L 7 AS 334/09 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 24 AS 653/09 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 334/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch in dem Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes streitig, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die Kosten einer Rollladenreparatur oder Erneuerung zu übernehmen.

Der Antragsteller bezieht seit 2005 von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - SGB II. Er bewohnt mit seiner Ehefrau und seinem Sohn eine circa 80 m² große Eigentumswohnung, die zur Hälfte im Eigentum seines Bruders steht. Mit Schreiben vom 8. Februar 2009 beantragte er die Kostenübernahme für die Reparatur beziehungsweise Erneuerung zwei defekter Rollläden.

Mit Bescheid vom 21. April 2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab, da Rollläden nicht zum dringend notwendigen Erhaltungsgegenstand des Wohnraums gehörten.

Am 22. April 2009 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die entstehenden Kosten für eine Reparatur beziehungsweise Erneuerung der Rollläden zu übernehmen. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, durch die fehlenden Rollläden sei es bereits zu Gesundheitsschäden gekommen, die im Winter wegen der niedrigen Temperaturen in der Wohnung, wegen Schlaflosigkeit und Fluglärm entstanden seien. Konkret führt er eine Schlafapnoe, Erschöpfungszustände, Abgeschlagenheit, Nervosität, Konzentrationsschwäche, Lustlosigkeit, Depressionen, Kopfschmerzen sowie die Verschlechterung bereits bestehender Krankheiten an. Des Weiteren sei seine Privatsphäre gestört, da die Nachbarn freien Einblick hätten.

Mit Beschluss vom 4. Juni 2009 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. In den Gründen hat es ausgeführt: Der Antragsteller habe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Es sei nicht plausibel, dass die von dem Antragsteller vorgetragenen Gesundheitsschäden auf die defekten Rollläden zurückzuführen seien. Auch werde die Bewohnbarkeit durch den Defekt der Rollläden nicht infrage gestellt. Die Frage, ob die Antragsgegnerin zur Leistung verpflichtet sei, sei in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Wesentliche Nachteile für den Antragsteller seien nicht ersichtlich.

Gegen diesen am 9. Juni 2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 7. Juli 2009 bei dem Hessischen Landessozialgericht Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein seitheriges Vorbringen und verweist auf die mit der Beschwerdebegründung vorgelegten ärztlichen Unterlagen.

Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juni 2009 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten der Rollladenreparatur bzw. Rollladenerneuerung zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten der Antragsgegnerin, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach S. 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit beziehungsweise Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. etwa Beschluss vom 6. Juli 2006 (L 7 AS 86/06 ER m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 b, Rdnrn. 27, 29). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzubeziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 in: info also 2005, 166 ff.).

Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind nach § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG a.a.O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (Beschluss des erkennenden Senats vom 29. Juni 2005 - L 7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).

Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rdnr. 42). Deshalb sind auch Erkenntnisse, die erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens zu Tage getreten sind, vom Senat zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 6. Januar 2006 – L 7 AS 87/05 ER).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entsprochen werden. Der Antragsteller hat den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Es erscheint fraglich, ob der Antragsteller einen Anspruch nach § 20 Abs. 1 S. 1 SGB II hat. Danach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehören zu den Unterkunftskosten für selbstgenutzte Hausgrundstücke dabei alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind. § 7 Abs. 2 der Verordnung zu § 80 SGB XII findet dabei entsprechende Anwendung (BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 34/06). Dazu zählt nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung auch der Erhaltungsaufwand. Dieser Erhaltungsaufwand muss allerdings geeignet und erforderlich sein, dem Leistungsberechtigten das Eigentum zu Wohnzwecken zu erhalten (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER). Dies wird von der Antragsgegnerin bestritten, da nach ihrer Auffassung die Wohnung auch mit defekten beziehungsweise ohne Rollläden bewohnbar sei und nach ihrer Schätzung circa 50% der Wohnhäuser in der Bundesrepublik Deutschland keine Rollläden haben. Ob diese Auffassung zutreffend ist, wird gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ebenso die Frage, ob nicht Alternativen - wie beispielsweise blickdichte Vorhänge - gegeben sind.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die nach seiner Auffassung bestehende Eilbedürftigkeit liegt in den von ihm im Einzelnen geltend gemachten Gesundheitsschäden und der Behauptung einer weiteren Verschlechterung. Ein solcher Zusammenhang lässt sich, worauf bereits das Sozialgericht hingewiesen hat, nicht aus den von ihm vorgelegten ärztlichen Unterlagen herstellen. Nach dem Arztbrief von Dr. B. (18. Juni 2009) besteht bei dem Antragsteller eine arterielle Hypertonie und eine Mitralklappeninsuffizienz 1. Grades, sowie erhöhte Laborwerte bei Leukozyten und Gamma-GT. Bei seiner Ehefrau bestehen vor allem orthopädische Leiden und eine eingeschränkte Belastbarkeit aus psychischen Gründen (Arztbrief Gemeinschaftspraxis für Neurochirurgie vom 24. Juni 2009 und Gutachten der Agentur für Arbeit C. vom 9. Mai 2009). Soweit der Antragsteller vorträgt, diese Leiden seien auf chronische Schlaflosigkeit wegen der fehlenden Rollläden zurückzuführen, ist dies in keiner Weise medizinisch belegt. Mit dem Sozialgericht ist der Senat daher der Auffassung, dass wesentliche Nachteile, die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes abgewendet werden müssten, nicht ersichtlich sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved