L 2 AS 248/09

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 25 AS 2809/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AS 248/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 04.12.2001 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

III. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten nach Zulassung der Berufung darüber, ob die Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke der Großmutter an die Kläger zu 2) bis 4) als Einkommen im Sinne des § 11 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) auf deren Bedarf anzurechnen sind.

Die Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 19.10.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.09.2006 bis 31.10.2006 in Höhe von 1.099,75 EUR/Monat und für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 28.02.2007 in Höhe von 1.118,75 EUR/Monat.

Die Klägerin zu 1) ist die Mutter der Kläger zu 2) bis 4). Die Großmutter der Kläger zu 2) bis 4) überwies am 21.11.2006 für den Kläger zu 2) als Geburtstagsgeschenk einen Betrag von 135,00 EUR. Am 06.12.2006 überwies sie für die Kläger zu 2) bis 4) als Weihnachtsgeschenk jeweils 100,00 EUR. Am 05.01.2007 überwies sie sodann einen Betrag von 135,00 EUR als Geburtstagsgeschenk für den Kläger zu 3). Zu dem von ihr beabsichtigten Zweck der Geldgeschenke äußerte sich die Großmutter mit Brief vom 29.03.2007 wie folgt: "Für L1, G. und L. zu Weihnachten zusammen 300,00 EUR, für L2 zum Geburtstag 10.01.07 135,00 EUR, für L1 zum Geburtstag am 19.11.2006 135,00 EUR. Das Geld ist dafür gedacht, damit sie sich selbst einen Wunsch erfüllen können."

Die Beklagte änderte daraufhin den Bewilligungsbescheid mit Bescheid vom 22.03.2007 bezüglich des Zeitraums ab 01.12.2006 unter teilweiser Aufhebung ab und bewilligte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis 31.12.2006 in Höhe von 983,75 EUR, - für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.01.2007 in Höhe von 848,75 EUR sowie - für den Zeitraum vom 01.02.2007 bis 28.02.2007 in Höhe von 1.013,75 EUR. Gleichzeitig machte sie die Erstattung von zu Unrecht erbrachten Leistungen in Höhe von 510,00 EUR geltend.

Den dagegen erhobenen Widerspruch der Kläger wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2007 zurück. In dem Widerspruchsbescheid gibt die Beklagte an, wie sich die Rückforderungssumme auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt. Auf die Klägerin zu 1) entfällt ein anteiliger Rückforderungsbetrag von 84,62 EUR, auf die Klägerin zu 4) ein Betrag von 100,- EUR, auf den Kläger zu 2) ein Betrag von 235,- EUR und auf den Kläger zu 3) ein Betrag von 90,83 EUR.

Ihr Begehren haben die Kläger mit der am 15.10.2007 zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Bei der Frage der Zweckbestimmung im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II sei auf den Willen der Schenkenden abzustellen. Im Übrigen mangle es im Bescheid vom 22.03.2007 an einer ausreichenden Individualisierung.

