S 5 AS 154/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 154/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 1117/10
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2009 und unter Abänderung des Bescheides vom 10.09.2009 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.10.2009 und vom 21.01.2010 verurteilt, dem Kläger im Zeitraum vom 01.09.2009 bis zum 31.12.2009 einen monatlichen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 258,22 EUR unter Anrechnung bereits gewährter Leistungen und den anteiligen Selbstbehalt für 2009 in Höhe von 60,00 EUR sowie im Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 28.02.2010 einen monatlichen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 308,42 EUR unter Anrechnung bereits gewährter Leistungen und den anteiligen Selbstbehalt für 2010 in Höhe von 6,86 EUR zu bewilligen und auszuzahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der von der Beklagten zu übernehmenden Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers im Zeitraum von September 2009 bis Februar 2010.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger war bis 2008 selbstständig tätig. Er ist bei der Barmenia Krankenversicherung a.G. privat kranken- und pflegeversichert. Dabei handelt es sich um einen Normaltarif, für den im Jahr 2009 ein Beitrag in Höhe von 236,90 EUR für die Krankenversicherung und in Höhe von 21,32 EUR für die Pflegeversicherung zu zahlen war. Der Beitrag im Jahr 2010 beträgt 287,20 EUR für die Krankenversicherung und 21,22 EUR für die Pflegeversicherung. Vertraglich ist eine Selbstbeteiligung in Höhe von (maximal) 180,00 EUR vorgesehen.

Auf Antrag des Klägers vom 31.08.2009 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 10.09.2009 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 01.09.2009 bis zum 28.02.2010. Dabei gewährte sie dem Kläger einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 124,32 EUR zur Krankenversicherung und einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 17,79 EUR zur Pflegeversicherung. Am 23.10.2009 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid, ohne dass der Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung geändert wurde. Mit Änderungsbescheid vom 21.01.2010 erhöhte die Beklagte ab 01.01.2009 den monatlichen Zuschuss zur Krankenversicherung auf 126,05 EUR und zur Pflegeversicherung auf 18,04 EUR.

Bereits am 28.10.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Berufung auf einen Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen die Übernahme der Beiträge für seine Kranken- und Pflegeversicherung in voller Höhe. Mit Bescheid vom 10.11.2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf vollumfängliche Übernahme der Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung ab. Es sei nur der Betrag zu übernehmen, der auch für Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 03.12.2009 unter Berufung auf Beschlüsse des Landessozialgerichts Baden-Württemberg und des Sozialgerichts Stuttgart sowie ein Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2009 zurückwies. Eine gesetzliche Grundlage für den Ausgleich der beim Kläger vorhandenen Deckungslücke sei nicht vorhanden. Den vom Kläger zitierten gerichtlichen Entscheidungen könne aufgrund der Gesetzesbindung der vollziehenden Gewalt nicht gefolgt werden.

Am 18.12.2009 hat der Kläger Klage erhoben. Der Anspruch auf Übernahme der vollen Beiträge zur privaten Krankenversicherung ergäbe sich aus einer analogen Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II. Es läge eine planwidrige Regelungslücke vor. Es sei nicht vorgesehen, dass der Kläger die nicht übernommenen Kosten für seine Versicherung aus der Regelleistung finanziere. Der Kläger werde durch die beschränkte Übernahme der Versicherungskosten in eine Schuldenfalle getrieben, welches nicht mit der Menschenwürde zu vereinbaren sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2009 zu verurteilen, ihm einen weiteren Zuschuss zum Versicherungsbeitrag der privaten Kranken- und Pflegeversicherung in voller Höhe dieser Beiträge, begrenzt auf die Höhe es hälftigen Basistarifs, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden und führt ergänzend aus, dass eine Auslegung der entscheidenden Vorschriften dahingehend, dass der SGB II-Träger einen höheren Beitrag zu übernehmen hat, nicht möglich sei. Der eindeutige Wortlaut einer gesetzlichen Vorschrift sei die Grenze jeder Auslegung. Eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung sei unzulässig. Zudem läge auch keine planwidrige Regelungslücke vor. Dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens und der nachfolgenden Debatte im Bundestag lasse sich entnehmen, dass die Lücke zwar gesehen, eine Einigung über eine diesbezügliche Regelung aber nicht gefunden worden sei. Unter Berufung auf ein Urteil des Sozialgerichts Berlin führt die Beklagte abschließend aus, dass in einer solchen Konstellation den Gerichten eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Entscheidung verwehrt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Er hat einen Anspruch auf einen monatlichen Zuschuss zu seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 258,22 EUR im Zeitraum vom 01.09.2009 bis zum 31.12.2009, auf Übernahme des anteiligen Selbstbehalts für 2009 in Höhe von 60,00 EUR, auf einen monatlichen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 308,42 EUR im Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 28.02.2010 sowie auf Übernahme des anteiligen Selbstbehalts für 2010 in Höhe von 6,86 EUR, so dass der bestandskräftige Bescheid vom 10.09.2009 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.10.2009 und vom 21.01.2010 entsprechend abzuändern ist.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Dieses ist der Fall. Die Beklagte hätte dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum von September 2009 bis Februar 2010 mit den genannten Bescheiden Zuschüsse zu der privaten Kranken- und Pflegeversicherung in voller Höhe zuzüglich eines anteiligen Selbstbehalts in genannter Höhe bewilligen müssen.

