L 1 AS 42/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 (4) AS 223/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AS 42/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 43/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB mit Beschluss vom 30.09.10 als unzulässig verworfen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 27.10.2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des ersten Rechtszuges zu erstatten. Im zweiten Rechtszug sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Übernahme weiterer umzugsbedingter Kosten in Höhe von 2317,69 EUR.

Der am 00.00.1967 geborene Kläger übt seit dem 1.7.2003 eine Nebentätigkeit als Fahrer und Funker bei der Fa. U aus. Seit dem 1.1.2005 bezieht er Arbeitslosengeld II. Im Erstantrag vom 30.9.2004 gab der Kläger an, er sei "dauernd getrennt lebend".

Der Kläger wohnte zu Beginn des Leistungsbezugs in I, C-platz 00, in einer 71,18 m² großen Wohnung. Die Beklagte bewilligte als zustehende Kosten der Unterkunft zunächst 396,25 EUR (Grundmiete zuzüglich Nebenkosten ohne Heizkosten). Mit Schreiben vom 10.2.2005 teilte sie dem Kläger mit, dass für die Kosten der Unterkunft ein Betrag in Höhe von 230.- EUR als angemessen anzusehen sei. Der Kläger wurde aufgefordert, sich innerhalb von sechs Monaten um eine preisgünstigere Wohnung zu bemühen. Eine Reaktion des Klägers erfolgte nicht, die Beklagte übernahm ab dem 1.9.2005 nur noch die aus ihrer Sicht angemessenen Unterkunftskosten.

Nachfragen der Beklagten, wie hoch die Trinkgeldeinnahmen aus der Nebentätigkeit seien, beantwortete der Kläger mehrfach dahingehend, dass er keine Trinkgelder erhalte.

Mit Schreiben vom 29.6.2006 kündigte der Kläger sein Mietverhältnis zum 30.9.2006 und mietete ab 1.9.2006 eine Wohnung mit einer Größe von 46 m² in der S-straße 00, I, an. Die monatliche Miete einschließlich Vorauszahlung für Heizung betrug 301,47 EUR. Der Mietvertrag datiert vom 19.7.2006, ebenso das Übergabeprotokoll.

Der Kläger legte diese Unterlagen der Beklagten am 24.7.2006 vor. Die Beklagte teilte dem Kläger mündlich mit, dass keine Kaution, keine Umzugskosten, keine Erstausstattung und keine Renovierungskosten übernommen würden und die Miete nur bis zu einer Mietobergrenze von 239.- EUR zuzüglich Heizkosten erstattet werde. Auch die Übernahme der Doppelmiete für September 2006 scheide aus.

Mit Schreiben vom 26.7.2006 beantragte der Kläger ausdrücklich die "Erstattung von Umzugskosten, Renovierungskosten sowie die doppelte Mietzahlung für den Monat September". Mit Bescheid vom 26.7.2006 lehnte die Beklagte die "Zusicherung für die Aufwendungen für die neue Unterkunft" ab.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 30.7.2006 Widerspruch ein. Er berief sich darauf, dass er mit Schreiben vom 10.2.2005 aufgefordert worden sei, die Unterkunftskosten zu senken und hierin nicht belehrt worden sei, dass er eine Zusicherung einholen müsse, bevor er den Mietvertrag unterschreibt.

Mit Bescheid vom 5.9.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte zusammengefasst aus, die Erstattung der geltend gemachten Kosten scheitere an der nicht erteilten vorherigen Zusicherung. Diese sei auch nicht zu erteilen gewesen, weil auch die Aufwendungen für die neue Unterkunft nicht angemessen seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 2.10.2006 erhobene Klage. Der Kläger meint, die Beklagte habe die umzugsbedingten Kosten zu erstatten, weil der Umzug auf Veranlassung der Beklagten erfolgt sei.

Der Kläger hat zunächst folgende Kosten geltend gemacht: Renovierungskosten 857,68 EUR Ersatzanschaffung für Möbel, weil die alten Möbel in der neuen kleineren Wohnung nicht unterzubringen waren 1420,79 EUR abzüglich 306.- EUR (vom Nachmieter erhalten) 1114,79 EUR Nachsendeauftrag 14,80 EUR Sperrmüllentsorgung 25.- EUR Bewirtungskosten 250.- EUR Doppelmiete 287,77 EUR (der Kläger macht hier die Kosten für die neue Wohnung geltend) Gesamt 2550,04 EUR Nach Durchführung eines Erörterungstermins hat der Kläger die geltend gemachten Kosten für die Ersatzanschaffung für Möbel wie folgt korrigiert 1307,24 EUR Die Beklagte hat hinsichtlich des Nachsendeantrags ein Anerkenntnis abgegeben, das der Kläger angenommen hat - 14,80 EUR Im Verhandlungstermin hat die Beklagte Renovierungskosten anerkannt - 410.- EUR Es verblieb damit folgender streitiger Betrag: Renovierungskosten (857,68-308.- EUR) 549,68 EUR Ersatzbeschaffung Möbel 1307,24 EUR Sperrmüllentsorgung 25.- EUR Bewirtungsgeld (250-102 EUR) 148.- EUR Doppelmiete 287,77 EUR Gesamt: 2317,69 EUR

Entsprechend dieser Berechnung hat der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.9.2006 zu verurteilen, ihm einen weiteren Betrag in Höhe von 2317,69 EUR zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung gewesen, dass dem Kläger nach Annahme des Teilanerkenntnisses kein weiterer Betrag für Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten zustehe.

Mit Urteil vom 27.10.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten gem. § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II bejaht, weil die Beklagte durch Abgabe der Teilanerkenntnisse konkludent diesen Anspruch anerkannt habe. Bei den Kosten für die Ersatzbeschaffung der Möbel handele es sich jedoch nicht um Wohnungsbeschaffungs- oder Umzugskosten. Für die Beschaffung der neuen Wohnung seien sie nicht relevant, auch seien sie nicht durch den Umzug als solchem bedingt. Hinsichtlich der Renovierungskosten könne dahinstehen, ob es sich um Wohnungsbeschaffungs- oder Umzugskosten i.S.d. § 22 Abs. 3 SGB II oder um Kosten der Unterkunft i.S.d. § 22 Abs. 1 SGB II handele. Die Beklagte habe die angemessenen Kosten erstattet. Hinsichtlich der Bewirtungskosten habe die Beklagte mit 102.- EUR ebenfalls einen angemessenen Betrag erstattet. Dem Anspruch auf Erstattung der Doppelmiete stehe entgegen, dass der Kläger vor der Unterzeichnung des neuen Mietvertrages keine ausdrückliche Zusicherung gem. § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II eingeholt habe. Zudem handele es sich nicht um notwendige Aufwendungen, weil der Kläger nach der Kostensenkungsaufforderung vom 10.2.2005 ausreichend Zeit gehabt habe, eine angemessene Wohnung zu suchen, ohne dass eine Doppelmiete anfällt.

Gegen diese am 28.11.2008 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 29.12.2008 (Montag) eingelegte Berufung.

Der Kläger meint, auch die Kosten für die Ersatzbeschaffung von Möbeln gehörten zu den erstattungsfähigen Kosten für Wohnungsbeschaffung und Umzug. Der Kleiderschrank, das Ehebett und die Küchenzeile aus der alten Wohnung seien in der neuen Wohnung nicht unterzubringen gewesen. Die neue Wohnung habe mit Laminatboden - einschließlich Trittschalldämmung - ausgelegt werden müssen, die Schrägwände hätten gestrichen, die geraden Wände mit Raufasertapete versehen werden und die Wohnung mit neuen Steckdosen und Schaltern ausgestattet werden müssen. Hierfür sei der geltend gemachte Betrag angefallen. Die von der Beklagten gewährte Pauschale sei nicht ausreichend. Eine Verpflichtung zur doppelten Mietzahlung sei im Gegensatz zur Entscheidung des Sozialgerichts regelmäßig unvermeidlich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 27.10.2008 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.9.2006 zu verurteilen, dem Kläger weitere 2317,69 EUR für anlässlich des Umzugs entstandene Kosten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Es sei nicht nachgewiesen, ob und ggfs. in welchem Umfang der Kläger die Möbel aus der alten Wohnung habe wiederverwenden können. Die Renovierungspauschale sei ausreichend und umfasse Tapete, Wandfarbe, einfachen Fußbodenbelag und Renovierungshelfer.

