L 7 (12) AS 9/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AS 157/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 (12) AS 9/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.12.2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die den Klägern gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Darlehen oder als Zuschuss zu leisten sind.

1. Der im Jahre 1963 geborene erwerbsfähige Kläger zu 1) bewohnt zusammen mit seiner 1966 geborenen erwerbsfähigen Ehefrau, der Klägerin zu 2), und den 1987 und 1996 geborenen Kindern K und D (Kläger zu 3) und 4)) ein Eigenheim mit einer Wohnfläche von 120 qm (so die Kläger) bzw. 125 qm (so die Beklagte). Die Grundstücksgröße beträgt 1.003 qm. Das im Jahr 1935 errichtete renovierungsbedürftige Wohnhaus (Feuchtigkeit in den Kellerräumen, Holzbockbefall im Dachgeschoss) samt Grundstück haben die Kläger im Jahr 2003 zu einem Kaufpreis von 98.500 EUR erworben. Weiteres Vermögen war nicht vorhanden.

Das Hausgrundstück der Kläger liegt in geschlossener Bauweise an der L-Straße 00 in I. An das Wohnhaus mit nebenstehender Garage schließt sich ein schmales langgezogenes Grundstück an ("Schlauchgrundstück"), an dessen Rückseite unmittelbar, also ohne Zugang, die Gärten der Nachbarn anstoßen. Wegen der genauen Lage und des Zuschnitts wird auf den Auszug aus dem Liegenschaftskataster des Kreises I vom 25.04.2003 Bezug genommen (Blatt 15 der Gerichtsakte). Das Grundstück, soweit es an die Straße angrenzt, ist mit Hause und Garage, die an das Haus angebaut ist, komplett bebaut.

Die Kläger haben den hinteren, der Straße abgewandten Teil des Grundstückes mit einer Fläche von etwa 300 qm durch einen Zaun abgetrennt. Hinter dem Zaun befindet sich eine Wiese, die von den Kindern als Bolzplatz genutzt wird.

Bis zum 25.04.2005 bezog der Kläger zu 1) von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld in Höhe von 40,88 EUR täglich; seit 16.01.2006 steht er wieder in einem Beschäftigungsverhältnis.

2. Am 04.04.2005 beantragten die Kläger bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 14.07.2005 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil Hilfebedürftigkeit nicht vorliege. Sie führte aus, die Kläger verfügten über berücksichtigungsfähiges Vermögen, da die Grundstücksfläche unangemessen groß gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II sei. Angemessen sei eine Grundstücksfläche von 800 qm, während die Grundstücksfläche des Hausgrundstückes 1.003 qm betrage (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2 und 12 SGB II).

Hiergegen erhoben die Kläger Widerspruch mit der Begründung, die Größe des Grundstückes könne nicht dazu führen, das Hausgrundstück als nicht angemessen anzusehen. Es handele sich um reines Gartenland. Sämtliche Hausgrundstücke in der Straße seien gleichermaßen geschnitten, ebenso die hinten anstoßenden Grundstücke der Parallelstraße. Eine Abtrennung und Verwertung des Gartenlandes sei nicht möglich, da diese abgetrennten Teile nicht von öffentlichen Wegen oder Straßen erreicht werden könnten.

Mit weiterem Bescheid vom 25.07.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12.10.2005 (Änderung der Leistungshöhe für April 2005) bewilligte die Beklagte den Klägern darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 26.04.2005 bis zum 31.10.2005 in folgender Höhe:

April 2005 397,17 EUR Mai und Juni 2005 1.599,02 EUR monatlich Juli 2005 1.448,93 EUR August, September und Oktober 2005 1.252,67 EUR monatlich

