L 11 AS 447/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 19 AS 888/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 447/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Fassadenanstrich eines Hauses ist jedenfalls dann nicht von der Beklagten als einmaliger Zuschuss nach § 22 Abs 1 SGB II zu erbringen, wenn es sich hierbei lediglich um eine wertsteigernde Erneuerungsmaßnahme handelt, die den Standort des selbstgenutzten Eigenheims verbessert (vgl. insoweit BSG 4.Senat vom 03.03.2009 Az: B 4 AS 38/08 R).
2. Um eine wertsteigernde Erneuerungsmaßnahme handelt es sich, wenn die Maßnahme zu einer Umgestaltung, zu einem neuen Bestand führt. Maßgeblich ist, ob das Haus in einen - nach der Verkerhsanschauung zu beurteilenden - höherwertigen Zustand versetzt wird (vgl. BayLSG 16.Senat vom 15.10.2008, Az: L 16 AS 330/07).
3. Abzugrenzen davon sind Maßnahmen für die Instandsetzung oder Instandhaltung, die der Verhinderung oder Beseitigung drohender oder schon entstandener Schäden am selbst genutzten Eigenheim dienen.
4. Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung zwischen hilfebedürftigen Wohnungseigentümern und Mietern ist hierin nicht zu sehen. Auch die Erhöhung der Miete eines Hilfebedürftigen ist durch den Vermieter einseitig nur nach § 559 BGB möglich. Durch einen Fassadenanstrich werden aber weder der Gebrauchswert der Mietsache noch die allgemeinen Wohnverhältnisse verbessert.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Nürnberg vom 20.08.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

I.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für einen Fassadenanstrich in Höhe von 715,75 EUR.
Der Kläger bezieht von der Beklagten seit 01.01.2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er ist Eigentümer der von ihm bewohnten - in einer Wohnanlage gelegenen - Wohnung A-Straße, A-Stadt.
Am 16.04.2008 beschloss die Wohnungseigentümerversammlung die Erneuerung des Farbanstrichs der Fassade des Anwesens. Hierzu seien aus der Rücklage 15.000,00 EUR zu entnehmen, des Weiteren sei eine Sonderumlage bis Juli 2008 in Höhe von insgesamt 22.318,40 EUR einzuzahlen, wobei auf den Kläger 715,75 EUR entfielen. Der Antrag wurde mit einer Gegenstimme mehrheitlich angenommen, es gab keine Enthaltungen.
Am 28.05.2008 beantragte der Kläger die Übernahme dieser Sonderumlage für das Streichen der Fassade, was die Beklagte mit Bescheid vom 24.06.2008 ablehnte. Bei der Gewährung bzw. Übernahme von Kosten sei ein besonders strenger Maßstab anzusetzen; Kosten für wertsteigernde Maßnahmen, die nicht zwingend notwendig seien, seien abzulehnen. Es handle sich bei dem Fassadenanstrich um eine überwiegend wertsteigernde Schönheitsreparatur.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2008 zurück. Kosten für Schönheitsreparaturen könnten generell nicht übernommen werden. Aufwendungen, die lediglich zum Zweck der Renovierung der Wohnräumlichkeiten entstünden, seien bereits dem Grunde nach nicht erstattungsfähig.
Hiergegen hat der Kläger am 31.07.2008 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.08.2008 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.06.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2008 verurteilt, an den Kläger 715,75 EUR an zusätzlichen Kosten der Unterkunft als einmaligen Zuschuss zu zahlen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass zu den Kosten der Unterkunft bei Eigentumswohnungen und Häusern ohne jeden Zweifel die Aufwendungen gehörten, die der Hilfebedürftige als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen habe,; somit auch die Kosten für Instandhaltungsreparaturen. Bei der von der Eigentümerversammlung beschlossenen Fassadenrenovierung handle es sich nicht um wertsteigernde Erhaltungsmaßnahmen, um solche könne es sich begrifflich gar nicht handeln, wenn durch die Maßnahmen lediglich der Zustand wieder hergestellt würde, der zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs vorhanden gewesen sei. Vorliegend habe der Kläger die Eigentumswohnung bereits kurz nach der Errichtung des Gebäudes erworben, als der Fassadenanstrich noch neuwertig gewesen sei. Es läge auf der Hand, dass nach 20 Jahren der Fassadenanstrich der Erneuerung bedürfe, hierdurch träte jedoch gegenüber dem ursprünglichen Zustand keine Wertsteigerung ein, da Art und Ausführung des Fassadenanstrichs nicht wesentlich vom ursprünglichen Zustand abweichen würden. Es handle sich demnach zweifellos um eine reine Erhaltungsreparatur, die zu keiner Wertsteigerung führe.
