S 19 SO 81/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
19
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 19 SO 81/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 69/10
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in der Zeit vom 01.07.2008 bis zum 30.06.2009.

Der am 00.00.00 geborene Kläger ist Rentner und erhält aufstockende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 24.06.2008 gewährte die Beklagte Leistungen für die Monate Juli 2008 bis Juni 2009 i.H.v. monatlich 196,52 Euro unter Zugrundlegung angemessener Heizkosten i.H.v. monatlich 97,30 Euro abzüglich des auf die nicht leistungsberechtigte Ehefrau des Klägers entfallenden hälftigen Anteils, weiterhin unter Anerkennung von Mehrbedarfen wegen kostenaufwändiger Ernähung (i.H.v. 35,79 Euro monatlich) sowie wegen "Alters" (i.H.v. 53,72 Euro monatlich). Dem am 06.07.2008 eingelegten Widerspruch half die Beklagte mit Bescheid vom 05.08.2008 u.a. insoweit ab, als er einen auf den Kläger entfallenden Heizkostenanteil von monatlich 56,55 Euro zugrunde legte und für die Monate Juli und August 2008 insgesamt 15,50 Euro an den Kläger nachzahlte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Bescheid vom 01.10.2008 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 13.10.2008 erhobene Klage. Mit Bescheid vom 10.03.2009 hat die Beklagte den Ausgangsbescheid erneut zugunsten des Klägers abgeändert.

Der Kläger führt sinngemäß aus, die Heizkosten seien nicht hinreichend berücksichtigt, desgleichen ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung, ein Mehrbedarf für schwerbehinderte Menschen sowie die Kosten der Kfz-Haftpflichtversicherung. Hinsichtlich der Unterkunftskosten sehe die Beklagte einen zu niedrigen Quadratmeterpreis vom 4,80 Euro/qm monatlich als angemessen an. Richtig seien 5,05 Euro. Im Übrigen sei ihm ein Umzug auch nicht zumutbar.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 24.06.2008 in der Fassung der Bescheide vom 05.08.2008 und 10.03.2009 sowie des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2008 zu verurteilen, ihm Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis zum 30.06.2009 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, der Aufwendungen für eine Kraftfahrzeugversicherung sowie eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung und eines Mehrbedarfs für schwerbehinderte Menschen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer Auffassung.

Das Gericht hat zu den baulichen Verhältnissen der Unterkunft des Klägers und zu seinem Heizverhalten ein Gutachten des Dipl-Ing. W vom 22.10.2009 eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angegriffenen Entscheidungen nicht beschwert i. S. d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er hat keinen Anspruch auf höhere Sozialhilfeleistungen.

1.) Der Kläger hat - auch unter Zugrundelegung des von ihm für angemessen erachteten Quadratmeterpreises von 5,05 Euro monatlich - keinen Anspruch auf höhere Leistungen für die Unterkunft. Multipliziert mit der nach sozialhilferechtlichen Kriterien angemessenen Wohnungsgröße von 60 qm für zwei Personen bleiben die hiernach anzusetzenden Unterkunftskosten hinter dem Betrag von 336.- Euro monatlich zurück, den die Beklagte angesetzt hat. Dass die Beklagte bislang von einer angemessenen Wohnfläche von 70 qm ausgegangen ist, bindet das Gericht im vorliegenden Höhenstreit nicht. Dass der Kläger die jetzige Unterkunft nicht aufgeben möchte, weil seine Ehefrau dort eine Hundezucht betreibt, ist sozialhilferechtlich ohne Bedeutung.

2.) Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Heizung. Nach § 29 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (hier: i.V.m. § 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII) werden Leistungen für Heizung in tatsächlicher Höhe (d.h. in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen) erbracht, soweit sie angemessen sind. Wie sich aus dem Gutachten des Dipl.-Ing. W vom 22.10.2009 ergibt, entstehen zur Beheizung der Unterkunft (deren Räumlichkeiten teilweise auch gewerblich genutzt werden) Kosten von jährlich insgesamt 2.672 Euro, wovon 234,48 Euro auf die Warmwasserbereitung entfallen. Die monatlichen Aufwendungen allein für Heizung betragen somit 203,13 Euro, wovon wiederum nur die Hälfte als Bedarf des Klägers anzuerkennen ist, da neben ihm noch seine Ehefrau in der Wohnung wohnt. Auch der hieraus resultierende Betrag i.H.v. 101,56 Euro ist nicht in voller Höhe anzuerkennen, denn die - obendrein noch teilweise gewerblich genutzte (Hundezucht) - Unterkunft ist mit 130 qm Fläche nach sozialhilferechtlichen Maßstäben für einen 2-Personen-Haushalt unangemessen groß. Selbst unter Zugrundelegung einer von der Beklagten anerkannten Wohnfläche von 70 qm ergeben sich angemessene Heizkosten i.H.v. monatlich 54,52 Euro und somit weniger als von der Beklagten anerkannt.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg drauf berufen, dass er ausweislich des Gutachtens des Dipl.-Ing- W ausgesprochen kostengünstig heizt und deswegen Heizkosten in der Höhe anerkannt werden müssten, wie sie für dieselbe (angemessene) Grundfläche bei einem weniger sparsamen Heizverhalten entfielen. Die zur Angemessenheit der Unterkunftskosten entwickelte Produkttheorie (wonach etwa eine unangemessen große Grundfläche der Wohnung durch eine außergewöhnlich niedrige Miete kompensiert werden kann) beinhaltet keine Pauschalierung der Heizkosten und kann nicht so weit gehen, dass der Hilfesuchende dem Leistungsträger durch sparsames Heizen auch die Heizkosten einer unangemessen großen Unterkunft "aufzwingen" kann.

3.) Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen höheren Regelsatz unter Berücksichtigung einer KfZ-Haftpflichtversicherung als Abzug vom Renteneinkommen. Nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII können Versicherungsbeiträge unter bestimmten Voraussetzungen vom Einkommen abgesetzt werden. Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungen gehören nur dann dazu, wenn das Fahrzeug für den Weg zum Arbeitsplatz benötigt wird (Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., 2008, § 82, Rn. 42), woran es hier fehlt.

4.) Sofern der Kläger einen Mehrbedarf wegen lipidsenkender Kost geltend macht, hat er nicht einmal ansatzweise dargetan, inwieweit er die ihm deswegen angeblichen entstehenden Aufwendungen nicht mit dem bereits zuerkannten Mehrbedarf von 35,79 Euro monatlich abdecken kann.

5.) Soweit der Kläger einen Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung und erheblicher Gehbehinderung geltend macht, übersieht er, dass die Beklagte diesen - unter der Bezeichung als Mehrbedarf wegen Alters - bereits anerkannt hat. Zwar lässt sich dem Vortrag des Klägers bei sehr wohlwollender Auslegung die Rechtsansicht entnehmen, § 30 Abs. 1 SGB XII statuiere gleichsam mehrfache (kumulative) Mehrbedarfe für Alter und Schwerbehinderung, jedoch steht einer solchen Auslegung der Vorschrift deren eindeutiger Wortlaut entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung, da bereits der Betrag der geltend gemachten tatsächliche Heizkosten die Wertgrenze aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG deutlich überschreitet.
Rechtskraft
Aus
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