Auf Anforderung durch den Senat hat die Beklagte das dem Kläger bei Antragstellung ausgehändigte "Merkblatt Kosten der Unterkunft/Miete" - Stand 1.1.2005 - übersandt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide, die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den weiteren Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Kostenerstattung für anlässlich seines Umzugs in die S-straße 00, I entstandene Kosten.

Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Anschaffung von Möbeln besteht nicht. Anspruchsgrundlage für den Fall, dass aufgrund eines vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzugs Möbel des Hilfebedürftigen unbrauchbar werden und insoweit eine Ersatzbeschaffung notwendig ist, ist § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGB II (BSG, Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R; anders noch LSG Niedersachsen, Urteil vom 21.2.2006 - L 9 B 37/06; SG Aachen, Beschluss vom 13.2.2007 - S 9 AS 151/06 ER; SG Dresden, Beschluss vom 6.6.2006 - S 213 AS 838/06 ER; wohl auch LSG Niedersachsen, Urteil vom 4.9.2008 - L 13 AS 518/06: Umzugskosten gem. § 22 Abs. 3 SGB II). Nach dieser Vorschrift können nicht nur die Kosten für eine komplette Erstausstattung einer Wohnung geltend gemacht werden, sondern auch solche für die (Ersatz-)Beschaffung einzelner Gegenstände (BSG, Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R). Allerdings hat der Grundsicherungsträger nicht schon dann für die Ausstattungsgegenstände aufzukommen, wenn diese weiterhin funktionsfähig sind, sie ihrem Besitzer jedoch nicht mehr gefallen, oder sie nicht optimal zur neuen Wohnung passen. Ein durch den Grundsicherungsträger veranlasster Umzug kann nicht dazu genutzt werden, sich auf Kosten der Allgemeinheit neu einzurichten. Die Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers ist entsprechend dem Ausnahmecharakter der Vorschrift eng begrenzt (BSG, Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R).

Es ist nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass die beim Umzug vorhandenen Möbel des Klägers in der neuen Wohnung nicht verwendbar waren. Eine Tatsache ist (erst) voll bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 6.2.2003 - B 7 AL 12/02 R). Der Kläger trägt vor, der Kleiderschrank, das Schlafsofa, die Singleküche, die Waschmaschine und die Fensterrollos seien aufgrund ihrer Größe, der Größenverhältnisse, des Zuschnitts sowie baulicher Gegebenheiten der neuen Wohnung in dieser nicht weiter zu verwenden gewesen. Dabei handelt es sich um anspruchsbegründende Tatsachen, denn für den Fall, dass die alten Möbel bzw. Einrichtungsgegenstände in der neuen Wohnung sinnvoll hätten verwendet werden können, scheidet eine Erstattungspflicht durch die Beklagte aus. Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme sind diese Tatsachen nicht erwiesen.

Der Senat vermochte sich keine volle Überzeugung im vorbezeichneten Sinne davon zu verschaffen, dass die Möbel bzw. Einrichtungsgegenstände aus der alten Wohnung für die neue Wohnung untauglich waren. Das einzige zur Verfügung stehende Beweismittel sind die eigenen Erklärungen des Klägers. Weitere Beweismittel sind nicht vorhanden, da die alten Möbel vernichtet sind bzw. nicht mehr zur Verfügung stehen. Zwar ist im sozialgerichtlichen Verfahren auch der Beteiligtenvortrag ein zulässiges Beweismittel. Das Gericht kann die Beteiligten anhören und seine Überzeugung allein auf deren Aussage stützen (BSG, Beschluss vom 10.2.1998 - B 2 U 2/98 B; Kühl, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 118 Rnr. 26). Im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) setzt dies aber voraus, dass der Beteiligte glaubwürdig und die Aussage glaubhaft und schlüssig ist.

Obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung in einzelnen Punkten durchaus schlüssig und nachvollziehbar vorgetragen hat, verbleiben Zweifel, ob seine Angaben der Wahrheit entsprechen. An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen nämlich - jedenfalls was seine Äußerungen im Rahmen der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem SGB II betrifft - so erhebliche Zweifel, dass der Senat sich nicht in der Lage sieht, seine Überzeugungsbildung allein auf die Angaben des Klägers zu gründen. So hält der Senat die - mehrfache - Behauptung des Klägers gegenüber der Beklagten für unglaubhaft, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit als Taxifahrer keinerlei Trinkgeld erhalte. Vor dem Hintergrund allgemeiner Lebenserfahrung im Hinblick auf die Üblichkeit der Gabe von Trinkgeld an Taxifahrer erscheint diese Behauptung derart fragwürdig, dass Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers und der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens im Zusammenhang mit Leistungen nach dem SGB II begründet sind. Dieser Eindruck hat sich in der mündlichen Verhandlung verfestigt: Der Kläger konnte sich nicht daran erinnern, wann er sich von seiner Ehefrau getrennt hat und wie alt sein Kind zu diesem Zeitpunkt gewesen ist. Bei diesen Umständen handelt es sich nach Auffassung der Kammer um derart signifikante Tatsachen, dass zumindest eine annähernde Erinnerung zu erwarten ist. Dass diese Erinnerung fehlt, lässt Zweifel aufkommen, ob der Kläger sich überhaupt dauerhaft von seiner Ehefrau getrennt hat. In diesem Zusammenhang ist auch von Belang, dass der Kläger noch am 13.6.2006 - also weit nach dem Zeitpunkt für den er erstmals angegeben hatte, dauernd getrennt von seiner Ehefrau zu sein - gemeinsam mit seiner Ehefrau bei der Beklagten vorgesprochen hat und nach dem Eindruck des Mitarbeiters der Beklagten die Einflussnahme des Klägers auf das Verhalten seiner Ehefrau deutlich erkennbar war.

Hinsichtlich der im Rahmen der Kostenerstattung für die Küche geltend gemachten Kosten für den Ersatz von "Kleinteilen" (30,04 EUR) kommt hinzu, dass deren Geltendmachung bereits von vornherein unschlüssig ist, da "Kleinteile" in der neuen Wohnung gleichermaßen zu verwenden sein dürften, wie in der alten Wohnung. Gleiches gilt für die Waschmaschine.

Nachdem weitere Beweismittel für die Frage der Geeignetheit der alten Einrichtungsgegenstände für die neue Wohnung ersichtlich nicht zur Verfügung stehen, hat die Entscheidung nach Beweislastgesichtspunkten zu erfolgen. Hierbei gilt der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Wer ein Recht in Anspruch nimmt, trägt die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen, wer ein Recht leugnet, die Beweislast für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Tatsachen (BSG, Urteil vom 26.11.1992 - 7 RAr 38/92, BSGE 71, 256 (260) = SozR 3-4100 § 119 Nr. 7). Da der Kläger vorliegend Rechte in Anspruch nimmt, trägt er die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Die Zubilligung von Beweiserleichterungen aufgrund unverschuldeter Beweisnot (hierzu jüngst BSG, Urteil vom 2.12.2008 - B 2 U 26/06 R) ist allein deswegen nicht geboten, weil nicht die Beklagte, sondern der Kläger die Beweisnot verschuldet hat. Hätte er vor Entstehung der Kosten, die die Beklagte nun erstatten soll, bei dieser vorgesprochen, hätten die erforderlichen Feststellungen rechtzeitig getroffen werden können.

