L 5 AS 914/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 100 AS 23524/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 AS 914/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird die Altersgrenze nach § 28 SGB II im laufenden Monat überschritten und ist so Sozialgeld in unterschiedlicher Höhe aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen zu bewilligen, so sind die Zeiträume entsprechend zu quoteln. Auch bei Monaten mit 31 Tagen sind entsprechend § 41 Abs. 1 S. 2 SGB II nur dreißig Tage bei der Berechnung zu berücksichtigen.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. April 2009 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger zu 3. begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat August 2007. Er ist 1993 geboren und lebt mit seiner 1953 geborenen Mutter, der Klägerin zu 1., und seiner 1991 geborenen Schwester, der Klägerin zu 2., zusammen. Die Kläger sind deutsche Staatsangehörige, die Klägerin zu 1. ist erwerbsfähig. Sie beziehen seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnen eine etwa 98 qm große Mietwohnung mit 3 ½ Zimmern; das Haus verfügt über eine zentrale Warmwasserzubereitung. Ab dem 1. August 2005 betrug die Gesamtmiete 643,12 EUR (Kaltmiete 441,10 EUR, Vorauszahlung für die kalten Betriebskosten 128,91 EUR, Vorauszahlung für die Heizkosten 59,82 EUR, Vorauszahlung für Warmwasserzubereitung 13,29 EUR). Die Klägerin zu 1. erhielt für die Kläger zu 2. und 3. im hier interessierenden Zeitraum Kindergeld in Höhe von jeweils monatlich 154,- EUR. Am 19. Juni 2007 beantragte die Klägerin zu 1. für die Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II. Durch Bescheid vom 6. Juli 2007 bewilligte das beklagte JobCenter Leistungen für die Zeit von Juli bis November 2007. Dabei bewilligte der Beklagte im Einzelnen für den Monat August 2007 der Klägerin zu 1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 472,- EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 209,95 EUR, der Klägerin zu 2. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 124,- EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 209,94 EUR und dem Kläger zu 3. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 105,- EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 209,94 EUR. Mit Schreiben vom 14. August 2007 erhob die Verfahrensbevollmächtige der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. Juli 2007. Der Beklagte habe zu geringe Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt. Dem Kläger zu 3. stehe darüber hinaus für 8 Tage im August anteilig die Regelleistung in Höhe von 208,- EUR zu. Dies entspreche 55,47 EUR. Für weitere 22 Tage stehe ihm anteilig die Regelleistung in Höhe von 278,- EUR zu. Dies entspreche 203,87 EUR; bewilligt seien jedoch nur 203,53 EUR. Durch Widerspruchsbescheid vom 22. August 2007 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Dem Kläger zu 3. stehe bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres am 9. August 2007 Sozialgeld in Höhe von monatlich 208,- EUR, danach in Höhe von 278,- EUR monatlich zu. Dies entspreche anteilig einem Betrag von 55,47 EUR bzw. 203,87 EUR, addiert 259,34 EUR; der Gesamtbetrag sei entsprechend § 41 Abs. 2 SGB II zu runden. Der im Bewilligungsbescheid aufgeführte Betrag von 203,53 EUR sei programmtechnisch bedingt, damit der Gesamtbedarf 259,- EUR ergebe. Gegen den Widerspruchsbescheid haben die Kläger am 24. September 2007 Klage erhoben. Dem Kläger zu 3. stehe Sozialgeld in Höhe von 268,- EUR für den Monat August 2007 zu. Ihm stehe für die ersten acht Tage des Monats vor Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres 55,- EUR entsprechend 8/30 des Sozialgeldes in Höhe von 208,- EUR, für die verbleibenden 23 Tage 213,- EUR entsprechend 23/30 der Regelleistung in Höhe von 278,- EUR zu. Eine Fiktion, dass der Monat nur 30 Tage habe, komme auch in Anbetracht von § 41 SGB II nicht in Betracht. Durch Urteil vom 1. April 2009 hat das Sozialgericht die auf 268,- EUR statt der bewilligten 259,34 EUR Sozialgeld für den Kläger zu 3. im Monat August 