Dieses ergibt sich aus einer teleologischen und verfassungskonformen Auslegung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) bzw. des § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB II (so wohl auch Sozialgericht Stuttgart, Beschluss vom 13.08.2009, S 9 AS 5003/09 ER; vgl. zudem Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.2009, L 3 AS 3934/09 ER-B). Das erkennende Gericht folgt damit im Ergebnis den Gerichten, von denen in dieser Konstellation eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II (vgl. u.a. Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2009, S 5 AS 2121/09; Sozialgericht Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.10.2009, S 31 AS 174/09 ER; Sozialgericht Düsseldorf, Urteile vom 12.04.2010, S 29 AS 547/10 bzw. S 29 AS 412/10; vgl. auch Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 14.01.2010, S 9 AS 5449/09 - anhängig beim Bundessozialgericht, B 14 AS 36/10 R) oder eine Anwendung der Härtefallregelung im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09) (vgl. Sozialgericht Bremen, Urteil vom 20.04.2010, S 21 AS 1521/09) befürwortet wird (a.A. u.a. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, L 15 AS 1048/09 B ER; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.02.2010, L 15 AS 26/10 B ER; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.03.2010, L 13 AS 919/10 ER-B; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.03.2010, L 9 AS 570/09 B ER; Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 18.09.2009, S 29 AS 4051/09 ER; Sozialgericht Berlin, Urteil vom 27.11.2009, S 37 AS 31127/09).

Das Gericht verkennt nicht, dass bei wortgetreuer Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG die Beiträge des Klägers zu seiner privaten Krankenversicherung von der Beklagten nur in Höhe des Betrages zu übernehmen wären, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Den Differenzbetrag hätte danach der Kläger selbst zu tragen. Zu beachten ist indes, dass ein wortgetreue Anwendung dann nicht in Betracht kommt, wenn insbesondere Sinn und Zweck der Vorschrift (aber auch Entstehungsgeschichte und Gesamtzusammenhang der Vorschriften) eine andere Deutung zulassen und eine wortgetreue Anwendung zu unerträglichen Ergebnissen führen würde. Dann kommt eine verfassungskonforme Auslegung in Betracht, die ihre Grenzen erst dort findet, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 24.05.1995, BVerfGE 93, 37). Eine Auslegung gegen den Wortlaut ist somit ausnahmsweise zulässig (a.A. Sozialgericht Berlin, Urteil vom 27.11.2009, S 37 AS 31127/09).

