L 11 AS 643/09 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AS 573/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 643/09 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Nach § 11 SGB II sind grundsätzlich Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, soweit hierfür eine bedarfsbezogene tatsächliche Verwendungsmöglichkeit besteht, es sich also um "bereite Mittel" handelt. Eine Anrechnung von fiktiven Einkünften scheidet damit aus.
2. Für eine lediglich darlehnsweise Gewährung von Leistungen nach dem SGB II reicht es nicht aus, dass dem Hilfesuchenden Vermögen zusteht, wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Darlehnsgewährung erfolgen soll, bis auf weiteres nicht absehbar ist, ob er einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Vermögen wird ziehen können (vgl. BSG 14.Senat vom 27.01.2009, Az: B 14 AS 42/07 R).
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 17.08.2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
III. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren be-
willigt, monatliche Raten sind nicht zu erbringen. Zur Wahrnehmung ihrer
Rechte wird ihnen Rechtsanwalt K., J-Stadt, beigeordnet.



Gründe:


Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 17.08.2009 bis 30.09.2009 und die Verpflichtung der Antragsgegnerin (Ag) bei einer Geltendmachung von Ansprüchen nach § 33 SGB II gegenüber dem früheren Ehemann der Antragstellerin (ASt) zu 1. und Vater der ASt zu 2. - 5. diesem gegenüber nicht den Landkreis der leistenden Stelle, den Wohnort, die Anschrift sowie die neuen Namen der ASt mitzuteilen oder bekannt werden zu lassen.
Die 1968 geborene ASt zu 1. lebt zusammen mit ihren Kindern, den ASt zu 2. - 5., (geb. 1996), (geb. 1997), (geb. 1998) und (geb. 2001) im Zuständigkeitsbereich der Ag. Nach den Angaben der ASt zu 1. befindet sie sich zusammen mit ihren Kindern in einem Gewaltschutzprogramm, sie hätten ihren Nachnamen ändern müssen, da ihr früherer Ehemann und Vater der ASt zu 2. - 5. ihnen mit "Blutrache" gedroht habe.
Am 29.06.2009 beantragte die ASt zu 1. erneut die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Als Einkommen gab sie den Bezug von Kindergeld in Höhe von 693 EUR monatlich an, daneben beziehe sie für die ASt zu 4. und 5. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von jeweils 158 EUR. Die Kosten der Unterkunft beliefen sich auf eine Gesamtmiete in Höhe von 390 EUR. Eigenes Arbeitsentgelt erziele die ASt zu 1. nicht, sie sei bis 31.07.2009 Schülerin gewesen, ab dem 01.10.2009 studiere sie. Darüber hinaus sei die ASt zu 1. zusammen mit ihrem früheren Ehemann Eigentümerin eines Einfamilienhauses.
Mit dem Antrag erklärte sie, ihre Adresse könne aufgrund der Bedrohung durch den geschiedenen Ehemann, der Aufnahme im Gewaltschutzprogramm sowie der Namensänderung diesem nicht mitgeteilt werden.
Am 03.08.2009 haben die ASt beim Sozialgericht Würzburg (SG) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, die Ag zu verurteilen, für die Monate August und September 2009 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Am 29.06.2009 sei ein Antrag auf Gewährung von Leistungen gestellt worden, seit dieser Zeit sei eine Verbescheidung durch die Ag nicht erfolgt. Mündlich sei der ASt zu 1. erklärt worden, dass ihr Antrag abgelehnt worden sei, da sie keinen Rückerstattungsanspruch gegenüber ihrem früheren Ehemann geltend mache. Dieser sei zur Fahndung ausgeschrieben und habe zwischenzeitlich das Land verlassen. Die Gewährung von Leistungen werde als Zuschuss, nicht als Darlehen beantragt. Auf Anfrage des SG hat der Zeuge P. mitgeteilt, unter Berücksichtigung der zuletzt im Jahr 2005 abgefragten Daten sei davon auszugehen, dass bei einer Verwertung der Immobilie ein die Belastungen übersteigender Betrag mit Sicherheit nicht erlöst werden könne, da Belastungen von ca. 300.000 EUR bestünden.
Mit Beschluss vom 17.08.2009 hat das SG die Ag verpflichtet, den ASt ab 17.08.2009 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis 30.09.2009, Alg II in Höhe von monatlich 940 EUR zu gewähren. Eine evtl. gegenüber dem früheren Ehemann der ASt zu 1. und Vater der ASt zu 2. - 5. erfolgende Geltendmachung von Ansprüchen durch die Ag nach § 33 SGB II dürfe dabei vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache nur in der Form erfolgen, dass diesem gegenüber nicht der Landkreis der leistenden Stelle, der Wohnort, die Anschrift sowie die neuen Namen der ASt mitgeteilt oder bekannt würden. Die ASt zu 1. sei nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II hilfebedürftig, da ihr anzurechnendes Einkommen den Bedarf nicht übersteige. Ein zu berücksichtigendes Vermögen gemäß § 12 Abs 1 SGB II im Hinblick auf das im Miteigentum der ASt zu 1. stehende Hausgrundstück läge glaubhaft nicht vor, da unter Berücksichtigung der Ermittlungen des SG davon auszugehen sei, dass ein Überschuss über die Belastungen bei der Verwertung der Immobilie mit Sicherheit nicht erzielt werden könne. Die ASt zu 2. - 5. hätten als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs 2 Satz 1, Abs 3 Nr 4 SGB II ebenfalls Anspruch auf Leistungen. Die ASt hätten auch glaubhaft gemacht, dass eine Leistungsgewährung nur in der Form erfolgen dürfe, dass dem geschiedenen Ehemann gegenüber der Landkreis der leistenden Stelle, der Wohnort, die Anschrift sowie die neuen Namen der ASt nicht mitgeteilt oder bekannt werden dürften. Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB II ginge der Anspruch der ASt gegen den geschiedenen Ehemann und Vater zwar auf die Ag über, es sei jedoch jedenfalls eine zumindest abstrakte Gefahr glaubhaft gemacht, dass den ASt weitere Gewalt und damit eine Gefahr für Leib und Leben durch den Exmann der ASt zu 1. drohe. Insofern könnten die Grundrechte der ASt aus Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) bei einer Geltendmachung der nach § 33 SGB II übergegangenen Ansprüche nicht außer Acht gelassen werden. Andernfalls würden auch die mit der Namensänderung erzielten Erfolge im Rahmen der Gefahrenabwehr durch die Ag im Rahmen der Durchsetzung ihrer Ansprüche zunichte gemacht. Die ASt hätten auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, ihre finanziellen Mittel seien erschöpft und sie seien dringend auf sofortige Leistungen angewiesen. Die Höhe der den ASt zu gewährenden Leistungen sei dem Grunde nach nicht streitig, sondern es gehe allein um die Frage der infolge der Leistungsgewährung möglicherweise erfolgten Geltendmachung von Ansprüchen. Ein Abschlag von bis zu 30 % des Regelsatzes sei nicht geboten, da der Leistungsanspruch auch in einem Hauptsacheverfahren wohl in keiner anderen Höhe ausfallen würde. Eine Vorwegnahme der Hauptsache erfolge dabei ebenfalls nicht, weil das Problem der Geltendmachung der Ansprüche nach § 33 SGB II sich auch nicht durch das Eilverfahren erledige.
Hiergegen hat die Ag am 17.09.2009 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Eine Leistungsgewährung an die ASt sei nicht möglich, wenn der Unterhaltsanspruch nicht durch die Ag verfolgt oder durch einen Rückübertragungsvertrag gesichert werden könne. Durch eine Auszahlung von Leistungen an die ASt zu 2. - 5. trete ein gesetzlicher Forderungsübergang nach § 33 SGB II ein, die Ag sei berechtigt, etwaige Unterhaltstitel auf sich umschreiben zu lassen. Dabei würde zwangsläufig zumindest für die Leistungen des kommunalen Trägers der Landkreis K. auftauchen. Eine anderweitige Vorgehensweise wie beispielsweise eine Amtshilfe sei nach Auskunft der zuständigen Stelle nicht möglich. Durch den Beschluss des SG sei somit eine Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs nicht möglich. Dies komme einem endgültigen Verbot der Geltendmachung eines gesetzlich fundierten Anspruchs gleich. Mit dem angegriffenen Beschluss werde auch eine Vorwegnahme der Hauptsache bewirkt. Zu Unrecht sei das SG davon ausgegangen, dass die Höhe der den ASt zu gewährenden Leistungen dem Grunde nach nicht streitig sei, da eine fiktive Leistungsanrechnung zu erfolgen habe und sich somit lediglich ein monatlicher Leistungsanspruch in Höhe von 453 EUR für die Bedarfsgemeinschaft ergebe. Darüber hinaus wären die monatlichen Leistungen nicht als Darlehen gewährt worden, obwohl die ASt zu 1. Miteigentümerin eines Einfamilienhauses sei. Es läge kein Nachweis darüber vor, wie hoch der Wert des Hausanteils sei, noch habe ein Nachweis darüber geführt werden können, mit welchen Schulden das Haus belastet sei. Darüber hinaus sei auch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die ASt zu 2. - 5. besuchten eine Privatschule, für welche monatliches Schuldgeld in nicht unbeträchtlicher Höhe zu leisten sei.
Die ASt sind demgegenüber der Auffassung, dass zur Verhinderung eines nicht gerechtfertigen Eingriffs in den Schutzbereichs des GG - einer wenn auch abstrakten Gefahr für Leib und Leben - von der tatsächlichen Geltendmachung aus abgetretenem Recht abzusehen sei. Die Anrechnung der titulierten Unterhaltsansprüche als fiktives Einkommen komme nicht in Betracht. Eine Vorwegnahme der Hauptsache läge nicht vor, die Privatschule habe die ASt zu 2. - 5. von der Entrichtung von Schulgebühren befreit.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beschwerde ist aber nicht begründet, die ASt haben einen Anspruch auf die vorläufige Gewährung von Alg II in Höhe von monatlich 940 EUR für die Zeit ab 17.08.2009 bis längstens 30.09.2009. Die Verpflichtung der Ag, eine eventuell gegenüber dem früheren Ehemann der Ast zu 1. und Vater der ASt zu 2. - 5. erfolgende Geltendmachung von Ansprüchen nach § 33 SGB II habe nur in der Form zu erfolgen, dass diesem gegenüber der Landkreis der leistenden Stelle, der Wohnort, die Anschrift sowie die neuen Namen der ASt nicht mitgeteilt oder bekannt gegeben werden, ist nicht zu beanstanden.
Die ASt begehren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate August und September 2009.
Für das Begehren der ASt ist § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG taugliche Anspruchsgrundlage. Danach ist eine einstweilige Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69 (74); vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. Rdnr. 643)

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 86b Rn. 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.

Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl BVerfG vom 12.05.2005 aaO und 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06 -).

Ein Anordnungsanspruch liegt vor. Das SG hat zu Recht keine Anrechnung eines fiktiven Einkommens i.H. des von den ASt nicht realisierten Unterhaltsanspruch gegen den Vater angenommen. Nach § 11 Abs. 1 SGB II sind grundsätzlich Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen, soweit hierfür eine bedarfsbezogene tatsächliche Verwendungsmöglichkeit besteht, es sich also um "bereite Mittel" handelt, die jederzeit in Geld tauschbar sind (vgl Brühl in LPK-SGB II 3.Aufl. 2009 § 11 Rdnr. 24). Die evtl. bestehende Möglichkeit einer Realisierung von Ansprüchen steht dem tatsächlichen Zufluss von Mitteln nicht gleich, eine Anrechnung von fiktiven Einkünften scheidet damit aus.

Die ASt haben auch einen Anspruch auf die Gewährung der streitgegenständlichen Leistungen als Zuschuss und nicht lediglich als Darlehen. Für eine lediglich darlehensweise Gewährung von Leistungen reicht es nicht aus, dass dem Hilfesuchenden Vermögen zusteht, wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Darlehensgewährung erfolgen soll, bis auf weiteres nicht absehbar ist, ob er einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Vermögen wird ziehen können. Vielmehr liegt eine generelle Unverwertbarkeit i.S.d. § 12 Abs. 1 SGB III vor, wenn völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt (vgl BSG 14. Senat vom 27.01.2009, Az. B 14 AS 42/07 R mwN). So ist es hier; nach den Feststellungen des SG ist aus dem Verkauf des Hauses unter Berücksichtigung der Schulden ein wirtschaftlicher Nutzen nicht zu erzielen. Die Ag zu 1 und deren geschiedener Ehemann sind Miteigentümer des Anwesens, der Aufenthalt des geschieden Gatte ist unbekannt, sowohl eine gütliche wie auch eine gerichtliche Auseinandersetzung des Anwesens bzw. der Miteigentümergemeinschaft ist deshalb auf unabsehbar lange Zeit ausgeschlossen. Im übrigen handelt es sich um eine Leistungsbewilligung durch das SG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, die nach Sinn und Zweck nur vorläufig erfolgt. Ob eine darlehens- oder zuschussweise Zahlung zu erfolgen hat, ist ggf noch im Hauptsacheverfahren zu klären.