Ein Anspruch auf Erstattung (weiterer) Umzugskosten besteht nicht.

Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Sperrmüllentsorgung als Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II scheidet schon deshalb aus, weil nicht mehr feststellbar ist, ob und ggf. in welchem Umfang aufgrund des Umzugs Möbelstücke entsorgt werden mussten.

Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für Umzugshelfer ist ebenfalls nicht gegeben. Unabhängig von der Frage, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 22 Abs 3 Satz 1 SGB II angesichts der nicht eingeholten vorherigen Zustimmung zu den Kosten vorliegen, hat die Beklagte hierfür mit 102.- EUR einen angemessenen Betrag übernommen (zur Verpflichtung des Leistungsempfängers, den Umzug grundsätzlich selbst zu organisieren und durchzuführen und einem damit einhergehenden Anspruch auf Erstattung von "Erfrischungsgeld" vergl. näher Berlit, in LPK-SGB II, § 22 Rnr. 111).

Es besteht auch kein Anspruch auf Zahlung der doppelten Miete für September 2006. Welche Anspruchsgrundlage für die Erstattung von umzugsbedingter Doppelmiete besteht, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, kann aber vorliegend dahinstehen. Teilweise wird vertreten, die Verpflichtung zur Zahlung von Doppelmiete gehöre zu den erstattungsfähigen Wohnungsbeschaffungskosten gem. § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.1.2007 - L 5 B 1221/06 AS ER; SG Aachen, Beschluss vom 1.2.2008 - S 6 AS 12/08 ER; Piepenstock, in: JURIS-PK § 22 Rnr. 124). Teilweise wird vertreten, die Verpflichtung zur doppelten Mietzahlung gehöre zu den Unterkunftskosten i.S.d. § 22 Abs. 1 SGB II (so wohl LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.9.2009 - L 19 B 39/09 AS). Wenn die Anspruchsgrundlage in § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II gesehen wird, ist mit dem Sozialgericht ein Anspruch auf Kostenerstattung zu verneinen, weil der Kläger die nach dieser Vorschrift erforderliche vorherige Zusicherung durch die Beklagte nicht eingeholt hat. Der Kläger hat den bereits unterschriebenen Mietvertrag bei der Beklagten vorgelegt und dieser damit die Möglichkeit genommen, die Notwendigkeit der doppelten Mietzahlung zu prüfen und ihm evtl. ein anderes Angebot zu unterbreiten, welches diese Kosten vermieden hätte. Der Umstand, dass der Kläger im "Merkblatt Kosten der Unterkunft/Miete" nicht auf die Voraussetzung der vorherigen Zusicherung für eine Kostenübernahme hingewiesen wurde, ist unbeachtlich. Denn ein derartiger evtl. Beratungsfehler vermag ein Absehen von den materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs nicht zu begründen.

Stellte man hingegen auf § 22 Abs. 1 SGB II ab, ist erforderlich, dass es sich bei der Verpflichtung zur Zahlung von Doppelmiete um angemessene Kosten der Unterkunft handelt, diese also nach den einzuhaltenden Kündigungsfristen unvermeidlich waren. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger bereits seit Februar 2005 wusste, dass seine bisherige Wohnung zu groß und zu teuer ist, hatte er ausreichend Zeit, Wohnraum ohne doppelte Mietverpflichtung zu suchen. Irgendwelche Bemühungen des Klägers in dieser Richtung sind nicht aktenkundig und werden auch nicht dargelegt.

Ein Anspruch auf Erstattung (weiterer) Kosten der Einzugsrenovierung besteht ebenfalls nicht. Die Beklagte hat mit der Zahlung von 308.- EUR ihre Pflicht zur Übernahme der Einzugsrenovierungskosten erfüllt.