2007 gerichtete Klage abgewiesen. Nach § 41 Abs. 1 S. 1 SGB II bestehe zwar ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für jeden Kalendertag. Die Regelung werde jedoch durch den folgenden Satz eingeschränkt, nach dem der Monat mit 30 Tagen berechnet werde. Folgerichtig habe der Beklagte anteilig acht Tage Sozialgeld in Höhe von 208,- EUR und 22 in Höhe von 278,- EUR berücksichtigt. Die vom Kläger zitierten Stellen aus der Literatur bezögen sich auf Fälle, in denen der Betreffende nur für einen Teilmonat Anspruch auf Leistungen habe. Der Kläger habe jedoch für den gesamten Monat August 2007 Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, wenn auch aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen. Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage werde die Berufung zugelassen. Gegen das ihm am 27. April 2009 zugestellte Urteil haben die Kläger am 26. Mai 2009 Berufung eingelegt. Sie wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem sozialgerichtlichen Verfahren. Die anwaltlich vertretenen Kläger haben schriftsätzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 6. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2007 zu ändern und an den Kläger zu 3. für den Monat August 2007 einen Betrag von 268,- EUR zu bewilligen. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Beklagte verweist auf die streitgegenständlichen Bescheide. Der Verwaltungsvorgang des Beklagten (Az.: , 1 Band, Bl. 317) hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, da das Sozialgericht diese – für das Berufungsgericht bindend - nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGB II wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Die Berufung ist auch innerhalb der Frist des § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet. Hinsichtlich der Klägerinnen zu 1. und 2. ergibt sich dies bereits daraus, dass sie im Klage- und Berufungsverfahren keine weiteren Leistungen beansprucht haben. Gegen- stand der Berufung ist ausschließlich der vom Kläger zu 3. geltend gemachte Anspruch auf höheres Sozialgeld für den Monat August 2007. Der seinem Wortlaut nach auf Sozialgeld in Höhe von 268,- EUR für den Monat August 2007 gerichtete Antrag ist dahingehend auszulegen, dass der Kläger zu 3. die Bewilligung von weiterem Sozialgeld in Höhe von 9,- EUR begehrt. Dies ergibt sich aus der Berufungsschrift vom 26. Mai 2009; hiernach beansprucht der Kläger zu 3. statt 259,- EUR 268,- EUR Sozialgeld. Tatsächlich hatte der Beklagte dem Kläger zu 3. jedoch nicht 259,- EUR, sondern nur 105,- EUR Sozialgeld bewilligt. Bei dem Betrag von 259,- EUR handelt es sich lediglich um den der Berechnung des Sozialgeldes zugrunde gelegten Bedarf des Klägers zu 3 ... Insoweit geht der Antrag des Klägers zu 3. nicht über den beim Sozialgericht gestellten Antrag hinaus. Das Sozialgericht hat die Klage mit diesem Antrag zu Recht abgewiesen, der Kläger zu 3. hat keinen Anspruch auf höheres Sozialgeld. Der Beklagte hat dem Kläger zu 3. zutreffend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 105,- EUR für den Monat August 2007 bewilligt. Der Kläger zu 3. hat am 9. August 2007 sein vierzehntes Lebensjahr vollendet. Nach § 28 Abs. 1 S. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige, welche mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld. Der Kläger zu 3. bildete mit seiner Mutter, welche erwerbsfähig und hilfebedürftig ist, eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Das Sozialgeld umfasst gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 SGB II die sich aus § 19 S. 1 SGB II ergebenden Leistungen, das heißt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Regelleistung beträgt nach § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB II bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 v. H. und im 15. Lebensjahr 80 v. H. der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgeblichen Regelleistung. Letztere betrug im August 2007 nach § 20 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit der Bekanntmachung vom 13. Juni 2007 (BGBl I S. 