Ob - wie das SG angenommen hat - der Forderungsübergang des § 33 SGB II eingeschränkt wird durch die Grundrechte der ASt aus Art 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) erscheint dem Senat zumindest zweifelhaft. § 33 SGB II stellt einen gesetzlichen Forderungsübergang (cessio legis) i.S.d § 412 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar (vgl Münder in LPK-SGB II 3. Aufl. 2009, § 33 Rdnr. 61). Durch § 33 SGB II findet "lediglich" ein Gläubigerwechsel statt, wonach die ASt als Gläubiger des Unterhaltsanspruchs gegen den Vater ausscheiden und an deren Stelle der SGB II - Leistungsträger tritt. Der Gläubigerwechsel erfolgt damit wohl unbedingt und uneingeschränkt.

Die Frage, ob der SGB II - Leistungsträger mit der übergegangenen Forderung rechtmäßig und sorgfältig umgeht, insbesondere die grundrechtlichen Positionen der ASt wahrt, erscheint vielmehr im Rahmen einer Amtspflichtverletzung nach Art 34 GG i.V.m. 839 BGB, gegebenenfalls mit zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen relevant, nicht aber im sozialgerichtlichen Verfahren.

Ob somit hinsichtlich der Verpflichtung der Ag, die weiteren streitgegenständlichen Daten vor dem geschiedenen Ehemanns geheim zu halten, ein Anordnungsanspruch besteht, muss im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens offen bleiben. Somit hat bei einem offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens eine Interessenabwägung stattzufinden. Hierbei sind die Folgen abzuwägen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch besteht, und auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber im Hauptsachverfahren herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer 9. Aufl. 2008 § 86b Rdnr. 29a). Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen hat das SG die einstweilige Anordnung zu Recht erlassen, denn den geringfügigen finanziellen Interessen der Ag steht die abstrakte Gefahr für Leib und Leben der ASt zu 1 und ihrer Kinder entgegen. Diese gegebenenfalls lebensbedrohlichen Folgen rechtfertigen ohne weiteres den Erlass der einstweiligen Anordnung (vgl Keller aaO § 86b Rdnr. 29a mwN).

Eine Vorwegnahme der Hauptsache liegt nicht vor. Auch wenn die Höhe der streitgegenständlichen Leistungen unter Berücksichtigung der Ausführungen der Ag streitig sind, ist dennoch ein Abschlag in Höhe von bis zu 30% des Regelsatzes nicht geboten. Die von der Ag angestrebte Anrechnung von fiktivem Einkommen scheint unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt möglich, Erfolgsaussichten für ein späteres Hauptsachverfahren sind somit nicht gegeben. Danach bleibt es bei dem Grundgedanken, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache bei einer Verurteilung zur vorläufigen Gewährung von Sozialleistungen nur für den Fall in Betracht kommt, wenn eine (spätere) Rückforderung ausgeschlossen ist (vgl Keller aaO § 86b Rdnr. 31 mwN). Anhaltspunkte hierfür sind dem Senat nicht ersichtlich.

Im Übrigen liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Die ASt haben glaubhaft gemacht, dass ihre finanziellen Mittel erschöpft sind und sie dringend auf Leistungen angewiesen sind. Dem steht der Besuch der Privatschule durch die Kinder der ASt zu 1 nicht entgegen, denn diese hat glaubhaft gemacht, dass die Schule auf die Bezahlung von Schulgebühren verzichtet.

Nach all dem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen der Ag.

Darüber hinaus war den ASt Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Nachdem die Ag die Beschwerde eingelegt hat, waren die Erfolgsaussichten der ASt für das Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen, §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m.119 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse waren monatliche Raten nicht festzusetzen.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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