L 7 AS 368/09 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 489/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 368/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 126/09 S
Datum
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass ein vollständiger Wegfall des Arbeitslosengelds II möglich und sofort vollziehbar ist, ist auch bei der Abwägungsentscheidung des Gerichts zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG zu beachten.
2. Geringe Erfolgsaussichten in der Hauptsache genügen bei einem vom Gesetzgeber angeordneten Sofortvollzug regelmäßig nicht für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG. Erforderlich sind vielmehr greifbare Hinweise für eine Rechtswidrigkeit des belastenden Verwaltungsaktes. Wenn diese greifbaren Hinweise nicht vorliegen, kann die gerichtliche Abwägung mit dem Aussetzungsinteresse des Betroffenen nur in Ausnahmefällen zu einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung führen. Ein derartiger Ausnahmefall kann vorliegen, wenn gravierende Folgen eintreten würden, die nicht schon regelmäßig Folge der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs sind.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 100 vom Hundert wegen einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung.

Der im Jahr 1965 geborene deutschsprachige alleinstehende Beschwerdeführer (BF) verfügt über abgeschlossene Berufsausbildungen als Konditor, Koch und Hotelkaufmann. In den vergangenen 10 Jahren ging er nach Angaben der Beschwerdegegnerin (BG) während 22 Monaten einer Beschäftigung nach. Ab 01.01.2005 bis 31.03.2005 und wieder ab 01.11.2005 bezog er Arbeitslosengeld II von der BG.

Mit Bescheid vom 13.11.2008 erfolgte eine Absenkung um 30 vom Hundert der maßgeblichen Regelleistung für Dezember 2008 sowie Januar und Februar 2009. Mit Bescheid vom 08.01.2009 erfolgte eine Absenkung um 60 vom Hundert der maßgeblichen Regelleistung für die Monate Februar, März und April 2009. Beide Absenkungen beruhten auf § 31 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und unzureichenden Bewerbungen.

Mit Schreiben vom 19.02.2009 unterbreitete die BG dem BF einen Vermittlungsvorschlag für eine Stelle als Hotelkaufmann bei der Firma A. Es handelte sich um eine Tätigkeit als Empfangsleiter in einem Feriendorf. Es wurde eine Kontaktperson benannt, mit der der BF telefonisch einen Bewerbungstermin vereinbaren sollte. Bis 10.03.2009 sollten die Ergebnisse telefonisch oder mit beigefügten Antwortschreiben mitgeteilt werden. Dem Vermittlungsvorschlag war eine Stellenbeschreibung, ein Vordruck für das Antwortschreiben des BF und eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt. Die Rechtsfolgenbelehrung enthielt eine Beschreibung der Grundpflichten und Meldepflichten sowie eine Aufzählung der möglichen Absenkungen. Daran anschließend wurde im Fettdruck hervorgehoben auf Folgendes hingewiesen:
"Da ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld II bereits wiederholt wegen einer Verletzung der Grundpflichten für die Dauer von drei Monaten gemindert wurde (vergleiche Bescheid vom 08.01.2009), wird bei einem erneuten Verstoß gegen die unter Ziffer 1 aufgeführten Grundpflichten (weitere wiederholte Pflichtverletzung) das Arbeitslosengeld II für die Dauer von drei Monaten vollständig entfallen."

In Ziffer 1 der Belehrung wurden die Grundpflichten nach § 31 Abs. 1 S. 1 SGB II aufgezählt.

Am 20.03.2009 teilte die benannte Kontaktperson der BG mit, dass sich der BF weder schriftlich beworben noch persönlich vorgestellt habe. Mit Schreiben vom 20.03.2009 erfolgte eine Anhörung zur beabsichtigten Absenkung. Der BF nahm dahingehend Stellung, dass er während dieser Zeit eine Schleimbeutelentzündung am Knie und Bronchitis gehabt habe. Außerdem habe er sich telefonisch bei den vorgeschlagenen Firmen gemeldet.

Mit Bescheid vom 24.03.2009 wurde dem BF Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.05.2009 bis 31.10.2009 in Höhe von monatlich 632,24 EUR bewilligt.

Am 31.03.2009 sprach der BF bei der Firma A. persönlich vor. Die vorbenannte Kontaktperson teilte mit, dass der BF dabei die Praktikantin am Empfang angebrüllt habe und nur Französisch mit dieser gesprochen habe. Wegen dieses Verhaltens könne keine Arbeit vermittelt werden.

Am 06.04.2009 übermittelte der BF das Antwortschreiben zum Vermittlungsvorschlag, wonach er sich am 05.03.2009 beworben habe.

