S 32 AS 1317/08

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 32 AS 1317/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Vom Arbeitgeber steuerfrei gewährte (§ 3b EStG) Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge sind keine zweckbestimmte Einnahmen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II. Sie stellen Einkommen dar, dass gemäß § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen ist (entgegen LSG Thüri
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anrechnung der vom Arbeitgeber des Klägers zu 2. gezahlten Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge auf den Bedarf für Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II für die Zeit von Mai bis September 2007 und November 2007 bis April 2008.

Die Kläger beziehen von der Beklagten seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die 1966 geborene Klägerin zu 1. und der 1963 geborene Kläger zu 2. sind miteinander verheiratet. Der 1997 geborene Kläger zu 3., die 1990 geborene Klägerin zu 4. sowie der 2000 geborene Kläger zu 5. sind ihre im Haushalt lebenden Kinder. Die Klägerin zu 4. bezog im Mai 2007 Berufsausbildungsbeihilfe i.H.v. 237,00 EUR. Die Klägerin zu 1. ging im gesamten Streitzeitraum einer geringfügigen Beschäftigung nach, für die ihr 165,00 EUR (brutto = netto) zuflossen. Für die Kläger zu 3.-5. floss Kindergeld i.H.v. jeweils 154,00 EUR je Kind und Monat zu. Der Kläger zu 2. war im streitigen Zeitraum erwerbstätig an einer Apfelabpackanlage bei der. Er erzielte Einkommen in wechselnder Höhe, darunter auch steuerfrei gewährte Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge.

Der Kläger zu 2. erzielte im Monat Mai 2007 Erwerbseinkommen i.H.v. brutto 1.011,83 EUR und 808,21 EUR netto. Hierin enthalten sind steuerfreie Nachtzuschläge i.H.v. 3,83 EUR. Die Beklagte bewilligte den Klägern für den Monat Mai 2007 ursprünglich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 650,99 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 12.10.2007 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen für diesen Monat i.H.v. 705,60 EUR. Hiergegen legten die Kläger am 8.11.2007 ohne Begründung Widerspruch ein. Unter dem 20.2.2008 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid, mit dem sie den Klägern für Mai 2007 Leistungen i.H.v. 735,15 EUR bewilligte. Mit Widerspruchsbescheid vom gleichen Tag wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Am 17.3.2008 haben die Kläger hiergegen unter dem Aktenzeichen S 32 AS 1318/08 Klage erhoben.

In den Monaten Juni und Juli 2007 erzielte der Kläger zu 2. Einkommen wie folgt: im Juni 2007 1.135,73 EUR brutto, 910,55 EUR netto (incl. 13,50 EUR Feiertags- und 7,43 EUR Nachtzuschläge); im Juli 2007 1.008,00 EUR brutto, 842,89 EUR netto (incl. 12,75 Sonntags- und 5,40 EUR Nachtzuschläge). In Abänderung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides bewilligte die Beklagte den Klägern mit Änderungsbescheid vom 12.10.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Juni 2007 i.H.v. 792,85 EUR und für den Monat Juli 2007 i.H.v. 858,11 EUR. Am 8.11.2007 legten die Kläger ohne Begründung hiergegen Widerspruch ein. Unter dem 20.2.2008 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid, mit dem sie den Klägern für den Monat Juni 2007 Leistungen i.H.v. 822,40 EUR und für den Monat Juli 2007 i.H.v. 887,65 EUR bewilligte. Mit Widerspruchsbescheid vom selben Tag wies die Beklagte den Widerspruch sodann zurück. Am 17.3.2008 haben die Kläger hiergegen unter dem Aktenzeichen S 32 AS 1319/08 Klage erhoben.