Gegen die darlehensweise Leistungsgewährung erhoben die Kläger Widerspruch bzw. führten das Widerspruchsverfahren fort mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 SGB II seien nicht erfüllt, weil das Hausgrundstück Schonvermögen darstelle. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger gegen die darlehensweise Leistungsgewährung als unbegründet zurück. Die Beklagte führte aus, der Verkehrswert der Immobilie sei mit 113.082,60 EUR ermittelt worden; diesem stünden aktuelle Grundschuldlasten in Höhe von 76.440 EUR gegenüber, so dass ein Wert von 36.642,80 EUR verbleibe. Aufgrund der Grundstücksgröße, die die angemessene Größe von 800 qm übersteige, sei davon auszugehen, dass die Immobilie unangemessen groß sei. Eine Verwertung der Immobilie sei daher zu fordern. Von dem Vermögenswert in Höhe von 36.642,80 EUR sei ein Grundfreibetrag in Höhe von 200 EUR je vollendetem Lebensjahr des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2), d.h. in Höhe von 15.800 EUR (41 Jahre + 35 Jahre x 200 EUR) und ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 EUR für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen, d.h. in Höhe von 3.000 EUR (4 x 750 EUR) abzusetzen. Das verwertbare Vermögen übersteige den Gesamtfreibetrag von 18.800 EUR. Es bestehe daher mangels Hilfebedürftigkeit kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als Zuschuss. Da die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich sei, ergebe sich nach § 9 Abs. 4 SGB II ein Leistungsanspruch als Darlehen.

Mit Bescheid vom 20.10.2005 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit von November 2005 bis April 2006 in Höhe von 1.252,67 EUR moantlich als Darlehen. Die Kläger reichten diesen Bescheid zur Gerichtsakte; der Bescheid vom 20.10.2005 enthielt die übliche Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen den Bescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden kann. Die Kläger haben hiergegen Widerspruch erhoben. Im gegenseitigen Einvernehmen ruht das Widerspruchsverfahren bis zum Abschluss dieses Streitverfahrens.

3. Die Kläger haben am 31.10.2005 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Aachen erhoben mit dem Ziel, die Beklagte zur Gewährung der darlehensweise bewilligten Leistungen als Zuschuss zu verurteilen. Ergänzend haben sie vorgetragen, dass eine Rücksprache mit ihrer BHW Bausparkasse, die den Grundstückskauf finanziert habe, ergeben habe, dass sie nicht berechtigt seien, einen Teil des Grundstückes zu verkaufen, da das Grundstück noch sehr hoch belastet sei.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.07.2005 in der Gestalt des Abänderungsbescheides vom 12.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2005 zu verurteilen, ihnen ab April 2005 die als Darlehen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als Zuschuss zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass bei der Unmöglichkeit der Abtrennung eines Teiles des Grundstückes nur eine Verwertung des gesamten Grundstückes in Betracht komme. Das von den Klägern bewohnte Hausgrundstück stelle kein Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II dar.

Mit Urteil vom 14.12.2006 hat das SG Aachen die Beklagte "unter Abänderung des Bescheides vom 25.07.2005 in der Gestalt des Abänderungsbescheides vom 12.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2005 verurteilt, den Klägern ab April 2005 die als Darlehen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als Zuschuss zu gewähren". Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 25.07.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2005 sei rechtswidrig. Die Kläger könnten entgegen der Auffassung der Beklagten die zuschussweise Gewährung der ihnen als Darlehen bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II beanspruchen. Denn bei ihrem Hausgrundstück handele es sich um Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 1 SGB II.

Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II sei ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe als Vermögen nicht zu berücksichtigen. Den Begriff der Angemessenheit definiere das Gesetz nicht näher. Da das Gesetz anders als in § 90 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) nicht von einem angemessenen Hausgrundstück spreche, sei der Verkehrswert des Grundstücks nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift bei der Frage der Angemessenheit nicht zu berücksichtigen. Dies entspreche auch der Intention der Vorschrift, die angemessen große (nicht: die angemessen wertvolle) Wohnung als Lebensmittelpunkt zu schützen.

Die angemessene Größe der Wohnfläche werde von der Beklagten nicht angezweifelt und sei angesichts des weitgehend für einschlägig gehaltenen Grenzwertes von 130 qm auch zu bejahen. Soweit die Beklagte aus der Überschreitung eines Grenzwertes für die Grundstücksgröße von 800 qm in ländlichen Gebieten automatisch auf die Unangemessenheit des Hausgrundstücks schließe, sei dem nicht zu folgen. Wie der Konflikt zwischen Haus- und Grundstücksgröße zu lösen sei, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der Hilfebedürftige, dessen Grundstück größer als 800 qm ist, dürfe nicht zur vollständigen Veräußerung seines Hausgrundstücks gezwungen werden, wenn das Grundstück mit einem "an sich" angemessenen Wohnhaus bebaut ist. Denn § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II schütze gerade die eigene Wohnung als Lebensmittelpunkt und lege es dem Hilfebedürftigen im Zweifel nicht auf, dass er sein Hausgrundstück insgesamt veräußern muss.