Hiergegen hat die Beklagte am 17.09.2008 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II seien nur solche Aufwendungen erstattungsfähig, die zum Erhalt der Bewohnbarkeit der Räumlichkeiten aus Gründen der Bausicherheit oder der Gesunderhaltung der Bewohner unabdingbar seien. Es dürfe sich nicht um wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen handeln. Der Erhaltungsaufwand müsse somit geeignet und erforderlich sein, dem Leistungsberechtigten sein Eigentum zu Wohnzwecken zu erhalten. Bei einer Fassadenrenovierung handle es sich um eine wertsteigernde Erneuerungsmaßnahme, die von der Beklagten nicht zu übernehmen sei. Eine Fassadenrenovierung sei in der Regel eine optische Maßnahme, um das Wohngebäude attraktiver zu gestalten und damit auch den Wert der Wohnungen zu steigern.
Mit Beschluss vom 27.10.2008 hat der Senat die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Nichtzulassungsbeschwerde als Berufung fortgesetzt.
Nach Auskunft der Hausverwaltung S. (H.) mit Schreiben vom 22.04.2009 handelte es sich bei dem Streichen der Fassade um eine wertsteigernde Erneuerungsmaßnahme. Es wäre dem Kläger nicht möglich gewesen, die anderen Eigentümer von diesem Beschluss abzuhalten, da es eine deutlich gefestigte Mehrheit hierfür gegeben hätte. Der Antrag auf Renovierung sei mit einer Gegenstimme mehrheitlich angenommen worden. Die Maßnahme habe nicht komplett aus der Instandhaltungsrücklage finanziert werden können, da diese für den Gesamtaufwand nicht ausgereicht hätte. Für den Kläger habe keine Möglichkeit bestanden, die Sonderumlage nicht zu zahlen. Auf Anfrage des Senats hat die H. mitgeteilt, dass hinsichtlich der Sonderumlage auch eine Ratenzahlung möglich gewesen wäre. Der streitgegenständliche Betrag in Höhe von 715,75 EUR sei aber dem Konto der Hausverwaltung am 05.08.2008 vollständig gutgeschrieben worden.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.08.2008 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom
20.08.2008 zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für richtig.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Beklagtenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - und in der Sache auch begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, an den Kläger 715,75 EUR für den Fassadenanstrich als einmaligen Zuschuss zu zahlen.
Nach § 22 Abs 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zu den grundsätzlich erstattungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft bei Eigenheimen gehören neben den zur Finanzierung des Eigenheims geleisteten Schuldzinsen auch die Nebenkosten, wie z.B. Beiträge zur Wohngebäudeversicherung, Grundsteuern, Wasser- und Abwassergebühren und ähnliche Aufwendungen im jeweiligen Bewilligungszeitraum. Berücksichtigungsfähig sind auch tatsächliche Aufwendungen für eine Instandsetzung oder Instandhaltung, soweit diese nicht zu einer Verbesserung des Standards des selbstgenutzten Eigenheims führen und sie angemessen sind (vgl BSG 4. Senat vom 03.03.2009, Az. B 4 AS 38/08 R).

Dieser tatsächliche Erhaltungsaufwand muss geeignet und erforderlich sein, dem Leistungsberechtigten sein Eigentum zu Wohnzwecken zu erhalten. Zum Erhaltungsaufwand zählt somit nicht nur derjenige Aufwand, der periodisch, regelmäßig anfällt und sich auf notwendige Kleinreparaturen, regelmäßig anfallende Wartungsarbeiten sowie kleinere Schönheitsreparaturen und Ausbesserungsarbeiten bezieht, sondern auch solcher Aufwand, der der Verhinderung oder Beseitigung drohender oder schon entstandener Schäden am selbst genutzten Eigenheim dient (vgl BayLSG 16. Senat vom 15.10.2008, Az. L 16 AS 330/07).
Nicht zum Erhaltungsaufwand gehören aber größere Erneuerungs- und Modernisierungsarbeiten, da diese regelmäßig zu einer Umgestaltung, somit einem neuen Bestand führen. Kennzeichnend ist, dass das Eigenheim durch sie in einen - nach der Verkehrsanschauung zu beurteilenden - höherwertigen Zustand versetzt wird (vgl BayLSG 16. Senat aaO).
Eine Absenkung des Wohnstandards ist somit hinzunehmen, solange der für Leistungsberechtigte nach dem SGB II genügende einfache, ein menschenwürdiges Leben sicherstellende Ausstattungsstandard gewährleistet bleibt (vgl Hessisches LSG 9. Senat vom 05.02.2007, Az. L 9 AS 254/06 ER).
Es kann nicht Aufgabe der Transferleistungen nach dem SGB II oder SGB XII sein, die aus öffentlichen Steuermitteln finanziert werden, grundlegende Sanierungs- und Erhaltungsarbeiten zu finanzieren (vgl Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 9. Senat vom 30.08.2007 Az: L 9 B 136/07 AS ER) und dem Leistungsempfänger somit einen Zuwachs seines Vermögens zu ermöglichen, den dieser auch noch nach einem eventuellen Ausscheiden aus dem Leistungsbezug für sich realisieren könnte.
Wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen sind somit nicht vom § 22 SGB II umfasst (ganz h.M. vgl. beispielsweise Eicher/Spellbrink, 2.Aufl, 2008, § 22 Rdnr 26; Berlit in LPK - SGB II § 22 Rdnr 22; Mergler/Zink, SGB II, 9.Aufl, § 22 Rdnr 8).
Unter Berücksichtigung der Stellungnahme der H. vom 22.04.2009 handelte es sich bei dem Streichen der Fassade um eine wertsteigernde Erneuerungsmaßnahme, somit um eine Verbesserung des Standards der Wohnung des Klägers; die Fassade und das Anwesen befanden sich damit vor der Maßnahme in einem zumindest akzeptablem Zustand, Schäden bestanden nicht und waren auch nicht zu befürchten.
Nicht entscheidungserheblich ist, ob und dass das Haus wieder in den Zustand zurückversetzt wurde, in dem der Kläger die Wohnung unter Umständen bei Einzug übernommen hat. Die Auffassung des SG als richtig unterstellt würde bedeuten, dass derjenige, der eine Wohnung in einem Haus vor 20 Jahren erworben hätte, einen Anspruch auf Kostenübernahme haben würde, während derjenige, der die Wohnung mit der unrenovierten Fassade erst vor kurzem gekauft hätte, diese Kosten nicht erstattet bekäme, da es sich dann im Hinblick auf den Zustand zum Zeitpunkt des Kaufes um eine Wertsteigerung handeln würde. Eine steuerfinanzierte Leistungsgewährung kann nicht von solchen Zufällen abhängig gemacht werden, sondern muss sich danach orientieren, ob sie über die unmittelbare Wertsteigerung hinaus der Schadensbehebung oder -vorbeugung dient.
Ob unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Kläger dem Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer beugen musste, die Möglichkeit einer Darlehensgewährung in Betracht gekommen wäre (vgl insoweit LSG Nordrhein-Westfalen aaO), muss vorliegend nicht entschieden werden. Nach Auskunft der H. hat der Kläger den streitgegenständlichen Betrag bereits am 05.08.2008 bezahlt, mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger ist somit nicht zu rechnen. Hinsichtlich der Zahlung der streitgegenständlichen Forderung wäre nach Auskunft der H. auch eine Ratenzahlung möglich gewesen.
Für die Übernahme der Kosten scheidet § 23 Abs 1 SGB II als Anspruchsgrundlage zur Deckung eines besonderen Bedarfs ebenfalls aus. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Gewährung eines Darlehens bei einem unabweisbaren Bedarf nach § 23 Abs 1 SGB II liegen nicht vor. Danach kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts bei entsprechendem Nachweis durch Darlehensleistungen gedeckt werden. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung werden aber zusätzlich zu den Regelleistungen gewährt und sind durch diese nicht abgegolten. Wegen dieser Differenzierung scheidet für nicht von der Regelleistung umfasste Bedarfe eine abweichende Erbringung von Leistungen nach § 23 Abs 1 SGB II aus (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen aaO).
Eine vom Kläger gerügte Ungleichbehandlung zwischen einem Wohnungseigentümer und einem Mieter liegt bei dem gefundenen Ergebnis nicht vor. Im Rahmen des Mietrechts ergibt sich eine einseitige Mieterhöhungsmöglichkeit bei Modernisierungsmaßnahmen lediglich nach § 559 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB-. Danach hat der Vermieter, soweit er bauliche Maßnahmen durchführt, die den Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöhen, die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessern oder nachhaltig Einsparungen von Energie oder Wasser bewirken (Modernisierung), oder er andere bauliche Maßnahmen aufgrund von Umständen durchführt, die er nicht zu vertreten hat, die Möglichkeit, die jährliche Miete um 11 vH der für die Wohnung aufgewendeten Kosten zu erhöhen. Ein lediglich neuer Fassadenanstrich erhöht aber den Gebrauchswert der Mietsache nicht, ebenso wenig werden hierdurch die allgemeinen Wohnverhältnisse verbessert. Die weiteren Alternativen einer Mieterhöhung nach § 559 BGB liegen offensichtlich nicht vor.
Somit wäre auch ein - fiktiver - Vermieter nicht einseitig zu einer Mieterhöhung gegenüber einem - fiktivem - hilfebedürftigem Mieter berechtigt gewesen, die dieser dann im Wege des § 22 SGB II von der Beklagten hätte erstattet erhalten können. Eine Ungleichbehandlung von Wohnungseigentümern gegenüber Mietern im Hinblick auf die Kostenübernahme nach § 22 SGB II liegt somit nicht vor.
Nach alledem war der Gerichtsbescheid des SG auf die Berufung aufzuheben und die Klage abzuweisen
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 183, 193 SGG.
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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