1139) 347,- EUR. Der Beklagte hat fehlerfrei und in Einklang mit den Regelungen des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch festgestellt, dass dem Kläger zu 3. Sozialgeld in Höhe von 259,- EUR für den Monat August 2007 zusteht. Dabei hat er anteilig für acht Tage Sozialgeld in Höhe von monatlich 208,- EUR und für 22 Tage anteilig Sozialgeld in Höhe von monatlich 278,- EUR berücksichtigt. Dies ergibt einen Betrag von 55,47 EUR bzw. 203,87 EUR; addiert und nach § 41 Abs. 2 SGB II gerundet sind dies 259,- EUR. Ob nach § 41 Abs. 2 SGB II der einzelne Teilbetrag oder die Summe zu runden ist, kann dahinstehen, da beides zu demselben Ergebnis führt. Der Beklagte musste auch nur anteilig 22 Tage der höheren Regelleistung berücksichtigen, nicht aber 23 Tage, wie der Kläger zu 3. meint. Insofern hat das Sozialgericht zutreffend auf § 41 Abs. 1 S. 2 SGB II verwiesen; hiernach wird der Monat mit 30 Tagen berechnet. Nach der Gesetzesbegründung (BT DrS. 15/1516, S. 63) werden ganze Monate aus Gründen der Verwaltungsökonomie und der Rechtssicherheit für die Bezieher von Leistungen mit 30 Tagen gerechnet, um monatlich gleich bleibende Leistungen sicherzustellen. Dementsprechend ist in Monaten, in denen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen in unterschiedlicher Höhe besteht, der jeweilige Zeitraum in Tagen mit 1/30 der jeweiligen Regelleistung zu vervielfachen. Der Beklagte hat korrekt für die ersten acht Tage des Monats August 2007 die Regelleistung mit 8 x 208/30 EUR ermittelt und anschließend für den verbleibenden Rest des Monats die Regelleistung für 22 Tage (= 30 Tage – 8 Tage) mit 22 x 278/30 EUR ermittelt. Aufgrund der Regelung des § 41 Abs. 1 S. 2 kann der Kläger zu 3. insbesondere nicht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für 8 und weitere 23 Tage beanspruchen, wie er meint. Dies hieße nämlich, dass er 31/30 Regelleistung erhielte. Soweit der Kläger auf die Kommentierung in der Literatur verweist (so etwa Eicher in: Eicher/Spellbrink (Hsrg.), SGB II Kommentar, 2. Aufl. 2008, § 41 Rn. 10 f.; Conradis in: Münder (Hrsg.), SGB II Kommentar, 3. Aufl. 2009, § 41 Rn. 5), gehen diese Verweise fehl. Die von ihm zitierte Literatur behandelt die Frage, ob in Monaten, in denen nur teilweise die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen vorlagen, die verbleibenden Tage unabhängig vom Monat anhand einer Anzahl von 30 Tagen oder aber auf der Grundlage der tatsächlichen Anzahl von Tagen – gegebenenfalls einschließlich des 31. Tages - ermittelt werden. So mag bei einer Antragstellung am 2. August streitig sein, ob dem Hilfebedürftigen die volle Regelleistung oder nur 29/30 der Regelleistung zustehen. Hierbei handelt es sich jedoch um ein von der Änderung des Bedarfssatzes während des laufenden Monats und der damit erforderlichen Quotelung zu unterscheidendes Problem (vgl. insoweit Eicher a. a. O., der hinsichtlich der Quotelung auf die Kommentierung von Hengelhaupt verweist (in: Hauck/Noftz/Voelz¬ke/Hengelhaupt SGB II § 41 Rn 23 b, welcher wiederum auf die Durchführungsanweisung der Bundesagentur zu § 41 SGB II verweist). Die Vorgaben der (internen) Durchführungsanweisung der Bundesagentur hat der Beklagte jedoch eingehalten). Gemäß § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II hat das beklagte JobCenter von der Regelleistung in Höhe von 259,- EUR das Kindergeld in Höhe von 154,- EUR abgezogen. Das beklagte JobCenter musste hiervon nicht entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II VO in der damals gültigen Fassung 30,- EUR Versicherungspauschale abziehen. Dies war bei minderjährigen Hilfebedürftigen nur vorgeschrieben, wenn diese nicht mit einem Volljährigen in Bedarfsgemeinschaft lebten. Weitere Beträge nach § 11 SGB II waren nicht abzusetzen. Der Kläger zu 3. hatte daher einen Anspruch auf Sozialgeld in Höhe von 105,- EUR im August 2007. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ausgang des Berufungsverfahrens. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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