S 16 AS 1798/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AS 1798/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Konzept eines Grundsicherungsträger zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten, das nicht nach Wohnungs-größen differenziert und sich auf nicht auf das maßgebliche Vergleichsgebiet beschränkte Daten in räumlich nicht zusam-menhängenden Teilwohnungsmärkten stützt, ist nicht schlüssig i.S.d. Rspr. d. BSG.
1. Der Beklage wird unter Abänderung des Bescheids vom 15.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.02.2009 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.09.2007 bis zum 30.11.2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 440,97 Euro monatlich unter Anrechnung bereits ausgezahlter Leistungen zu gewähren. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Der Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der der Klägerin für die Monate September bis November 2007 vom Beklagten bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die am XXX geborene Klägerin bewohnte vom 01.04.2002 bis zum 31.03.2008 eine Zwei-zimmerwohnung mit einer Größe von 50 Quadratmetern in H., für die monatlich Kosten in Höhe der Kaltmiete von 450,00 Euro sowie Kosten für Heizung und Warmwasser in Höhe von 90,00 Euro anfielen.

Am 21.11.2006 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 14.12.2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 11.12.2006 bis zum 31.05.2007 in Höhe von monatlich 533,77 Euro. Dabei berücksichtigte er die Gesamtkosten in Höhe von 540,00 Euro, von denen er einen Betrag in Höhe von 6,23 Euro als im Regelsatz enthaltene Energiepauschale absetzte. Außerdem wies er darauf hin, dass die Wohnkosten der Klägerin unangemessen hoch seien und in dieser Höhe längstens für sechs Monate, d.h. bis zum 31.05.2007, berücksichtigt werden könnten. Er forderte die Klägerin auf, sich intensiv um eine günstigere Wohnung zu bemühen oder anderweitige geeignete Maßnahmen mit dem Ziel der Senkung der derzeitigen Unterkunftskosten auf einen angemessenen Umfang einzuleiten.

Mit Bescheid vom 23.05.2007 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 nur noch monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 344,47 Euro. Der Berechnung legte er eine Kaltmiete in Höhe von 261,00 Euro zugrunde. Auf Widerspruch der Klägerin vom 26.05.2007 hob er diese Entscheidung mit Bescheid vom 04.07.2007 auf und bewilligte der Klägerin für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 31.08.2007 weiter Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 533,47 Euro. Er forderte die Klägerin erneut auf, sich um eine günstigere Wohnung zu bemühen und ihre Bemühungen bis spätestens 15.08.2007 nachzuweisen. Die berücksichtigungsfähige Kaltmiete bezifferte er erneut mit 261,00 Euro monatlich.

Mit Schreiben vom 12.08.2007 legte die Klägerin eine Liste zu den von ihr unternommenen Umzugsbemühungen vor, die sich ausschließlich auf das Gebiet der Stadt S. bezogen. Auf den Inhalt der von der Klägerin vorgelegten Nachweisliste wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 15.08.2007 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01.09.2007 bis zum 30.11.2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe von 344,47 Euro monatlich.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem am 04.09.2007 erhobenen Widerspruch. Sie wandte insbesondere ein, dass ihr günstigere Wohnungen nicht zugänglich gewesen seien.

Im Widerspruchsverfahren wurde die Klägerin amtsärztlich untersucht. In seiner ärztlichen Stellungnahme vom 10.10.2007 kommt Dr. XXX zu dem Ergebnis, die Klägerin sei aus me-dizinischer Sicht umzugsfähig, wenngleich sie für die praktische Durchführung eines Umzugs aufgrund orthopädischer Beschwerden Unterstützung benötige.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2009 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, es habe nur die als angemessen erachtete Kaltmiete in Höhe von 261,00 Euro berücksichtigt werden können. Die Klägerin sei wiederholt und inhaltlich ausreichend über die Unangemessenheit ihrer Unkosten belehrt und darauf hingewiesen worden, dass sie sich um günstigeren Wohnraum intensiv und nachweislich zu bemühen habe. Die nachgewiesenen Bemühungen seien nicht ausreichend. Es genüge nicht, lediglich Zeitungsausschnitte vorzulegen. Erforderlich sei vielmehr, dass sich ein Hilfebedürftiger intensiv unter Zuhilfenahme aller ihm zumutbaren erreichbaren Hilfen und Hilfsmittel, z.B. Einschaltung des Wohnungsamtes, Beantragung des Wohngeldberechtigungsscheins, Durchsicht von Zeitungs- und Internetanzeigen, eigene Annoncen, Kontaktaufnahme mit örtlichen Großvermietern wie etwa Wohnungsbaugenossenschaften, Kontaktaufnahme mit Vermietungsbüros oder Maklern, um eine kostenangemessene Unterkunft bemühe. Dies habe die Klägerin nicht getan. Eine subjektive Unmöglichkeit der Kostensenkungsbemühungen sei ausweislich der erfolgten ärztlichen Begutachtung nicht gegeben.