Die Kläger könnten auch nicht auf eine Abtrennung und Veräußerung der überschießenden Grundstücksgröße von 203 qm verwiesen werden. Unabhängig von den erheblichen Kosten einer Teilungsvermessung sei eine Abtrennung und Veräußerung eines Teilgrundstückes bereits deshalb unmöglich, weil der abzutrennende Teil des Grundstücks nicht über eine öffentliche Straße oder einen öffentlichen Weg erreichbar ist. Wie dem Auszug aus dem Liegenschaftskataster zu entnehmen sei, schließe sich an das Wohnhaus mit nebenstehender Garage ein schmales langgezogenes Grundstück an, an dessen Rückseite unmittelbar, also ohne Zuwegung, die Gärten der Nachbarn anstoßen.

Die Kläger seien auch nicht auf eine Beleihung des Grundstückes als Form der Verwertung (§ 9 Abs. 4 SGB II) verweisbar, weil auf diese Weise lediglich ein Vermögenszuwachs erzielt werden könnte, der unter dem von der Beklagten angenommenen Vermögensfreibetrag in Höhe von 18.800 EUR (§ 12 Abs. 2 Nr. 1SGB II a.F.) läge. Selbst bei Zugrundelegung eines Quadratmeterpreises von 11 EUR entsprechend der Richtwertliste des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis I (Stand: 01.01.2005) ergebe sich nur ein Betrag von 4.233 EUR. Da das Hausgrundstück der Kläger somit nicht zumutbar verwertbar sei und daher kein berücksichtigungsfähiges Vermögen im Sinne der §§ 9, 12 SGB II darstelle, sei nicht zu entscheiden gewesen, ob der von der Beklagten zu Grunde gelegte Verkehrswert, der fast 15.000 EUR über dem Kaufpreis liegt, zutreffend ermittelt sei.

4. Gegen dieses ihr nach eigenen Angaben am 19.01.2007 und nach ihrem Empfangsbekenntnis am 24.01.2007 zugestellte Urteil des SG Aachen hat die Beklagte am 14.02.2007 Berufung erhoben.

Sie ist der Auffassung, das SG habe zu Unrecht angenommen, das Hausgrundstück sei bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit nicht zu berücksichtigen. Das Grundstück sei mit 1.003 qm unangemessen groß. Die Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II spreche nicht von einem selbst genutzten Haus von angemessener Größe auf einem beliebig großen Grundstück, sondern von einem Hausgrundstück von angemessener Größe. Die Größe des Hausgrundstückes sei daher entgegen der Auffassung des SG von Bedeutung. Durch eine darlehensweise Gewährung von Leistungen werde das Wohnhaus als Lebensmittelpunkt auch nicht gefährdet. Sicherlich würde eine Bank den Klägern für den rückwärtigen Teil ihres Grundstückes nicht einen ihre Vermögensfreibeträge übersteigenden Kredit einräumen. Bei einer Beleihung des gesamten Grundstückes sei dies aber möglich. Dasselbe gelte für eine Veräußerung. Seien Teile eines Grundstückes nicht verwertbar, sei das gesamte Grundstück einzusetzen.

Soweit sich das BSG mittlerweile zu dem Problem übergroßer Grundstücke geäußert habe (Hinweis auf BSG vom 15.04.2008, B 14/7b AS 34/06 R) könnte dies nicht das "letzte Wort" sein, weil es keine praktikable Lösung biete, sondern eher noch Fragen aufwerfe. Insbesondere sei nicht schlüssig, wieso bei übergroßen Grundstücken nach dem BSG zu prüfen sei, ob eine gesonderte Verwertung des die Angemessenheit übersteigenden Grundstücksteils in Betracht komme. Denn schließlich sei das gesamte Grundstück in einem solchen Fall unangemessen groß. Komme es nur auf den überschießenden Teil an, werde dieser aufgrund der räumlichen Verhältnisse in fast allen Fällen nicht verwertet werden können. Das BSG lege das Gesetz auf eine mit dem Wortlaut nicht vereinbare Weise aus. Es komme nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II allein auf die Größe des Hausgrundstücks (oder der Wohnung) an.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.12.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, das SG Aachen habe zu Recht entschieden. Die Wohnfläche ihres Hauses betrage nur 120 qm. Außerdem habe das BSG entschieden, dass bei einem Vier-Personen-Haushalt eine Wohnfläche bis zu 130 qm angemessen sei (Hinweis auf BSG vom 16.05.2007, B 11b AS 37/06 R). Im Übrigen seien sämtliche Finanzierungskosten (Kaufpreis, Nebenkosten wie Notar, Grundsteuer etc,. sowie Eigenleistungen) zu berücksichtigen. Diese hätten 150.000 EUR betragen. Zunächst seien dies ihre eigenen Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 78.000 EUR; sie hafteten aber auch für die weiteren Verbindlichkeiten in Höhe von 69.000 EUR. Für diese hafteten auch die Eltern der Klägerin zu 2), die Eheleute X; insoweit sei eine Grundschuld zu Gunsten der BHW Bausparkasse auf dem Grundstück der Eltern eingetragen. Es ergebe sich angesichts dieser Belastungen daher bei einem Verkehrswert von 113.000 EUR kein zu berücksichtigendes Vermögen.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, dass bei der Feststellung des Wertes einer Immobilie nur dingliche Belastungen, die unmittelbar auf dem Vermögensgegenstand lasten, zu berücksichtigen seien.

Während des Berufungsverfahrens haben sich die Kläger zu 1) und 2) getrennt und ihr Hausgrundstück nach ihren Angaben zu einem Kaufpreis von 120.000 EUR veräußert. Dieser Verkaufserlös habe nicht ausgereicht, alle Verbindlichkeiten abzulösen; verblieben seien Verbindlichkeiten gegenüber der BHW Bausparkasse in Höhe von etwa 23.000 EUR.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Denn das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, den Klägern dem Grunde nach Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 26.04.2005 bis zum 31.10.2005 als Zuschuss (statt als Darlehen) zu gewähren.

1. Der Senat hat davon abgesehen, den Tenor des Urteils des SG klarstellend neu zu fassen. Zwar hat das SG die Beklagte verurteilt, den Klägern "ab April 2005 die als Darlehen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss zu gewähren". Das Ende des Leistungszeitraums hat das SG im Tenor nicht angegeben, den konkreten Beginn (Tag) ebenfalls nicht. Aus den Gründen ergibt sich jedoch hinreichend deutlich, dass das SG die Beklagte verurteilt hat, die Leistungen für den Zeitraum vom 26.04.2005 bis zum 31.10.2005 zu erbringen. Denn (nur) über diesen Leistungszeitraum hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden vom 25.07.2005 und 12.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2005 eine Entscheidung getroffen.

2. Der weitere Bescheid vom 20.10.2005 ist nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Mit diesem Bescheid bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit von November 2005 bis April 2006 als Darlehen.

Denn Bescheide über Folgezeiträume im Grundsicherungsrecht nach dem SGB II werden nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemäß § 96 SGG (vgl. etwa BSG, Urteil vom 25.06.2008, B 11b AS 45/06 R, Juris). Eine gewillkürte Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 (i.V.m. § 153 Abs. 1) SGG haben die Kläger angesichts ihres vor dem SG erhobenen Klageantrages und auch später nicht vorgenommen; die Beteiligten haben das Widerspruchsverfahren hinsichtlich des weiteren Bescheides vom 20.10.2005 (Leistungszeitraum November 2005 bis April 2006) vielmehr einvernehmlich bis zur Entscheidung des vorliegenden Streitverfahrens ausgesetzt.

3. Dem Begehren der Kläger entspricht die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage als statthafte Rechtsschutzform. Denn mit der nur darlehensweisen Leistungsbewilligung spricht der Grundsicherungsträger einem Hilfebedürftigen nicht die von ihm begehrte Leistung mit einer ggf. isoliert anfecht- und aufhebbaren Nebenbestimmung gemäß § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu, sondern gewährt etwas anderes, ein aliud (vgl. Lang/Blüggel in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 23 Rn. 57a).

4. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, den Klägern dem Grunde nach (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGG) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 26.04.2005 bis zum 31.10.2005 als Zuschuss statt als Darlehen zu gewähren. Die Höhe der Leistungen stand und steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit; dies haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2009 bekräftigt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen, § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II.

Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nummern 1, 2 und 4 des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II; die Anspruchsberechtigung der Kläger zu 3) und 4), soweit sie zu berücksichtigen waren, folgt aus § 28 Abs. 1 SGB II.

