Behinderung, vorliegen. Die Erziehungsperson unterstützt und fördert die Entwicklung des Pflegekindes und gewährleistet die Einleitung und Unterstützung im Rahmen der Hilfeplanung festgelegter notwendiger besonderer pädagogischer und/oder psychologischer/therapeutischer Hilfen für das Kind. In einer Pflegefamilie kann in der Regel ein Kind/Jugendlicher mit erweitertem Förderbedarf untergebracht werden (Ziffer 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 6 Satz 1 erste Alternative AV-Pflege). Das Herkunftselternjugendamt schließt auf der Grundlage der Hilfeplanentscheidung und vor Aufnahme eines Kindes in eine Pflegestelle mit der Erziehungsperson den entsprechenden Pflegevertrag ab. Im Pflegevertrag sind die Dauer des Pflegeverhältnisses, einschließlich der Bestimmungen zur Kündigung oder sonstigen Beendigung des Pflegevertrages, die Mitwirkung bei der Hilfeplanung und ihrer Fortschreibung während der gesamten Dauer des Pflegeverhältnisses sowie die Verabredungen zu Kontakten mit der Herkunftsfamilie und sonstige Verpflichtungen der Pflegeeltern niederzulegen (Ziffer 10 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AV-Pflege).

Nach Ziffer 11 Abs. 1 AV-Pflege wird der notwendige Unterhalt für die Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege und teilstationärer Familienpflege auf der Grundlage des § 39 SGB VIII gewährt. Er setzt sich zusammen aus der Pauschale für den Lebensunterhalt, aus Beihilfen sowie den Kosten der Erziehung. Nach Ziffer 11.1 Abs. 1 bis 3 AV-Pflege werden mit der Pauschale zum Lebensunterhalt die Aufwendungen für Ernährung, Ergänzung von Bekleidung und Schuhwerk, Reinigung, Körper- und Gesundheitspflege, Hausrat, Mietanteil, Schulbedarf sowie Taschengeld, Fahrgelder, Spiel- und Beschäftigungsmaterial, Vereinsbeiträge, Haftpflichtversicherung abgegolten. Die Pauschale zum Lebensunterhalt bei Vollzeitpflege beträgt monatlich für die Altersstufe 2 (vom Beginn des 8. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres) ohne erweiterten Förderbedarf 416 Euro, mit erweitertem Förderbedarf 492 Euro. Nach Ziffer 11.3 Abs. 1 und 2 AV-Pflege bezieht sich die Abgeltung der Erziehungsleistung auf die Kosten der Erziehung. Der Sockelbetrag für die Vollzeitpflege ohne erweiterten Förderbedarf beträgt ab 01. Januar 2006 300 Euro monatlich, bei Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf einschließlich dieses Sockelbetrages 959 Euro monatlich.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin handelt es sich nicht nur bei der Pauschale für den Lebensunterhalt nach Ziffer 11.1 AV-Pflege um einen durchlaufenden Posten, die eigens für den Unterhalt des Pflegekindes bestimmt ist. Dasselbe gilt für die Pauschale der Kosten der Erziehung nach Ziffer 11.3 AV-Pflege. Auch insoweit wird der notwendige Unterhalt des Pflegekindes abgedeckt, wie bereits § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII kraft gesetzlicher Definition beschreibt, denn danach umfasst der notwendige Unterhalt auch die Kosten für die Erziehung des Pflegekindes. Demzufolge muss sich die Höhe der Leistung für die Erziehung des Pflegekindes an dessen Bedarf ausrichten und wird daher unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflegepersonen gezahlt. Mit diesem Pauschalbetrag werden die gesamten Kosten der Erziehung des Pflegekindes, die für die Erziehungsstelle anfallen, abgedeckt. Damit werden die Ausgaben, die der Erziehung dienen, finanziert, wozu z. B. die Kosten gehören, die durch die Anschaffung von der Erziehung dienenden Sachen (Spielzeug, Bücher, Musikinstrumente, Sportgeräte usw.), durch Dienste dritter Personen oder Einrichtungen (etwa Musik oder Nachhilfeunterricht) oder durch den Besuch von Theatern, Konzerten etc. entstehen. Soweit daneben in der Leistung für die Erziehung des Pflegekindes auch ein Anteil für die Pflegeeltern als Anerkennung der Erziehungsleistung enthalten ist, stellt sich dieser Anteil, da er wirtschaftlich nicht abgrenzbar und somit wirtschaftlich nicht fassbar ist, lediglich als ideeller Anreiz für die Aufnahme eines Pflegekindes dar, so dass er mangels eines tatsächlichen wirtschaftlichen Wertes die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Pflegeperson nicht beeinflussen kann (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2007 – B 7 b AS 12/06 R; Oberverwaltungsgericht - OVG - für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. November 1995 - 24 A 4833/94, abgedruckt in FamRZ 1996, 900; BVerwG, Beschluss vom 26. März 1999 - 5 B 129/98).