Hiergegen richtet sich die am 04.03.2009 zum Sozialgericht Mannheim erhobene Klage. Das Sozialgericht Mannheim hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 17.04.2009 an das Sozialgericht Karlsruhe verwiesen.

Die Klägerin trägt vor, der vom Beklagten herangezogene Betrag von 261,00 Euro könne der Ermittlung der angemessenen Miethöhe nicht zugrunde gelegt werden. Die vom Beklagten zur Ermittlung herangezogene Erhebungen seien weder nachvollziehbar noch repräsentativ. Es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit die mittleren Werte und die Anzahl der Wohnungen zu einem Durchschnitt berechnet worden seien. Die vom Beklagten durchgeführte Erhebung spiegele im Übrigen nur das Marktsegment wieder, welches durch die öffentliche Hand bzw. deren Wohnungsgesellschaften geführt werde. Hierdurch werde die wirtschaftliche Situation am Wohnungsmarkt nicht vollständig abgebildet. Aus den eingeholten Einkünften ergebe sich auch nicht, wann und in welchem Umfang tatsächlich Wohnungen auf dem freien Arbeitsmarkt angeboten worden seien. Der Beklagte habe insbesondere nicht dargelegt, ob und inwieweit überprüft wurde, ob zu den ermittelten Preisen tatsächlich Wohnraum verfügbar sei. Aus den vom Beklagten vorgelegten Statistiken sei auch nicht ersichtlich, wie sich die Durchschnittsbildung des Mietpreises zu der Anzahl der jeweiligen Wohnungen und dem Mittel verhalten soll. Eine Berechnung fehle.

Die Klägerin trägt weiter vor, sich intensiv um Wohnraum bemüht zu haben. Dabei sei es un-schädlich, dass sie ihre Wohnungssuche auf die Stadt S. ausgerichtet habe. Sie habe ein berechtigtes Interesse hieran, da sie sich durch die Nähe von Bekannten und Verwandten eine größere Unterstützung hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Einschränkungen habe erwarten dürfen. Die Klägerin habe im Bedarfszeitraum keine andere Wohnung erhalten. Ihr sei vom Beklagten auch keine andere Wohnung angeboten worden.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheids vom 15.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.02.2009 für die Zeit vom 01.09.2007 bis zum 30.11.2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von weiteren 189,00 Euro monatlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sein System zur Ermittlung angemessener Wohnkosten erläutert. Zur Feststellung der Verhältnisse auf den relevanten örtlichen Wohnungsmärkten der einzelnen Gemeinden habe eine Arbeitsgruppe im Jahr 2006 systematisch alle verfügbaren Wohnungsanzeigen in der örtlichen Presse und im Internet ausgewertet und die Ergebnisse in einer umfangreichen Excel-Tabelle zusammengestellt. Dabei seien Großvermieter und Wohnungsbaugesellschaften, zu deren Einzugsbereich das Gebiet des Beklagten gehöre, um Auskunft über die bei Neuanmietung einer Wohnung mit einfachem und mittlerem Ausstattungsstandard und durchschnittlichen Anforderungen an Lage, Bausubstanz und Erhaltungszustand zu zahlende Kaltmiete pro Quadratmeter in den einzelnen Kreisgemeinden gebeten worden. Als weiteres Erkennungsinstrument sei eine Anfrage über die marktübliche Miete bei Neuanmietung der in die Angemessenheitsbetrachtung einzubeziehenden Unterkünfte an die Bürgermeisterämter im Gebiet des Beklagten gerichtet worden.