Die Kläger sind auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II. Die Hilfebedürftigkeit scheitert nicht daran, dass die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum Eigentümer eines selbst genutzten Hausgrundstücks waren. Das Hausgrundstück ist als angemessen anzusehen und daher gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II nicht als verwertbares Vermögen zu berücksichtigen. Danach ist als Vermögen nicht zu berücksichtigen ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung.

a) Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 2/05 R, BSGE 97, 203; Urteil vom 16.05.2007, B 11b AS 37/06 R, BSGE 98, 243) ist bei der Konkretisierung des Rechtsbegriffs der angemessenen Größe im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II im Grundsatz bundeseinheitlich auf die Vorgaben des außer Kraft getretenen 2. WoBauG vom 19. August 1994 (BGBl. I 2137) abzustellen, wobei eine Differenzierung nach der Bewohnerzahl - nicht nur beschränkt auf die Bedarfsgemeinschaft - angebracht ist (BSG a.a.O.). Diese auf den Fall einer selbst bewohnten Eigentumswohnung bezogene Rechtsprechung des BSG ist einerseits im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, der ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe "oder eine entsprechende Eigentumswohnung" anspricht, andererseits aber auch aus Praktikabilitätsgründen auf den vorliegenden Fall eines selbst genutzten Einfamilienhauses zu übertragen (BSG a.a.O. unter Hinweis auf das Recht der Arbeitslosenhilfe - dort zum alsbaldigen Erwerb eines Hausgrundstücks von angemessener Größe - BSG, Urteil vom 17.12.2002, B 7 AL 126/01 R, sowie BSG SozR 4-4300 § 193 Nr. 10). Im Grundsatz - also vorbehaltlich etwaiger besonderer Umstände des Einzelfalles - handelt es sich deshalb bei einem von vier Personen bewohnten Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von mehr als 130 qm (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. WoBauG - "Familienheime mit nur einer Wohnung - 130 qm") nicht mehr um ein Hausgrundstück von "angemessener Größe" im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II (BSG a.a.O.).

Es kann deshalb dahinstehen, ob das Einfamilienhaus der Kläger eine Wohnfläche von 120 qm hat, wie die Kläger vortragen, oder eine Wohnfläche von 125 qm, wie die Beklagte ohne nähere Begründung oder Substantiierung meint. Denn in jedem Fall ist eine Wohnfläche von 125 qm bei vier Bewohnern angemessen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, weil sie die Wohnfläche von 130 qm nicht überschreitet.

b) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Urteil des BSG vom 15.04.2008 (B 14/7b AS 34/06 R, BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr. 10). Das BSG hielt dort ein Haus mit einer Wohnfläche von 91,89 qm und zwei Bewohnern noch für angemessen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II. Zwar wies das BSG dort darauf hin, es sei bei typisierender Betrachtung gerechtfertigt, angesichts der im Regelfall bestehenden baulichen Besonderheiten eines Hauses die angemessene Größe gegenüber der Eigentumswohnung zu erhöhen, so dass keine starre Grenze zu ziehen sei. Denn eine schematische Übertragung des für Eigentumswohnungen entwickelten Wertes würde den anders gelagerten tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht; Hauseigentum überschreite in aller Regel eine Wohnfläche von 80 qm (BSG a.a.O.). Der Eigentumsschutz des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, der gerade an erster Stelle das selbst genutzte Hausgrundstück nenne, würde in diesem Punkt ansonsten weitgehend leer laufen. Das BSG hat dort aber weiter ausgeführt, dass die Gesetzgebung mit § 12 SGB II die Berücksichtigung von Vermögen im Wesentlichen wie im bisherigen Recht der Arbeitslosenhilfe habe regeln wollen; dort sei ein Familienheim in Anlehnung an die Vorschriften des II. WoBauG mit einer Größe von 130 qm als angemessen angesehen worden (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG, SozR 4-4300 § 193 Nr. 10 RdNr 24).

c) Aus der nach der Wohnfläche beurteilten Angemessenheit des Hausgrundstücks folgt jedoch nicht ohne weiteres, dass die Grundstücksgröße keine weitere Berücksichtigung findet (BSG, Urteil vom 15.04.2008, B 14/7b AS 34/06 R, BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr. 10). Das kann nur dann der Fall sein, wenn Haus und Grundstück eine solche Einheit bilden, dass sie nur als einheitlicher Vermögensgegenstand betrachtet werden können (BSG a.a.O.). Bei einer Grundstücksgröße von 1.003 qm besteht regelmäßig Anlass zu überprüfen, ob nach den tatsächlichen und rechtlichen örtlichen Gegebenheiten die Grundstücksfläche als angemessen anzusehen ist. Soweit dies verneint wird, ist zu prüfen, ob eine gesonderte Verwertung des die Angemessenheit übersteigenden Grundstücksteiles in Betracht kommt (BSG a.a.O.).