Das SG hat mit Urteil vom 04.12.2008 den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.09.2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften und unter Außerachtlassung der Geldgeschenke als Einkommen je Anlass in Höhe von 50,00 EUR (insgesamt 250,00 EUR) zu gewähren. Die Aufhebung des Bewilligungsbescheides richte sich nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II, § 330 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die streitgegenständlichen Bescheide seien inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X. Der Bescheid beziehe sich ausdrücklich auf den Bewilligungsbescheid vom 01.06.2006 (gemeint sein dürfte der Bescheid vom 19.10.2006) und bezeichne auch genau die Leistungszeiträume und diene zur Berechnung der der Erstattungsforderung zu Grunde gelegten einzelnen Beträge. Die in diesem Bescheid nicht vorgenommene Individualisierung sei dann im Widerspruchsbescheid erfolgt. Die Geldgeschenke für die Kinder seien jedoch nur insoweit als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II anzurechnen, als sie den Betrag von 50,00 EUR pro Anlass (Weihnachten / Geburtstag) und Kind überstiegen. Nach Überzeugung des SG handle es sich bei den Geldgeschenken der Großmutter an die Kinder um zweckbestimmte Einnahmen. Bei der Frage der Zweckbestimmung sei der Wille des Schenkenden zu erforschen. Aus der Erklärung der Großmutter, dass die Kinder sich einen Wunsch erfüllen sollten, sei zu entnehmen, dass es gerade nicht ihre Absicht gewesen sei, dass die Geschenke dem gleichen Zweck dienten, wie die Leistungen nach dem SGB II. Da die Grundsicherung nur die Grundbedürfnisse der Berechtigten nach dem SGB II befriedigen solle, sei es also grundsätzlich denkbar, dass der Schenkende mit der Zuwendung die Anschaffung beispielsweise von Kleidung bezwecke, die jedoch über das Maß der von der Grundsicherung umfassten Leistungen hinausgehe. Das heiße also, es sei grundsätzlich eine Zweckbestimmung möglich, die zwar Gegenstände betreffe, die grundsätzlich auch von der Regelleistung umfasst seien, die allerdings das Maß der Grundsicherung überstiegen. Aus diesem Grunde sei es letztlich nicht erheblich, was von den Geldgeschenken angeschafft worden sei. Entscheidend sei letztlich der Wille der Schenkerin, dass ein besonderer Wunsch erfüllt werden solle. Gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II seien Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienten und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussten, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Aus dieser Formulierung lasse sich entnehmen, dass eine Form der Angemessenheitsprüfung vorzunehmen sei. Dabei sei abzuwägen, dass es auch minderjährigen Kindern von Beziehern von Leistungen nach dem SGB II möglich sein müsse, Geldgeschenke von Angehörigen zu erhalten, um sich besondere Wünsche zu erfüllen. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass diese Geschenke in der Regel auch das Haushaltsbudget des Elternteils entlasteten, dass also insofern auch teilweise die gleichen Zwecke erfüllt würden wie mit den Leistungen nach § 20 SGB II. Das SG sei der Auffassung, das ein Geldgeschenk zu Weihnachten bzw. zum Geburtstag über 50,00 EUR die Lage des Empfängers so günstig beeinflusse, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt werden. Mit dieser Wertung werde man wohl dem Interesse des Schenkers gerecht, der beabsichtige, dass die Kinder sich einen besonderen Wunsch erfüllen könnten, als auch dem Interesse der die SGB II-Leistungen finanzierenden Steuerzahler. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 22.12.2008 zugestellte Urteil haben diese am 22.01.2009 beim Sächsischen Landessozialgericht Beschwerde eingelegt und die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung begehrt. Der Senat hat mit Beschluss vom 12.03.2009 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 08.04.2010 Anschlussberufung eingelegt.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 04.12.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2007 aufzuheben und - sinngemäß – die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 04.12.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen und - sinngemäß – die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die sog. Bagatellgrenze des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V nicht einschlägig sein könne. Da die einmaligen Einnahmen der Kläger zu 2) bis 4) jährlich 50,- EUR übersteigen, seien die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt. Damit sei nicht für jedes Kind eine Bagatellgrenze von 50,- EUR zu belassen. Vielmehr seien die Zuwendungen in voller Höhe bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen. Die Beklagte schließe sich hierbei der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 26.10.2007 – L 8 AS 1219/07 – an.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

I.

Die vom Senat zugelassene Berufung der Kläger ist nicht begründet, dagegen ist die von der Beklagten erhobene Anschlussberufung zulässig und begründet. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 22.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Das Urteil des SG Leipzig vom 04.12.2008 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X i.V.m. den §§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und 330 SGB III für die Aufhebung des Bescheides vom 19.10.2006 sind erfüllt.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, gem. § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

Im Fall der Bedarfsgemeinschaft der Kläger liegt ein Aufhebungsgrund nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vor, da sie nach Erlass des Bescheides vom 19.10.2006 Einkommen erzielt haben.