Zunächst sei der Versuch unternommen worden, aus den tatsächlich am Wohnungsmarkt an-gebotenen Wohnungen die Wohnungen mit einfachem Wohnstandard im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts herauszufiltern. Hierbei sei festzustellen gewesen, dass nur ein sehr geringes Angebot an Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt im Gebiet des Beklagten angeboten werde. Um auf eine ausreichende Datenbasis zurückgreifen zu können, seien daher bei der Ermittlung der ortsüblichen Mietwerte auch Wohnungen mit normalem Ausstattungsstandard in die Betrachtung einbezogen worden. In Anlehnung an die Praxis der Mietspiegelerstellung seien daraufhin die Anzahl der angebotenen Wohnungen innerhalb bestimmter Quadratmeterspannen ermittelt und die gewonnen Werte in einem Diagramm erfasst worden. Aus dem nach Aussonderung von "Ausreißermieten" verbliebenen Mietwerten habe die Spanne der ortsüblichen Miete für Wohnungen mit normalem Ausstattungsstandard geschlossen werden können. Im Anschluss hieran habe man nach einer Gesamtschau der vorliegenden Ermittlungsergebnisse und sonstiger verfügbarer Erkenntnisquellen, z.B. dem aktuellen IVD-Mietpreisspiegel, bezüglich der einzelnen Kreisgemeinden die Einstufung in fünf Mietstufen vorgenommen. Aus der Gesamtschau sei nämlich festzustellen gewesen, dass es im Gebiet des Beklagten Teilwohnungsmärkte gebe, die hinsichtlich der Höhe der ortsüblichen Kaltmiete der in die Angemessenheitsbetrachtung einzubeziehenden Unterkünfte stark voneinander abwichen. Um dem gerecht zu werden, seien die Kreisgemeinden in fünf Gruppen eingeteilt worden, für die jeweils gesonderte Angemessenheitsgrenzen ermittelt worden seien. Die ehemalige Wohnortgemeinde der Klägerin gehöre zu den Gemeinden der Mietstufe 3 mit einer angemessenen Netto-Kaltmiete für einen Einpersonenhaushalt von 261,00 Euro.

Seit März 2007 werte der Beklagte vierteljährlich stichtagsbezogen alle in der örtlichen Presse und im Internet veröffentlichten und allgemein zugänglichen Mietangebote aus, um sicher zu stellen, dass zu den ermittelten Preisen am Wohnungsmarkt Wohnungen des maßgeblichen unteren Wohnsegments verfügbar seien. Die seit 2007 regelmäßig im vierteljährigen Turnus durchgeführten Erhebungen belegten anschaulich, dass Wohnungen, deren Ausstattungsgrad dem unteren Segment zuzuordnen seien, zu den festgesetzten Karenzmieten am Wohnungsmarkt im Gebiet des Beklagten angeboten würden.

Der Beklagte sieht in seinen Erhebungen ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Er trägt ergänzend vor, die Klägerin habe im vorliegenden Fall nicht im ausreichenden Maß die Suche nach einer angemessenen Wohnung betrieben. Allein die Vorlage einiger Zeitungsausschnitte für S. könne den Anforderungen an Qualität und Dauer der erforderlichen Bemühungen nicht gerecht werden. Bemühungen der Klägerin um kostengünstigeren Wohnraum seien auch nicht ausreichend belegt, weshalb für den streitgegenständlichen Zeitraum auch lediglich die von ihm für angemessen gehaltenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen gewesen seien. Dass die Klägerin letztlich nicht nach S., sondern nach St. im E.-Kreis verzogen sei, zeige, dass eine gewisse eigene Flexibilität vorhanden gewesen sei und ihr selbst die Aufgabe des bisherigen sozialen Umfelds in H. selbst nicht unzumutbar erschienen sei. Dies wiederlege die Einlassung der Klägerin, sie sei auf ihr bisheriges soziales Umfeld in S. angewiesen.

Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Klage ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 440,97 Euro monatlich. Indem der Klägerin in den Monaten September bis November 2007 die Differenz zwischen diesem Betrag und den bewilligten 344,47 Euro vorenthalten wurde, ist die Bewilligungsentscheidung des Beklagten rechtswidrig und entsprechend zu korrigieren. Im Übrigen ist die Klage unbegründet und daher abzuweisen.

a) Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen gemäß § 7 SGB II für die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung. Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld II umfasst nach § 19 Satz 1 SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den nach den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang überschreiten, sind sie so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise seine Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Die gerichtlich voll überprüfbare Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen für eine Wohnung ist nach der so genannten Produkttheorie (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, Rdnrn. 19 ff.; Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R, Rdnrn. 20 ff, jeweils m.w.N. (Juris); Berlit, in: MÜNDER, SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rdnr. 39; Lang/Link, in: EICHER/SPELLBRINK, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rdnrn. 41 a ff.) in drei Schritten zu prüfen: Nach der in einem ersten Schritt vorzunehmenden Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnungsgrößen und des Wohnungsstandards wird in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welche konkreten räumlichen Gegebenheiten als räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Anschließend ist zu ermitteln, wie viel für eine nach Größe und Standard abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzuwenden ist. Dabei ist nicht nur auf die tatsächlich am Markt angebotenen Wohnungen abzustellen, sondern auch auf vermietete Wohnungen. Nach der Produkttheorie müssen nicht beide Faktoren (Wohnungsgröße, Wohnungsstandard - ausgedrückt durch Quadratmeterpreis) je für sich betrachtet angemessen sein, solange jedenfalls das Produkt aus Wohnfläche (Quadratmeterzahl) und Standard (Mietpreis je Quadratmeter) eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete (Referenzmiete) ergibt. Nach diesen Kriterien war die von der Klägerin zu zahlende Kaltmiete von 450,00 Euro nicht angemessen.

aa) Die Bemessung der angemessenen Wohnungsgröße erfolgt, solange keine bundeseinheitliche Festsetzung auf dem Verordnungsweg gemäß § 27 SGB II erfolgt ist (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnr. 18), nach den lan-desrechtlichen Durchführungsvorschriften zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohn-raumförderung (WofG). Nach den für Baden-Württemberg insoweit geltenden Verwal-tungsvorschriften des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung (VwV-SozWo vom 12.02.2002, GABl. S. 240, i.d.F. der VwV vom 22.01.2004, GABl. S. 248) ist für einen Einpersonenhaushalt die vom Beklagten zugrunde gelegte Wohnungsgröße von 45 Quadratmetern angemessen. Die Wohnung der Klägerin überschritt diesen Wert um fünf Quadratmeter. Diese Überschreitung hätte sie nur ausgleichen können, wenn ihre Mietaufwendungen die Referenzmiete nicht überschritten hätte.

bb) Vergleichsraum für die Ermittlung des Mietpreisniveaus ist in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen. Ein Umzug an einen anderen Ort, der mit der Aufgabe des sozialen Umfelds verbunden wäre, kann von ihm im Regelfall nicht verlangt werden. (Bundessozialgericht, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnr. 20; Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 21 (Juris)). Dabei ist zwar nicht strikt auf den kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der Gemeinde nach dem jeweiligen Landeskommunalrecht abzustellen. Vielmehr kann es insbesondere im ländlichen Raum geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen, während in größeren Städten andererseits eine Unterteilung in mehrere kleinere Vergleichsgebiete, die kommunalverfassungsrechtlich keine selbständigen Einheiten darstellen, geboten sein kann (Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 21 (Juris)). Nachdem es sich beim Umland des ehemaligen Wohnorts der Klägerin zum einen nicht um ein besonders ländlich geprägtes Gebiet handelt und zum anderen die Stadt H. als Große Kreisstadt mit einer Einwohnerzahl von rund 21.000 gemessen an räumlicher Nähe, Infrastruktur und verkehrstechnischer Verbundenheit auch einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellt (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnr. 21 (Juris)), ist hier das Gemeindegebiet als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Dem widerspricht die vom Beklagten vorgenommene Einteilung seines Kreisgebiets in nur fünf Teilwohnungsmärkte, die vollkommen losgelöst von der räumlichen Verbundenheit vor-genommen wurde. Der Klägerin war auch nicht etwa deswegen ein Umzug an einen anderen Ort zuzumuten, weil sie später in den E.-Kreis gezogen ist und ihr soziales Umfeld damit vorübergehend aufgegeben hat.

cc) Die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt in H. hat der Beklagte mit der seiner Bewilligungsentscheidung zugrunde liegenden Referenzmiete von 261,00 Euro nicht hinreichend ermittelt. Zur Feststellung der Beschaffenheit des örtlichen Mietwohnungsmarktes und zur Ermittlung einer Mietobergrenze für Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt muss der Grundsicherungsträger nicht zwingend auf einen qualifizierten oder einfachen Mietspiegel im Sinne der §§ 558c und 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abstellen. Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss allerdings auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben (Bundessozialgericht, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R Rdnr. 16 m.w.N. (Juris)). Entscheidend ist insoweit, dass den Feststellungen des Grundsicherungsträgers ein Konzept zu Grunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein angemessenes Maß hinreichend nachvollziehbar ist. Bei der Erstellung eines solchen Konzepts ist zu beachten, dass es dem Hilfebedürftigen angesichts der danach ermittelten Referenzmiete möglich sein muss, im konkreten Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten. Hierzu ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung der erforderlichen Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichszeitraum erforderlich. Schlüssig ist das vom Grundsicherungsträger gewählte Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt (Bundessozialgericht, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R, Rdnr. 19; Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R, Rdnr. 23; Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, Rdnr. 26 (Juris)):

- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den ge-samten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung).

- Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße.

- Das Konzept muss Angaben über den Beobachtungszeitraum enthalten.

- Es bedarf einer Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel).

- Der Umfang der einbezogenen Daten muss repräsentativ sein.

- Die Validität der Datenerhebung muss sichergestellt sein.

- Die anerkannten mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung sind einzu-halten.

- Das Konzept muss Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert und Kap-pungsgrenze) enthalten.

Diesen Vorgaben wird das vom Beklagten gewählte und angewandte Konzept nicht gerecht.

Es ist bereits deshalb unschlüssig, weil die zugrunde gelegte Datenerhebung sich nicht auf den untersuchten Vergleichsraum, hier das Gemeindegebiet von H., beschränkt. Vielmehr hat der Beklagte eine Zuordnung der Kreisgemeinden zu fünf von ihm gebildeten Teilwohnungsmärkten vorgenommen, die sich nicht räumlich, sondern über ein nach Ansicht des Beklagten vergleichbares Mietniveau definieren. Dies hat eine Nivellierung der Referenzmieten unter den einem Teilwohnungsmarkt ("Mietstufe") zugeordneten Gemeinden zur Folge. Im konkreten Fall drückt sich dies dadurch aus, dass ausweislich der vom Beklagten erhobenen Zahlen für H. ein durchschnittlicher Kaltmiete-Quadratmeterpreis von 6,41 Euro ermittelt wurde, aufgrund der Mietstufenzuordnung jedoch nur ein Kaltmiete-Quadratmeterpreis von 5,80 Euro als angemessen anerkannt wird. Durch dieses Vorgehen ist nicht sichergestellt, dass zu der festgelegten Referenzmiete tatsächlich Wohnraum in H. zur Verfügung steht. Denn dieser liegen auch Daten aus Gebieten außerhalb des maßgeblichen Vergleichsraums zugrunde.

Das Konzept des Beklagten ist weiter deshalb unschlüssig, weil bei der Ermittlung der Differenzmiete keine Differenzierung nach Wohnungsgrößen vorgenommen wurde. Damit berücksichtigt der Beklagte nicht den zwischen den durchschnittlichen Kaltmiete-Quadratmeterpreisen je nach Wohnungsgröße bestehenden Unterschied. Dies führt zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von (durch das Konzept des Beklagten privilegierten) Mehrpersonenhaushalten gegenüber (durch das Konzept des Beklagten benachteiligte) Einper-sonenhaushalte wie denjenigen der Klägerin.

Da das Konzept des Beklagten mithin bereits auf ungeeigneten Grundlagen beruht, erübrigt sich eine weitere Überprüfung der Repräsentativität und der Validität der einbezogenen Daten. Bei einer etwaigen Überarbeitung seines Konzepts wird der Beklagte allerdings darauf zu achten haben, die von ihm aus künftigen Datenerhebungen gezogenen Schlussfolgerungen nachvollziehbar zu dokumentieren. Hieran mangelt es bislang.

dd) Es ist im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln sowie auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten. Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind grundsätzlich schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig. Liegt der Bestimmung der Angemessenheitsgrenze des Grundsicherungsträgers ein schlüssiges Konzept wie hier nicht zu Grunde, geht die Ermittlungspflicht nicht ohne Weiteres auf das Sozialgericht über. Vielmehr ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und eine unterbliebene oder unzureichende Datenerhebung und -aufbereitung ggf. nachzuholen (grundlegend Bundessozialgericht, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R, Rdnr. 26).