In den Monaten August und September 2007 erzielte der Kläger zu 2. Einkommen wie folgt: im August 2007 1.064,55 EUR brutto, 851,23 EUR netto (incl. 8,55 EUR Nachtzuschläge); im September 2007 1.135,05 EUR brutto, 906,23 EUR netto (incl. 2,25 EUR Nachtzuschläge). Im September 2007 floss dem Kläger zu 2. zudem Arbeitslosengeld i.H.v. 109,36 EUR zu. In Abänderung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides bewilligte die Beklagte den Klägern mit Änderungsbescheid vom 12.10.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat August 2007 i.H.v. 853,95 EUR und für den Monat September 2007 i.H.v. 548,14 EUR. Am 8.11.2007 legten die Kläger ohne Begründung hiergegen Widerspruch ein. Unter dem 20.2.2008 erließ die Beklagte einen Än-derungsbescheid, mit dem sie den Klägern für den Monat August 2007 Leistungen i.H.v. 883,49 EUR und für den Monat September 2007 i.H.v. 726,18 EUR bewilligte. Mit Widerspruchsbescheid vom selben Tag wies die Beklagte den Widerspruch sodann zurück. Am 17.3.2008 haben die Kläger hiergegen unter dem Aktenzeichen S 32 AS 1317/08 Klage erhoben.

In den Monaten November 2007 bis April 2008 erzielte der Kläger zu 2. Erwerbseinkommen wie folgt: Monat Brutto-Einkommen Netto-Einkommen Nacht-/Sonn- und Feiertagszuschläge November 2007 293,63 EUR 264,55 - Dezember 2007 1.060,95 EUR 847,63 EUR - Januar 2008 1.077,64 EUR 811,36 EUR 6,98 EUR Februar 2008 1.113,45 EUR 895,41 EUR 9,45 EUR März 2008 1.036,35 EUR 8,33,72 EUR 10,35 EUR April 2008 1.008,00 EUR 808,92 EUR -

Mit Bescheid vom 7.1.2008 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wie folgt: für den Monat November 2007 i.H.v. 1.326,60 EUR, für den Monat Dezember 2007 i.H.v. 870,89 EUR, für den Monat Januar 2008 i.H.v. 883,52 EUR und für die Monate Februar bis April 2008 i.H.v. monatlich 870,89 EUR. Am 17.1.2008 legten die Kläger gegen diesen Bewilligungsbescheid ohne nähere Begründung Widerspruch ein. Am 10.6.2008 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid, mit dem sie folgende Leistungen bewilligte: für den Monat November 2007 nach wie vor i.H.v. 1.326,60 EUR, für den Monat Dezember 2007 i.H.v. 895,82 EUR, für den Monat Januar 2008 i.H.v. 913,01 EUR, für den Monat Februar 2008 i.H.v. 882,54 EUR, für den Monat März 2008 i.H.v. 936,52 EUR sowie für den Monat April 2008 i.H.v. 958,49 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom gleichen Tag wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Am 10.7.2008 haben die Kläger unter dem Aktenzeichen S 32 AS 3525/08 Klage erhoben.

Nachdem die Kläger zunächst noch weitere Einkommensanrechnungsmodalitäten – insbesondere die Nichtberücksichtigung von über die 30-EUR-Pauschale des § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V hinausgehenden Versicherungsbeiträgen – moniert hatten, wenden sie sich nun lediglich noch gegen die Berücksichtigung der dem Kläger zu 2. gewährten, steuerfreien Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge als Einkommen. Sie sind der Auffassung, bei diesen Zuschlägen handele es sich um zweckbestimmte Einahmen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II. Diese seien daher nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen zuletzt,

die Beklagte zu verpflichten, den Klägern unter Abänderung der angefochtenen Bescheide für die Zeit von Mai 2007 bis April 2008 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung der dem Kläger zu 2. gewährten Nachtzuschläge als zweckbestimmte Einnahmen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die steuerfrei gezahlten Zuschläge seien keine zweckbestimmten Einnahmen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II. Es sei kein finanzieller Mehraufwand erkennbar, zu dessen Ausgleich die Zuschläge vom Kläger zu 2. in Anspruch genommen werden müssten.