Mit Bescheid vom 16.04.2009 wurde das Arbeitslosengeld II in der Zeit von 01.05.2009 bis 31.07.2009 um 100 vom Hundert abgesenkt. Der BF habe durch sein Verhalten die Aufnahme einer angebotenen zumutbaren Arbeit ohne wichtigen Grund vereitelt. Auf Antrag könnten in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen gewährt werden.

Am 27.04.2009 beantragte der BF beim Sozialgericht Augsburg einstweiligen Rechtsschutz. Er sei sich keiner Verfehlungen bewusst. Er habe sich am 05.03.2009 telefonisch beworben.

Der gegen die Absenkung erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2009 zurückgewiesen. Dagegen wurde Klage erhoben (Az. S 1 AS 682/09).

Mit Beschluss vom 12.05.2009 wies das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Bei einer Absenkung um 100 vom Hundert handle es sich zweifelsfrei um einen sehr schweren Eingriff, jedoch bestünden keine Erfolgsaussichten für ein Hauptsacheverfahren. Die Voraussetzungen einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 3 S. 2 SGB II lägen vor. Die telefonische Kontaktaufnahme vom 05.03.2009 sei arbeitgeberseits nicht bestätigt. Die Vorsprache am 31.03.2009 sei so abgelaufen, dass sie zu einem Scheitern der Bewerbung führen musste. Der Beschluss wurde dem BF am 14.05.2009 zugestellt.

Am 10.06.2009 hat der BF Beschwerde gegen den Beschluss erhoben. Er versichere, dass er sich am 05.03.2009 unter anderem auf den Vermittlungsvorschlag bei der Firma A telefonisch beworben habe. Ihm sei mitgeteilt worden, dass er für diese Tätigkeit wegen fehlender Berufspraxis und Qualifikation nicht geeignet wäre. Der BF hat verschiedene Unterlagen vorgelegt, die andere Firmen betrafen, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für vier Tage im Februar 2009 und zwei Rezepte.

Der BF beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 13.05.2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 16.04.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2009 anzuordnen.

Die BG beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Landessozialgerichts verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Absenkungsbescheid anzuordnen.

Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt oder herabsetzt, haben keine aufschiebende

Wirkung gemäß § 39 Nr. 1 SGB II. Aus diesem Grund ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.

Die Entscheidung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG erfolgt auf Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsachever-fahrens (Klage und ggf. Berufung) verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an einer zeitnahen Vollziehung der behördlichen Entscheidung. Ein wichtiges Kriterium dieser Abwägungsentscheidung sind die Erfolgsaussichten in dem Hauptsacheverfahren, d.h. die Prüfung der Rechtmäßigkeit des belastenden Verwaltungsaktes (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 86b RdNr. 12e).

Wenn der belastende Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist, ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung an, ist der belastende Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, wird der Eilantrag vom Gericht abgelehnt (Keller a.a.O. § 86b RdNr. 12f).

Wenn diese eindeutigen Konstellationen nicht vorliegen, gewinnt das private Ausset-zungsinteresse in der Abwägungsentscheidung an Gewicht, die voraussichtlichen Erfolgsaussichten in der Hauptsache bleiben gleichwohl das wesentliche Kriterium. Ein besonderes Vollziehungsinteresse ist nicht zu fordern. Dies ergibt sich aus der vom Gesetzgeber in § 86a SGG vorgegebenen Grundstruktur:

Nach § 86a Abs. 1 SGG haben grundsätzlich alle Widersprüche und Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte, die in eine bestehende Rechtsposition eingreifen, aufschiebende Wirkung. Hiervon hat der Gesetzgeber nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGG Ausnahmen festgelegt und für besondere Regelungsbereiche den Vorrang des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung ausdrücklich bestimmt. In § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG wird dagegen der Behörde die Möglichkeit eingeräumt, die sofortige Vollziehung in besonderen Einzelfällen anzuordnen. § 39 SGB II ist ein Fall des gesetzlichen Sofortvollzugs nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG. Wegen dieser Vorgabe des Sofortvollzugs durch den Gesetz-geber muss eine gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit gewichtigen Argumenten begründet werden (vgl. Keller a.a.O., § 86b RdNr. 12c).

Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Beschluss vom 10.10.2003 (Az. 1 BvR 2025/03) ausgeführt, dass sich die Interessenabwägung in den Fällen einer gesetzlichen Sofortvollziehungsanordnung von der Interessenabwägung unterscheidet, die in Fällen einer behördlichen Vollziehungsanordnung stattfindet. Es bedarf besonderer Umstände, um von einer gesetzlichen Anordnung des Vollziehungsinteresses gerichtlich abzuweichen (BVerfG, a.a.O. RdNr. 21). Diese Entscheidung des BVerfG bezog sich nicht auf existenzsichernde Leistungen, sondern auf einen Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG durch Untersagung von Bankgeschäften. Trotzdem gilt auch bei existenzsichernden Leistungen: Wenn der Gesetzgeber mit § 31 SGB II und § 39 SGB II Regelungen geschaffen hat, dass eine vollständige Streichung des Arbeitslosengeldes II für drei Monate möglich und sofort vollziehbar ist, dann ist diese gesetzgeberische Grund-entscheidung auch bei der Abwägungsentscheidung des Gerichts zu berücksichtigen (a.A. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage 2008, RdNr. 200). Da bei einer erheblichen Entziehung existenzsichernder Leistungen grundrechtliche Belange stärker betroffen sind als bei einem Eingriff in die Berufsfreiheit, geht das Gericht von folgendem Maßstab aus:

Geringe Erfolgsaussichten in der Hauptsache genügen bei einem vom Gesetzgeber angeordneten Sofortvollzug regelmäßig nicht für eine Anordnung der aufschieben-den Wirkung. Erforderlich sind vielmehr greifbare Hinweise für einen Erfolg in der Hauptsache, sprich die Rechtswidrigkeit des belastenden Verwaltungsaktes. Wenn diese greifbaren Hinweise nicht vorliegen, kann die gerichtliche Abwägung mit dem privaten Aussetzungsinteresse nur in Ausnahmefällen zu einer Anordnung der auf-schiebenden Wirkung führen. Ein derartiger Ausnahmefall kann vorliegen, wenn gravierende Folgen eintreten würden, die nicht schon regelmäßige Folge der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs sind.
Die vom BVerfG angenommene Vortragslast der Beteiligten zu den besonderen Umständen des Einzelfalls (a.a.O. RdNr. 22) hält das Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren allenfalls in den Fällen anwaltlicher Vertretung für vertretbar.

Nach diesem Maßstab hat das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschie-benden Wirkung zu Recht abgelehnt. Die Beschwerde ist unbegründet.

Das private Aussetzungsinteresse ist bei einem dreimonatigen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengelds II als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sehr groß. Aller-dings kann der Betroffene gemäß § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erlangen. Darauf wurde im Absenkungsbescheid ausdrücklich hingewiesen. Damit ist die letzte Grundversorgung gesichert (Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 31 RdNr. 51). Außerdem kann der Betroffene sich nach § 31 Abs. 3 S. 5 SGB II nachträglich bereit erklären, seine Pflichten zu erfüllen und damit eine Ermessensentscheidung der Behörde veranlassen, ob eine Reduzierung der Absenkung auf 60 vom Hundert der Regelleistung erfolgt. Im Übrigen fällt auf, dass der BF sich zwar umfassend zu den Voraussetzungen der Absenkung äußerte, jedoch keine Einschrän-kungen beim Lebensunterhalt geltend machte.

Greifbare Hinweise für eine Erfolgsaussicht in der Hauptsache liegen nicht vor. Die Absenkung entspricht, soweit ersichtlich, den Vorgaben von § 31 SGB II.

Die Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 c) SGB II ist gegeben. Nach dieser Vorschrift folgt eine Absenkung, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen oder fortzuführen.

Nach dem Vermittlungsvorschlag vom 19.02.2009 hatte der BF telefonisch einen Termin mit einer benannten Ansprechpartnerin der Firma A zu vereinbaren und bis 10.03.2009 vom Ergebnis zu berichten. Die Tätigkeit war zumutbar gemäß § 10 SGB II. Insbesondere verfügte der BF über die geforderte Qualifikation als Hotelkaufmann. Die Erfahrung in einem bestimmten Computerprogramm war in der Stellenbeschreibung lediglich als vorteilhaft beschrieben, nicht als unabdingbare Voraussetzung. Diese Pflicht hat der BF nicht erfüllt.