Die Änderung des § 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) zum 01.01.2009, d.h. insbesondere die Einführung des neuen Abs. 5a, nach dem ein Bezieher von Arbeitslosengeld II, der unmittelbar vor dem Bezug dieser Leistungen privat krankenversichert war, nicht versicherungspflichtig ist, und die parallele Einführung eines Basistarifs in der privaten Krankenversicherung im vergleichbaren Umfang des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung, ändert nichts an der gesetzlichen Konzeption des SGB II, dass für Leistungsempfänger ein umfassender Krankenversicherungsschutz ohne Beitragsbelastung vorgesehen ist (vgl. Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2009, S 5 AS 2121/09; Sozialgericht Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.10.2009, S 31 AS 174/09 ER). Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch den neugeregelten Verbleib des Hilfebedürftigen in der privaten Krankenversicherung eine Bedarfsunterdeckung bezweckt hat. Vielmehr ist der Entstehungsgeschichte der neuen Vorschriften zu entnehmen, dass der Gesetzgeber zwar eine gesetzliche Diskrepanz in Kauf genommen hat, er sich jedoch zum einen bewusst war, keine abschließende Lösung der Problematik gefunden zu haben (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2009, L 2 SO 2529/09 ER-B; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, L 15 AS 1048/09 B ER), und er sich zum anderen gerade nicht bewusst mit den erheblichen Folgen dieser neuen Gesetzeslage auseinandergesetzt hat. Im Gesetzgebungsverfahren konnte kein Konsens erzielt werden, ob die Unternehmen der privaten Krankenversicherungen oder die Allgemeinheit zusätzlich belastet werden sollen; nicht bezweckt war hingegen, die Leistungsempfänger mit zusätzlichen erheblichen Beiträgen zu belasten. Auch die weitere Entwicklung (vgl. BT-Drucksache 16/13965, Nr. 25 vom 28.08.2009) zeigt, dass die Gesetzgebungsorgane einen entsprechenden Handlungsbedarf sahen bzw. sehen. Von einer Vereitelung einer "Regelungsabsicht" des Gesetzgebers (so Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, L 15 AS 1048/09 B ER) kann aber dann nicht gesprochen werden, wenn im Rahmen einer teleologischen Auslegung die gesetzliche Konzeption der Gewährleistung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes ohne Beitragsbelastung für die SGB II-Leistungsempfänger aufrecht erhalten bleibt.

Ausgehend von dieser teleologischen Auslegung der gesetzlichen Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist gerade auch aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung eine wortgetreue Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG abzulehnen. Eine existenzgefährdende Bedarfsunterdeckung ist mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. dazu insbesondere Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09) nicht zu vereinbaren. Die Differenz zwischen dem an das Unternehmen der privaten Krankenversicherung zu zahlenden Beitrag und dem gemäß des Wortlautes des § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG von dem SGB II-Leistungsträger zu gewährenden Zuschuss in Höhe des Betrages, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist, müsste der Bedürftige faktisch aus seiner Regelleistung finanzieren. Dafür ist die Regelleistung gemäß § 20 SGB II indes nicht vorgesehen; sie dient der Sicherung des Lebensunterhaltes und nicht der Bestreitung der Kosten einer Absicherung im Krankheitsfall (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.2009, L 3 AS 3934/09 ER-B; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, L 15 AS 1048/09 B ER). Solange demnach der Gesetzgeber nicht eine Absenkung des reduzierten Beitrages zum Basistarif der privaten Krankenversicherung auf die Höhe des Zuschusses für in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte SGB II-Leistungsempfänger gesetzlich festlegt, ist zur Vermeidung einer mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zu vereinbarenden existenzgefährdenden Bedarfsunterdeckung eine Übernahme der Kosten zur privaten Krankenversicherung maximal bis zur Höhe des halbierten Basistarifs angezeigt.