Im vorliegenden Fall erachtet es die Kammer aufgrund des Zeitablaufs allerdings mit den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht mehr für möglich, die angemessene Kaltmiete am ehemaligen Wohnort der Klägerin in H. für die Monate September bis November 2007 zu ermitteln. In einem solchen Fall sind grundsätzlich die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen. Es existiert jedoch auch dann eine absolute Obergrenze der Angemessenheit, die durch die einschlägigen Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) markiert wird. Da insoweit eine abstrakte, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum unabhängige Begrenzung vorgenommen wird, ist auf den jeweiligen Höchstwert der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen. Ferner ist im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnraums ein Sicherheitszuschlag zum einschlägigen Tabellenwert vorzunehmen (Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R, Rdnr. 27; Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 23 (Juris)). Die Kammer sieht hierbei einen Zuschlag von zehn Prozent als angemessen an.

Die Stadt H. war im streitgegenständlichen Zeitraum der Mietenstufe 4 nach dem Wohn-geldgesetz zugeordnet (§ 1 Abs. 4 Wohngeldverordnung in der bis 31.12.2008 geltenden Fassung). Für die Ermittlung der absoluten Mietobergrenze ist der dieser Mietenstufe für einen Einpersonenhaushalt gemäß § 8 Abs. 1 WoGG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung zugeordnete Tabellenwert von 325,00 Euro heranzuziehen. Dieser ist um einen Sicherheitszuschlag von 10 Prozent zu erhöhen, was zu einer berücksichtungsfähigen Re-ferenzmiete von 357,50 Euro führt. Dieser sind die Aufwendungen für Heizung und Warmwasser in der tatsächlichen Höhe von 90,00 Euro hinzuzurechnen (vgl. Bundesso-zialgericht, Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 36/08 R (Juris)). Abzüglich der im Regelsatz gemäß § 20 SGB II enthaltenen Kosten für die Warmwasseraufbereitung hatte die Klägerin daher Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 440,97 Euro monatlich.

b) Soweit die Klägerin darüber hinaus insgesamt einen Betrag von 533,47 Euro monatlich, nämlich die Übernahme ihrer tatsächlichen Wohnkosten in voller Höhe abzüglich der Warmwasserpauschale, begehrt, ist die Klage unbegründet und daher abzuweisen. Denn insoweit überschritten ihre Unterkunftskosten auch die absolute Angemessenheitsgrenze, d.h. den maßvoll erhöhten Tabellenwert nach dem WoGG. Auf die Unangemessenheit ihrer Unterkunftskosten wurde die Klägerin vom Beklagten mehrfach aufmerksam gemacht und zuletzt mit dem Abhilfebescheid vom 04.07.2007 aufgefordert, sich unter Zuhilfenahme aller zumutbar erreichbaren Hilfen und Hilfsmittel um eine angemessene Wohnung zu bemühen und ihre Bemühungen bis zum 15.08.2007 zu dokumentieren. Aus der mit Schreiben vom 15.08.2007 übermittelten Dokumentation ergibt sich, dass die Klägerin ihre Bemühungen auf die Stadt S. beschränkt hat. Dies hält die Kammer nicht für ausreichend. Vielmehr hätte die Klägerin zumindest auch an ihrem damaligen Wohnort H. nach günstigerem Wohnraum nachsuchen müssen. Ein Verbleib an diesem selbst gewählten Lebensmittelpunkt war ihr zuzumuten. Ein zwingendes Erfordernis für einen Umzug nach S. ist weder vorgetragen noch unter Berücksichtigung der vom Beklagten ermittelten gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin ersichtlich. Es liegt daher kein Grund für eine weitere Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten nach zwischenzeitlichem Ablauf der Sechsmonatsfrist (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II) vor. Die Klägerin kann insbesondere nicht geltend machen, günstigerer Wohnraum habe nicht zur Verfügung gestanden, da sie entsprechende Bemühungen an ihrem Wohnort nicht entfaltet hat. Die Klägerin hatte daher nur Anspruch auf Übernahmen der angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 440,97 Euro monatlich (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

3. Gründe, die gemäß § 144 Abs. 2 SGG die Zulassung der Berufung erfordern, bestehen nicht.

Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Rechtskraft
Aus
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