In der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2009 hat sich der Kläger zu 2. zum Zweck der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge geäußert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2009 die Verfahren S 32 AS 1317/08, S 32 AS 1318/08, S 32 AS 1319/08 und S 32 AS 3525/08 zur gemeinsamen Entscheidung unter Führung des erstgenannten Verfahrens miteinander verbunden. Der Kammer haben neben der Gerichtsakte auch die Verwaltungsakten der Beklagten zur BG-Nr. 07702BG0008094 vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, soweit das Urteil auf ihnen beruht.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Wegen der zutreffenden Berechnung zum Bedarf der Kläger und zu dem anzurechnenden Einkommen, die als solche nicht angegriffen ist, wird auf die verfahrensgegenständlichen Widerspruchsbescheide verwiesen. Die Beklagte insbesondere hat zu Recht die Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge des Klägers zu 2. als Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II berücksichtigt.

Nach § 11 Abs. 1 S.1 SGB sind alle Einnahmen in Geld und Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat von diesem Grundsatz zwar in § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II für zweckbestimmte Einnahmen eine Ausnahme gemacht, die die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wären. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift sind hier aber nicht erfüllt. Hierzu müsste es sich um zweckbestimmte Einnahmen handeln, die anderen Zwecken als Leistungen nach dem SGB II dienen und die die Lage der Kläger nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. Hier fehlt es – anders als etwa bei vom Arbeitgeber steuerfrei ausgeglichenen Verpflegungsmehraufwendungen (hierzu Urteile der Kammer vom 2.2.2009, S 32 AS 817/08 und vom 5.1.2009, S 32 AS 4709/08) – bereits an der ersten Voraussetzung: Anders als die bisher vorherrschende Rechtsprechung (siehe insbesondere LSG Thüringen, Beschl. v. 8.3.2005, L 7 AS 112/05 ER unter zu pauschaler Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 21.8.1962, 11 Rv. 1056/60, BSGE 17, 242; SG Chemnitz, Urt. v. 20.6.2008, S 22 AS 4269/07 unter unzutreffender Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 21.3.1990, 7 Rar 86/87) und Literatur (Brühl, in Münder, Lehr- und Praxiskommentar SGB II, 3. Aufl. 2009, § 11 Rdnr. 68, dritter Spiegelstrich; Schmidt, in Oestreicher, SGB XII/SGB II, Losebl., Stand 2009, § 11 SGB II Rdnr. 125; Söhngen, in jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 11 Rdnr. 58) meint, handelt es sich bei den steuerfrei gewährten Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen bereits nicht um Einnahmen, die aufgrund einer Zweckbestimmung anderen Zwecken als Leistungen nach dem SGB II dienen (in diese Richtung für Erschwerniszulagen auch BSG, Urt. v. 27.2.2008, B 14/7b AS 32/06 R, Rdnr. 49; zweifelnd Mecke, in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rdnr. 61a).

Das ergibt sich aus folgendem:

1. Sinn des Gesamtkonzepts des § 11 SGB II (i.V.m. den Vorschriften der ALG II-V) ist es, eine Anrechnung solcher Leistungen als Einkommen auf den Bedarf zu erreichen, die im Einzelfall denselben Zwecken wie die Leistungen nach dem SGB II dienen, nämlich den Lebensunterhalt zu sichern. Hierdurch soll einerseits verhindert werden, dass der Grundsicherungsträger Leistungen erbringt, die dem Betreffenden (infolge eines Einkommens) zur Sicherung des Lebensunterhalts doppelt zur Verfügung stehen. Zum anderen soll insbesondere § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II verhindern, dass der Zweck einer Leistung, die erkennbar nicht der Sicherung des Lebensunterhalts dient, dadurch vereitelt wird, dass sie auf Leistungen nach dem SGB II angerechnet wird (BSG, Urt. v. 6.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 – Rdnr. 16). Daraus folgt, dass eine Leistung ist i.S.d. Vorschrift zweckbestimmt ist, wenn ihr erkennbar eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen werden kann und die Leistung im Fall ihrer Anrechnung auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ihren Zweck nicht erreichen würde (BSG, Urt. v. 6.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 – Rdnr. 16). Ausgehend von diesen Grundsätzen dienen Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge nicht feststellbar anderen Zwecken als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diese dienen der Sicherung des Lebensunterhalts von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht auf anderem Wege beseitigt werden kann (BSG, Urt. v. 6.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 – Rdnr. 17). Eine erkennbar andere Zweckrichtung kann den Zuschlägen nicht beigemessen werden.

2. Anders als bei sog. Spesen, den Verpflegungsmehraufwendungen, die ebenso wie Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge (siehe § 3b EStG) bis zu einer bestimmten Höhe steuerfrei gewährt werden können (siehe § 3 Nr. 13 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 EStG), ergibt sich eine solche Bestimmung eines anderen Zwecks als der Sicherung des Le-bensunterhalts nicht bereits aus der Natur der Leistung. Wie die Bezeichnung bereits deutlich macht, sollen durch Verpflegungsmehraufwendungen nämlich die erhöhten Kosten der Ernährungsbeschaffung ausgeglichen werden, die eine auswärtige Beschäftigung fernab vom eigenen Haushalt mit sich bringt (vgl. Urteile der Kammer vom 2.2.2009, S 32 AS 817/08 und vom 5.1.2009, S 32 AS 4709/08; ferner SG Dresden, Beschl. v. 26.6.2008 – S 21 AS 1805/08 – juris-Rdnr. 18). Ausgeglichen werden sollen durch Spesenzahlungen aber unter Umständen auch solche Kosten, die bei der Ausübung bestimmter Berufe, etwa dem des Fernfahrers, typischerweise anfallen, insbesondere Aufwendungen für die hygienische Versorgung an Raststätten oder Autohöfen. All dies sind Leistungen, die ersichtlich vom Zweck der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht erfasst sind. Eine solche eindeutige Zweckbestimmung ist bei den Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen nicht ersichtlich.

3. Eine hinreichende Zweckbestimmung kann auch nicht bereits darin gesehen oder dadurch fingiert werden, dass der vom Arbeitgeber gewährte Zuschlag einkommensteuerrechtlich privilegiert ist (vgl. § 3b Abs. 1 EStG). § 3b EStG ist aus wirtschafts- und ar-beitsmarktpolitischen Gründen eingeführt und trotz fortwährender rechtspolitischer Diskussion gehalten worden, insbesondere weil es ein Allgemeininteresse an Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit gibt (Erhard, in Blümich, EStG, KStG, GewStG, Nebengesetze, Losebl., Stand Mai 2009, § 3b EStG Rdnr. 5 m.w.N.) oder ein solches jedenfalls behauptet wird. Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit soll steuerlich gefördert werden, um sie für die Arbeitnehmer attraktiv zu machen. Eingeführt wurde die Steuerfreiheit für Mehrarbeitslöhne zu Beginn des zweiten Weltkrieges (Erhard a.a.O. Rdnr. 2), wohl um zu demonstrieren, dass die Reichregierung selbst in Kriegszeiten in der Lage sei, Steuern zu senken, statt Kriegssteuern einzuführen. Dies alles zeigt, dass das Steuerrecht Lenkungsziele verfolgt, die von den Zwecken des SGB II, das den Lebensunterhalt der Hilfebedürftigen sicherstellen soll, grundverschieden sind. Diese steuerrechtlichen Lenkungsziele geben daher für die Frage der Zweckbestimmung i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II nichts her.