Soweit der BF vorträgt, er habe sich am 05.03.2009 beworben, gibt es hierfür keinerlei Belege. Der BF hat auch nicht behauptet, die benannte Ansprechpartnerin angerufen zu haben. Der gesamte Ablauf spricht auch gegen die Annahme, dass es eine Bewerbung bei einer anderen Person der Firma A gab. Auf die Anhörung zur Absenkung verwies der BF auf eine für ein Telefonat nicht relevante Schleimbeutelentzündung am Knie und eine Bronchitis. Die Bronchitis datierte nach den vorgelegten Rezepten allerdings vom 24.03.2009, lag also weit außerhalb des fraglichen Zeitraums. Er gab bei der Anhörung ferner an, sich telefonisch "bei den Firmen" gemeldet zu haben. Auf die Firma A verwies er nicht. Auch im gesamten weiteren Verlauf hat er keinen konkreten Gesprächspartner der Firma A benannt. Dies ist allerdings nicht entscheidend, weil der BF sich bei der zuständigen und benannten Ansprechpartnerin hätte melden müssen, was unstrittig nicht

erfolgt ist. Das am 06.04.2009 vorgelegte Antwortschreiben ist scheinbar eine bloße Reaktion auf die Anhörung zur Absenkung. Ein nennenswerter Beweiswert kommt diesem Schreiben nicht zu.

Die Vorsprache am 31. März 2009 war schon weit verspätet. Der BF sollte bis spätestens 10.03.2009 über das Ergebnis seiner Bewerbung berichten. Im Übrigen erfolgt die Bewerbung auf eine Art und Weise, dass diese Bewerbung von vornherein nur scheitern konnte. Selbst wenn dies innerhalb der vorgegebenen Zeit erfolgt wäre, entspricht dieses Verhalten einer Weigerung, die zumutbare Arbeit aufzunehmen (vgl. Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 31 RdNr. 17).

Ein wichtiger Grund für das Verhalten des BF nach § 31 Abs. 1 S. 2 SGB II ist nicht erkennbar. Die behaupteten Erkrankungen sind nicht relevant.

Es handelt sich auch um eine weitere wiederholte Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 3 S. 2 und 4 SGB II, da der Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraums nicht länger als ein Jahr zurück lag. Es liegen sogar beide vorangegangenen Absenkungen nach § 31 Abs. 1 SGB II innerhalb des Jahreszeitraums. Die vorangegangenen Sanktionen müssen nicht bestandskräftig sein (vgl. Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 31 RdNr. 50d).

Für die Rechtsfolgenbelehrung bei einer Absenkung hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 16.12.2008 (B 4 AS 60/07 R) klare Vorgaben formuliert: Die Rechtsfolgenbelehrung muss im zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsangebot erfolgen und die Rechtsfolgenbelehrung muss konkret auf den jeweiligen Einzelfall bezogen, richtig und vollständig sein. Ein Merkblatt, aus dem sich der Hilfebedürftige die für seinen Fall maßgeblichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen selbstständig ermitteln muss, genügt nicht (BSG a.a.O. RdNr. 30 und 36).

Im vorliegenden Fall erhielt der BF zusammen mit dem Vermittlungsvorschlag zwar ein Merkblatt mit einer Rechtsfolgenbelehrung, jedoch war in dem Merkblatt durch Fettdruck grafisch hervorgehoben die konkrete einzelfallbezogene Rechtsfolgenbelehrung enthalten. Damit liegt eine ausreichende konkrete Umsetzung für den Einzelfall vor und der Hilfebedürftige musste sich auch nicht die für seinen Fall maßgeblichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen selbstständig ermitteln. Aus dem Zusammenhang mit dem anliegenden Vermittlungsvorschlag und den zwei vorangegangenen gleichartigen Absenkungen wegen unangemessenem Bewerbungsverhalten war für den BF auch offensichtlich, um welche Grundpflicht nach Ziffer 1 der Rechtsfolgenbelehrung es ging. Klarer wäre es aber gewesen, wenn auch die konkrete Pflicht in den hervorgehobenen Text mit aufgenommen worden wäre. Ausreichend ist die erfolgte Belehrung gleichwohl.

Die Vorschrift zu Beginn und Dauer der Absenkung (§ 31 Abs. 6 SGB II) wurde beachtet.

Folgen, die nicht schon regelmäßig mit der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs der Absenkung verbunden wären, sind nicht ersichtlich. Der BF ist alleinstehend, minderjährige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind nicht betroffen. Eine drohende Obdachlosigkeit (etwa wegen bereits bestehender Mietrückstände) ist nicht ersichtlich.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG aufgrund der gebotenen Interessenabwägung abzulehnen ist. Es liegen keine greifbaren Hinweise dafür vor, dass die Absenkung rechtswidrig wäre. Das private Aussetzungsinteresse des Betroffenen ist angesichts der vollständigen Absenkung des Arbeitslosengelds II für drei Monate sehr hoch, es sind jedoch außer den gesetzlich vorgesehenen Folgen keine gravierenden Folgen ersichtlich, die für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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