Die Geldgeschenke der Großmutter der Kläger zu 2) bis 4), die sie als Weihnachtsgeschenke bzw. Geburtstagsgeschenke im November/Dezember 2006 bzw. Januar 2007 überwiesen hat, stellen anzurechnendes Einkommen dar, da sie den Klägern zu 2) bis 4) während des Leistungsbezuges zugeflossen sind, keine Zweckbestimmung beinhalten und die Bagatellgrenze von 50,00 EUR übersteigen.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen.

Die Geldgeschenke stellen Einkommen der Kläger zu 2) bis 4) dar. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen im SGB II ist die Antragstellung gemäß § 37 SGB II (vgl. BSG, Urteile vom 30.07.2008 - B 14/7b AS 12/07 R – sowie - B 14 AS 26/07 R - und - B 14/11b AS 17/07 R -). Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II ist grundsätzlich alles, was jemand nach der Antragstellung beim Grundsicherungsträger wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was er vor der Antragstellung beim zuständigen Träger der Grundsicherung bereits hatte. Damit sind die während des Leistungsbezuges erhaltenen Geldgeschenke Einkommen und nicht Vermögen, so dass es auf den eigenen Vermögensfreibetrag der Kläger zu 2) bis 4) nicht ankommt.

Nach der Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II sind Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. In dem Schreiben vom 29.03.2007, das die Großmutter der Kläger zu 2) bis 4) nach Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 22.03.2007 verfasst hat, hat sie angegeben, das Geld sei dazu gedacht gewesen, dass sich die Kinder selbst einen Wunsch erfüllen können.

Der Auslegung des SG, dass es daher gerade nicht Absicht der Großmutter gewesen sei, dass die Geschenke dem gleichen Zweck dienten, wie die Leistungen nach dem SGB II, folgt der Senat nicht. Gerade wenn die Kinder das Geld zur freien Verfügung erhalten sollten, hat die Schenkende damit keineswegs ausgeschlossen, dass die Kläger zu 2) bis 4) das Geldgeschenk mit demselben Zweck wie die Grundsicherung einsetzen.

Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Zu den Grundbedürfnissen der Kinder gehören damit beispielsweise auch Spielzeug und Kleidung, die sie sich nach dem Vortrag der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem SG unter anderem angeschafft haben.

In diesem Zusammenhang ist im Übrigen die Regelung des Verordnungsgebers zu berücksichtigen, die der Auslegung des Willens der Schenkenden durch das SG entgegensteht: § 13 Satz 1 Nr. 1 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) ermächtigte das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Auf dieser Grundlage hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung die Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II / Sozialgeld (Arbeitslosengeld II / Sozialgeld-Verordnung – ALG II-V) erlassen. § 1 Abs. 1 ALG II-V (Nicht als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen) in der vom 01.10.2005 bis 31.12.2007 geltenden Fassung vom 22.08.2005 (BGBl. I S. 2499) lautete wie folgt: "Außer den in § 11 Abs. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen: 1. einmalige Einnahmen und Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen anfallen, wenn sie jährlich 50 Euro nicht übersteigen, 2. Zuwendungen Dritter, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch dienen, soweit sie die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht gerechtfertigt wären, 3. "

Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ALG II-V ist identisch mit § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II und daher überflüssig (Brühl in LPK-SGB II, 3. Aufl. § 11 Rn 77). Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V dagegen legt eine Bagatellgrenze für einmalige Einnahmen und solche Einnahmen, die in größeren als monatlichen Abständen anfallen, fest, wenn sie jährlich 50,00 EUR nicht übersteigen.

Die Geldgeschenke der Großmutter der Kläger hatten keinen konkret bezeichneten Zweck, sondern waren den Klägern zu 2) bis 4) zur freien Verfügung zur Erfüllung persönlich-individueller Wünsche überlassen worden. Demnach ist gerade für die von der Großmutter gewährten Geldgeschenke die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V einschlägig.

Eine Auslegungshilfe bietet insoweit auch die durch Verordnung vom 18.12.2008 (BGBl. I S. 2780) mit Wirkung vom 01.01.2009 in die ALG II-V aufgenommene Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 12 ALG II-V. Danach sind Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich der Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie anlässlich der Jugendweihe, soweit sie den in § 12 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1a des SGB II genannten Betrag nicht überschreiten, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Diese Ausnahmeregelung beschränkt sich auf Zuwendungen anlässlich Firmung, Kommunion und Konfirmation bzw. vergleichbarer religiöser Feste, d.h. Feste, anlässlich derer jemand in die Gemeinschaft der Gläubigen bzw. der Erwachsenen aufgenommen wird. Geburtstag und Weihnachten gehören nicht zu derartigen Festen. Dies kann aber letztlich dahinstehen, da diese Ausnahmevorschrift erst mit Wirkung vom 01.01.2009 in die ALG II-V aufgenommen wurde und damit im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. Auch Zuwendungen zu derartigen Festen in Form von Geldgeschenken beinhalten in der Regel keine konkrete Zweckbestimmung, sondern dienen der Erfüllung persönlich-individueller Wünsche. Wären diese Zuwendungen in dem Sinne "zweckbestimmt", dass sie nicht dem gleichen Zweck dienten, wie die Leistungen nach dem SGB II, wäre die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 12 ALG II-V überflüssig. Mit dieser Regelung hat der Verordnungsgeber klar gestellt, dass nur die zu besonderen Anlässen erhaltenen Geschenke bis zu einer bestimmten Höhe nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind.

Folge der hier anzuwendenden Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V ist, dass die Bagatellgrenze, bis zu der die Beträge unberücksichtigt bleiben, bei 50,00 EUR/Jahr liegt. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 26.10.2007 – L 8 AS 1219/07 – zitiert nach Juris Randnr. 33; nachfolgend BSG, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R -; vgl. ferner LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.02.2007 – L 7 AS 690/07 ER-B sowie LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.04.2008 – L 3 AS 6/07 -, jeweils zitiert nach Juris), dass § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V keine Freibetragsregelung enthält. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm, der Beträge ausnimmt, "wenn" sie 50,00 EUR jährlich nicht übersteigen. Hätte der Gesetzgeber eine Freigrenze festlegen wollen, wäre statt des Begriffs "wenn" der Begriff "soweit" zu erwarten gewesen, wie es der Gesetzgeber auch in der seit dem 01.01.2009 geltenden Fassung des § 1 Abs. 1 Nr. 12 ALG II-V formuliert hat.

Da die Geldgeschenke der Großmutter der Kläger zu 2) bis 4) die Bagatellgrenze von 50,00 EUR jährlich deutlich übersteigen, waren sie als Einkommen anzurechnen. Gemäß der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X hat die Beklagte die Geldbeträge in den Monaten November 2006, Dezember 2006 und Januar 2007, in denen sie dem Konto der Klägerin zu 1) gutgeschrieben wurden, zutreffend gem. § 11 SGB II als Einkommen bedarfsmindernd angerechnet.

Die Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 19.10.2006 ist gem. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 SGB III eine gebundene Entscheidung.

Die Erstattungsverpflichtung beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Der Bescheid vom 19.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2007 ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X, da jedenfalls der Widerspruchsbescheid genau die Leistungszeiträume und die auf die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entfallenden Erstattungsbeträge benennt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG); sie folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

III.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Zwar hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R – bereits indirekt entschieden, dass § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V keine Freibetragsregelung enthält. Zu der weiteren, hier streitentscheidende Frage, ob Geldgeschenke zu Geburtstagen oder zu Weihnachten eine zweckbestimmte Einnahme darstellen, existiert - soweit ersichtlich - weder eine Entscheidung des Bundessozialgerichts noch eines Landessozialgerichts. Diese Frage geht erheblich über den Einzelfall hinaus und betrifft einen häufig wiederkehrenden Sachverhalt. Sie ist daher grundsätzlicher Art. Das SG Reutlingen hat – anders als das SG Leipzig in dem angefochtenen Urteil – Schenkungen zu Weihnachten als zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II angesehen (Urteil vom 24.04.2007 – S 2 AS 4151/06 – zitiert nach Juris, Randnr. 22 ff.).
Rechtskraft
Aus
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