Die in diesem Sinne vorgenommene Auslegung des § 39 Abs. 1 SGB VIII findet ihre Bestätigung in der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz – KJHG) vom 01. Dezember 1989 (Bundestags-Drucksache 11/5948). Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII in der Fassung dieses Entwurfes umfasst der Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen in Vollzeitpflege den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten der Erziehung. In der Begründung zu § 38 (S. 75 bis 77) heißt es dazu u. a.: In der Praxis übernimmt das Jugendamt in den meisten Fällen die Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes oder Jugendlichen in vollem Umfang und zieht die Eltern anschließend zum Kostenersatz heran. Die Formulierung "notwendiger Lebensunterhalt" bezieht sich wie in § 12 BSHG nicht auf die Bemessung eines Betrages, sondern auf die einzelnen Unterhaltsbestandteile. Im Gegensatz zu § 12 BSHG, der auf eine Haushaltsgemeinschaft von Eltern und Kindern abstellt, umfassen Leistungen zum Lebensunterhalt nach dieser Bestimmung auch die Kosten der Erziehung, da weder Pflegeeltern noch Heimerzieher verpflichtet sind, für den Unterhalt des Kindes zu sorgen. Der Anspruch des Kindes auf Sicherstellung des Lebensunterhalts durch nicht unterhaltspflichtige Personen umfasst daher auch die Kosten, die diesen Personen durch die Pflege und Erziehung des Kindes entstehen (§ 1606 Abs. 3 Satz 2, § 1610 Abs. 2 BGB). Für die Bemessung (der Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Lebensunterhalt bei der Unterbringung in Pflegestellen) setzt § 38 Abs. 5 Satz 3 SGB VIII in der Fassung dieses Entwurfes den durchschnittlichen Lebensstandard eines Kindes in der Familie als Orientierungshilfe fest. Durch die Anknüpfung an einem durchschnittlichen Lebensstandard wird erreicht, dass Pflegekinder in angemessener Weise am Lebensstandard der Familie teilhaben, ohne dass die Familie in größerem Maße eigene Mittel für den Bedarf des Pflegekindes zuschießen muss. Zum Unterhalt, , gehören auch die Kosten der Erziehung. Das bislang gezahlte Pflegegeld erfasst diese Kosten nur ansatzweise, nämlich im Rahmen des sog. Erziehungsbeitrages, Der Entwurf sieht vor, den Betrag für die Kosten der Erziehung künftig wenigstens in der Höhe des Regelsatzes nach § 22 des Bundessozialhilfegesetzes anzusetzen, der Haushaltsangehörigen vom Beginn des 8. bis zur Vollendung des 11. Lebensjahres zusteht. Soweit für die Pflege und Betreuung von Kindern ein besonderer finanzieller und pädagogischer Aufwand notwendig ist, sind die Beträge diesem Aufwand entsprechend höher zu bemessen.

Daraus wird ersichtlich, dass die seinerzeit erbrachten Leistungen zur Erziehung des Pflegekindes hinter den tatsächlich angefallenen Kosten für diese Erziehung zurückgeblieben waren, so dass die Pflegeperson eigene finanzielle Mittel aufbringen musste, um den erforderlichen Erziehungsbedarf abzudecken. Mit der Erhöhung der Leistungen zur Erziehung des Pflegekindes sollte dieser Entwicklung entgegengewirkt werden, um überhaupt einen Anreiz zu schaffen, Personen zu finden, die anstelle der eigenen Eltern Erziehungsaufgaben übernehmen (wegen des seinerzeit insoweit angemessenen Erziehungsbeitrages vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. November 1995 - 24 A 4833/94).

Dies macht deutlich, dass die Leistungen nach § 39 Abs. 1 SGB VIII, einschließlich der Leistungen für die Erziehung des Pflegekindes, nicht den Zweck haben, das Einkommen der Pflegeperson zu vermehren, sondern ausschließlich den notwendigen Unterhalt, einschließlich der Kosten der Erziehung, des Pflegekindes sicherzustellen. Würden diese Leistungen ganz oder teilweise als Einnahmen und Geldmittel der Pflegeperson behandelt, die für deren Lebensunterhalt verbraucht werden könnten, stünden sie dem Pflegekind nicht mehr ungeschmälert zur Verfügung und würden damit dessen notwendigen Unterhalt beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 7 b AS 12/06 R). Die Leistung zur Erziehung des Pflegekindes stellt daher auch keine Entlohnung der Pflegeperson dar (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. November 1995 - 24 A 4833/94).

Mit dem Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - KiföG) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2403) wurde zwar mit Wirkung vom 16. Dezember 2008 § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII seinem Wortlaut nach geändert. Wie jedoch der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 16/9299 S. 16) zu entnehmen ist, ist damit jedoch keine inhaltliche Änderung beabsichtigt oder verbunden gewesen. Es heißt dort: Mit dem Begriff "Kosten der Erziehung" wollte schon das geltende Recht die Kosten bestimmen, die durch die Pflege und Erziehung des Kindes entstehen. Der Begriff "Kosten der Erziehung" wird jedoch im zivilrechtlichen Unterhaltsrecht mit einer anderen inhaltlichen Bedeutung belegt (§ 1610 Abs. 2 BGB). Aus Gründen der Rechtsklarheit erscheint es daher notwendig, bei der Bestimmung des Umfangs der (öffentlich-rechtlichen) Leistungen zum Unterhalt eine eigenständige Definition zu verwenden. Soweit im Weiteren ausgeführt wird, dass mit den Kosten der Pflege und Erziehung die Vergütung der entsprechenden Leistung der Pflegeperson, des/der Erziehers/Erzieherin im Heim oder von anderem pädagogisch geschulten Personal erfasst werde, trifft dies tatsächlich jedoch nur für die Personengruppe der Erzieher und des anderen pädagogisch geschulten Personals außerhalb der Pflegefamilie, so wie bereits nach dem bisher geltenden Recht, zu, hingegen nicht für die ideelle Erziehungsleistung der Pflegeperson. Denn mit dem KiföG wurde lediglich der Begriff des notwendigen Unterhaltes des Pflegekindes neu definiert, nicht aber darüber hinausgehend ein Anspruch der Pflegeperson auf eine Vergütung gegenüber dem Jugendamt geschaffen.

Kann die Leistung für die Erziehung des Pflegekindes mithin nicht für den Lebensunterhalt der Antragstellerin verbraucht werden, ist sie für deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht erheblich, so dass sie der Beitragsbemessung für die Beiträge der Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung nicht zugrunde gelegt werden darf.

Auf der Grundlage der anzusetzenden fiktiven Mindesteinnahmen in Höhe des 40. Teils der monatlichen Bezugsgröße (für 2009 von 2520 Euro; vgl. § 2 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009 – BGBl I 2008, 2336), also von 1.890 Euro (2520 Euro geteilt durch 40 und vervielfältigt mit 30 Kalendertagen) sowie Beitragssätzen der Krankenversicherung von 14,9 v. H. ab Januar 2009 (§ 2 GKV-Beitragssatzverordnung vom 29. Oktober 2008, BGBl I 2008, 2109) und von 14,3 v. H. ab Juli 2009 (§ 2 GKV-Beitragssatzverordnung i. d. F. vom 02. März 2009, BGBl I 2009, 416) und der sozialen Pflegeversicherung von 1,95 v. H. (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI) resultieren daraus ab Februar 2009 318,47 Euro (281,61 Euro und 36,86 Euro) und ab Juli 2009 307,13 Euro (270,27 Euro und 36,86 Euro).

Wegen der Berechnung der Beiträge für September 2006 bis Januar 2009 wird Bezug genommen auf den Kontoauszug der Antragsgegnerin im Bescheid vom 02. März 2009. Die darin ausgewiesenen Beiträge, die sich auf der Grundlage von mehr als der anzusetzenden fiktiven Mindesteinnahmen in Höhe des 40. Teils der monatlichen Bezugsgröße ergeben, stehen der Antragsgegnerin nicht zu. Die Antragsgegnerin ist mit Verfügung vom 10. Juli 2009 aufgefordert worden darzulegen, wie hoch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Zeitraum ab 01. September 2006 (bis Januar 2009) ohne Berücksichtigung des Erziehungsbeitrages von 479,50 Euro monatlich wären, sofern es sich nicht um die bisher gezahlten Beiträge handele. Die Antragsgegnerin hat trotz zweifacher Erinnerung keine anderen als diese Beiträge benannt. Damit können Beiträge von insgesamt 2.487,01 Euro nicht nachgefordert werden.

Bestehen mithin im genannten Umfang ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 02. März 2009 und vom 23. Juni 2009, muss insoweit auf die Beschwerde der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen diese Bescheide angeordnet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens. Das geringfügige Unterliegen der Antragstellerin hat der Senat unberücksichtigt gelassen, da es nicht wesentlich ins Gewicht fällt.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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