"Für dieses Ergebnis spricht zudem ein ansonsten auftretender Wertungswiderspruch in der Behandlung der Gruppe von Hilfeempfängern, die bereits ohne Berücksichtigung der Beiträge für die private Krankenversicherung hilfebedürftig sind, einerseits, und der Gruppe der Hilfeempfänger, bei denen Hilfebedürftigkeit erst unter Berücksichtigung entsprechender Beiträge gegeben ist, andererseits. Nur auf erstere Gruppe von Hilfebedürftigen bezieht sich § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG, was dazu führen würde, dass nur für diese Gruppe ein Anspruch nur in Höhe der Beiträge in Höhe der für einen gesetzlich Krankenversicherten aufzubringenden Beiträge bestünde. Eine entsprechende Beschränkung wäre hingegen für die andere Gruppe der Hilfebedürftigen nicht vorgesehen. Für diese gälte § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG, wonach sich der zuständige Träger nach dem SGB II oder SGB XII im erforderlichen Umfang beteiligt, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird. Damit erfolgt hier keine Beschränkung auf die für einen gesetzlich Krankenversicherten aufzuwendenden Beträge. Danach hätte z.B. ein Hilfebedürftiger, der über ein geringes Einkommen verfügte, mit dem er seinen [ ...] Bedarf ohne Berücksichtigung seiner Krankenversicherungsbeiträge gerade noch abdecken könnte, der aber bereits bei Berücksichtigung minimaler Krankenversicherungsbeiträge hilfebedürftig würde, gemäß § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG Anspruch auf die volle Übernahme der ihm entstehenden Beiträge im halbierten Basistarif. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum ein Hilfebedürftiger, der möglicherweise nur einen ganz geringen Teil seiner Krankenversicherungsbeiträge aus eigenem Einkommen selbst abdecken kann, einen Anspruch gegenüber dem Grundsicherungsträger in Höhe des halbierten Basistarifes haben soll, nicht hingegen ein bereits auch ohne die Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge Hilfebedürftiger" (so überzeugend Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.12.2009, L 9 B 49/09 SO ER; vgl. auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2009, L 2 SO 2529/09 ER-B; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.2009, L 3 AS 3934/09 ER-B).

Es kann dahin stehen, ob demnach eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II oder des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG in Betracht kommt. Nach den Rechtsfolgen beider Tatbestände ist dem SGB II-Leistungsempfänger der Beitrag zu bewilligen, der für eine Krankenversicherung zu zahlen ist, die dem Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Übertragen auf den Fall des Klägers, also eines Hilfeempfänger, der bereits ohne Berücksichtigung der Beiträge für die private Krankenversicherung hilfebedürftig ist, sind die Kosten zur privaten Krankenversicherung maximal bis zur Höhe des halbierten Basistarifs zu übernehmen.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger bislang nicht in den Basistarif gewechselt ist. Der Krankenversicherungsbeitrag im Jahr 2009 in Höhe von monatlich 236,90 EUR zuzüglich eines anteiligen Selbstbehalts von 15,00 EUR (180,00 EUR / 12 Monate) liegt unter dem halbierten Basistarif in Höhe von 284,82 EUR (3.675,00 EUR x 15,5 % / 2). Die Überschreitung des halbierten Basistarifs in Höhe von 290,63 EUR (3.750,00 EUR x 15,5 % / 2) für das Jahr 2010 aufgrund des Krankenversicherungsbeitrages im Jahr 2010 in Höhe von monatlich 287,20 EUR zuzüglich des genannten anteiligen Selbstbehalts führt nicht zur Begrenzung auf den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist, sondern nur zur Begrenzung auf die Höhe des halbierten Basistarifs, also im vorliegenden Fall - neben der Zahlung des monatlichen Krankenversicherungsbeitrages in Höhe von 287,20 EUR - zu einer zusätzlichen Übernahme des Selbstbehalts in Höhe von monatlich 3,43 EUR.

Entsprechendes gilt auch für die von der Beklagten zu übernehmenden Kosten für die private Pflegeversicherung gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB II, also die Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang. Dabei ist nicht nur der Beitrag zu zahlen, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der sozialen Pflegeversicherung zu zahlen ist (so Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, L 15 AS 1048/09 B ER), sondern der tatsächliche Beitrag zur privaten Pflegeversicherung, maximal aber bis zur Hälfte des Höchstbeitrages zur sozialen Pflegeversicherung, d.h. im Jahr 2009 35,83 EUR (3.675,00 EUR x 1,95 % / 2) und im Jahr 2010 36,56 EUR (3.750,00 EUR x 1,95 % / 2). Die Beiträge des Klägers sind sowohl im Jahr 2009 (21,32 EUR) als auch im Jahr 2010 (21,22 EUR) günstiger als diese Maximalbeträge, so dass sie komplett von der Beklagten zu übernehmen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Beschwerdewert von 750,00 EUR überschritten wird.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem

Sozialgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen,

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Aachen schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.

Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.

Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.

Dr. Wille
Rechtskraft
Aus
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