4. Der den Zuschlägen bisweilen zugesprochene Zweck, sie glichen aus, dass Nachtarbeit den Menschen physisch stärker beanspruchende als die am Tage geleistete Arbeit; Nachtarbeit führe daher auch zu zusätzlichen Mahlzeiten (so insbesondere LSG Thüringen, Beschl. v. 8.3.2005, L 7 AS 112/05 ER unter Bezugnahme von BSG, Urt. v. 21.8.1962, 11 Rv. 1056/60, BSGE 17, 242), gibt die Realität nach Auffassung der Kammer nicht angemessen wieder. Jedenfalls hier lag der Fall so, dass der Kläger zu 2. dann, wenn es zu Nachtzuschlägen gekommen ist, verlängert vom Tag "in die Nacht hinein" gearbeitet hat. Der Kläger zu 2. hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er in diesen Fällen "weitere Pausen" brauchte, in denen er zusätzliche Mahlzeiten zu sich genommen habe. Dies zeigt, dass nicht die Nachtarbeit, sondern die Mehrarbeit an sich dazu führte, dass der Kläger zu 2. erhöhte Aufwendungen zu haben glaubt. Mit den Zuschlägen soll aber erklärtermaßen keine Mehrarbeit, sondern die Arbeit zur Nachtzeit privilegiert werden. Diese Argumentation kann zudem nicht erklären, weshalb gleiches auch für die Sonn- und Feiertagszuschläge gelten soll. Es ist nicht vorstellbar, dass die Arbeit an Sonn- und Feiertagen den Menschen physisch stärker bean-spruchen und deshalb zu erhöhtem Nahrungsbedarf führen soll als die Arbeit an Wochentagen. Über diese Frage geht insbesondere die Rechtsprechung des LSG Thüringen (Beschl. v. 8.3.2005, L 7 AS 112/05 ER) hinweg, obwohl sie sich ausdrücklich auch auf Sonn- und Feiertagszuschläge bezieht. Auch die Bezugnahme (insbesondere des SG Chemnitz, Urt. v. 20.6.2008, S 22 AS 4269/07) auf Entscheidungen des BSG zum Arbeitsförderungsrecht (BSG, Urt. v. 21.3.1990, 7 Rar 86/87), geht fehl. Zwar hat das BSG a.a.O. (allerdings in einem obiter dictum und ohne nähere Begründung) darauf verwiesen, dass die Zuschläge für Nachtarbeit unter § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG a.F. fielen. Allerdings stellte § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG a.F. selbst ausdrücklich klar, dass "nichtsteuerpflichtige Aufwandsentschädigungen" als zweckbestimmte Einnahme zu gelten haben. Das BSG musste sich demnach zu einer argumentativen Absicherung nicht veranlasst sehen. Genau diese Vermutung der Zweckgebundenheit fehlt hingegen in § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG a.F. auch die in § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II enthaltene Einschränkung, die die Lage des Empfängers dürfe nicht so günstig beeinflusst sein, dass daneben Leistungen nicht mehr gerechtfertigt wären, nicht enthielt.

5. Da ein mit den Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen abzugeltender finanzieller Mehraufwand nicht erkennbar ist, stellen diese Zuschläge keine zweckbestimmten Einnah-men i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II dar. Sie können vom Hilfebedürftigen zur Sicherung des Lebensunterhalts herangezogen werden.

III. Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

IV. Die Berufung war zuzulassen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt (vgl. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG), die Rechtssache aber nach Auffassung der Kammer grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) hat. Die Rechts-frage, ob Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge zweckbestimmte Einnahmen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II sind, ist bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt. Zudem weicht die Entscheidung der Kammer von den bereits vorliegenden – auch obergerichtlichen – Entscheidungen anderer Gerichte ab. Die Klärung dieser Rechtsfrage liegt vor dem Hinter-grund der zu erwartenden weiteren Streitigkeiten im allgemeinen Interesse, um die Rechtseinheit zu erhalten.
Rechtskraft
Aus
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