Teile des 1.003 qm großen (früheren) Grundstücks der Kläger zu 1) und 2) sind nicht als selbstständige Immobilie gesondert verwertbar. Dies ergibt sich aus der besonderen Grundstückssituation: Das Hausgrundstück der Kläger lag in geschlossener Bauweise an der L-Straße 00 in I. An das Wohnhaus mit nebenstehender Garage schloss sich ein schmales langgezogenes Grundstück an, an dessen Rückseite unmittelbar, also ohne Zugang, die Gärten der Nachbarn anstießen. Das Grundstück, soweit es an die Straße angrenzte, war mit Hause und Garage, die an das Haus angebaut ist, komplett bebaut. Bei einem derartigen "Schlauchgrundstück" scheidet eine gesonderte Verwertung des die Angemessenheit übersteigenden Grundstücksteiles aus, weil dieser Grundstücksteil nicht gesondert erreicht oder erschlossen werden kann. Dies wird auch von der Beklagten nicht bestritten.

Anders als die Beklagte schließt sich der erkennende Senat der dargelegten Rechtsprechung des BSG an. Entgegen der Rechtsauffasung der Beklagten ist es nicht sachgerecht und entspricht nicht der erkennbaren Regelungsabsicht der Gesetzgebung, in einem derartigen Fall ausschließlich auf die Größe des Grundstücks abzustellen und die Größe des Wohnhauses dabei auszublenden. Denn im Anschluss an den Passus "Hausgrundstück von angemessener Größe" (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II) folgt "oder eine entsprechende Eigentumswohnung". Dies verdeutlicht, dass es der Gesetzgebung vorrangig darum ging, die Wohnfläche selbst in Bezug zu nehmen.

Gleichwohl bedürfen die Fälle wie der vorliegende einer sachgerechten und den legislativen Wertungen entsprechenden Lösung. Eine solche hat das BSG zur Überzeugung des Senats gefunden, in dem es darauf abstellt, ob der "überschießende" Grundstücksanteil gesondert verwertbar ist. Dies führt auch zu praktikablen Ergebnissen und bedeutet entgegen der Auffassung der Beklagten keineswegs, dass regelmäßig eine gesonderte Verwertbarkeit zu verneinen wäre. Denn nicht alle Grundstücke sind so speziell und hinsichtlich ihrer Teil- und Verwertbarkeit so ungünstig geschnitten, wie es bei mit dem "Schlauchgrundstück" der Kläger zu 1) und 2) der Fall ist. Insbesondere bei größeren Grundstücken scheidet eine Verwertung des "überschießenden" Teils also nicht regelmäßig und von vornherein aus.

Käme es tatsächlich ausschließlich auf die Grundstücksgröße selbst an, wie die Beklagte meint, würde dies zudem zu Ergebnissen führen, die vor dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) kaum Bestand haben könnten. Denn es wäre kein hinreichender Grund dafür ersichtlich, ein Haus - käme es auf dessen Wohnfläche tatsächlich nicht an, wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.05.2009 zuletzt meint - mit einer Wohnfläche von z.B. 300 qm auf einem 800 qm großen Grundstück als privilegiertes Vermögen i.S.d. (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II) zu qualifizieren, ein Haus mit einer Wohnfläche von z.B. 90 qm auf einem 900 qm dagegen nicht (wenn man hierbei unterstellt, was der Senat hier nicht zu entscheiden hatte, die von der Beklagten für zutreffend gehaltene Grundstücksgröße von 800 qm sei angemessen).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

6. Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht. Die Rechtsfragen lassen sich anhand der dargelegten Rechtsprechung des BSG beantworten. Dass die Beklagte diese für nicht überzeugend hält, ändert nichts daran, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Argumente der Beklagten haben zur Überzeugung des Senats kein hinreichendes Gewicht, um eine erneute Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfragen begründen zu können.
Rechtskraft
Aus
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