Die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Renovierungskosten dem Grunde nach ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht umstritten. Kosten der Einzugsrenovierung sind erstattungsfähige Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Dagegen handelt es sich bei den Einzugsrenovierungskosten nicht um Wohnungsbeschaffungs- oder Umzugskosten i.S.d. § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II, weshalb für deren Erstattung keine vorherige Zusicherung i.S.d. § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II erforderlich ist. Ebenso wenig kommt § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II als Anspruchsgrundlage in Betracht. Einzugsrenovierung ist keine Erstausstattung im Sinne dieser Vorschrift. Schließlich sind Kosten der Einzugsrenovierung nicht bereits durch die Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II abgedeckt. Als Kosten der Unterkunft sind Einzugsrenovierungskosten erstattungsfähig, wenn die Einzugsrenovierung mietvertraglich vereinbart worden ist, die Einzugsrenovierung ortsüblich ist, die Renovierung zur Herstellung der Bewohnbarkeit der Wohnung erforderlich sind und die Kosten auch sonst angemessen sind (grundlegend BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R).

Die mietvertragliche Vereinbarung der Einzugsrenovierung hat der Kläger allein dadurch belegt, dass er eine unrenovierte und in diesem Zustand nicht benutzbare Wohnung übernommen hat. Der Senat geht davon aus, dass es sich bei der Übernahme von unrenoviertem Wohnraum um ein in I ortsübliches Vorgehen handelt, denn die übernommene Wohnung ist ein Objekt einer I Wohnungsgenossenschaft, die ihre Mieter in einer vorformulierten Vertragserklärung generell verpflichtet, beim Auszug vor Wohnungsübergabe an die Genossenschaft sämtliche Tapeten von Decken und Wänden zu entfernen.

Ob die Kosten der Einzugsrenovierung zu übernehmen sind, richtet sich danach, ob sie zur Herstellung der Bewohnbarkeit der Wohnung aus der vertretbaren Sicht des Hilfebedürftigen erforderlich sind. Insofern hat eine Orientierung am Ausstattungsstandard im unteren Wohnsegment zu erfolgen. Es ist mithin von einem lediglich einfachen Ausstattungsgrad auszugehen. Wenn - wie hier - eine Wohnung ohne Wand- und Fußbodenbelag bezogen wird, gehört eine Ausstattung mit einfachem Wand- und Fußbodenbelag zu den im Rahmen der Einzugsrenovierung erstattungsfähigen Kosten (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R; vergl. auch BSG, Urteil vom 17.11.2006 - B 7b AS 10/06 R).

Die Beklagte hat einen nach diesen Maßstäben angemessenen Betrag für die Renovierungskosten erstattet. Sie hat nachvollziehbar dargelegt, dass bei der Berechnung der von ihr gewährten Renovierungspauschalen Fenster und Türen bei der Flächenberechnung unberücksichtigt geblieben sind, beim Tapetenmaß 15% Verschnitt/Fehlerkorrektur eingerechnet wurden, das Streichen von Fußleisten berücksichtigt wurde und ein für die gesamte Wohnungsgröße berechneter Fußbodenbelag berücksichtigt wurde. Nachdem die Beklagte bei der Berechnung der erstattungsfähigen Kosten für die Einzugsrenovierung damit von plausiblen Rechengrößen und von plausiblen Preisen ausgegangen ist, bestand für den Senat kein Anlass zu weiteren diesbezüglichen Ermittlungen (zur Angemessenheit eines Betrages i.H.v. 300.- EUR für die Renovierung einer 54 qm großen Wohnung vergl. BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 Satz 1 SGG. Der Senat kann dabei auch die Kostenentscheidung des Sozialgerichts zu Lasten der Beklagten ändern, obwohl nur der Kläger Berufung eingelegt hat. Insoweit gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (vgl BSGE 98, 267ff = SozR 4-3250 § 14 Nr 4; BSGE 62, 131, 136 mwN = SozR 4100 § 141b Nr 40).

Gründe für eine Zulassung der Revision (§160 Abs. SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved